Barack Obama muss die USA auf einen neuen Wachstumspfad führen. Doch die Pläne, die er in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt hat, werden sich schwer realisieren lassen, sagen Stormy-Annika Mildner und Marja Freudenberg.
Kurz gesagt, 27.01.2011 ForschungsgebieteStormy-Annika Mildner
Barack Obama muss die USA auf einen neuen Wachstumspfad führen. Doch die Pläne, die er in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt hat, werden sich schwer realisieren lassen, sagen Stormy-Annika Mildner und Marja Freudenberg.
Der American Dream ist ausgeträumt, der amerikanische Traum vom sozialen Aufstieg – vom Tellerwäscher zum Millionär – ist kaum noch möglich. Schon sprechen in den USA viele vom New Normal, einer neuen, ärmeren Wirklichkeit für einen großen Teil der amerikanischen Bevölkerung. Die wirtschaftliche Krise der vergangenen drei Jahre hat das Land nachhaltig verändert. Die Arbeitslosigkeit ist mit 9,4 Prozent nach wie vor auf einem für die USA ungewöhnlich hohen Niveau. Zählt man diejenigen hinzu, die das Suchen bereits aufgegeben haben, läge die Arbeitslosenquote wohl bei 17 Prozent, und auch die strukturelle Arbeitslosigkeit steigt. Der Großteil der Bevölkerung ist angesichts dieser Entwicklung und wachsender Einkommensungleichheit zutiefst verunsichert.
Dieser Verunsicherung hat Präsident Barack Obama in seiner diesjährigen Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress Rechnung getragen und ist besonders auf die wirtschaftliche Situation des Landes eingegangen. Die Verbesserung der amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit hat er als eines der wichtigsten Ziele des kommenden Jahres in Aussicht gestellt. Doch obwohl er für seine Rede Applaus von Demokraten und Republikanern gleichermaßen erhielt, und sich Obama auch mit Blick auf das Attentat auf die demokratische Politikerin Gabrielle Giffords als Präsident der Mitte, der über dem Parteienstreit steht, präsentierte, wird es ihm schwer fallen, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Es bleibt fraglich, ob das von ihm angekündigte Programm die USA auf einen neuen Wachstumspfad wird lenken können.
Die USA stehen vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen. Der Internationale Währungsfond (IWF) prognostiziert für 2011 mit drei Prozent zwar ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum als erwartet, doch steht der Aufschwung auf wackeligen Beinen. Im Global Competitiveness Index (GCI) des Davos World Economic Forum sind die USA von Platz Zwei für den Zeitraum 2009/2010 mittlerweile auf Platz vier gerutscht. Grundlage des GCI ist ein umfassender Vergleich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften, in den zahlreiche Faktoren mit einfließen. In den Bereichen Innovation (Platz 1), Hochschulwesen (Platz 9) und Marktgröße (Platz 1) zeichnen sich die USA dem aktuellen GCI zufolge nach wie vor durch besondere Wettbewerbsfähigkeit aus. Besonders schlecht sieht es hinegen laut GCI in den Kategorien makroökonomisches Umfeld (87), Institutionen (40), Grundschulausbildung und Gesundheit der Bevölkerung (42) und Finanzmarktentwicklungen (31) aus.
Außerdem droht nach der Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise den USA nun die Verschuldungskrise. Anfang Januar alarmierte US-Finanzminister Timothy Geithner in einem eindringlichen Brief an den Kongress, dass die gesetzlich festgeschriebene Schuldenobergrenze von 14,29 Billionen US-Dollar bereits im März erreicht werden könnte – und bat den Kongress um eine Anhebung der selbigen. Laut IWF ist die Neuverschuldung der USA mehr als doppelt so hoch wie in Europa. Im Haushaltsjahr 2011 könnte sich das Defizit wieder auf elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen. Wird nicht kräftig umgelenkt, drohen die Gesamtschulden der USA bis 2016 kaum vorstellbare 110 Prozent des BIP zu erreichen. Nur ein rigoroses Sparpaket und höhere Steuern werden die USA vor der Überschuldung bewahren. Die Schuldenproblematik ist dabei längst nicht auf die Bundesebene beschränkt. Die Haushaltslage großer Einzelstaaten wie Kalifornien oder Illinois ist kaum besser als die Griechenlands oder Irlands.
Trotzdem ist bislang kein echtes Sparkonzept in Sicht. Zwar sind sich Demokraten und Republikaner im Kongress darüber einig, dass der Haushalt dringend konsolidiert werden muss. Doch es gibt keinen Konsens darüber, an welchen Stellschrauben gedreht werden soll. Die Republikaner fordern Steuersenkungen und deutliche Ausgabenkürzungen im Bereich der Sozialversicherungssysteme (Social Security, Medicare, Medicaid), die den Demokraten ganz besonders am Herzen liegen. Obama signalisierte nun in seiner Rede Kooperationsbereitschaft bei diesen Ausgabenkürzungen, schränkte aber sofort ein, dass nur „überflüssiges Gewicht“ und keine grundlegende Substanz weggeschnitten werden dürfe. Der IWF warnt daher angesichts der Schuldenlast vor steigenden Zinsen, die „zu einem Störfaktor für die globalen Finanzmärkte und die Weltwirtschaft werden“ könnten.
Auch wenn sich der Kongress auf ein ambitioniertes Sparpaket einigen sollte, wird sich der Schuldenberg nur dann abbauen lassen, wenn die US-Wirtschaft wieder wächst. Auch deshalb hat sich Obama für 2011 das Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum deutlich zu verbessern. Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur sollen eine „Welle von Innovationen“ und neue Industriezweige schaffen. In seiner Rede zur Lage der Nation sprach sich Obama für eine Reduzierung der Unternehmenssteuer – die erste Senkung in 25 Jahren – und eine Vereinfachung des Steuersystems aus. Außerdem drängte er den Kongress, den Freihandelsvertrag mit Südkorea schnellstmöglich zu ratifizieren und kündigte an, auch die Verträge mit Kolumbien und Panama neu auf den Tisch zu legen. Zudem will Obama staatliche Regulierungen überprüfen zu lassen, die Wachstum und Investitionen behindern sowie Unternehmen unnötig belasten. Unterstützung erhofft er sich von seinem jüngst gegründeten Council on Jobs and Competitiveness (Beratergremium für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit). Das vom Vorstandsvorsitzenden von General Electrics, Jeffrey Immelt, geleitete Gremium löst Obamas Economic Recovery Advisory Board ab. Das neue Gremium soll Wege finden, den Privatsektor zur Schaffung von Arbeitsplätzen und höheren Investitionen in die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit anzustoßen.
Allerdings bleiben viele Fragen offen: Die Investitionen werden teuer sein, Geld zur Finanzierung ist kaum vorhanden. Ebenfalls unklar ist, wie Obama die US-Exporte steigern will, die eigentlich von 2010 bis 2015 verdoppelt werden sollen. Angesichts der prekären Haushaltslage ist der fiskalpolitische Spielraum so gut wie ausgeschöpft. Der Weg über eine Politik des schwachen Dollars dagegen dürfte bei den Wirtschaftspartnern der USA auf wenig Gegenliebe stoßen.
Marja Freudenberg ist Praktikantin bei Stormy-Annika Mildner, Senior Fellow in der Institutsleitung.