Direkt zum Seiteninhalt springen

Des einen Freund, des andern Feind: Israel und Iran im Maghreb

Wahrnehmung und Instrumentalisierung

SWP-Studie 2024/S 12, 24.04.2024, 41 Seiten

doi:10.18449/2024S12

Forschungsgebiete

Dr. Isabelle Werenfels ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

  • Entscheidungsträger im Maghreb bedienen seit Jahrzehnten Freund- und Feindbilder mit Blick auf zwei regionale Akteure, die in der MENA-Region am meisten umstritten sind: Israel und Iran. Offizielle Bezie­hungen zu Israel hat nur Marokko, zu Iran pflegen nur Algerien und Tunesien Beziehungen.

  • Die systematische Auswertung von Texten aus Nachrichtenagenturen und sozialen Medien zeigt, dass politische Akteure im Maghreb Diskurse und Stimmungslagen zu Israel und Iran für innen- und außenpolitische Zwecke nutzen. Dabei geht es um Sicherung der eigenen autoritären Herrschaft, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Stärkung der Sicherheitsapparate, Dämonisierung des Nachbarstaates und Nation-Branding in der internationalen Arena.

  • Die Eskalation der Gewalt in Nahost seit dem 7. Oktober 2023 hat in den drei Maghreb-Staaten negative Haltungen zu Israel und in geringerem Maße positive zu Iran verstärkt und nahezu einhellige Ablehnung Israels in den Bevölkerungen offenbart.

  • Die offiziellen Reaktionen variieren: Rabat hält an der Normalisierung der Beziehungen mit Israel und der Ablehnung Irans fest. Algier versucht sich in der internationalen Arena als Stimme globaler Gerechtigkeit zu profilieren. Tunesiens Präsident geriert sich als standfester Kämpfer gegen den Zionismus.

  • Europäische Entscheidungsträger sollten Verständnis für grundlegend andere Sichtweisen im Maghreb auf Israel und Palästina sowie Iran aufbringen, solange diese Auffassungen keine Hetze und Gewaltaufrufe beinhalten.

  • Es gilt auch, wachsam zu bleiben, wenn Maghreb-Staaten unter dem Vorwand des Kampfes gegen Israel oder Iran Meinungsfreiheit sowie kulturellen und religiösen Pluralismus einschränken und – im Falle Algeriens und Marokkos – Desinformation und Säbelrasseln gegen den jeweiligen Nachbarstaat betreiben.

Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung und Empfehlungen

2 Stand der Beziehungen – Hintergründe der Instrumentalisierung

2.1 Israel: Zwischen Annäherung und Distanzierung

2.2 Iran: Wechselbad in den Beziehungen

2.3 Wirtschafts- und Sicherheits­kooperationen: Gewollte Intransparenz

3 Staatliche Steuerung und politische Instrumentalisierung

3.1 Framings in staatlichen Nachrichtenagenturen

3.1.1 Überproportionaler Fokus auf Israel

3.1.2 Variierender Fokus auf Iran

3.2 Felder der politischen Instrumentalisierung

3.2.1 Ablenkung von Problemen, Delegitimierung politischer Gegner

3.2.2 Dämonisierung des Nachbarn

3.2.3 Nation-Branding und Blockbildung

4 Resonanzräume und Grenzen der Instrumentalisierung

4.1 Stimmungslagen zu Israel: Erhebliche Übereinstimmung mit offiziellen Framings

4.1.1 Marokko: Grenzen der offiziellen Steuerung

4.1.2 Algerien: Framing und Stimmungslagen nahezu deckungsgleich

4.1.3 Tunesien: Großer Resonanzraum nach dem 7. Oktober

4.2 Iran: Mehr Skepsis als in offiziellen Framings

4.2.1 Marokko: Kleinere Differenzen zum offiziellen Framing

4.2.2 Algerien: Erhebliche Divergenzen zum offiziellen Diskurs

4.2.3 Tunesien: Starke Abweichungen von präsidialen Signalen

5 Risiken von Stimmungslagen und deren Instrumentali­sie­rung

5.1 Vertiefung autoritärer Praktiken

5.3 Verschärfung (über-)regionaler Spannungen

5.4 Verstärkung antiwestlicher Souveränitätsdiskurse

5.5 Europa: Welchen Tendenzen entgegenwirken, welche unterstützen?

6 Abkürzungsverzeichnis

Problemstellung und Empfehlungen

In den Maghreb-Staaten, in Europas direkter südlicher Nachbarschaft, haben sich in den vergangenen Jahren Souveränitätsdiskurse in Regierungen und Gesellschaf­ten verstärkt und, damit verbunden, die Verwen­dung von Freund- und Feindbildern. Dies richtet sich nicht nur auf westliche Akteure wie Frankreich oder die USA. Auch über einflussreiche regionale Akteure wie Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar wird kontrovers diskutiert. Ganz besonders polarisieren Israel und Iran in maghrebinischen Dis­kursen. Beide Staaten spalten Politik, Gesellschaft und Kultur in Lager, wobei die Ressentiments gegen­über Israel viel verbreiteter sind und wesentlich tiefer sitzen. Das zeigte sich deutlich nach den Massakern der Hamas vom 7. Oktober 2023 und den massiven mili­tärischen Reaktionen Israels im Gazastreifen.

Die Diskussionen im Maghreb über Israel haben schon seit dem sogenannten Trump-Deal im Dezember 2020 stark zugenommen: Die USA erkannten die marokkanische Souveränität über die Westsahara an, und Marokko normalisierte seine Beziehungen zu Israel. Seither hat sich die Zusammenarbeit zwischen Marokko und Israel erheblich intensiviert. In Algerien und Tunesien dagegen, die nach wie vor keine diplo­matischen Beziehungen zu Israel unterhalten, ist die Ablehnung jedweder Beziehungen zu Israel und Israeli allgegenwärtig.

Aber auch Iran spielt, gemessen an seinen verschwin­dend geringen tatsächlichen Kooperationen mit Maghreb-Staaten, eine überproportional große Rolle im öffentlichen Diskurs, besonders in Marokko und Tunesien. Ein Grund dafür ist, dass oft mehr Gerüchte als Fakten kursieren. Rabat hat 2018 seine diplomatischen Beziehungen zu Teheran bereits zum dritten Mal abgebrochen und bislang nicht wieder auf­genommen. Marokko wirft Iran vor, sich in marok­ka­nische Angelegenheiten einzumischen und die Unab­hängigkeitsbewegung in der Westsahara aufzurüsten.

Im Mittelpunkt der vorliegenden Studie stehen daher weder die Analyse der tatsächlichen Koopera­tionen der Maghreb-Staaten mit Israel und Iran noch die Agenden dieser beiden Staaten im Maghreb. Vielmehr geht es darum zu verstehen, wie Entscheidungsträger in Algier, Rabat und Tunis versuchen, Haltungen und Diskurse zu den beiden umstrittenen Staaten zu beeinflussen und für innen- und außen­politische Zwecke zu nutzen. Auf welche öffentliche Stimmungslagen und Resonanz stößt die jeweilige staatliche Steuerung? Wo kommt sie an ihre Gren­zen? Und nicht zuletzt: Welche Risiken für innen­politische und regionale Dynamiken und damit indirekt für Europa birgt das Zusammentreffen von Stimmungslagen und Instrumentalisierungen?

Die Erkenntnisse in dieser Studie beruhen in erster Linie auf der systematischen Auswertung von Texten staatlicher Nachrichtenagenturen, Äußerungen in Twitter-Accounts sowie Facebook-Posts von 2020 bis 2022. Darüber hinaus wurden nach dem 7. Okto­ber 2023 Meldungen ausgewählter Nachrichtenportale sowie Beiträge in sozialen Medien ausgewertet und vertiefende Interviews im Maghreb geführt. Die Ana­lyse zeigt, dass die maghrebinischen Entscheidungsträger Stimmungslagen zu Israel und Iran nutzen, um von sozioökonomischen Problemen abzu­lenken, die politische Opposition zu delegitimieren, Meinungs- und Wissen­schaftsfreiheit einzuschränken und damit die eigene Herrschaft zu konsolidieren.

Überdies werden die – reale oder perzipierte – Prä­senz Israels und Irans im Maghreb sowie die Eskalation der Gewalt in Nahost außen- und sicher­heitspolitisch instrumentalisiert. Das dient dem Zweck, den jeweiligen Nachbarstaat zu dämonisieren, kostspielige militärische Aufrüstung zu rechtfertigen und das eigene Nation-Branding auf der internatio­nalen Bühne voranzutreiben. So inszeniert sich Marokko als prowestlicher und moderater Akteur, der gegen die von Iran angeführte »Achse des Wider­stands« steht und dem daran gelegen ist, Frieden in Nahost zu vermitteln. Der tunesische Präsident wie­der­um gefällt sich in der Rolle eines kompromiss­losen Kämpfers gegen den Zionismus, der für die Befreiung ganz Palästinas eintritt und ideologisch dem Lager der »Achse des Widerstands« nahesteht. Algerien geht mit seiner konsequenten Palästina-Solidarität und Ablehnung Israels hausieren, um sich als zentrale Stimme globaler Gerechtigkeit zu positio­nieren. Die öffentliche Resonanz auf diese Framings ist groß, aber auch ihre Grenzen und Widersprüche werden sichtbar. In Marokko etwa lehnt eine über­wältigende Mehrheit der Bevölkerung die Normalisierung ab. In Algerien wird theoretisch erwünschte Solidarität mit Palästina in der Praxis, sprich: auf der Straße, weitgehend unterbunden, aus Sorge, sie könnte in Proteste gegen das Regime umschlagen.

Maghrebinische Bevölkerungen und Regierungen übertragen ihre negativen Sichtweisen auf Israel auch auf europäische Staaten, die Israel den Rücken stär­ken. Zu beobachten ist dies nicht erst seit dem 7. Okto­ber. Für politische Entscheidungsträger in Europa stellt sich daher akut die Frage, wie sie sich zu auf­geheizten Stimmungslagen, politischen Instrumen­talisierungen und teils grassierender Desinformation über Israel und Iran im Maghreb und den daraus ent­stehenden manifesten politischen Folgen verhalten sollen. Wenngleich es keine einfachen Antworten gibt, lassen sich eine Reihe von Faustregeln aufstellen:

Zwischen Ablehnung israelischer Politik und antisemitischen Haltungen unterscheiden. In maghrebinischen Bevölke­rungen und Regierungen sind die Ablehnung israe­lischer Politik und die Solidarität mit den Palästinen­sern weit verbreitet. Dies ist nicht gleichbedeutend mit inakzeptabler Unterstützung von Gewalt gegen Juden und Isra­eli. Hier müssen europäische Akteure unterscheiden.

Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit sowie kulturellen Pluralismus im Auge behalten. Dominante Stimmungs­lagen zu Israel und in geringerem Maße Iran dienen als Vorwand, um Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit sowie religiöse Vielfalt einzuengen. Zumindest in Tunesien dürfte erneut ein Gesetzesvorschlag auf den Weg gebracht werden, um die Normalisierung der Beziehungen zu Israel unter Strafe zu stellen. Dies könnte sich als Mittel entpuppen, um generell die Meinungsfreiheit weiter einzuschränken. Auch hätte ein solches Gesetz Folgen für Tunesiens jüdische Min­derheit. Zudem dürfte es Tunesiens internationale Handlungsspielräume begrenzen, worauf europäische Politiker hinweisen sollten. Iran wiederum werden in allen drei Staaten schiitische Missionierungsbestrebun­gen zugeschrieben – deshalb werden Schiiten im Magh­reb beobachtet oder gar verfolgt. Europäische Ak­teure sollten etwaige Diskriminierung religiöser und kultureller Minderheiten konsequent ansprechen.

Sich nicht instrumentalisieren lassen. Algeriens und Marokkos Entscheidungsträger haben ein Interesse, europäische Akteure auf ihre Seite zu ziehen und gegen den ungeliebten jeweiligen Nachbarn aufzubrin­gen. Daher gilt es, ein waches Auge für Versuche der Diffamierung des Nachbarstaates zu haben, bei denen oftmals Israel und Iran als Argument verwendet werden und die das Risiko gewaltsamer Eskala­tion bergen. Europäisches Ziel muss es sein, Desinfor­mation und aggressiver Rhetorik in und zwischen Maghreb-Staaten durch faktenbasierte Informationen entgegenzuwirken und damit deeskalierend zu wirken.

Stand der Beziehungen – Hintergründe der Instrumentalisierung*

Weder Iran noch Israel sind neue Akteure im Magh­reb. Doch nur Marokko unterhält derzeit diplomatische Beziehungen zu Israel. Mit Iran wiederum haben nur Algerien und Tunesien offizielle Beziehungen. Aber selbst da, wo keine formellen Beziehungen bestehen, wird über Israel und Iran gesprochen und instrumentalisieren politische Akteure, allen voran die Entscheidungsträger, deren reale oder vermeint­liche Präsenz. Es ist nichts Neues, dass autoritäre Regime in der arabischen Welt Israel oder Iran nut­zen, um sich nach innen zu legitimieren und ein spezifisches Image in die internationale Arena zu projizieren.1 In der Innen- und Außenpolitik der Maghreb-Staaten allerdings hat während der ver­gangenen Jahre die politische Instrumentalisierung vor allem Israels stark zugenommen. Dies gilt erst recht seit den Massakern der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 und den massiven israelischen Militärschlagen in Gaza.

Der Fokus im Folgenden liegt denn auch auf den offiziellen Darstellungen und der politischen Instru­mentalisierung Israels und Irans im Maghreb sowie der Frage, wie sich diese Darstellungen und Instrumentalisierungen zu den öffentlichen Stimmungs­lagen verhalten. Weder die Instrumentalisierung noch die Stimmungslagen können losgelöst von realen Ereignissen in der Vergangenheit und vom konkreten Verlauf der Beziehungen einzelner Maghreb-Staaten zu Israel und Iran analysiert werden. Daher werden vorab die wichtigsten Eckpunkte in den bilateralen Beziehungen skizziert, die sich ins kollektive Gedächtnis des jeweiligen Maghreb-Staates eingegraben haben und sich oftmals für Stimmungsmache eignen.

Israel: Zwischen Annäherung und Distanzierung

Marokko betrieb seit den 1960er Jahren eine größtenteils verdeckte wirtschaftliche und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Israel. Seit 1993 bereits exis­tierte ein offizielles Verbindungsbüro, das allerdings 2002 im Zuge der zweiten Intifada geschlossen wurde. Unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit fanden aber weiterhin und in wachsendem Maße wirtschaftliche Zusammenarbeit und Sicherheits­kooperationen statt. Israeli mit marokkanischen Wurzeln konnten die Heimat ihrer Vorfahren besuchen – mehr als 10% der israelischen Jüdinnen und Juden sind marokkanischer Herkunft.2 Zur Be­erdigung von König Hassan II. 1999 reiste der dama­lige israelische Premierminister Ehud Barak an, und auch andere prominente israelische Politiker, dar­unter Schimon Peres, Ariel Scharon und Jitzchak Rabin, besuchten Marokko.3

Die große Wende kam indes am 10. Dezember 2020, als der damalige US-Präsident Donald Trump die Normalisierung der Beziehungen zwischen Marokko und Israel verkündete – im Gegenzug für die US-Anerkennung der Souveränität Marokkos über die Westsahara. Seither haben sich die offiziellen Beziehungen zwischen Marokko und Israel rapide verdichtet und vertieft. Im Juli 2023 markierte Israels Anerkennung der Westsahara als marokkanisch eine weitere Annäherung, die auch den Weg frei machte für eine künftige Aufwertung der gegenseitigen diplo­matischen Vertretungen zu Botschaften.

Die Beziehungen zu Israel sind für Marokkos König zum innenpolitischen Drahtseilakt geworden.

Mit der israelischen Regierung des äußersten rechten Randes, die seit Ende 2022 im Amt ist, sind die engen Beziehungen zu Israel für den Palast jedoch zu einem innenpolitischen Drahtseilakt geworden. Das gilt besonders für den König, der die Verantwortung für diese heikle Verbindung trägt und überdies dem Al-Quds-Komitee vorsteht. Es wacht über die Heiligen Stätten der Muslime in Jerusalem, die stän­dig im Zentrum von Auseinandersetzungen zwischen israelischen (Sicherheits-)Behörden und der paläs­ti­nensischen Bevölkerung stehen. Diese Ereignisse werden auch von der marokkanischen Bevölkerung beobachtet, die der Normalisierung, wie im Folgenden genauer gezeigt wird, mehrheitlich negativ gegen­übersteht. Gelegentliche offizielle Gesten der Dis­tanzierung Rabats von Israel schon vor dem 7. Okto­ber, etwa die kurzfristige Absage eines Israel­besuchs des marokkanischen Parlamentspräsidenten Anfang September 2023, dürften mit der öffentlichen Stim­mung zusammenhängen.

Die Ereignisse seit dem 7. Oktober haben den marok­kanischen Balanceakt weiter erschwert. Der König und der Außenminister verurteilten sowohl die Gewalt an Zivilisten, unabhängig davon, woher sie käme, als auch das israelische Vorgehen. Rabat rief beide Seiten zu Zurückhaltung, zum Schutz von Zivilisten und zur Rückkehr zu einem politischen Prozess auf.4 Die Beziehungen zu Israel hat Marokko aber dennoch aufrechterhalten.

Tunesien hat ein historisch besonders turbulentes Verhältnis zu Israel. Präsident Habib Bourguiba (1957–1987) vertrat anfangs eine deutlich positivere Haltung zu Israel als andere arabische Staatschefs. Dies änderte sich jedoch im Laufe der Zeit.5 Nicht nur beherbergte Tunis von 1982 bis 1994 die Palästinen­sische Befreiungsorganisation (Palestine Liberation Orga­nization, PLO) nach deren Abzug aus Beirut. Zudem griff Israel 1985 deren Quartiere auf tunesischem Boden aus der Luft an, was auch zivile tune­sische Opfer forderte. In der Ära von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali (1987–2011) waren Demonstra­tionen in Solidarität mit Palästina nahezu die ein­zigen, die genehmigt wurden. Dennoch kam es im Zuge der Oslo-Prozesse in den 1990er Jahren kurz­fristig zu einer diplomatischen Entspannung, und Israel unterhielt in Tunis ein Verbindungsbüro, bis dieses 2000 geschlossen wurde.6 Mit der Wahl Kais Saieds zum Präsidenten 2019, der nicht müde wird zu betonen, Normalisierung mit Israel sei Hochverrat,7 ist Israel zu einem zentralen Thema des öffentlichen Diskurses geworden, wie im Folgenden gezeigt wird. In der tunesischen Verfassung von 2022 wird das »Recht des palästinensischen Volkes auf sein geraub­tes Land« unterstrichen.8 Im September 2023 machte der tunesische Präsident die »zionistische Infil­tration« für die Zerstörung durch den Sturm verantwortlich, der Anfang September Nordafrika verwüstet hatte.9 Nach dem 7. Oktober sprach der Präsident von zionistischen Massakern und dem Recht der Palästinenser, Land zurückzuerobern, das seit Jahrzehnten unter zionistischer Besatzung stehe. Die Massaker der Hamas an israelischen Zivilistinnen erwähnte er mit keinem Wort.10 Einen weitgehenden Gesetzesvorschlag zur Kriminalisierung von Beziehungen mit Israel (auch von nichtstaatlichen Akteu­ren) lehnte der Präsident Anfang November 2023 ab, allerdings im letzten Moment. Damit beugte er sich vor allem dem Druck des Außenministeriums und des Militärs, die durch das Gesetz Einschränkungen ihrer internationalen Kooperationen bzw. Aktivitäten befürchteten.11

Gleichzeitig leben in Tunesien Personen, die sowohl die israelische als auch die tunesische Staats­bürgerschaft besitzen, und es reisen jedes Jahr zahl­reiche Israeli mit Zweitpässen auf die tunesische Insel Djerba. Dort befindet sich die älteste Synagoge Afri­kas, die Wallfahrtsort auch für Israeli tunesischer Herkunft ist und durch zwei jihadistische Anschläge 2003 und 2023 in die internationalen Schlagzeilen geriet. Eskalationen im Nahostkonflikt schlagen sich überdies zunehmend in Feindseligkeiten gegenüber jüdischen Tunesiern nieder.12

