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Konferenzbericht: Mehr Demokratie und Rechenschaftspflicht in der Europäischen Union: Aufgaben für den Europäischen Konvent?

Conveu 30, 15.03.2003
*document_data|a:3:{s:15:"asset_fieldname";s:0:"";s:13:"img_module_id";s:1:"3";s:10:"asset_data";a:3:{s:2:"id";s:3:"744";s:12:"thumbnail_id";i:619;s:7:"caption";s:32:"Amina Sabeur und Christof Berlin";}}*>Sabeur, Berlin: Konventsynopse Bd. 3 */document*>Der Verfassungsentwurf des Konvents: Die Artikel 24 –33

Dietmar Nickel widmete sich in seinem Vortrag zunächst dem Instrument der Mitentscheidung. Hierbei befürwortete er, daß alle legislativen Maßnahmen Gegenstand des Verfahrens der Mitentscheidung sein sollten. Die Entscheidung darüber was legislativ sei, sollten die beiden Gesetzgeber – Rat und Europäisches Parlament – unter der Kontrolle des EuGH gemeinsam treffen. Die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens bei Einstimmigkeit im Rat sei jedoch schwieriger als in den Bereichen, in denen der Rat mit Mehrheit abstimmen könne. Allerdings zeige die Praxis, daß das EP ausreichenden Handlungsspielraum zwischen der zweiten und dritten Lesung geltend machen könne. Das Verfahren der Mitentscheidung wäre daher zu vereinfachen. Dies sei auch in Arbeitsgruppe IX des Europäischen Konvents aufgeworfen worden. Anschließend untersuchte Nickel den Entwurf der Artikel 24 bis 33 des Verfassungsvertrages. Hierbei beurteilte er als positiv, daß die Konzeption und die Abfolge der vorgeschlagenen Artikel ursprünglich aus Berichten des Europäischen Parlamentes stammten. Zu begrüßen sei auch der Vorschlag, alle Gesetzgebungsakte künftig vom Europäischen Parlament und vom Rat anzunehmen und dies für die übertragene Gesetzgebung mit Verfahren der ex-post Kontrolle zu verbinden. Gefragt werden müsse aber danach, an wen diese Gesetzgebung übertragen werden solle. Weitere offene Fragen sah er hinsichtlich a) der genauen Bedeutung der Übertragung von Gesetzgebungszuständigkeiten, b) dem Verfahren zur gemeinsamen Annahme von Gesetzesakten, c) des möglichen Falls, daß sich die beiden Gesetzgebungsorgane auf keinen Akt einigen könnten, d) einer gemeinsam zu vereinbarenden Frist für Entscheidungen, welche derzeit bei insgesamt 6 Monaten für das Europäische Parlament und bei insgesamt 9 Monaten innerhalb des Rates liegt und e) den Folgen, wenn der Rat innerhalb der Dreimonatsfrist untätig bliebe.

