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Die CO2-Grenzabgabe der EU – Klima- oder Fiskalpolitik?

Kurz gesagt, 03.08.2020 Forschungsgebiete

Mit der Einführung einer CO2-Abgabe auf Importe will die EU ihre Finanzen aufbessern. Doch damit riskiert sie, dass das Instrument in den Augen der Handelspartner klimapolitisch unglaubwürdig wird, meint Susanne Dröge.

Wenn es nach den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) geht, wird es ab 2023 eine »CO2-Grenzsteuer« auf Importe in die Union geben; eine solche Abgabe würde sich nach dem CO2-Wert richten, der bei der Produktion der eingeführten Güter anfällt. Beim jüngsten Gipfel haben sie entschieden, damit den EU-Haushalt aufzubessern. Ein eigentlich klimapolitisch gedachtes Instrument bekommt so eine fiskalpolitische Stoßrichtung.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits 2019 angekündigt, im Rahmen ihres europäischen Green Deal eine »Carbon Border Tax« einführen zu wollen. Im Frühjahr 2020 startete die Kommission einen Roadmap-Prozess mit dem Ziel, bis 2021 konkrete Gesetzesvorlagen auszuarbeiten. Mit diesem Vorschlag reagierte die Kommission auch auf die Befürchtung, dass die durch den EU-Emissionshandel (EU ETS) vergleichsweise erhöhten europäischen CO2-Kosten Unternehmen zum Abwandern bewegen könnten, so dass es zur Emissionsverlagerung (»Carbon Leakage«) kommt. Das europäische Ziel, Emissionen zu senken, greift so zwar in der EU, aber nicht global. Die Union begegnet dem Risiko der Abwanderung bisher, indem sie gefährdeten Sektoren kostenlos Emissionsrechte zuteilt. Eine CO2-Grenzabgabe könnte eine Alternative sein, die auch globale Wirkung entfaltet.

Nach langjährigem Widerstand vieler Staaten und Unternehmensverbände gegen das Instrument hatte es in jüngerer Zeit zunehmend Unterstützung erfahren. Dazu trägt das EU-Klimaziel für 2030 bei, das im Herbst erhöht werden soll und weitere CO2-Kosten für die EU-Wirtschaft nach sich ziehen wird. Zudem sehen viele die CO2-Abgabe auf ausländische Produkte – nicht nur wegen der erwarteten Wirksamkeit gegen Carbon Leakage – als deutliches Zeichen für die Umsetzung des Pariser Abkommens, allen voran gegenüber den USA und China. Bei der Ausgestaltung des Instrumentes kommt es nun darauf an, WTO-Regeln gerecht zu werden und wichtige Handelspartner zur Kooperation zu bewegen.

Ausgestaltung entlang der WTO-Regeln

Die Kommission schlägt drei Möglichkeiten vor, wie ein CO2-Grenzausgleichssystem umgesetzt werden könnte: mit einer CO2-Steuer, einem Zoll oder mit einer Zertifikatepflicht für ausländische Unternehmen. Aus handelsrechtlicher Sicht könnten alle Optionen im Einklang mit WTO-Regeln ausgestaltet werden. Diese geben das Prinzip der Nichtdiskriminierung vor, daher darf eine Grenzabgabe weder zwischen gleichartigen Produkten noch zwischen WTO-Mitgliedstaaten unterscheiden. Sollte es notwendig sein, dagegen zu verstoßen, zum Beispiel weil EU-Handelspartner oder einzelne Unternehmen nachweislich selbst für weniger Emissionen sorgen, wären die Vorgaben für Ausnahmefälle einzuhalten.