Algerien unterhält seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1962 keinerlei offizielle Beziehungen zu Israel. Die algerische Haltung gründet im eigenen antikolonialen Kampf und der daraus folgenden Unterstützung für antikoloniale Unabhängigkeitsbewegungen, zu der auch die Hamas gezählt wird. In Algier wurde Ende 1988 die Unabhängigkeit Palästinas verkündet. Nach Israel ausgewanderte Jüdinnen können Algerien nur besuchen, wenn sie auch über einen nichtisraelischen Pass verfügen und nicht als »Zionisten« gelten, sprich, keine Unterstützung für Israel oder Besuche dort öffentlich kundgetan haben.13

In der Ära von Präsident Abdelaziz Bouteflika (1999–2019) kam es zeitweise zu Lockerungen der harten Linie, etwa als algerische Journalisten und Akademikerinnen Mitte 2000 mit Wissen von Teilen der algerischen Regierung nach Israel reisten, wenn­gleich Bouteflika dies anschließend scharf kritisierte. 2017 fand eine ähnliche Reise statt.14 Als der algeri­sche Präsident anlässlich der Beerdigung des marok­kanischen Königs Hassan II. 1999 dem damaligen israelischen Premierminister Barak öffentlich die Hand schüttelte, schien sich gar eine Wende in der offiziellen Politik abzuzeichnen, die aber auf innen­politischen Widerstand stieß.15

Nach der Ära Bouteflika sind Algeriens Entscheidungsträger zu einer konsequent ablehnenden Hal­tung gegenüber Israel zurückgekehrt. Sie gehören zu den entschiedensten Kritikern der Normalisierung der Beziehungen anderer arabischer Staaten und ins­be­son­dere Marokkos mit Israel. Nicht zuletzt der amtierende Generalstabschef Chengriha, der in zwei arabisch-israelischen Kriegen gekämpft hat, äußert sich nachdrücklich in diesem Sinne. 2022 hat die islamistische Partei Mouvement de la société pour la paix (MSP) einen – bisher nicht verabschiedeten – Vorschlag für ein Gesetz eingebracht, das die Norma­lisierung mit Israel unter Strafe stellt. Dieser soll auch das Verbot privater Reisen nach Israel enthalten, ebenso aller Formen des Kontakts nichtstaatlicher Akteure mit Israel und Israeli.16 Aus offizieller Sicht ist eine Normalisierung nur denkbar, wenn die Ara­bische Friedensinitiative von 2002 umgesetzt wird, die einen unabhängigen palästinensischen Staat vorsieht.17 Im Zuge der Eskalation der Gewalt in Nah­ost im Oktober 2023 verurteilte Algerien nur Israel. Zur Hamas unterhält Algier gute Beziehungen und war immer wieder an innerpalästinensischen Ver­mitt­lungsbemühungen beteiligt. Dem sogenannten Friedensgipfel in Ägypten Ende Oktober 2023 blieb es fern, da die internationale Gemeinschaft doppelte Standards zu Israel und den Palästinensern anwende.18

Iran: Wechselbad in den Beziehungen

Auch die Beziehungen der drei Maghreb-Staaten zu Iran sind seit der dortigen Revolution 1979 von Tur­bulenzen geprägt, die bis heute in Framings, Stim­mungslagen und Instrumentalisierungen hinein­spielen. Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten seit dem 7. Oktober hat zwar Irans Popularität in den Bevölkerungen gesteigert, doch die sehr unterschiedlichen offiziellen Beziehungen der Maghreb-Staaten zum Iran nicht verändert.

Algerien unterhielt bis Anfang der 1990er Jahre enge Beziehungen mit Iran. So spielte Algier eine wichtige Vermittlerrolle bei den Verhandlungen zur Freilassung der US-Geiseln aus der amerikanischen Botschaft in Teheran im Jahr 1981. Das Verhältnis kühlte aber zu Beginn der 1990er Jahre rasch ab, als die algerischen Militärmachthaber Iran vorwarfen, die Islamische Heilsfront (Front islamique du Salut, FIS) in Algerien finanziell und mit Waffen unterstützt zu haben. Daher waren die diplomatischen Beziehun­gen zwischen 1993 und 2000 unterbrochen.19 Seither hat sich das Verhältnis wieder wesentlich verbessert – auch wenn bisweilen kleinere Verstimmungen auf­treten, etwa aufgrund angeblicher schiitischer Missio­nierung von Sunniten, vor allem im Westen Alge­riens.20 Ferner überlappen sich die geopolitischen Interessen erheblich, besonders mit Blick auf Koope­ration innerhalb der Bewegung der Blockfreien Staaten, das recht enge Verhältnis zu Russland, die Unterstützung für die Palästinenser und die Ablehnung Israels.21 Im Frühjahr und Sommer 2023 häuf­ten sich gegenseitige hochrangige Besuche, und Iran sprach eine Einladung zum Staatsbesuch des algeri­schen Präsidenten aus. Ebenfalls im Sommer 2023 wurde die gegenseitige Visumspflicht aufgehoben.22

Iran steht im Westsahara-Konflikt auf der Seite der Polisario.

Das Verhältnis Marokkos zu Iran ist schon seit Jahr­zehnten belastet. Nach der Islamischen Revolution 1979 hatte Iran sich im Westsahara-Konflikt auf die Seite der dortigen Befreiungsbewegung Polisario geschlagen und erkennt seither die Demokratische Arabische Republik Sahara an. Von 1981 bis 1991 lagen die Beziehungen zwischen Rabat und Teheran völlig auf Eis. Auch danach blieben sie kühl. 2009 brach Marokko erneut seine diplomatischen Beziehungen zu Iran ab, dieses Mal mit der Begründung, Iran hinterfrage die Souveränität des von Sunniten regierten Königreichs Bahrain und propagiere den schiitischen Islam auch in Marokko.23 2017 nahm Rabat die diplomatischen Beziehungen wieder auf, doch bereits 2018 kam es abermals zur Krise: Rabat bezichtigte Teheran, mit Hilfe von Agenten der liba­nesischen Hisbollah die Polisario zu unterstützen. Seither sind die diplomatischen Beziehungen unter­brochen. Auch die Normalisierung der Beziehungen Anfang 2023 zwischen Iran und Saudi-Arabien, dem Marokko trotz zeitweiliger Misshelligkeiten nahesteht, hat bisher zu keinem Tauwetter geführt. Diplo­matische Avancen Teherans in diese Richtung im Sommer 2023 wurden von Rabat nicht erwidert.24

Tunesiens seit der Unabhängigkeit pragmatisches Verhältnis zu Iran durchlief nach der iranischen Revo­lution ebenfalls eine schwierige Phase. 1982 warf Tunis Teheran vor, Dissidenten in Tunesien anzustacheln, und schloss die iranische Botschaft. Ab Mitte der 1990er Jahre begann eine diplomatische Wiederannäherung. Nach 2011 verbesserten sich die Bezie­hungen weiter. Allen voran die stärkste Partei in der Regierung, die islamistische Ennahda, stand Iran recht offen gegenüber – auch weil Teheran im Gegen­satz zu Saudi-Arabien und den VAE die ara­bischen Aufstände nicht zu unterminieren versuchte. Dem seit 2019 amtierenden Präsidenten Kais Saied wird eine Faszination für Iran nachgesagt; sein Bruder Naoufel gilt als erklärter Bewunderer des iranischen Denkers Ali Schariati.25 Umgekehrt gebärdeten sich sowohl die nach 2011 erstarkenden Salafisten als auch Teile der säkularen Eliten vehement iranfeindlich.26 Tunesien ist das einzige Land im Maghreb, in dem Iran ein Kulturinstitut unterhält. Es wurde schon 2007 eröffnet27 und ist immer wieder Gegenstand politischer Kon­troversen.

Wirtschafts- und Sicherheits­kooperationen: Gewollte Intransparenz

Die Wirtschafts- und Sicherheitskooperationen der Maghreb-Staaten mit Israel und Iran bieten ein wenig transparentes und teils widersprüchliches Bild. Erwäh­nenswert sind sie vor allem, weil auch sie als Grundlage für Instrumentalisierungen und Stimmungsmache dienen. Die Intransparenz legt nahe, dass Regierungen versuchen, die Existenz bilateralen Handels zu vertuschen, weil er in den Bevölkerungen nicht gern gesehen wird. So weisen etwa die algerischen und tunesischen Handelsstatistiken mit Israel keinen Warenaustausch aus, während Statistiken aus Israel im Jahr 2016 Austausch mit allen drei Maghreb-Staaten belegen. Auch die marokkanischen Statistiken führen Handel mit Israel erst seit 2021 auf, ob­wohl das Handelsvolumen schon vor der Normalisierung kontinuierlich anstieg (vgl. Grafik 1). Zu den Widersprüchen in den Statistiken gehört überdies, dass sowohl Israel als auch Marokko einen Handelsüberschuss mit dem jeweils anderen Land aufweisen, eine Unstimmigkeit, die sich in den offiziellen Statis­tiken nicht auflösen lässt. Vor allem Marokko dürfte ein innenpolitisches Interesse daran haben, einen Überschuss zu erzielen, um die Früchte der im Innern umstrittenen Normalisierung zu demonstrieren. Bis zum 7. Oktober verging kaum eine Woche, ohne dass in Rabat neue Kooperations- und Investitionsabkommen verkündet oder unterzeichnet wurden.28

Auch mit Blick auf Iran ergeben die Handels- und Investitionszahlen ein widersprüchliches und un­scharfes Bild.29 Algeriens Exporte nach Iran sind jüngst enorm angestiegen. Die Art dieser Ausfuhren ist jedoch kaum präzise zu klären, da die Export­produkte in den einschlägigen Handelsstatistiken der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (United Nations Conference on Trade and Development, UNCTAD) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht ausgewiesen werden. Obwohl Marokko und Iran keine diplomatischen Beziehungen mit­einan­der unterhalten, betreiben die beiden Länder Wirt­schaftskooperationen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die marokkanischen Exporte aus dem staat­lich kontrollierten Phosphatsektor nach Iran waren noch 2009 nicht unbedeutend, sind aber mittlerweile ganz weggebrochen. Zumindest das Volumen der Importe aus Iran hat seit 2020 wieder zugenommen.30

Grafik 1

Marokko, Warenhandel mit Israel – Israel, Warenhandel mit Marokko

Das Volumen tunesischer Importe aus Iran bewegt sich gleichbleibend auf sehr niedrigem Niveau. Die Exporte nach Iran fallen noch weniger ins Gewicht.

