Der »One Health«-Ansatz hat auf verschiedenen Ebenen Eingang in politische Prozesse gefunden. Grund dafür ist das vermehrte Auftreten von Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die wechselseitig zwischen Tier und Mensch übertragen werden können. One Health liegt an der Schnittstelle der Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen und fordert transsektorale Lösungen. Geht es um die praktische Ausgestaltung und Umsetzung des Ansatzes durch WHO, Regionalorganisationen und Staaten, ergeben sich zahlreiche inhaltliche Fragen. Besonders in drei Kontexten wird One Health derzeit thematisiert: in den Verhandlungen zum geplanten Pandemievertrag, in der Global Health Strategy der EU und in der Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit.
Der Gedanke, dass die menschliche Gesundheit multisektoralen Determinanten unterliegt, ist in jüngerer Zeit in verschiedene Initiativen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene eingegangen. Bezug genommen wird dabei auf One Health – einen integrativen Ansatz, der darauf abzielt, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen nachhaltig auszugleichen und zu optimieren. So lautet die entsprechende Definition, die das One Health High-Level Expert Panel (OHHLEP) im Jahr 2022 vorgestellt hat – eine Expertengruppe, die die Zusammenarbeit zwischen der sogenannten Quadripartite aus Weltgesundheitsorganisation (WHO), Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH), Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und deren Umweltprogramm (UNEP) koordiniert. One Health erkennt an, dass die Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und Umwelt einschließlich der Ökosysteme eng miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Der Ansatz adressiert damit eine Reihe von Sektoren und Disziplinen, die in den Bereichen Gesundheit, Umwelt, Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Ernährung zusammenarbeiten müssen.
Ausführlich thematisiert wird One Health in der Ende 2022 veröffentlichten Global Health Strategy der EU und der Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit von 2020, ebenso im Entwurf für ein internationales Abkommen zu Pandemieprävention, ‑vorsorge und ‑bekämpfung (»Pandemieabkommen«), der sich zurzeit in Verhandlung befindet. In diesen Dokumenten wird die Notwendigkeit betont, One Health eine zentrale Rolle bei der Prävention von Gesundheitsgefahren einzuräumen. Es gilt daher einen Blick auf die Ausgestaltung des Ansatzes im politischen Mehrebenensystem zu richten, damit sich mögliche Synergien bei der Umsetzung erkennen lassen.
Dimensionen von One Health
Der One-Health-Ansatz postuliert einen Wandel in der Art und Weise, wie das politische Engagement in den Bereichen Medizin, öffentliche Gesundheit, Tiergesundheit und Umwelt betrieben werden sollte. Konzeptionell wie auch politisch wird gefordert, über den Tellerrand hinauszublicken. Dies bedeutet konkret, dass die Treiber von Pandemierisiken von verschiedenen Institutionen, die sich traditionell eher auf ihre eigenen Zuständigkeitsbereiche beschränken, gemeinsam angegangen werden müssen.
Die zentralen Handlungsfelder für Institutionen hat das OHHLEP in der »Theory of Change« ausbuchstabiert. In den dazugehörigen Leitlinien werden Dutzende Faktoren für Gesundheitsrisiken genannt, die verschiedene Arten von Lösungen erfordern. Anhand dieser Risikofaktoren lassen sich Handlungsprioritäten setzen. So beschleunigt etwa der Klimawandel die Wanderung von Krankheitsüberträgern wie Moskitos über verschiedene Teile der Welt. Zudem birgt der zunehmende internationale Handel mit Wildtieren ein erhebliches Risiko, dass sich Zoonosen verbreiten. Die Auflistung des OHHLEP ist jedoch nicht erschöpfend, sondern bietet eher eine Orientierungshilfe, um Prioritäten zu bestimmen.
Es stellt sich somit die Frage, wie eine vertikale und horizontale Priorisierung auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene erreicht werden kann. Dafür bedarf es jedenfalls Debatten und Initiativen verschiedener Akteursgruppen. Der aktuelle Entwurf des Pandemieabkommens, die Global Health Strategy der EU und die Strategie der Bundesregierung sind drei notwendige, aber nicht ausreichende Instrumente zur Festlegung dieser Prioritäten. Wichtig ist auch hier, dass die Ausgestaltung und Umsetzung von One Health auf jeder Ebene denjenigen Aspekten Vorrang einräumt, die dort jeweils am besten adressiert werden können, so dass eine effiziente vertikale Aufgabenteilung entsteht.
