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Konferenzbericht: Mehr Demokratie und Rechenschaftspflicht in der Europäischen Union: Aufgaben für den Europäischen Konvent?

Conveu 30, 15.03.2003
Problemlösung im Europäischen Konvent: deliberative oder strategische Verfahren?

*document_data|a:3:{s:15:"asset_fieldname";s:0:"";s:13:"img_module_id";s:1:"3";s:10:"asset_data";a:3:{s:2:"id";s:3:"691";s:12:"thumbnail_id";i:587;s:7:"caption";s:21:"13 pages (PDF, 50 KB)";}}*>Christopher Lord */document*>untersuchte in seinem Vortrag inwieweit der Konvent eine Verschiebung von strategischen zu deliberativen Verfahren bei der Lösung von Legitimitätsproblemen darstellt. Für eine deliberative Arbeitsweise sprächen die öffentlichen Tagungen des Konventes, die Beteiligung eines breiteren Spektrums an Akteuren und daß der Konvent eine kreativere Denkwerkstatt sei. Hierbei wies er auf die im Konvent entwickelten Vorschläge zur Rolle der nationalen Parlamente und zur Reform der Kompetenzordnung hin. Im Gegensatz dazu führe die Tatsache, daß nach dem Konvent eine Regierungskonferenz folgt, zu dem Bargaining-Stil der Regierungskonferenz bereits vorgreifenden Reformschritten wie beispielsweise hinsichtlich der Einführung von zwei Präsidentenämtern in das System der Europäischen Union. Dieser Vorschlag stelle kein Beratungsergebnis des Konvents dar, sondern sei vielmehr Ausdruck eines strategischen Interessenspiels zwischen Deutschland und Frankreich. Aus seinen Ergebnissen schlußfolgernd erklärte Lord, der Konvent ziehe zwar verstärkt beratende Elemente zur Lösung von Legitimationsproblemen ein, allerdings habe sich das für Regierungskonferenzen charakteristische Feilschen um nationale Interessen sowohl durch die Vorder- als auch durch die Hintertür wieder eingeschlichen.

Demokratiegestaltung in der Europäischen Union

Zu Beginn seines Vortrages erklärte *document_data|a:3:{s:15:"asset_fieldname";s:0:"";s:13:"img_module_id";s:1:"3";s:10:"asset_data";a:3:{s:2:"id";s:3:"692";s:12:"thumbnail_id";i:588;s:7:"caption";s:21:"10 pages (PDF, 42 KB)";}}*>Johannes Pollak*/document*>, der Titel der Konferenz ließe darauf schließen, daß es innerhalb des komplexen Regierungssystems der Europäischen Union einen Mangel an Demokratie gebe. Tatsächlich sei spätestens seit dem Vertrag von Maastricht das „Demokratiedefizit" der Europäischen Gemeinschaft zu einem Schlüsselbegriff in der politikwissenschaftlichen Literatur geworden. Um der Frage nach Demokratiegestaltung in der Europäischen Union nachzugehen, definierte Pollak zunächst die Bedeutung von Demokratie als „die Einflußnahme der Gesellschaft auf den Prozeß der Beschlußfassung der Regierung". Dementsprechend bedeute ein „Demokratiedefizit" eine behinderte Einflußnahme des Volkes bzw. der Völker auf die institutionellen Kernelemente der Regierung. Vor diesem Hintergrund legte Pollak als Voraussetzungen für ein demokratisches System folgende Punkte dar: a) Rechtsstaatlichkeit, die zweifelsohne in der Europäischen Union durch die wichtige Rolle des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gewährleistet sei.b) Transparenz, damit der Prozeß der Politikgestaltung von den Bürgern auch verfolgt werden könne. c) Eine kollektive Identität, die sich nur in einem ausreichend homogenen Volk, einem Demos entwickeln könne. Zu den Errungenschaften hinsichtlich einer demokratischen Europäischen Union zählte laut Pollak die Ausweitung der am Entscheidungsprozeß Beteiligten. Allerdings zeigten die Ergebnisse des Eurobarometers einen stetigen Rückgang des permissiven Konsenses und eine wachsende Zahl von Bürgen, die sich nicht für die Europäische Union interessierten. Vor diesem Hintergrund schlug Pollak einige Reforminstrumente vor: a) Eine Verstärkung der ex–post Kontrollen durch die nationalen Parlamente, b) Die Begründung neuartiger Revisionsverfahren für die EG/EU-Verträge bzw. die EU-Verfassung, wobei allerdings festzustellen sei, das der derzeitige Europäische Konvent keine repräsentative Einrichtung ist, c) die um Transparenz bemühte Ordnung der Kompetenzen der am EU-Prozeß beteiligten Handlungsebenen, d) eine öffentliche, direkte Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission und e) die Vereinfachung des EU-Primärrechts durch einen neuen im Europäischen Konvent erarbeiteten Verfassungsvertrag, der die gegenwärtigen Verträge außer Kraft setzen solle.

In der anschließenden Diskussion wurde zunächst nach Alternativen zum Europäischen Konvent gesucht. Gewarnt wurde hierbei vor der Überforderung und Überlastung der Bürger. Andere schlugen als Alternativen die weitere Stärkung des Europäischen Parlaments, die Gründung einer anderen gewählten Versammlung, eine vom Europäischen Rat aufgestellte Reflexionsgruppe oder eine Mischung aus dem Europäischen Parlament und dieser Gruppe vor. Allerdings müsse neben dem Vorteil des Konvents als Beratungsforum auch zu bedacht werden, daß hiermit eine Institution geschaffen wurde, die keine rechtsverbindlichen Vorschläge unterbreiten könne. Weiterhin wurde das derzeitige Ergebnis des Konvents, Artikel 1 bis 33, analysiert und hinterfragt, ob es wirklich notwendig war, einen Konvent einzuberufen, um diese Artikel innerhalb eines halben Jahres zu erarbeiten oder ob diese nicht genauso gut von einer gewöhnlichen Regierungskonferenz hätten entwickelt werden können. Hierauf wurde in der Diskussion erwidert, daß das Modell der Regierungskonferenz seitens seiner unmittelbar Beteiligten für „tot" erklärt worden sei und der Konvent daher in seiner jetzigen Erscheinungsform als neue Reformvariante angenommen wurde. Zudem erinnerte ein Konferenzteilnehmer daran, daß die Vorbereitung einer Regierungskonferenz vollständig von den Weisungen der nationalen Regierungen abhinge. Dies habe im Falle der Regierungskonferenz von Maastricht dazu geführt, daß die Aspekte der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) gut vorbereitet gewesen seien, während die Verhandlungen über eine Politische Union in ein Desaster geführt hätten. Folglich sei der Konvent eine bessere Einrichtung als der traditionelle Weg. Schließlich wurde auch ein Vorteil in der Beteiligung der nationalen Regierungen in den Reformprozeß gesehen, da früher oder später ja doch die nationalen Interessen berücksichtigt werden müßten. Im Konvent müßten sich diese Interessen öffentlich rechtfertigen; dieser Zwang zur Offenlegung des hinter einzelnen Positionen stehenden Motivs trüge zu einer gewissen „Einhegung" nationaler Blockaden bei.

Hinsichtlich des von Pollak geäußerten Kommentars, der Konvent sei keine repräsentative Einrichtung, wurde gefragt, ob diese Bedingung von Bedeutung sei; zumal er über keine Stimmrechte verfüge. Für eine Körperschaft wie den Konvent sei es kaum möglich, 400 Millionen Bürger zu vertreten. Die repräsentative Demokratie sei ein Regierungs- „prinzip", ihre praktische Umsetzung entlang der idealen Prinzipien mithin ein Mythos. Weiterhin wurde daran erinnert, daß sich der Konvent aus dem institutionellen Dreieck der Europäischen Union sowie der nationalen Parlamente zusammensetzt. Dies sei weitaus repräsentativer, als wenn beispielsweise das Europäische Parlament einen Vertrag erarbeiten würde. Dagegen konnte aber gehalten werden, das die Vertretung der EU - Organe im Konvent nicht ausreiche, um ihm den Charakter einer repräsentativen Einrichtung zu verleihen. In der Praxis der vergangenen Monate habe sich der Charakter des Konventes wesentlich durch die direktere Teilnahme der Regierungen und Ministerien – über die Entsendung der Außenminister – verändert.