Gemeinsam ist den Handelskooperationen aller Maghreb-Staaten mit Israel und Iran, dass die offi­ziellen, aus diesen Staaten gelieferten Zahlen zu wirt­schaftlichen Kooperationen wenig transparent und daher nur begrenzt aussagekräftig und verlässlich sind. Ein Grund dafür ist, dass sie gewissen politischen Interessen und Tabus unterliegen. Zudem dürften die Handels- und Investitionsstatistiken im Falle der marokkanisch-israelischen Kooperation den realen Entwicklungen hinterherhinken. Aus den Wirtschaftsdaten lassen sich daher paradoxerweise – zumindest derzeit – weniger klare und nachvollziehbare Schlüsse zu Stand und Qualität der Bezie­hungen der Maghreb-Staaten zu Israel und zu Iran ziehen als aus der Analyse offizieller Diskurse.

Mit Blick auf Sicherheitskooperationen ist die In­for­mationslage noch dürftiger. Lediglich Informationen zu der immer intensiveren marokkanisch-israe­lischen Sicherheitskooperation, etwa zu hochrangigen gegenseitigen Besuchen, werden – zumindest teil­weise – öffentlich verbreitet. Bereits im November 2021 reiste der israelische Verteidigungsminister nach Marokko und unterzeichnete mit seinem ma­rok­kanischen Amtskollegen die erste gemeinsame Absichtserklärung Israels mit einem arabischen Staat über Verteidigung.31 Über die beachtlichen marokkanischen Einkäufe israelischer Rüstungsgüter, darun­ter Drohnen und Panzer, wurde zumindest bis zum 7. Oktober häufig und öffentlichkeitswirksam berich­tet – wohl auch als Signal an Algerien.32 Im Juli 2022 besuchte der Stabs­chef der israelischen Streitkräfte als erster Armee­chef seines Landes Marokko.33

Der Diskurs im Maghreb zu Sicherheitskooperationen mit Iran beruht vorwiegend auf Gerüchten.

Grafik 2

Warenimporte aus dem Iran – Warenimporte in den Iran

Zur algerisch-iranischen Sicherheitskooperation gibt es Gerüchte, aber kaum gesicherte aktuelle Informationen. Offizielle Berichte zu wirklich hochrangigen Treffen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich wurden zuletzt 2002 publiziert. Zumindest niederrangigere Sicherheitsgespräche finden aber weiterhin statt.34 Auch kommen bei politischen Spitzentreffen immer wieder regionale und internationale Sicherheitsherausforderungen und Konflikte zur Sprache, etwa der Ukraine-Krieg, der Nahostkonflikt, der Krieg im Jemen sowie die Entwicklungen in Libyen und anderswo.35 In offiziellen Kommuniqués, auch in Iran, ist aber lediglich von Kooperationen in zahlreichen anderen Bereichen die Rede.36 Ebenfalls unklar bleibt, inwieweit und in welchen Bereichen die immer wieder angekündigten Militär- und Sicherheitskooperationen tatsächlich umgesetzt werden. Berichten von Ende 2022 zufolge wurde Algerien in die Liste möglicher oder künftiger Abnehmer iranischer Drohnen eingereiht.37 Nicht unabhängig verifizieren lässt sich der Wahrheits­gehalt zahlreicher Berichte aus marokkanischen, saudischen und israelischen Quellen, laut denen die iranaffiliierte Hisbollah die Polisario unterstützt. Allerdings sollen auch westliche Geheimdienste und Finanzermittler Hinweise darauf haben.38

Tunesisch-iranische Sicherheitskooperationen schließlich existieren nicht. Der Diskurs im Maghreb zu Sicher­heitskooperationen mit Iran und damit verbun­denen Ausrüstungsfragen basiert folglich vorwiegend auf Gerüchten und eignet sich besonders gut für Stim­mungsmache. Diese werden, genauso wie die realen oder perzipierten Kooperationen Israels mit Marokko, von Entscheidungsträgern und weiteren Akteuren im Maghreb teils selbst in Umlauf gebracht, aufgenommen und politisch instrumentalisiert.

Staatliche Steuerung und politische Instrumentalisierung

Die Analyse offizieller und halboffizieller Quellen in dieser Studie zeigt, auf welche Weise die maghrebi­nischen Entscheidungsträger zu definieren und zu kontrollieren versuchen, wie im eigenen Land über Israel und Iran gesprochen wird. Dabei geht es oft­mals weniger um diese beiden Akteure. Vielmehr dienen sie als Vehikel, die eigene Herrschaft zu kon­solidieren und zu legitimieren. Zu diesem Zweck werden Vorstellungen vom »äußeren Feind« erzeugt und genährt, während nach innen und außen osten­tativ die angeblich erfolgreiche außenpolitische Allianz­bildung unterstrichen wird. Mit anderen Wor­ten: Der diskursive Umgang mit Israel und Iran, das Entwickeln »offizieller Geschichten« ist Teil auto­ritärer Herrschaftssicherung bzw. autoritärer Anpas­sungsstrategien39 sowie von Versuchen des sogenannten Nation-Branding in der internationalen Arena.40 Zwar liegt der Zeitraum der systematischen Daten­analyse für diese Studie vor dem 7. Oktober, doch die punktuelle Analyse danach offenbart, dass sich bestehende Grundtendenzen in den offiziellen Framings von Israel und Iran mehrheitlich fortsetzten. Wo nach dem 7. Oktober klare Abweichungen zu ver­zeich­nen sind, werden sie im Folgenden erwähnt.

Framings in staatlichen Nachrichtenagenturen

Der marokkanische König, der tunesische Präsident sowie der algerische Präsident erwähnen Iran und Israel punktuell und meist anlassbezogen in ihren Reden. Regelmäßiger indes finden sich Äußerungen zu den beiden Ländern in den offiziellen Nachrichtenagenturen und verstärkt in den lokalen staats­nahen Medien. Die gesamte Medienlandschaft in Algerien und Marokko wird immer strenger staatlich kontrolliert. Deshalb dürften die offiziellen Nachrichtenagenturen Algérie Presse Service (APS) und Magh­reb Arabe Presse (MAP) sowohl die Positionen der politischen Machthaber gegenüber Israel und Iran als auch das spezifische Bild dieser beiden Staaten reflek­tieren, das die Herrscher in die eigene Öffentlichkeit und die internationale Arena transportieren wollen.

Im Rahmen dieser Studie wurden die Texte, die APS und MAP vom 1. Januar 2020 bis zum 1. Juni 2022 publizierten, quantitativ ausgewertet. Zudem wurde ein Viertel aller Meldungen, in denen Israel und Iran erwähnt werden, manuell codiert, um posi­tive, negative und neutrale Sichtweisen sowie Argu­men­tationsmuster mit Blick auf Israel und Iran zu identifizieren.41

Grafik 3

Anzahl von Nachrichtentexten, in denen Wörter mit Bezug zu regionalen Mächten vorkommen

Die Agence Tunis Afrique Presse (TAP) wurde bei dieser systematischen Auswertung nicht berück­sichtigt, da sie bis zum Frühjahr 2023 eine relativ unabhängige Linie demonstrierte und nicht einfach die Sichtweisen des Präsidenten spiegelte. Daher wurde für Tunesien die Facebook-Seite des Präsidialamts ausgewertet, und zwar von Juli 2021, als Präsi­dent Kais Saied die Macht an sich zu reißen begann, bis Juli 2022. Diese Face­book-Seite kann gewisser­maßen als Pendant zu den offiziellen Nachrichtenagenturen in Algerien und Marokko gelten, da sie im genannten Zeitraum Haupt­plattform für Verlaut­barungen des Präsidenten und damit für die offizielle politische Linie war. Seit Ende März 2023 ein neuer Direktor der TAP ernannt wurde, hat sich die tunesi­sche Nachrichtenagentur ebenfalls in Richtung Verlautbarungsorgan des Prä­sidenten entwickelt.

Überproportionaler Fokus auf Israel

Die rein zahlenmäßige Auswertung der Nachrichtentexte von APS und MAP zeigt, dass zu Israel mehr Meldungen veröffentlicht wurden als zu sechs weite­ren in die Untersuchung miteinbezogenen »regional players«, nämlich Ägypten, Iran, Katar, Saudi-Ara­bien, Türkei und VAE (vgl. Grafik 3). Von insgesamt 39.785 Nachrichtentexten, die bei MAP und APS im genannten Zeitraum erschienen sind, beschäftigten sich 1.654 mit Israel. Dabei fanden sich ungefähr doppelt so viele algerische Agenturmeldungen, die Israel erwähnten, wie marokkanische.

Ausschläge nach oben in den Meldungen zu Israel ließen sich in drei Fällen beobachten. Erstens waren sie bei »Meilensteinen« in der Normalisierung zwi­schen Israel und Marokko zu verzeichnen. Dazu gehörten Trumps Erklärung (am 10. Dezember 2020), dass Marokko Israel als Staat anerkenne und die USA die marokkanische Souveränität über die Westsahara akzeptieren würden, sowie die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zu Kooperation im Sicherheits­sektor (im November 2021). Peaks hatten zweitens auch mit Konflikten zwischen Algerien und Marokko zu tun, in denen Israel eine Rolle zugeschrieben wurde. Hier ging es etwa um die sogenannte Pegasus-Affäre, in der Marokko mittels Spyware einer israe­lischen Firma auch algerische politische Eliten aus­spioniert haben soll, oder um die umstrittene Frage, ob die Afrikanische Union (AU) Israel einen Beob­achterstatus gewähren sollte. Drittens waren Peaks bei Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Konflikt sichtbar. Dazu zählten etwa Angriffe des israe­lischen Militärs auf den Gazastreifen und Kon­frontationen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern auf dem Tempelberg in Jerusalem (zum Beispiel im April/Mai 2021) oder ein Bericht von Amnesty International, in dem die Organisation Israel Apartheid vorwarf (im Februar 2022).