Eine EU-weite CO2-»Produktsteuer« bzw. deren Einführung durch die EU-Mitgliedstaaten wäre der aus handelsrechtlicher Sicht beste Weg. Dazu müsste die EU zunächst einmal eine CO2-Steuer auf in der Europäischen Union hergestellte Güter erheben, sodann wäre es unproblematisch, diese Steuer auch auf Importe anzuwenden – die Mehrwertsteuer ist ein vergleichbares Beispiel. Gleichartige Importwaren würden damit WTO-konform genauso behandelt wie die inländisch erzeugten Produkte. Eine Anwendung des Emissionshandels auf Industrieimporte wäre komplexer. Hier käme der Kommission die Aufgabe zu darzulegen, dass der CO2-Zertifikatepreis letztlich einer »Produktsteuer« handelsrechtlich gleichzusetzen ist. Gelingt dies nicht, könnte die Kommission geltend machen, dass sie den Schutz einer globalen Ressource bezweckt, also die Vermeidung von Carbon Leakage das zentrale Ziel der EU-Gesetzgebung ist. Denn der »Schutz einer globalen Ressource«, wozu die Erdatmosphäre zählt, ist als Begründung für Verstöße gegen WTO-Prinzipien erlaubt, wenn auch unter Auflagen. Eine solche Ausnahmebegründung bräuchte es auch für einen neuen CO2-Zoll.

Die Staats- und Regierungschefs haben mit ihrer Absicht, die CO2-Grenzabgabe als Haushaltsinstrument einzuführen, nun allerdings das Risiko erhöht, dass WTO-Schiedsgerichte im Falle einer Anfechtung durch Handelspartner das neue Instrument nicht klimapolitisch, sondern als Mittel zur Erzielung von Einnahmen auffassen. Der klimapolitische Zweck, auf den in Entscheidungen über Ausnahmen von den WTO-Prinzipien geachtet würde, rückt in den Hintergrund.

Diplomatischen Aufwand nicht unterschätzen

Ein CO2-Grenzausgleichssystem, das aufgrund vieler offener Details bereits jetzt hohen Erklärungsbedarf hat, kann nur dann die internationale klimapolitische Zusammenarbeit fördern, wenn frühzeitig Handelspartner informiert und regelmäßig einbezogen werden. Hierfür sollte die EU Foren der WTO und des Klimaregimes sowie weiterer internationaler Organisationen nutzen. Die Europäische Kommission hat 2012 schmerzlich erfahren, zu welchen Verwerfungen ein Alleingang führen kann. Damals wollte sie das EU ETS auch für den internationalen Flugverkehr einführen. Viele große Staaten setzten die EU massiv mit Sanktionsandrohungen unter Druck, woraufhin die EU zurückruderte und schließlich nur für den Flugverkehr im Europäischen Wirtschaftsraum Zertifikate verlangte.

Vertrauen kann nur entstehen, wenn die EU sich an multilaterale klima- und handelspolitische Absprachen hält, also das Pariser Klimaabkommen und die angeschlagene WTO stützt, und dies immer wieder deutlich zum Ausdruck bringt. Diese Aufgabe ist wohl nach dem Gipfelbeschluss ungleich schwerer geworden. Denn eine Grenzabgabe aus fiskalischen Gründen lässt sich diesen multilateralen Anliegen nicht überzeugend zuordnen. Zumal ja die Einnahmen nicht einer Förderung des Klimaschutzes beispielsweise in ärmeren Ländern zugutekämen, sondern den Kassen der EU. Sollte eine CO2-Abgabe gezielt Güter der Zement-, Stahl- oder anderer energieintensiver Branchen erfassen, wie es bereits diskutiert wird, wären vor allem Erzeuger aus Schwellen- und Industrieländern betroffen. Insbesondere mit diesen Staaten sollte die Union zügig Gespräche aufnehmen. Eine gute Gelegenheit hierzu bietet sich bei den Finanzministerkonsultationen unter der G20 in Saudi-Arabien gegen Ende des Jahres. Zudem sollte die EU im Dialog mit Washington wenigstens den Versuch unternehmen, ihr Vorgehen nicht als neuen Zündstoff im schwelenden Zollstreit erscheinen zu lassen. Letztlich wird der klimapolitische Erfolg einer CO2-Grenzabgabe davon abhängen, wie diese Länder darauf reagieren.