Entwurf des Pandemieabkommens
Dem Pandemieabkommen wird auf internationaler Ebene eine bedeutende Rolle dabei zukommen, den One-Health-Ansatz einheitlich für die Staatengemeinschaft auszubuchstabieren. Im Entwurf des Vertrages findet sich die Definition von One Health, die das OHHLEP formuliert hat. In gleicher Weise könnten die Leitlinien der Theory of Change aufgenommen werden, um international Prioritäten festzulegen. Das Pandemieabkommen richtet den Fokus auf einige davon – nämlich Zoonosen, Antimikrobielle Resistenz (AMR) und One Health Surveillance.
One Health im existierenden Völkerrecht
Auf internationaler Ebene zielt der One-Health-Ansatz darauf ab, das Silodenken zwischen verschiedenen Organisationen und Akteuren zu überwinden. Damit soll die multilaterale Koordinierung von Pandemieprävention, ‑vorsorge und -reaktion verbessert werden. Ein Bereich, der einer solchen Koordinierung in besonderem Maße bedarf, ist die Datenerfassung für die Krankheitsüberwachung. Das Völkerrecht widmet sich nur teilweise diesem Feld und auch nur mit Blick auf separate Instrumente. Um die Lücke zu schließen, enthält der aktuelle Entwurf des Pandemieabkommens eine Reihe rechtlicher Verpflichtungen im Zusammenhang mit One Health.
Gemäß Artikel 5 des Entwurfs wären die Staaten gefordert, in ihre nationalen Pläne zur Pandemieprävention Maßnahmen zu integrieren, die sich mit den Determinanten des Auftretens von Krankheiten an der Schnittstelle zwischen Mensch, Tier und Umwelt befassen. Dazu zählen auch Klimawandel, Veränderungen in der Landnutzung, Handel mit Wildtieren, Wüstenbildung und AMR.
Als weitere One-Health-Verpflichtung sieht der Entwurf vor, die Überwachungskapazitäten zu verbessern. Die derzeitige Krankheitsüberwachung fußt darauf, dass krankheitsbezogene Ereignisse im jeweiligen staatlichen Hoheitsgebiet gemeldet werden. Auf internationaler Ebene existieren dafür im Moment mehrere Instrumente, die kaum miteinander verbunden sind. Diese mangelnde Verzahnung zeigt sich vor allem in den unzureichenden und wenig integrierten Überwachungsmechanismen verschiedener Organisation, ebenso in den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV).
Im Bereich der menschlichen Gesundheit sind die IGV das Hauptinstrument zur Meldung von Krankheiten an die WHO. Die Vorschriften lassen sich auf eine offene Liste von Krankheiten anwenden und spielen eine Kernrolle im transparenten Austausch von Daten über den WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence. Allerdings handelt es sich bei den IGV um ein streng anthropozentrisches Mittel des Völkerrechts, da Staaten die WHO nur benachrichtigen müssen, wenn sich eine Krankheit unter Menschen ausbreitet. Je nach Art der Krankheit ist es dann in der Regel schon zu spät für eine frühzeitige Infektionskontrolle. Keine der vorgeschlagenen Reformen der IGV würde diesen Mangel beheben, da es vermutlich inakzeptabel für Staaten wäre, umfangreichere Verpflichtungen zu erfüllen, etwa Ausbrüche auch bei Tieren innerhalb eines festen Zeitraums zu identifizieren und zu melden.
Im Gegensatz dazu verfügt die WOAH über Instrumente, um die Überwachung der Tiergesundheit zu fördern. Dazu gehören insbesondere der Terrestrial Animal Health Code und der Aquatic Animal Health Code. Anders als bei den IGV gibt es dort Listen von (derzeit 117) Krankheiten, bei denen die Überwachung hohe Priorität hat – auch wenn nicht gelistete Krankheiten ebenfalls gemeldet werden sollen. Eine umfassendere Überwachung von Wildtieren wäre denkbar, würde es aber erforderlich machen, diese Instrumente zu überarbeiten.