Algerien als Bollwerk gegen »zionistische Aggression und Destabilisierungsversuche«

Grafik 4

Sentimentanalyse von Nachrichtentexten

Das offizielle Framing Israels in der algerischen Presse­agentur APS war eindeutig: Hier fand sich keine einzige Meldung, in der zu Israel Aussagen getroffen wurden, die eine positive Sichtweise reflektierten. Weniger als 10% der Meldungen waren als reine Berichte ohne Wertung zu deuten, und über 90% der Nachrichtentexte beinhalteten Verurteilungen oder negative Aussagen zu Israel (vgl. Grafik 4). In der Regel wurde nicht von Israel gesprochen, sondern den »Okkupationskräften« oder der »zionistischen Entität« – ein Begriff, mit dem Israel als vorüber­gehendes Gebilde klassifiziert und sein Existenzrecht in Frage gestellt wird. Inhaltlich fanden sich, grob gesagt, drei Stoßrichtungen. In einer ersten standen Israel als Aggressor, die Palästinenser als Opfer und Algerien als konsistenter und entschiedener Unterstützer der Rechte der Palästinenser im Vordergrund. Es wurden gewaltsame Handlungen Israels gegenüber den Palästinensern auf dem Tempelberg, in Gaza oder der Westbank verurteilt, Solidaritätsbekundungen gegen­über dem palästinensischen Volk ausgesprochen, eigene propalästinensische Aktivitäten in regio­nalen oder internationalen Organisationen betont sowie die Anerkennung algerischer Unterstützung für die Palästinenserinnen durch dritte Akteure auf­geführt.

Eine zweite diskursive Stoßrichtung waren Attacken gegen den Nachbarn Marokko, in denen Israel als Unterstützer Marokkos, potentielle Sicherheitsgefahr für Algerien sowie destabilisierender Akteur im Maghreb und in Subsahara-Afrika tituliert wurde. Bei den Begriffen, die bei der APS im näheren Umfeld der Bezeichnungen »Israel« bzw. »zionistische Entität« standen und die in anderen Kontexten in der jewei­ligen Kombination weniger häufig zu finden waren, dominierte denn auch »Normalisierung«.42

Wiederholt wurde Marokko beschuldigt, im Inter­esse Israels Spionage zu betreiben.43 Besonders nach­drücklich verurteilt wurden überdies Aussagen, die israelische Politiker in Rabat getätigt hatten und die als direkte Aggression gegen Algerien empfunden wurden.44 Aber auch bei den Waldbränden in Alge­rien im Sommer 2021, für die die algerische Regierung die (nicht gewaltorientierte) Bewegung für die Autonomie der Kabylei (Mouvement pour l’auto­détermination de la Kabylie, MAK) verantwortlich machte, wurde Israel eine zumindest indirekte Rolle zugeschrieben: Das MAK werde von der zionistischen Entität und einem nordafrikanischen Staat (gemeint ist Marokko) aktiv unterstützt.45

Israel wird als destabilisierender Faktor in der Region dargestellt.

In einer dritten Stoßrichtung wurde generell ab­lehnend über die Normalisierung arabischer Staaten mit Israel, das Fallenlassen der Westsahara durch ara­bische Staaten und die USA sowie Israels Versuche, den afrikanischen Kontinent zu infiltrieren, berichtet. Dabei standen algerische (Gegen-)Initiativen und diplo­matische Erfolge im Vordergrund. Dass Israel auf algerische Initiative 2023 den Beobachterstatus bei der Afrikanischen Union verlor, wurde als Tri­umph, auch gegenüber Marokko, gefeiert. Insgesamt lautete das offizielle Framing, Israel sei ein Feind, der mit Hilfe von Manipulation, Anbiederung und Unter­wanderung des Nachbarstaates versuche, Algerien und die gesamte Region einschließlich des Sahel zu destabilisieren.

Nach dem 7. Oktober änderte sich die Bericht­erstattung insofern, als nun in der internationalen Rubrik der APS die überwältigende Mehrheit aller Nachrichten von den Entwicklungen in und um Gaza handelte.

Marokko: Normalisierung als Chance und der König als Friedensstifter

Wenig überraschend reflektierten die Meldungen der MAP eine weit positivere Sichtweise auf Israel. Begrif­fe wie »zionistische Entität« wurden von der marokka­nischen Presseagentur nicht verwendet. Die Nachrichten mit neutralen oder positiv zu deutenden Aus­sagen zu Israel machten im Untersuchungszeitraum über 75% aller Meldungen aus. Immerhin rund 22% der Meldungen beinhalteten indes Passagen, in denen teils harsche Kritik an Israel geübt wurde (vgl. Grafik 4).

Ins Auge stach bei den marokkanischen Meldungen vor allem das Bestreben, eine Balance zwischen Schritten der Annäherung an Israel und Solidarität mit den Palästinensern zu wahren. Auch hier fanden sich drei Muster. Erstens wurde die kontinuierliche marokkanische Unterstützung für die Palästinenser betont46 und zugleich die israelische Politik gegenüber den Palästinenserinnen regelmäßig verurteilt – oftmals indirekt, indem internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International zitiert wurden. Zweitens und komplementär dazu wurde die Normalisierung gelobt, aber auch hier wurden die Stimmen Dritter wiedergegeben, welche die Weisheit, Toleranz und Offenheit der marokkanischen Politik, allen voran des Königs, priesen. Dabei handelte es sich zum Beispiel um Vertreter jüdischer Gemeinden in Australien, den USA, Europa und Lateinamerika.47 Drittens wurden Kooperationen mit Israel als Chance, etwa für den Tourismus und Investitionen in Marokko, präsentiert. Besonders hervorgehoben wurden Sicherheits- und Entwicklungskooperationen.48

Die über sämtliche Nachrichten hinweg dominante Botschaft aller MAP-Nachrichten lautete, dass die Nor­malisierung eine Chance nicht nur für Marokko, son­dern und vor allem für einen gerechten Frieden im Nahen Osten sei und der marokkanische König eine positive und deeskalierende Rolle als Vermittler im Nahostkonflikt spiele oder spielen könne.49 Darauf deutet auch die Analyse von Begriffen hin, die in den MAP-Texten im näheren Umfeld der Bezeichnung »Israel« standen und in anderen Kontexten in der je­weiligen Kombination weniger häufig zu finden waren. »Frieden« etwa kam an vierter Stelle.

Nach den Angriffen der Hamas auf Israel 2023 und den israelischen Vergeltungsmaßnahmen zeichnete sich eine deutliche Abkühlung im Grundtenor der Nachrichtenmeldungen zu Israel ab. Auch wurde vermehrt über das Leiden der Palästinenserinnen und internationale Kritik an Israel berichtet. Insgesamt allerdings fanden sich bei der MAP im Vergleich mit den Nachrichtenagenturen Algeriens und Tunesiens bemerkenswert wenige Nachrichten zum Krieg in Gaza. Der Palast schien auf Ablenkung zu setzen und fokussierte auf Themen im Innern oder in der direk­ten Nachbarschaft, welche die Bevölkerung bewegten, näm­lich den Wiederaufbau nach dem schweren Erd­beben, Wirtschafts- und Entwicklungsprojekte sowie militärische Angriffe durch die Polisario.

Tunesien als Opfer von »Normalisierungsdruck«

Die Analyse von Nachrichtenmeldungen der tune­sischen Agentur TAP erfolgte nur punktuell und qualitativ. Dennoch ließen sich auch hier Muster erken­nen. Bis Anfang 2023 spielte Israel in der TAP-Berichterstattung keine auffällige Rolle. Diese Beob­achtung deckte sich mit der systematischen Aus­wertung der schriftlichen Verlautbarungen auf der Facebook-Seite des tunesischen Präsidialamts: Hier war Israel zwischen Juli 2021 und Juli 2022 kein ein­ziges Mal Thema.

Ab Frühjahr 2023 vollzog sich indes eine signifikante Veränderung. Der Präsident äußerte sich nun öfter zu Israel/Palästina, und nach der Ernennung eines neuen Direktors im März 2023 berichtete auch die TAP immer häufiger über Israel, wobei zunehmend das Synonym »zionistische Entität« verwendet wurde.

Grundsätzlich waren drei diskursive Stoßrichtungen erkennbar: Erstens wurde Israel regelmäßig scharf verurteilt, zudem wurden Verlautbarungen des Präsidenten zum Thema zitiert und konkrete Hilfe für Palästinenserinnen angekündigt.50 Zweitens wur­den Aussagen des Präsidenten oder von Personen aus seinem Lager aufgegriffen, in denen sie Gerüchte um Normalisierung mit Israel für haltlos erklärten und Normalisierung kategorisch ablehnten oder schon vor dem 7. Oktober 2023 wiederholt ein Gesetz oder einen Verfassungsparagraphen angekündigt hatten, um jegliche Arten der Normalisierung unter Strafe zu stellen. Drittens fanden sich bei TAP Nachrichten, die offenkundig dazu dienen sollten, von Antisemitismus­vorwürfen auch gegen den Präsidenten51 abzu­­lenken, indem der Blick auf israelische Angriffe auf Palästinenserinnen sowie den Jahrestag der Nakba (arabisch für Katastrophe), das heißt der Flucht und Vertreibung der Palästinenserinnen aus dem früheren britischen Mandatsgebiet Palästina 1948, gerichtet wurde. Diese Art von Nachrichten ging überwiegend, aber nicht ausschließlich auf den Anschlag auf die Synagoge in Djerba am 9. Mai 2023 zurück.

Auch bei der TAP konzentrierte sich die internatio­nale Berichterstattung nach dem 7. Oktober in hohem Maße auf Nahost, mit einer eigenen Rubrik »Krieg gegen Gaza«. Kritik an der Ermordung von Zivilistinnen durch die Hamas fand sich hier nicht.

Variierender Fokus auf Iran

Über Iran wurde offiziell weitaus weniger gesprochen als über Israel (vgl. Grafik 3). Von insgesamt 39.785 Mel­dungen in APS und MAP erwähnten 254 Iran. Auffallend war, dass es im marokkanischen Fall kaum Nachrichten zum Iran gab. Dies stand in Kon­trast zur Berichterstattung in der weiteren marokkanischen Medienlandschaft, vor allem im Jahr 2023. Die Ereignisse am und nach dem 7. Oktober änderten in allen drei Staaten kaum etwas an den inhalt­lichen Stoßrichtungen, wohl aber an der Intensität der Berichterstattung zu Iran.

