Die geplante GSVP-Mission im libyschen Grenzgebiet ist eine Entscheidung für die Nato, sagt Ronja Kempin. Und ein gutes Signal, weil die EU es geschafft hat, sich zu einigen.
Kurz gesagt, 23.03.2011 ForschungsgebieteRonja Kempin
Die geplante GSVP-Mission im libyschen Grenzgebiet ist eine Entscheidung für die Nato, sagt Ronja Kempin. Und ein gutes Signal, weil die EU es geschafft hat, sich zu einigen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden auf ihrem Gipfel Ende der Woche voraussichtlich für Libyen eine humanitäre Mission im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschließen, darauf haben sich die 27 EU-Außenminister geeinigt. Wird die EU jetzt militärisch aktiv?
Nein, im Gegenteil. Denn die EU-Außenminister haben Frankreichs Anfrage negativ beschieden, das Waffenembargo gegen Qaddafi und seinen Klan im Rahmen einer militärischen maritimen Operation durchzusetzen. Das hätte sonst tatsächlich bedeutet, dass Kriegsschiffe aus EU-Mitgliedstaaten im Mittelmeer Patrouille fahren und verdächtige Schiffe aufbringen. Das haben die Minister jedoch abgelehnt und sich für eine humanitäre und damit zivile GSVP-Mission zum Schutz der Flüchtlinge an Libyens ägyptischer und tunesischer Grenze entschieden.
Warum will die EU das Waffenembargo nicht sichern?
Die Mehrheit der EU-Staaten zieht eine prominente Rolle der NATO in Libyen vor und sieht sowohl die Umsetzung der Sicherheitsrats-Resolution 1973 als auch die Durchsetzung des Waffenembargos als deren Aufgabe – auch wenn Frankreich es sich zutraut, den Einsatz außerhalb der NATO zu führen. Es ist also eine klare Entscheidung dafür, die NATO militärisch in den Fahrersitz zu bringen.
Eine Entscheidung für die NATO und gegen Frankreich?
Nun, die NATO hat hier mehr Erfahrung und Kapazitäten. Aber es geht hier tatsächlich genauso um die Rolle und Position Frankreichs in der NATO sowie in der EU und der GSVP. Paris gibt derzeit wieder den Solitaire, der andere für seine Ziele gewinnen will. Konkret soll diese internationale Koalition einerseits militärisch gegen Qaddafi vorgehen und die Resolution 1973 umsetzen. Andererseits aber will Frankreich sich nicht eingliedern und die primäre Verantwortung der NATO überlassen, sondern versucht hier die EU zu instrumentalisieren. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten dagegen möchte Frankreich wieder einhegen. Außerdem garantiert eine Entscheidung für die NATO, dass die Amerikaner mit an Bord sind.
Was muss man sich unter der „humanitären Mission“ praktisch vorstellen?
Geplant ist gegenwärtig die Entsendung ziviler Experten, die das sichere Geleit der Flüchtlinge in deren Heimatstaaten gewährleisten und dabei eng mit den UN zusammenarbeiten werden. Für die Sicherheit dieser zivilen EU-Experten sollen Tunesier und Ägypter sorgen. Damit will die EU auch den neuen Führungen dieser Staaten klar signalisieren, dass sie sie ernst nimmt und ihnen einen wichtige Rolle bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts und der Flüchtlingskonvention zuschreibt.
Aha. Wenn man ohnehin die Unterstützung der Tunesier und Ägypter beansprucht, warum übernehmen diese den Job nicht gleich ganz?
Möglicherweise würden sie es sogar tun, wenn sie die Kapazitäten dazu hätten. In der Tat entspricht die EU mit dieser Mission wieder einmal ihrem eigenen Klischee, lieber um einen Konflikt „herum zuarbeiten“. Man tut etwas im Rahmen der Aktionen gegenüber dem libyschen Regime, aber man beteiligt sich nicht aktiv an dessen möglichem Sturz sowie der Frage, wie weit eigentlich die Resolution 1973 geht. Allerdings muss man sagen, dass die Situation für die zehntausende Menschen in den Flüchtlingslagern, die jetzt noch an den Grenzen bestehen, wirklich desaströs ist. Dort fehlt es am notwendigsten – an Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Zelten. Ihre Herkunftsstaaten – Bangladesch oder aus Subsahara Afrika – machen außerdem keinerlei Anstalten, ihren Bürgern zu helfen. Die Unterstützung der EU ist hier wichtig.
Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, dass es eher um einen Randaspekt geht. Ist diese humanitäre GSVP-Mission trotzdem richtig oder ist sie ein weiterer Schritt in die Richtung, dass die EU auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik nicht ernst genommen wird?
Diese Mission ist politisch in doppelter Hinsicht ein gutes Signal. Einmal, weil die EU-27 es überhaupt geschafft haben, sich darauf zu einigen. Auch wenn es sich nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner handelt. Denn in den vergangenen Tagen hatte es nicht so ausgesehen, als ob die EU in naher Zukunft in irgendeiner Form geschlossen zu Libyen operativ tätig sein würde. Denken Sie an das Abstimmungsverhalten in der EU, das dann nach New York in den UN-Sicherheitsrat getragen wurde. Dort hat sich Deutschland sich bei der Resolution 1973 als einziges EU-Mitglied enthalten, während Portugal, Frankreich und Großbritannien dafür stimmten. Außerdem ist die Mission ein positives Signal gegenüber den UN. Die EU will mit den UN nicht nur dezidiert eng zusammenarbeiten, sondern auch ein UN-Mandat für sie bekommen.
Hat das deutsche Verhalten im UN-Sicherheitsrat dazu beigetragen, dass nur dieser kleinste gemeinsame Nenner erreicht wurde?
Meiner Ansicht nach hat hier konkret eher die Frage eine Rolle gespielt, welches Gewicht Frankreich eigentlich bekommen soll. Es ist also weniger dem Ausscheren Deutschlands aus dem europäischen Konsens geschuldet, auch wenn sich hier viele Staaten wahrscheinlich insgesamt ein stärkeres Signal gewünscht hätten. Ein Aspekt, der zwar jetzt keine konkrete Rolle gespielt haben dürfte, aber möglicherweise in Zukunft wichtig wird, ist auch: die EU hat sich als Kriegspartei herausgehalten. In dem Moment hat sie natürlich die Möglichkeit, in einer wie auch immer gearteten Nachkriegssituation später einen stärkeren Part zu übernehmen.
Fragen: Ruth Ciesinger (Webredaktion)
Berlin, 23.03.2011