Während WHO, WOAH und FAO mit Überwachungssystemen ausgestattet sind, weist die aus diesen drei Organisationen sowie UNEP bestehende Quadripartite in der »One Health Intelligence Scoping Study« darauf hin, dass UNEP in der Reihe der kooperativen Aktivitäten unterrepräsentiert ist. Dies wirft die Frage auf, wie das UN-Umweltprogramm an einem erweiterten Global Early Warning System (GLEWS+) zusammen mit WHO, WOAH und FAO beteiligt werden könnte. Eine Möglichkeit bestünde darin, Verbindungen mit dem UN Biodiversity Lab und dem World Conservation Monitoring Centre herzustellen. Solche Rahmenprogramme können relevante Veränderungen in der biologischen Vielfalt überwachen. Allerdings wird sich hier wohl keine Meldepflicht für Staaten etablieren lassen, da es zu schwierig ist, genaue Parameter dafür zu bestimmen, welche Staaten wann Bericht erstatten müssen. Doch könnte UNEP zu einer One-Health-Überwachung beitragen, etwa durch Berichte, die dokumentieren, wie sich der Klimawandel auf die Migration bekannter Krankheitserreger auswirkt. Eine Identifizierung von Gebieten, die davon betroffen sind oder in denen dies wahrscheinlicher wird, wäre ein wichtiger Schritt für eine genauere Risikobewertung.
Prioritätensetzung und Kapazitätsaufbau
Neben der Bestimmung eines Handlungsrahmens und der Stärkung von Überwachungskapazitäten macht der One-Health-Ansatz die forschungsgestützte globale Erhebung verschiedener Kennzahlen erforderlich. Sie sollen es ermöglichen, vorhandene Kapazitäten nationaler Behörden etwa zur Prävention von Zoonosen und AMR zu bewerten, unterschiedliche Prioritäten zu identifizieren und die Leistungsfähigkeit der nationalen Politiken einzuschätzen. Anhand solcher Daten, die die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten eines Landes widerspiegeln, könnten Entscheidungsträger und ‑trägerinnen erkennen, ob im jeweiligen Fall bestimmte Faktoren mehr Gewicht haben (müssen) als andere. Diese Bewertung muss global und einheitlich erfolgen, bevor nationale Aktionspläne ausgearbeitet werden, da der One-Health-Ansatz in einem internationalen Rahmen und gestützt auf gemeinsame Indikatoren umgesetzt werden sollte.
Es gibt verschiedene Modelle sowohl für die Formulierung von One-Health-Verpflichtungen auf internationaler Ebene als auch für ihre Umsetzung durch nationale Behörden. Eines dieser Modelle findet sich im Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht und dessen Montrealer Protokoll. Demnach besteht die Hauptverpflichtung der Staaten darin, die Nutzung chemischer Stoffe deutlich zu reduzieren, von denen wissenschaftlich erwiesen ist, dass sie die Ozonschicht unmittelbar schädigen. Zu diesem Zweck gibt es »umsetzbare Aufgaben« (actionable tasks), wie UNEP sie nennt. Sie bilden Indikatoren dafür, was auf nationaler Ebene implementiert werden muss. Um diese Umsetzung finanziell zu unterstützen, wurde ein multilateraler Fonds eingerichtet. Auch er basiert auf einer viergliedrigen Zusammenarbeit, in diesem Fall zwischen UNEP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) und der Weltbank. In ähnlicher Weise könnte der jüngst geschaffene Pandemiefonds der Weltbank dazu beitragen, dass die Staaten Ressourcen zur Erfüllung von One-Health-Aufgaben bereitstellen, wenn diese formuliert werden.
Global Health Strategy der EU
Die EU hat den Pandemievertrag initiiert und beteiligt sich an den laufenden Verhandlungen darüber. Mit One Health beschäftigt sie sich außerdem in ihrer Ende November 2022 veröffentlichten Global Health Strategy. Deren Ziel ist es, Gesundheit zu einem zentralen Element europäischer Außenpolitik zu machen, was nicht zuletzt auch auf das geopolitische Potential von internationalem Gesundheitsengagement zurückzuführen ist. Zudem sollen Versäumnisse in der Erreichung der gesundheitsbezogenen UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) aufgeholt werden. Die Strategie ist somit als externe Dimension der sich im Aufbau befindlichen Europäischen Gesundheitsunion zu verstehen, sie lässt aber auch Rückschlüsse auf interne Priorisierungen zu. Inhaltlich adressiert die Strategie die Determinanten menschlicher Gesundheit; sie nennt im Zusammenhang mit One Health aber auch explizit Klimawandel, Umweltzerstörung und Nahrungsmittelsicherheit.