Algerien: Iran als »Partner« mit »erheblichen Interessenüberlappungen«

Grafik 5

Sentimentanalyse von Nachrichtentexten

In den meisten algerischen APS-Nachrichtenmeldun­gen zu Iran herrschte eine neutrale Sichtweise vor (vgl. Grafik 5). Die Nachrichten kreisten um vier The­men. Erstens ging es um Kooperationsvereinbarungen, etwa bei Treffen der Organisation erdölexportierender Länder (Organization of the Petroleum Export­ing Countries, OPEC) und des Forums Gas exportieren­der Länder (Gas Exporting Countries Forum, GECF) oder im Rahmen offizieller Besuche. Dabei konnte es sich um neutrale Berichte handeln, aber auch um Beiträge, in denen gemeinsame Interessen und Sicht­weisen Algeriens und Iran unterstrichen wurden, etwa auf den Palästinakonflikt oder Syrien. Zweitens wurden Solidaritätsbekundungen im Kontext der gezielten Tötung von General Soleimani durch die USA Anfang 2020 veröffentlicht, dem Chef der Quds-Einheit innerhalb der iranischen Revolutionsgarde. Drittens wurde über die Verhandlungen zum irani­schen Atomprogramm berichtet. Hier schwankten die Nachrichten zwischen neutraler Berichterstattung und Nähe zur iranischen Linie bzw. kritischer Hal­tung zur Gruppe der fünf ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrats und Deutschland (P5+1), die das Atomabkommen mit Iran geschlossen hatte. Viertens wurde Iran erwähnt, wenn es darum ging, die Rolle Algeriens bei der Befreiung der Geiseln in der ameri­ka­nischen Botschaft in Teheran 1981 herauszustreichen.52 Eine besonders große Nähe Algeriens zu Iran ließ sich aus dem Korpus der Nachrichten jedoch nicht herauslesen.

Unter den Begriffen, die am häufigsten im näheren Umfeld der Bezeichnung »Iran« standen und in ande­ren Kontexten in der jeweiligen Kombination seltener auftauchten, wurde denn auch der ölbezogene Begriff »light« am häufigsten genannt, gefolgt von »Soleimani« und »Geiseln«.

Marokko: Iran als »Unterstützer von Marokkos Gegnern«

Die Meldungen der MAP, in denen Iran vorkam, wiesen ebenfalls offensichtliche Schwerpunkte auf. Ers­tens wurde das Verhältnis der USA zu Iran the­matisiert, zum Beispiel US-Sanktionen sowie etwaige Folgen des Amtsantritts von US-Präsident Biden für das bilaterale Verhältnis. Zweitens wurde Iran im Kontext von Treffen der Arabischen Liga sowie des Golfkooperationsrats erwähnt, vielfach mit einem negativen Unterton. Drittens wurde wiederholt die iranische Unterstützung für die Polisario mit Hilfe der Hisbollah angesprochen. Konkret ging es um die Liefe­rung iranischer Waffen, in erster Linie Drohnen. Damit verbunden waren Meldungen zu algerisch-iranischer Kooperation.

In der Analyse der Begriffe, die bei der MAP im näheren Umfeld der Bezeichnung »Iran« zu finden waren, fiel die Dominanz von »Hisbollah« besonders auf. Mit großem Abstand an zweiter Stelle folgte »nuklear« vor »arabisch« und »China«.

Tunesien: Iran als ferner »Partner« Tunesiens

Da die Nachrichten der TAP, anders als jene von APS und MAP, quantitativ gar nicht und qualitativ nur punktuell ausgewertet wurden, können zur offiziellen Berichterstattung zu Iran nur grobe Tendenzen skizziert werden. Sie zeigen, dass Iran bis 2023 in Meldungen keine große Rolle spielte.

Ab 2023 waren allerdings vermehrt Meldungen der TAP zu Iran sowie zur Erwähnung des Landes durch den Präsidenten zu verzeichnen. Dabei handelt es sich meist um positiv konnotierte Statements zu offi­ziellen Besuchen und zukünftigen Kooperationen zwischen Tunesien und Iran. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel begannen sich Meldungen zu Iran zu häufen. Am Folgetag des 7. Oktober 2023 etwa berichtete die TAP gleich zweimal über iranische Ver­lautbarungen zum Recht der Palästinenser, sich zu verteidigen.53

Felder der politischen Instrumentalisierung

Die Analyse von Texten der Nachrichtenagenturen in den Maghreb-Staaten offenbart eine klare politische Stoßrichtung gegenüber Israel und in Marokko auch gegenüber Iran. Noch deutlicher wird dies oftmals in der weiteren Medienlandschaft, die in Algerien und Marokko so gut wie ausschließlich regierungsnah ist. Kritische Journalistinnen haben das Land verlassen, sitzen im Gefängnis oder üben in der Regel Selbst­zensur. Selbst in Tunesien, wo bis 2021 weitgehende Meinungsfreiheit herrschte, lassen sich unabhängige, faktenbasiert berichtende Plattformen an einer Hand abzählen und geraten immer stärker unter Druck.54

Israel und Iran sind vorrangig Vehikel, um Politiken der Regime zu legitimieren.

Algerische, marokkanische und bis zu einem gewissen Grad auch tunesische Medien sowie Unter­stützer der jeweiligen Entscheidungsträger verwenden in den sozialen Medien ähnliche Topoi wie die Nachrichtenagenturen, wenn sie über Israel und Iran schreiben. Oftmals aber instrumentalisieren sie unverhohlener und polemischer vermeintliche oder reale israelische und iranische Präsenz und Aktivi­täten. Die bereits in den Nachrichtenagenturen angelegten politischen Stoßrichtungen werden ge­nutzt und verschärft, wie im Folgenden gezeigt wird. Dabei wird besonders klar, dass es nicht in erster Linie um Israel und Iran geht. Diese nämlich fungie­ren vorrangig als Vehikel, um Positionen und Politi­ken der Regime nach innen zu legitimieren, den je­wei­ligen politischen Gegner zu delegitimieren, den jeweiligen Nachbarstaat zu dämonisieren (im algeri­schen und marokkanischen Fall) und eigenes Nation-Branding zu betreiben.

Ablenkung von Problemen, Delegitimierung politischer Gegner

Polemik gegen Israel und ostentative Solidarität mit den Palästinensern taugen gut dazu, von eigenen Problemen abzulenken. Paradigmatisch dafür stehen Strategien des Präsidenten und der Regierung Tune­siens nach dem 7. Oktober. So rief das tunesische Bildungsministerium zwei Tage nach den Angriffen der Hamas dazu auf, in tunesischen Schulen die palästinensische Flagge zu hissen und die palästinensische Nationalhymne zu singen.55 Über Wochen, wenn nicht Monate dominierten in der Kommuni­kation des Präsidenten die Ereignisse in Gaza und die antizionistische Rhetorik. In der Folge wurden zu­min­dest zeitweilig die gravierenden Probleme im Innern aus den nationalen Schlagzeilen verdrängt. Das gilt für die zunehmend schwierige Versorgung mit Grund­nahrungsmitteln, den großen Migrationsdruck, die Inhaftierung führender Oppositioneller, die verstärkte Einschränkung von Meinungsfreiheit und die wachsende Repression der Regierung gegen­über der Zivilgesellschaft.

Gleichzeitig schwangen in den vergangenen Jahren auch oppositionelle Akteure in Tunesien, etwa die Par­tei Ennahda, die »Normalisierungskeule« und warfen dem Präsidenten vor, er strebe diplomatische Beziehungen mit Israel an.56 Umgekehrt unterstellte die Vorsitzende der Parti destourien libre (PDL), in Umfragen von 2022 noch mit Abstand stärkste Partei, sowohl dem Präsidenten als auch der Ennahda eine Nähe zu Iran, um diese im säkularen und (sunnitischen) konservativen Lager zu diskreditieren.57

In Algerien wurde eine »zionistische Gefahr« her­auf­beschworen, die sich aufgrund der Normalisierungspolitik Marokkos nun direkt an der algerischen Grenze befinde. Dahinter stand die Absicht, zum einen die Bevölkerung hinter der Armee zu versammeln und stark ansteigende Verteidigungsausgaben zu rechtfertigen. Zum anderen sollten damit oppo­sitionelle Akteure, besonders Aktivistinnen der Pro­testbewegung Hirak, als angeblich französisch-marok­kanisch-zionistisch gesteuerte fünfte Kolonne in Miss­kredit gebracht werden.58 Zielscheibe waren in erster Linie die kabylische Separatistenbewegung MAK sowie die Rachad-Bewegung, die teils aus Akteuren der ehemaligen FIS-Partei besteht. Beiden wurde neben an­derem unterstellt, in Marokkos Auftrag Waldbrände in Algerien gelegt zu haben.59 Nach dem 7. Oktober wurden dem MAK in algerischen Medien seine tat­sächlich existierenden Beziehungen zu Israel noch vehementer zur Last gelegt.60 Rachad und MAK sind in Algerien als terroristisch eingestuft. Weil sie auch Akteure im Hirak waren, diente ihre Herabwürdigung unter anderem dazu, den Hirak zu schwächen und die Repression gegenüber Aktivisten zu legitimieren. Seit den Attacken der Hamas auf Israel hat die Regie­rung kaum Demonstrationen zugelassen. In dieser Zeit publizierten marokkanische Medien das Video eines algerischen Politikers, der behauptete, im alge­rischen Regime gebe es eben auch Normalisierer.61 Sprich, alle Seiten nutzen Israel, um unliebsame poli­tische Gegner zu delegitimieren.

In Marokko hingegen konnte vor dem 7. Oktober 2023 Kritik an der Normalisierung, gerade wenn der König in diesem Zusammenhang erwähnt wurde, sogar Haftstrafen zur Folge haben.62 Ohnehin verbot sich in Marokko scharfe Kritik am Trump-Deal weit­gehend, da diese Vereinbarung die Normalisierung mit Israel und die Anerkennung marokka­nischer Sou­veränität über die Westsahara durch die USA ver­knüpfte.63 Zumindest bis zu den Angriffen der Hamas auf Israel war es dem Palast überdies gelun­gen, mit dem Deal den potentiell stärksten Gegenspieler der Monarchie zu schwächen, die islamistische Parti de la justice et du développement (PJD). Der damalige PJD-Premierminister musste das Normalisierungs­abkommen mit Israel unterzeichnen, das von An­hän­gern dieser Partei besonders energisch abgelehnt wurde. Dass sie 2021 in Wahlen verlor, dürfte nicht zuletzt auf die Enttäuschung ihrer Wäh­ler darüber zurückzuführen sein. Als der Vorsitzende der PJD im März 2023 Marokkos Politik der Annäherung an Israel als unverantwortlich anprangerte und mehr Unter­stützung für die Palästinenser forderte, wurde er vom Palast in die Schranken gewiesen. Danach musste die PJD einen Rückzieher machen. Durch die Eskalation der Gewalt nach dem 7. Oktober verspürte sie wieder Rückenwind und fühlte sich stark genug, ausdrücklich den Abbruch der Beziehungen zu Israel zu ver­langen.64 Dies dürfte ihre Popularität wieder erhöht haben.