Hannes Swoboda, MdEP betonte in seinem Kommentar die legislative und politische Autorität des Europäischen Parlaments, das die einzig direkt demokratisch gewählte Körperschaft in der Europäischen Union sei und bleiben sollte. Hierbei warnte er davor die politische Funktion des Europäischen Parlaments im Bereich der GASP und teilweise auch in der dritten Säule zu unterschätzen. Die ausschlaggebenden Punkte einer verstärkten Beteiligung des Europäischen Parlaments in wirtschaftlichen und außenpolitischen Angelegenheiten seien insbesondere im Vorfeld einer Entscheidung zu identifizieren und mit Blick auf diese frühen Phasen der Entscheidungsfindung zu reformieren. Den Präsidenten der Europäischen Kommission durch das Europäische Parlament wählen zu lassen, berge die Gefahr für das Europäische Parlament, zu einem „normalen“, parteipolitisierten Parlament zu werden. Es sei durchaus von Vorteil sich nicht in einer starren Struktur mit einer Regierung und einer Opposition wie in den nationalen Parlamenten zu befinden. Ferner befürwortete Swoboda die Idee einer längerfristig angelegten Europäischen Präsidentschaft und spekulierte, daß mit einer solchen Institution die gegensätzlichen europäischen Ansichten hinsichtlich der Irakfrage nicht in der gegenwärtig zu beobachtenden Weise artikuliert worden wären. Er könne sich die Einrichtung eines solchen Amtes innerhalb der nächsten zehn bis zwanzig Jahre durchaus vorstellen. Allerdings - ergänzte Swoboda - sei ein starker, tatsächlich als Kopf des Europäischen Rates handelnder Präsident nicht denkbar, da sich die Staats- und Regierungschefs der größeren Mitgliedstaaten niemals einer solchen Person unterordnen würden. Des weiteren kommentierte Swoboda das Verfahren der Mitentscheidung. Nach seiner Ansicht arbeitete dieses Instrument in vielerlei Hinsicht gut und effizient, dennoch solle und könne es schneller durchgeführt werden als es derzeit geschehe – Reformen müßten hierbei allerdings eher beim Rat als beim Parlament ansetzen. Die übertragene Gesetzgebung betrachtete er als einen Prozeß, der schrittweise dazu führe dem Europäischen Parlament mehr Befugnisse zu übertragen.

Die anschließende Diskussion konzentrierte sich auf die Identifizierung möglicher Reformoptionen im Hinblick auf zusätzliche Befugnisse für das Europäische Parlament. Hierbei wurde festgestellt, daß das Europäische Parlament nicht über die Befugnisse zur vollständigen Kontrolle des Haushaltes verfüge; im Agrarbereich fehle der politische Wille, dem Europäischen Parlament weitere Entscheidungskompetenzen zu übertragen. Andere erklärten einen Bedarf an zusätzlichen Kompetenzen für das Europäische Parlament im Bereich der Mitentscheidung und hinsichtlich der Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, daß die wachsende Anzahl der exekutiv agierenden EU-Agenturen wie Europol keiner wirklichen Kontrolle unterlägen. Dies könne eine künftige Rolle des Europäischen Parlamentes sein. Außerdem bestünden in den Feldern der GASP, der ZJIP und der Handelspolitik weitere, noch nicht erschlossene Bereiche für die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens.

Um Spannungen zwischen den Institutionen der Europäischen Union zu vermeiden sollte ein hauptamtlicher Präsident des Europäischen Rates nicht über umfangreiche Kompetenzen verfügen. Die kleinen Mitgliedstaaten lehnten die Einführung eines solchen Präsidenten ab, da sie durch diesen das Ende ihres mittelbaren Einflusses – über die Kommission und das Europäische Parlament – befürchteten. Schließlich wurde der Spekulation Swobodas widersprochen, ein solcher Präsident hätte hinsichtlich der europäischen Reaktion auf die Irakfrage einen Unterschied bewirken können.

Die Diskussion ging auch der Frage nach, weshalb der Verfassungsentwurf der Artikel 24 bis 33 zwei spezielle Bestimmungen in Artikel 25 und Artikel 31 hinsichtlich des ZJIP vorsehe. Die Vermutung wurde geäußert, daß diese Aufteilung darauf abziele, die gegenwärtige Teilung zwischen den im EG-Vertrag sanktionierten Bereichen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und den in der dritten Säule verbleibenden Bereichen der Polizei- und Strafrechtskooperation durch die Hintertür zweier Verfassungsartikel zu bestätigen. Gegen diese Interpretation wurde allerdings angemerkt, daß sich die Bestimmungen beider Artikel auf die dritte Säule bezögen.

Ferner wurde der Sinn der Einstimmigkeitsregel in Artikel 16 des Verfassungsentwurfs in Frage gestellt, da es nur schwer vorstellbar sei, wie 25 Mitgliedstaaten über die Erschließung einer nicht explizit sanktionierten EU-Kompetenz noch einstimmig entscheiden könnten.