Die Diskussion des One-Health-Ansatzes in der Global Health Strategy ist deshalb relevant, weil das Dokument als Handlungsrahmen verstanden werden kann, der politische Prioritäten der EU-Kommission festlegt, konkrete Handlungsfelder im Bereich One Health identifiziert und zudem die Mitgliedstaaten zur Unterstützung einzelner Maßnahmen auffordert.
One Health in der EU-Gesundheitsstrategie
Die Global Health Strategy umfasst drei grundsätzliche Prioritäten und 20 Leitprinzipien. Bei der dritten Priorität bezieht sich das Dokument auf One Health; dieser Ansatz soll verfolgt werden, heißt es dort, um künftige Gesundheitsgefahren zu verhindern bzw. zu bekämpfen. Daneben stellen auch die einzelnen Leitprinzipien entsprechende Bezüge her. Hierbei ist jedoch zu unterscheiden zwischen teils eher generischen Referenzen und konkreten Handlungsansätzen. Drei Leitprinzipien enthalten Verweise auf One Health, die von besonderem Interesse sind.
Leitprinzip 9.3 bezieht sich direkt auf das Pandemieabkommen und stellt als dessen Ziel heraus, einen One-Health-Ansatz zu verfolgen. Die EU-Kommission kann als Verhandlungsführerin zwar ihre aus der Global Health Strategy abgeleiteten Präferenzen hinsichtlich eines One-Health-Ansatzes einbringen; sie muss allerdings das Verhandlungsmandat des Rats beachten, das die Autorisierung zu Verhandlungen auf Angelegenheiten beschränkt, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Im Annex zur Ratsentscheidung, der den spezifischen Umfang des Mandats ausbuchstabiert, wird One Health jedoch explizit als allgemeines Ziel und Grundsatz angeführt; die Kommission kann sich hier also vollumfänglich im Auftrag der Mitgliedstaaten engagieren. In diesem Zusammenhang wird auch die Bekämpfung von Antimikrobieller Resistenz mittels eines One-Health-Ansatzes genannt. Die Bedrohung durch AMR ist ein Phänomen, das die Folgen der Beziehung zwischen Mensch, Tier und Umwelt unmittelbar sichtbar werden lässt. So kann etwa die breite Verwendung von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin das Risiko erhöhen, dass Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten Resistenzen entwickeln. In den Verhandlungen zum Pandemievertrag kann die EU daher – im Rahmen ihrer Kompetenzen – One-Health-Aspekte sowie AMR im Sinne der Strategie thematisieren.
Abseits des Pandemieabkommens findet sich das Konzept in Leitprinzip 11.3 der Global Health Strategy; im Zusammenhang mit einer Intensivierung des Kampfes gegen AMR wird hier ein umfassender One-Health-Ansatz formuliert. Als besondere Risiken, die es zu bekämpfen gilt, führt die EU Veränderungen in der Nutzung von Agrarflächen, Umweltzerstörung, komplexe Lebensmittelproduktion sowie intensiveren Handel und Verkehr an. Zudem wird an der Stelle erneut die Gefahr durch AMR benannt und auf die Entwicklung neuer medizinischer Gegenmaßnahmen abgehoben.
Konkreter stellt sich die EU in Leitprinzip 12 auf. Hier wird zunächst das Ziel definiert, alle Politiken, die sich auf die globale Gesundheit auswirken, innerhalb der Kommission, der EU-Agenturen und der EU-Finanzierungsinstitutionen zu verknüpfen. Dazu gehört für die EU auch, einen One-Health-Ansatz im künftigen globalen UN-Biodiversitätsrahmen zu fördern sowie den Verlust von Biodiversität, den illegalen Handel mit Wildtieren, die Umweltverschmutzung und die Exposition gegenüber toxischen Stoffen zu bekämpfen. Obwohl die Global Health Strategy ein Anknüpfungspunkt für verschiedene Initiativen sein kann, ergeben sich daraus für die EU drei spezifische Handlungsfelder: Zoonosen, AMR und Einbeziehung von Umweltagenturen.