Dämonisierung des Nachbarn

Sowohl Marokko als auch Algerien nutzen Israel und Iran als Waffe, um einander zu diskreditieren – nach innen und in der internationalen Arena. Dabei spie­len Fakten bestenfalls eine Nebenrolle. Nahezu täg­lich polemisieren staatsnahe marokkanische und algerische (soziale) Medien gegen den jeweiligen Nach­barn, versteigen sich in Verschwörungstheorien oder reden Bedrohungen herbei. Hier handelt es sich offenbar um Stimmungsmache zu dem Zweck, von innenpolitischen Problemen abzulenken: Indem Gefah­ren von außen heraufbeschworen werden, lässt sich ein Einverständnis zwischen Entscheidungs­trägern und Bevölkerung herstellen.

So publizierten algerische Medien Aussagen marok­­kanischer Normalisierungsgegner, die in Anlehnung an Verschwörungstheorien einen »Transfer des israe­lischen Staates nach Marokko« befürchteten,65 schrie­ben über israelisch-marokkanische Pläne in Afrika66 oder beschuldigten Israel und Marokko, auf Indien erfolgreich Druck ausgeübt zu haben, um den Beitritt Algeriens zur BRICS-Gruppe (Brasilien, Russ­land, Indien, China, Südafrika) zu verhindern.67 Berich­tete Algerien über angebliche Treffen zwischen israelischen, französischen und marokkanischen Geheimdiensten zur Destabilisierung algerischer Pro­vinzen und von Sahelstaaten, bezichtigte die marok­kanische Presse Algerien am nächsten Tag der Lügen und antimarokkanischer Verschwörungen.68 In der Regel lässt sich der Wahrheitsgehalt solch gegen­seitiger Anschuldigungen nur schwer herausfinden.

Die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten wird zu Polemik gegen Nachbarstaaten genutzt.

Auch die Eskalation der Gewalt in Nahost im Okto­ber 2023 wurde gegen den Nachbarn verwendet. Alge­rische und tunesische (soziale) Medien frohlockten, die Normalisierung habe Marokko in eine ungemüt­liche Lage gebracht.69 Verbale Distanzierungen Ma­rok­kos von Israel konterten algerische Medien damit, dass Marokko als kolonialer Staat, der die West­sahara illegal okkupiere, einem anderen kolo­nialen Staat, nämlich Israel, schlecht Vorhaltungen machen könne.70 Marokkanische Medien wiesen genüsslich darauf hin, dass in Marokko im Gegensatz zu Alge­rien in Solidarität mit Palästinensern demonstriert werden dürfe. Es ist nicht auszuschließen, dass Alge­rien auch deswegen noch im Oktober quasistaat­liche Demonstrationen organisierte.

Marokkanische Medien und dem Palast nahe­stehende Eliten bringen regelmäßig Iran ins Spiel und warnen vor einer auch für den Westen gefährlichen Achse Iran-Hisbollah-Algerien-Polisario.71 Berichte dieser Art dürften gerade nach dem 7. Oktober auch dazu dienen, die in Marokko höchst umstrittene Auf­rechterhaltung von Beziehungen zu Israel zu recht­fertigen. Eine im Rahmen dieser Studie durchgeführte Analyse des Hashtags »Algerien ist ein Agent Irans« im Zeitraum vom 1. Juni 2020 bis 30. Januar 2023 zeigte, dass dieser in erster Linie von Accounts in Marok­ko genutzt wurde (vgl. Grafik 6).

Grafik 6

Anzahl an Tweets mit den Worten: »Algerien ist ein iranischer Agent«

Schließlich wird auch Tunesien in die algerische und marokkanische Propaganda miteinbezogen. Im August 2023 verkündete ein ehemaliger algerischer Minister und Führer einer islamistischen Partei, Tune­sien werde demnächst seine Beziehungen zu Israel normalisieren. Zur Vorbereitung seien tunesische Offizielle mehrmals nach Israel gereist.72 Als Haupt­indiz für die Glaubwürdigkeit dieser Äußerungen galten algerischen wie marokkanischen Medien hoch­rangige Besuche aus den VAE und Saudi-Arabien, bei denen angeblich Druck auf Tunesien ausgeübt wurde. Ende August 2023 erklärte dann der algerische Außen­minister in einer Pressekonferenz, Tunesien habe Algerien versichert, eine Normalisierung weiterhin abzulehnen.

Marokkanische Medien, welche die Gerüchte eben­falls kommentierten, unterstellten dem tunesischen Prä­sidenten dagegen wachsende Nähe zu Iran und arg­­wöhnten, er stehe unter dem Einfluss von Beratern, die dem schiitischen Lager nicht abgeneigt seien.73

Nation-Branding und Blockbildung

Das demonstrative Hervorheben der eigenen oder des Nachbarn Beziehungen zu Israel oder Iran dient auch dazu, sich in der internationalen Arena zu positio­nieren und zu profilieren. Wenn Algerien von großen Interessenüberlappungen mit Iran in regionalen Fragen spricht – gemeint sind vor allem Syrien und Israel/Palästina –, dann versucht es, an seine ehemals prominente Rolle in der Bewegung der Blockfreien Staaten und als ein maßgeblicher Unterstützer anti­kolonialer Befreiungsbewegungen anzuknüpfen. Die Nichtteilnahme am Gipfeltreffen zu Gaza, das Ende Oktober 2023 in Ägypten stattfand, untermauert dieses Framing Algeriens als unabhängiger Staat, der sich vom Westen nicht bestechen lässt.74 Gleiches gilt für seine Resolutionsentwürfe im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dessen nichtständiges Mitglied es seit Januar 2024 ist. Zielgruppe der antiwestlichen Signale dürften nicht zuletzt Staaten in Subsahara-Afrika sein. Hier war Algerien wie erwähnt unter ande­rem 2023 erfolgreich mit seiner Kampagne gegen den israelischen Beobachterstatus bei der AU.

Marokko wiederum nutzt seit Dezember 2020 die Nor­malisierung mit Israel als Gütesiegel in seinen Beziehungen zu westlichen Akteuren, welche die Anerkennung Israels durch arabische Staaten positiv werten. Selbst im Zuge des Kriegs in Gaza ist Rabat bemüht, bei aller scharfen Kritik am israelischen Vor­gehen keine offizielle Abkehr vom westlichen Block anzudeuten.75 Marokkos erkennbares Bestreben ist zudem, sich als Bastion gegen die iranische Expansion im Sahel und in Westafrika zu präsentieren und dabei auch algerisch-iranische Verbindungen zu beto­nen.76 Es dürfte kein Zufall sein, dass sich Artikel dieser Art in den Medien häuften, als Marokkos gutes Image in Europa 2023 aufgrund des Korruptionsskandals im Europäischen Parlament (»Qatar-Maroc-Gate«) beschädigt zu werden drohte.

Tunesien hat nach 2011 in erster Linie seinen Sta­tus als demokratischer Leuchtturm in der ara­bischen Welt in die internationale Arena getragen. Seit der Machtübernahme Kais Saieds 2019 betreibt es aller­dings ein ganz anderes Nation-Branding: Tunesien als arabisches Land, das sich vom Westen nichts vor­schrei­ben lässt. Der Präsident nutzt Israel und in gerin­gerem Maße Iran dazu, Tunesien als Bollwerk des panarabischen und antiimperialistischen Wider­stands gegen den Westen und gegen den Zionismus zu stilisieren. Positionen Tunesiens zu regionalen Konflikten haben sich unter Saied nicht nur denjenigen Algeriens, sondern auch Irans angenähert, etwa wenn es um Syrien, Israel/Palästina oder selbst die Westsahara geht.77 Im Krieg Israels gegen die Hamas hat er sich als radikale Stimme unter den arabischen Herrschern und als Befürworter der Befreiung ganz Palästinas hervorgetan. In einer VN-Abstimmung zu einem humanitären Waffenstillstand Ende Oktober 2023 enthielt sich Tunesien als einziges arabisches Land der Stimme, weil es die Forderung zu schwach fand.78 Das von Südafrika initiierte Verfahren gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof Anfang 2024 unterstützte Tunesien nicht, weil dies die Anerkennung des Staates Israel bedeutet hätte.79 Saied verbrei­tet überdies kontinuierlich Verschwörungs­theorien, etwa dass Zionisten die tunesische und die libysche Verfassung beeinflusst hätten, um die Staaten von innen heraus zu destabilisieren.80 Seine antiwestliche und antikoloniale Rhetorik dürfte sich vorwiegend an ein afrikanisches Publikum richten und dazu dienen, eigene rassistische Aussagen An­fang 2023 und darauf folgende manifeste tunesische Menschenrechts­verletzungen gegenüber Migrantinnen aus Subsahara-Afrika vergessen zu machen.81

Resonanzräume und Grenzen der Instrumentalisierung

Der Blick auf Stimmungslagen gegenüber Israel in den einzelnen Maghreb-Staaten zeigt insgesamt eine weitgehende Übereinstimmung mit offiziellen Framings. Es ist davon auszugehen, dass jahrzehntelange politische Instrumentalisierung nicht ohne Wirkung geblieben ist. Dafür spricht auch die wissen­schaftliche Literatur zu den Effekten staat­licher Propaganda in autoritären Kontexten.82 Aller­dings ist vor vorschnellen kausalen Schlüssen zu warnen, da die öffentlichen Stimmungslagen zugleich Nährboden und Resonanzraum für staatliche Steue­rung und offizielle Framings sind. Ziel dieser Studie ist denn auch nicht, die »Huhn-Ei-Frage« zu beantwor­ten, nämlich wie die Kausalitäten verlaufen – ob die Entscheidungsträger die Stimmungslagen beein­flus­sen oder umgekehrt. Vielmehr geht es darum zu ver­stehen, auf welchen Nährboden und Resonanzraum die offiziellen Framings und Instrumentalisierungen stoßen, wo letztere an ihre Grenzen kommen (dürf­ten) und welche innen- und außenpolitischen Risiken mit dem Zusammentreffen von Instrumentalisierung und öffentlichen Resonanzräumen verbunden sind. Zu diesem Zweck wurden nicht nur verschiedene Um­fragen herangezogen, sondern auch Twitter/X-Kon­ten von jeweils 35 Influencern in Marokko, Algerien und Tunesien im Zeitraum von Januar 2020 bis September 2022 qualitativ und quantitativ ausgewertet, die auf Arabisch zu außenpolitischen Themen getweetet oder gepostet hatten und sich über ein breites politisches Spektrum verteilten.83 Darüber hinaus wurden anlass­bezogen Twitter/X-Debatten qualitativ analysiert, die bis Juli 2023 auch auf Französisch und Englisch geführt wurden.

