Direkt zum Seiteninhalt springen

Elitenwandel in der arabischen Welt und Iran

SWP-Studie 2002/S 41, 15.12.2002, 209 Seiten Forschungsgebiete

Die Staaten der arabisch-nahöstlichen Welt befinden sich in der Anfangsphase eines umfangreichen Generations- und Elitenwechsels. Die Frage «Wer kommt nach Präsident oder König ...?» stellt sich heute für die Mehrzahl der Länder in der Region.

Der Generationswechsel wird sich nicht nur auf der obersten Entscheidungsebene abspielen. Eine recht umfassende Erneuerung der weiteren politischen Führungsschicht hat vielmehr in den meisten Ländern der Region begonnen oder steht dort zumindest an. Es wäre naiv anzunehmen, daß eine neue, jüngere Elite auch in jedem Fall fortschrittlicher oder liberaler wäre als ihre jeweiligen Vorgänger. Sicher ist allerdings, daß die neue Elitengeneration andere Erfahrungen mitbringt und anders sozialisiert worden ist. Ihre Mitglieder verfügen auch über andere technische Möglichkeiten, die ihrerseits politisch-gesellschaftliche Implikationen haben. So können wir etwa erwarten, daß eine neue Führungselite, die der Internet-Generation angehört, weniger Interesse an staatlich kontrollierten Medien und weniger Angst vor der Verbreitung unzensierter Informationen hat.

Um Veränderungen zu begreifen, die sich in der arabischen Welt und in Iran vollziehen oder vorbereiten, wird man auf die Wechselwirkungen achten müssen zwischen der Erneuerung politischer Eliten auf der einen und wirtschaftlichen Anpassungsprozessen, politischem Systemwandel und der Entwicklung regionaler Konflikt- und Kooperationsbeziehungen auf der anderen Seite. Gleichzeitig ist zu fragen, welche politische Agenda die neuen Eliten haben.

Europa täte gut daran, sich auf den Generationswechsel in seinem südlichen nahen Ausland vorzubereiten, beispielsweise, indem sie die Träger von politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Modernisierung in der Region identifizieren. Deutsche und europäische Politik sollten versuchen, junge Eliten bei der Suche nach politischer Teilhabe und sozio-ökonomischer Reform zu unterstützen und deren Ausbildung und Training zu fördern. Für die zwischenstaatlichen Zusammenarbeit kann dies in manchem Fall bedeuten, altgedienten Partnern, die inneren Wandel blockieren, die Unterstützung zu entziehen. Deutsche und europäische Politik wird im Gespräch mit den jungen Führungseliten deutlich machen müssen, daß effiziente wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung auch Reformen im Bereich der Regierungsführung braucht.

Inhalt

Volker Perthes
Einleitung: Die arabische Welt und Iran und ihre neuen politischen Eliten
S.7-18

Saloua Zerhouni
Marokkos Elite: Mehr Recycling als Erneuerung
S.19-33

Isabelle Werenfels
Algerien: Die Revolution beruft ihre Enkel
S.34-49

Steffen Erdle
Zwischen Restauration und Transformation: Elitenwechsel in Tunesien
S. 50-64

Amal Obeidi
Elitenstruktur in Libyen: Neue Institutionen und aufstrebende Eliten
S.65-77

Gamal Abdelnasser
Elitenwechsel in Ägypten: Die Lücke verstehen
S.78-94

André Bank
Abdallahs Jordanien: More business than usual
S.95-106

Muriel Asseburg
Die palästinensischen Selbstverwaltungsgebiete: Was kommt nach Arafat?
S.107-123

Ahmed Badawi
Determinants of Change in Elite Behaviour and Relative Influence in Palestine: A Preliminary Review of Evidence
S.124-137

Rola el-Husseini
Geschlossene Gesellschaft: Libanons Nachkriegselite
S.138-155

Volker Perthes
Syrien: Schwieriges Erbe
S.156-171

Iris Glosemeyer
Saudi-Arabien: Wandel ohne Wechsel?
S.172-188

Johannes Reissner
Iran: Vor dem Ende klerikaler Macht?
S.189-208