Handlungsmöglichkeiten der EU
Ein erstes Feld, auf dem die EU tätig werden kann, ist die Prävention von Zoonosen. Entsprechende Handlungsmöglichkeiten eröffnen sich vor allem über die Kompetenzen im Bereich des Binnenmarktes nach Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). In der Global Health Strategy spricht die EU explizit von »deep prevention«; Gesundheitsgefahren sollen demnach identifiziert werden, bevor Pathogene von Tieren auf Menschen übergehen. Besondere Relevanz bei dieser sogenannten Upstream-Prävention kommt dem illegalen, aber auch dem legalen Handel mit Wildtieren zu, ebenso den Änderungen in der Nutzung von Flächen, die mit einer Zerstörung natürlicher Habitate einhergehen.
Zur Umsetzung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), das den illegalen Handel mit Wildtieren unterbinden soll, existieren bereits zahlreiche Initiativen, darunter der EU Action Plan Against Wildlife Trafficking, der seinerseits expliziten Bezug auf den One-Health-Ansatz nimmt. Während die EU noch immer einer der wichtigsten Umschlagplätze für den illegalen Handel mit Wildtieren ist, bedroht auch der legale Handel die menschliche Gesundheit, denn dabei kann es innerhalb der EU und im Ausland ebenfalls zu Zoonosen kommen. Dies gilt vor allem deshalb, weil Handelsverbote sich primär an der Gefährdung der betroffenen Tiere orientieren und nicht potentielle Gesundheitsgefahren für Menschen adressieren. Allgemeine Verbote erscheinen wenig zielführend, doch könnte die EU analog zur CITES-Verordnung speziell den Handel mit solchen Tierarten regulieren, die ein entsprechendes Gefährdungspotential aufweisen. Zur Klassifizierung dieses Potentials könnte man das Raster des World Wide Fund For Nature (WWF) nutzen und gleichzeitig relevante Forschungsinstitute einbinden. Je nachdem würde sich dann ein grundsätzliches Handelsverbot oder eine stärkere Pflicht zu Testung der Wildtiere ableiten lassen. Zudem ist es auch innerhalb der EU beim Handel mit Tieren und vor allem bei der landwirtschaftlichen Massentierhaltung nötig, die Test- und Überwachungskapazitäten auszubauen. So unterstreicht der jüngste Ausbruch der Vogelgrippe auf einer Nerzfarm in Spanien, dass auch im Innern der EU neue Mutationen auftauchen können, die zoonotisches Potential haben.
Im Kampf gegen AMR könnte es die EU darüber hinaus unterstützen, dass neue medizinische Gegenmaßnahmen entwickelt werden und der Zugang dazu erleichtert wird. Dies betrifft unter anderem antimikrobielle Arzneimittel, Impfstoffe und Diagnostika. Hier wird es darauf ankommen, innovative Anreizsysteme für Forschung und Entwicklung zu etablieren; ebenso gilt es, eine länderübergreifende Zusammenarbeit in öffentlich-privaten Partnerschaften – wie die Innovative Medicines Initiative (IMI) – mit Forschungsprojekten im Rahmen des EU-Programms »Horizont 2020« zu fördern. So ließe sich das Risiko, dass Vorhaben scheitern, auf mehrere Mitgliedstaaten und die EU verteilen.
Eine solche unterstützende Tätigkeit liegt klar im Kompetenzbereich der EU nach Artikel 6 und 168 AEUV. So plant Brüssel derzeit, als Teil der neuen EU-Arzneimittelstrategie zur Schaffung größerer Forschungsanreize ein Voucher-Modell einzuführen. Dieses ist jedoch hochumstritten, vor allem weil alternative Vorschläge wenig diskutiert wurden. So oder so kann ein Anreizmodell nur eine Komponente im Vorgehen der EU sein.
Letztlich ist – ähnlich wie bei GLEWS auf internationaler Ebene – der Umweltbereich bei der EU derzeit nicht ausreichend vertreten. So basiert etwa das One Health European Joint Programme auf einem Zusammenschluss von 44 nationalen Einrichtungen und Verbänden aus dem Lebensmittel-, Veterinär- und Medizinbereich. Dabei sind reine Umweltagenturen unterrepräsentiert. Diese Asymmetrie beeinträchtigt die Chancen, das Beste aus einer One-Health-Strategie der EU herauszuholen.