Stimmungslagen zu Israel: Erhebliche Übereinstimmung mit offiziellen Framings

In Umfragen von Arab Barometer und Arab Opinion Index sind die Haltungen zu Israel in Algerien und Tunesien eindeutig. Beide Staaten gehören zu den Spitzenreitern in der MENA-Region, was die Ablehnung diplomatischer Beziehungen und/oder die An­erkennung Israels betrifft. In Marokko bietet sich ein gemischteres Bild (vgl. Grafik 7 und 8).84 Eine vertiefte Betrachtung der Stimmungslagen, auch nach dem 7. Oktober und auf Basis zusätzlicher Quellen wie Twitter/X und Facebook sowie Interviews mit magh­rebinischen Offiziellen und zivilgesellschaft­lichen Akteuren, verweist indes auf ein nuancierteres Bild. In allen drei Staaten offenbaren sich Grenzen der staatlichen Steuerungsversuche.

Marokko: Grenzen der offiziellen Steuerung

Vor dem 7. Oktober schien einiges darauf hinzudeuten, dass die Framings zu Israel in Marokko Wirkung zeitigten. Umfragen deuteten darauf hin, dass – je nach Erhebung – ein Fünftel bis ein Drittel der Bevöl­kerung die Normalisierung der Beziehungen zu Israel bzw. generell zu arabischen Staaten befürwortete (vgl. Grafik 7 und 8). Vor dem Trump-Deal und dem Wechsel in der offiziellen marokkanischen Posi­tion und Rhetorik hatten dagegen nur 4% eine Nor­malisierung mit Israel favorisiert (vgl. Grafik 9). Dies spricht dafür, dass positive offizielle Darstellungen der Normalisierung in Marokko eine gewisse Reso­nanz fanden, auch wenn das Stimmungsbild in Um­fragen insgesamt mehr Skepsis als die offiziellen Framings abbildete.

Grafik 7

Würden Sie die diplomatische Anerkennung Israels durch Ihr Land unterstützen oder ablehnen? 2022

Grafik 8

Normalisierung der Beziehungen zwischen arabischen Staaten und Israel, 2021–2022

Das galt auch für das marokkanische Twitter/X-Sample. Hier wiesen 61% der arabischen Tweets/Posts negative Haltungen zur Normalisierung mit Israel auf (vgl. Grafik 10).

Verfasser ablehnender Tweets verurteilten hochrangige Besuche von Israeli, bezeichneten die Norma­lisierung als Verbrechen und/oder hinterfragten den wirtschaftlichen Nutzen für Marokko. Urheber posi­tiver Tweets argumentierten in die Gegenrichtung: Marokko könne von der Normalisierung vor allem wirtschaftlich, aber auch geopolitisch stark profitieren, da das Land nun sicherheitspolitisch und diplo­matisch gut aufgestellt sei, unter anderem gegen Iran. Vor allem aber habe Marokko viel gewonnen, weil die USA die Westsahara als marokkanisches Territorium anerkannt haben. Nicht zuletzt sei Marokko jetzt in einer guten Position, zum Frieden zwischen Israeli und Palästinensern (in einer Zweistaatenlösung) bei­zutragen. Mit anderen Worten: Die positiven Tweets deckten sich mit dem beschriebenen offiziellen Fra­ming, und es ist plausibel, dass sie sich daran orien­tierten.

Ferner wiesen vor dem 7. Oktober Statements der größeren marokkanischen Parteien zwar Bekundungen großer Soli­darität mit den Palästinensern auf,85 aber kaum Kritik an der Normalisierung. Damit spiegelten sie die Linie der MAP wider. Durchweg positiv waren im Zeitraum vor dem 7. Oktober Aussagen des Rassemblement national des indépendants (RNI) von Premierminister Akhannouch auf Facebook, vor allem zu den wirt­schaftlichen Chancen der Normalisierung.86 Von den großen Parteien hatte sich einzig die islamistische PJD vor dem 7. Oktober öffentlich kritisch zur Normalisierung geäußert. Deutlich ablehnend zeigt sich über­dies die islamistische Bewegung Al Adl wal Ihsane, die als mobilisierungsstark gilt, keinen legalen Status besitzt, vom Staat aber bis zu einem gewissen Grad toleriert wird.87

Nach dem 7. Oktober offenbarten sich die Grenzen der Steuerung von oben.

Grafik 9

Würden Sie die diplomatische Anerkennung Israels durch Ihr Land unterstützen oder ablehnen? 2019–2020

Grafik 10

Sentimentklassifizierung nach Herkunft des Users in Tweets zu Israel, die das Wort »Normalisierung« enthielten

Nach dem 7. Oktober wendete sich das Blatt, und es offenbarten sich die Grenzen der Steuerung von oben. Trotz des mehrheitlich positiven offiziellen Framings der Normalisierung in Marokko ab Dezem­ber 2020 kam es im Oktober 2023 nach den israelischen Bombardierungen Gazas infolge der Hamas-Angriffe zu Großdemonstrationen im ganzen Land. In der arabischen Welt fanden im Oktober 2023 nur in Jemen mehr propalästinensische Kundgebungen statt.88 Besonders bei Demonstrationen, die von der PJD unterstützt wurden, forderten Demonstranten den Abbruch der Beziehungen zu Israel.89 Andere Par­teien hielten sich stärker zurück und riefen ihre An­hänger vor allem zu Bekundungen ihrer Solidarität mit Gaza und Druck auf die israelische Regierung auf. Auch auf Twitter fanden sich nach dem 7. Oktober immer weniger israelfreundliche Tweets/Posts. Perso­nen, die an Beziehungen zu Israel festhielten, liefen Gefahr, in sozialen Medien stigmatisiert zu werden.90

Es lässt sich nicht feststellen, ob die Stimmung ins­gesamt kippte oder ob ein schon zuvor existierendes Unbehagen wegen der Normalisierung sich nun offen äußerte. Allerdings erwies sich das offizielle Framing aus der Zeit vor dem 7. Oktober als strategisch voraus­schauend, denn es war nie euphorisch proisraelisch, sondern vielmehr ambivalent, signalisierte kontinuier­lich Kritik an israelischen Maßnahmen gegen Pa­läs­­tinenserinnen und unterstützte eine Zwei­staaten­lösung. Daran konnten die marokkanischen Ent­schei­dungsträger nach dem 7. Oktober anknüpfen.

Mit Blick auf das Nation-Branding passte das offi­zielle Framing des toleranten, moderaten und frie­dens­orientierten Königs nach dem 7. Oktober fast noch besser als zuvor – zumindest gegenüber einem westlichen Publikum. Französische Medien etwa nah­men die marokkanische Haltung wohlwollend zur Kenntnis.91 Unter anderem dieses Image dürfte im Januar 2024 Marokko bei der Wahl zum Vorsitz des VN-Menschenrechtsrates zum Sieg über Südafrika ver­holfen haben,92 trotz Rabats durchwachsener Bilanz im Bereich Menschenrechte.

Algerien: Framing und Stimmungslagen nahezu deckungsgleich

In Algerien schließen sich beim Thema Israel/Paläs­tina weitgehend die politischen Gräben zwischen Regime, politischer Opposition und Bevölkerung (vgl. Grafik 7 und 8), und das nicht erst seit dem 7. Okto­ber. Dabei lässt sich nicht auseinanderdividieren, ob dies das Resultat eines mit wenigen Ausnahmen kon­sequent antiisraelischen offiziellen Framings seit der Unabhängigkeit ist oder dem kollektiven Gedächtnis des antikolonialen Befreiungskampfes entspringt. So war im algerischen Volksaufstand gegen das Regime 2019, dem sogenannten Hirak, die Solidarität mit den Palästinenserinnen in Form von Fahnen und Plakaten omnipräsent.93 Alle algerischen Parteien quer durch das politische Spektrum lehnten diplomatische Bezie­hungen, das heißt die formelle Anerkennung Israels, vehement ab. Politische und wirtschaftliche Akteure, deren Positionen von der offiziellen Haltung ab­wichen, brachten diese, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand zum Ausdruck.94 Dabei handelte es sich um vereinzelte Stimmen, in erster Linie unter radikalen Amazigh (Berber)-Aktivistinnen, die sich als von der arabischen Mehrheit unterdrückt verstehen. Das in Algerien als terroristisch eingestufte MAK, die kabylische Separatistenbewegung, deren Führung im Exil lebt, war der einzige politische Akteur, der sich proisraelisch äußerte und dessen Präsident Israel auch schon besucht hatte. Entsprechend scharf wurde er in sozialen Medien angegriffen, erst recht nach dem 7. Oktober.95

Bemerkenswert war, dass im Sample der algerischen Tweets/Posts vor dem 7. Oktober diese »nur« zu 86% negative Einstellungen gegenüber Normalisierung aufwiesen (vgl. Grafik 10). Damit spiegelten sich in den Tweets weniger ablehnende Haltungen als in den Umfragen (vgl. Grafik 6, 7 und 8). Möglicherweise hing dies damit zusammen, dass auf Twitter präsente Algerierinnen in der Regel eher regierungskritisch und international vernetzt sind und sich darunter auch radikale Amazigh-Aktivistinnen finden. Ableh­nende Tweets/Posts aus Algerien thematisierten neben Solidarität mit den Palästinensern und Wut auf die israelischen Angriffe auch die Sorge vor einer Destabi­lisierung des Maghreb durch Israel. In den wenigen nicht als ablehnend zu wertenden algerischen Tweets argumentierten die Verfasser, Marokkos Normalisierung sei aufgrund der großen jüdischen Gemeinde verständlich,96 oder sie ließen erkennen, dass sie die Instrumentalisierung Israels durch die eigene Regie­rung ablehnten. