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Kooperation mit afrikanischen Staaten: Es geht noch was im UN-Sicherheitsrat

Kurz gesagt, 03.02.2020 Forschungsgebiete

Deutschland könnte sein zweites Jahr als nichtständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates nutzen, um die europäisch-afrikanische Zusammenarbeit zu intensivieren, meinen Melanie Müller und Judith Vorrath.

Weltpolitisch begann das neue Jahr turbulent, die Zwischenbilanz der Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat trat darüber in den Hintergrund. Durchaus positive deutsche Akzente können auch kaum darüber hinwegtäuschen, dass 2019 mit Blick auf die Kernaufgabe des UN-Sicherheitsrates – die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit – ernüchternd war. Bei der Lösung bewaffneter Konflikte mit besonders schweren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung wie in Syrien oder Jemen hat sich wenig bewegt. Dort, wo sich Konflikte wie in Libyen weiter internationalisiert haben, ist der Spielraum im Sicherheitsrat gering, insbesondere dann, wenn ständige Mitglieder beteiligt sind. Die jüngste Eskalation in der Golfregion nährt die Zweifel daran, ob die USA überhaupt noch ernsthaft auf multilaterale Foren setzen. Wenn neue Resolutionen im Sicherheitsrat verabschiedet werden, sind sie mitunter verwässert oder fallen hinter Formulierungen früherer Beschlüsse zurück. Daran kann auch die Zusammenarbeit zwischen europäischen und afrikanischen Staaten wenig ändern. Es gibt aber eine Reihe von Krisen und Konflikten, zu denen weiterhin relevante Beschlüsse im UN-Sicherheitsrat möglich sind, gerade wenn die nichtständigen Mitglieder gemeinsame Positionen entwickeln.

Potenzial trotz Unterschieden

Besonders bei Fragen von Frieden und Sicherheit in Europa und Afrika gab es 2019 viel Übereinstimmung unter den afrikanischen und europäischen Mitgliedern des Sicherheitsrates. Zwar mögen die Elfenbeinküste und Äquatorialguinea während ihrer Mitgliedschaft (2018-2019) wenig in Erscheinung getreten sein. Südafrika aber, das noch ein weiteres Jahr im Sicherheitsrat vertreten sein wird, strebt weiterhin gemeinsame Positionen und eine bessere Koordinierung zwischen den nichtständigen afrikanischen Mitgliedern (A3) an. Das ähnelt dem Ziel Deutschlands, die europäische Stimme im Sicherheitsrat zu stärken. Während ihrer »Zwillingspräsidentschaft« im März und April 2019 setzten Deutschland und Frankreich die Sahel-Region weit oben auf die Agenda des Sicherheitsrates. Themenschwerpunkte ihres Vorsitzes wie der Schutz von Frauen in Konflikten, ihre Rolle bei der Konfliktbewältigung sowie die Reduzierung von Kleinwaffenhandel sind auch für afrikanische Staaten besonders relevant.

Zum Jahreswechsel sind Tunesien und Niger neu in den Sicherheitsrat gekommen. Beide Staaten sind wichtige, aber auch schwierige Partner deutscher Außenpolitik in ihren jeweiligen Regionen. So hat die Inhaftierung eines Mitgliedes des UN-Expertenteams für Libyen in Tunesien schon vor der Wahl des Landes in den Sicherheitsrat für enorme Irritationen gesorgt. Niger ist ein hybrides Regime mit demokratischen und autoritären Zügen, in dem es immer wieder zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommt. Beide Staaten waren zudem lange nicht im Sicherheitsrat vertreten: Niger zuletzt 1980/1981, Tunesien 2000/2001. Die politischen Rahmenbedingungen in beiden Ländern waren damals völlig andere; ihr Verhalten ist daher schwer absehbar. 

Ansatzpunkte für stärkere Kooperation

Worauf kommt es in dieser Ausgangslage an? Auf neue, nichtständige Mitglieder warten viele Herausforderungen. Sie müssen sich schnell in Arbeitsmethoden und Abläufe des Gremiums einarbeiten. Staaten wie Deutschland, die regelmäßiger im Sicherheitsrat vertreten sind, verfügen in der Regel über mehr Personal und Erfahrung. Deutsche Diplomaten sollten daher die Kommunikationskanäle in New York sowie zu den Vertretungen in den jeweiligen Hauptstädten ausbauen, um eigene Erfahrungen mit den unerfahrenen Mitgliedern zu teilen sowie Vorbehalte gegen neue Initiativen auszuloten. Dabei ist Südafrika als potenzielles Bindeglied besonders wichtig, zumal das Land Anfang Februar für ein Jahr den Vorsitz der Afrikanischen Union übernommen hat.

In seinem Abstimmungsverhalten ist Deutschland vor allem auf Einigkeit mit den vier anderen europäischen Mitgliedern bedacht, die keineswegs selbstverständlich ist, wie der Fall Libyen zeigt. Doch bei den 29 verabschiedeten Resolutionen im Jahr 2019, die Länder in Europa oder Afrika betrafen, stimmten europäische und afrikanische Mitglieder stets gleich ab. Lediglich bei zwei Resolutionen zur Westsahara, einer zu Sudan/Südsudan und einer zu Somalia enthielten sich einzelne afrikanische Mitglieder.

Gemeinsam mit den drei afrikanischen Staaten erzielen die europäischen Mitglieder schon acht der neun Stimmen, die für die Verabschiedung einer Resolution nötig sind – wenn gleichzeitig das Veto eines ständigen Mitglieds (P5) ausbleibt. Eine klare Unterstützung durch die A3 kann zudem gerade für die Zustimmung Chinas und Russlands relevant sein.

Neue Impulse in politisch besonders brisanten Krisen mögen kaum zu erwarten sein; in einigen Konflikten und Friedensprozessen gibt es jedoch Spielraum für ein gemeinsames Vorgehen. Dies gilt für solche Fälle in Afrika, die kontinuierlich auf der Agenda des Sicherheitsrates stehen, weil es UN-Missionen vor Ort gibt, und bei denen zugleich die Interessen der P5 nicht zu stark divergieren. Eine solche Konstellation hat es etwa während des Umbruchs im Sudan und bei der Verlängerung der UN-Mission in Darfur gegeben: Hier bezogen die A3 gemeinsame Positionen, die weitgehend mit den europäischen kompatibel waren. In den Friedensprozessen in Mali und der DR Kongo haben jeweils Niger und Südafrika ein starkes regionales Interesse, das eine Chance für gemeinsame Initiativen mit den Europäern bieten könnte.

Niger wird sich voraussichtlich stark an die Positionen Frankreichs anlehnen. Doch es gibt auch Spannungen bei der Frage, wie der Terrorismus in der Sahelzone bekämpft werden soll; hier könnte Deutschland die Debatten mit eigenen Positionen voranbringen. Schwieriger gestaltet sich die Konstellation mit Blick auf Libyen. Tunesien verweigerte die Teilnahme am Berlin-Gipfel, weil es nicht in den Vorbereitungsprozess eingebunden und zu spät eingeladen worden war. Für eine Resolution im Sicherheitsrat zu den Ergebnissen von Berlin wird dies zumindest nicht hilfreich sein, wenn auch die Positionen der ständigen Mitglieder der entscheidende Hemmschuh sein dürften.

Die Bundesregierung sollte vor allem Südafrika als wichtigsten Partner unter den A3 besonders einbinden. Der Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in Südafrika in dieser Woche bietet die Chance, die Zusammenarbeit mit Präsident Cyril Ramaphosa zu stärken und Möglichkeiten für europäisch-afrikanische Initiativen im UN-Sicherheitsrat auszuloten.