Strategie der Bundesregierung
Bereits im Oktober 2020, also zwei Jahre vor Veröffentlichung der europäischen Global Health Strategy, wurde die Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit vorgelegt. Es handelt sich dabei zwar um kein verbindliches Dokument für die Bundesregierung, doch hat die Strategie insofern Bedeutung, als sie einen Handlungsrahmen deutscher (Außen-)Politik skizziert, neue Ansätze einführt und Prioritäten festlegt. Dies gilt auch nach dem Berliner Machtwechsel von 2021, denn die neue Bundesregierung bezieht sich explizit auf die Strategie und präsentiert sie als Grundlage des eigenen Handelns.
Inhaltliche Bezüge zu One Health
In dem Dokument nennt die Bundesregierung drei strategische Ziele: (1) Priorisierung von Bereichen, in denen sich Deutschland bestmöglich einbringen kann, (2) multilaterales Handeln und (3) Kohärenz auf allen Ebenen. Bemerkenswert ist, dass sich bereits in den Erläuterungen zum ersten Ziel ein Bezug auf One Health findet. Festgeschrieben werden hier ein »sektorübergreifendes Vorgehen« sowie »systemorientiertes Handeln« im Sinne dieses Ansatzes. Das erste Ziel gliedert sich in vier Prioritäten: (1) Förderung von Gesundheit und Verhinderung von Krankheiten, (2) ganzheitlicher Umgang mit Umwelt-, Klima- und Gesundheitsthemen, (3) Stärkung von Gesundheitssystemen und (4) Bekämpfung grenzüberschreitender Gefahren.
Unter die erste Priorität fällt zunächst die Bekämpfung von AMR. Schwerpunkte liegen hier auf der Umsetzung des Global Health Protection Programme, der Entwicklung und Umsetzung nationaler Aktionspläne sowie dem Auf- und Ausbau von Überwachungssystemen. Weiterhin verschreibt sich die Bundesregierung dem Anliegen, neue Antibiotika durch globale Produktentwicklungspartnerschaften zu erforschen und Berichte über Antibiotika in der Entwicklung (»Pipeline Reports«) zu erstellen. Im übrigen Dokument finden sich regelmäßig weitere Verweise auf AMR und deren Bekämpfung durch einen One-Health-Ansatz.
Mit Blick auf Zoonosen und die Verhinderung zukünftiger Epidemien und Pandemien will die Bundesregierung dieses Konzept gezielt nutzen. Sie beschränkt sich dabei jedoch auf den Hinweis, dass disziplin- und sektorenübergreifendes Handeln in Partnerschaft mit den relevanten internationalen Organisationen nötig sei. Konkreter werden die Ausführungen, wo es um einen ganzheitlichen Umgang mit Umwelt-, Klima- und Gesundheitsthemen geht. Im Detail strebt die Bundesregierung an, gesundheitsgefährdende Umwelt- und Klimaeinflüsse zu reduzieren, Artenvielfalt zu erhalten und das Auftreten invasiver Arten zu verhindern.
Bedeutung hat die nationale Ebene vor allem hinsichtlich ressortübergreifender Zusammenarbeit, bei Sorgfaltspflichten von Unternehmen sowie der Anpassung von Gesundheitssystemen. Die deutsche Regierung hat bereits 2021 ein informelles ministerielles Netzwerk zum Thema One Health aufgebaut. Damit sich tatsächlich eine umfassende Perspektive gewinnen lässt, sind allerdings gesellschaftliche Stakeholder wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und der Privatsektor miteinzubeziehen.
Umsetzbarkeit in Deutschland
Es liegt in der Natur des One-Health-Ansatzes, dass er verschiedene Ministerien gleichzeitig berührt und eine ressortübergreifende Zusammenarbeit erfordert. Während primär das Bundesministerium für Gesundheit betroffen ist, gilt es andere Häuser in einem institutionalisierten Rahmen ebenfalls zu beteiligen. Gefragt sind dabei vor allem das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium für Umwelt, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es würde sich anbieten, das informelle One-Health-Netzwerk unter Federführung des Gesundheitsressorts zu institutionalisieren und den Kreis der Beteiligten um Personen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Privatsektor zu erweitern. Ein entsprechendes Gremium könnte Beschlüsse, Verordnungen und Gesetzentwürfe vorbereiten, die sich mit Aspekten von One Health befassen.
Darüber hinaus muss sich auch das deutsche Gesundheitssystem unter solchen Gesichtspunkten an eine sich verändernde Welt anpassen. Dabei gilt es zum einen, in der Ausbildung human- und veterinärmedizinischen Personals gezielt One-Health-Ansätze zu vermitteln sowie Medizinerinnen und Mediziner in der Diagnose und Behandlung auch bisher in Deutschland wenig verbreiteter Zoonosen zu schulen. Berücksichtigen sollte man dabei insbesondere neue Zoonosen, die durch den Klimawandel begünstigt werden, wie etwa Dengue und Malaria. Wenn solche bislang als »tropisch« bezeichneten Krankheiten in Europa und Deutschland auftreten, wird es zum anderen nötig werden, entsprechende Behandlungskapazitäten zu erhöhen. Zurzeit behandeln in Deutschland nur 14 Kliniken jährlich mehr als zehn Patientinnen und Patienten mit tropischen Krankheiten. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels sollte die Zahl dafür ausgestatteter Krankenhäuser sukzessive erhöht werden.
Vertikale Priorisierungen
Wie durch die bisherigen Ausführungen deutlich wurde, ist es notwendig, nicht nur das One-Health-Konzept konkreter zu fassen und horizontal Silodenken abzubauen, sondern auch vertikal Synergien zu schaffen und das Handeln besser zu verzahnen. Der internationalen, regionalen und nationalen Ebene kommen dabei, wie auch in anderen Politikbereichen, ganz spezifische und auf die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten zugeschnittene Rollen zu. Diese Unterschiede werden oftmals nur indirekt adressiert, so dass bislang eine klare Definition von Aufgaben und Rollen fehlt. Im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips ist es jedoch möglich, Funktionen und Ziele aufzuteilen – je nachdem, ob sie besser auf internationaler, EU- oder nationaler Ebene umsetzbar sind.
Wie im Kontext von Pandemieabkommen, Global Health Strategy und deutscher Strategie zur globalen Gesundheit gesehen, beschäftigen sich alle Ebenen mit One Health. Doch bedarf es einer vertikalen Aufgabenteilung, in der Prioritäten gesetzt und Ziele zugewiesen werden. Für eine bessere Verzahnung sollte man sich allgemein an etablierten Bereichen vernetzten Regierens orientieren, wie zum Beispiel der Landwirtschaft oder dem European Green Deal. Zudem ergeben sich folgende konkrete Handlungsempfehlungen:
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Internationale Ebene: Priorität auf internationaler Ebene sollte sein, eine One-Health-Überwachung zu konsolidieren. Zu diesem Zweck gilt es die Quadripartite durch das Pandemieabkommen zu stärken. Genutzt werden kann in dem Zusammenhang auch der Pandemic Fund der Weltbank. Die Finanzierung von Kapazitäten sollte dabei einer kontextsensitiven Priorisierung folgen. Gleichzeitig muss die Umweltdimension auf internationaler Ebene gestärkt werden, etwa durch regelmäßige Berichte, Risikoeinschätzungen sowie Risikobewertungen, die den Klimawandel adressieren. Diese Aspekte des One-Health-Ansatzes kann die deutsche Regierung in verschiedenen Kontexten thematisieren – bei den Verhandlungen über das Pandemieabkommen und die Reform der IGV ebenso wie beim High Level Meeting on Pandemic Prevention, Preparedness and Response, das bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen angesiedelt ist.
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EU-Ebene: Die Europäische Union und regionale Organisationen können auf einer nachgeschalteten Ebene etwa durch Handelsnormen bzw. ‑verbote darauf Einfluss nehmen, wie One-Health-Ansätze umgesetzt werden. Zusätzlich sollte ein regionaler Zusammenschluss von Staaten initiiert und unterstützt werden, um Anreize für Forschung und Entwicklung zu schaffen sowie Risiken abzufedern.
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Nationale Ebene: Auf nationaler Ebene braucht es eine stärkere und vor allem institutionalisierte Zusammenarbeit von Ressorts. Ebenso sollten One-Health-Ansätze in Bereiche staatlichen Handelns überführt werden, die sich bislang exklusiv dem Schutz von Menschen widmen. Zudem müssen nationale Gesundheitssysteme an neue Herausforderungen angepasst werden, die durch den Klimawandel entstehen. Der Unterausschuss Globale Gesundheit des Deutschen Bundestags könnte diese Elemente einarbeiten.
Michael Bayerlein ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe EU/Europa. Dr. Pedro A. Villarreal ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen. Sie arbeiten im Projekt »Die globale und europäische Gesundheitsgovernance in der Krise«, das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert wird.
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DOI: 10.18449/2023A37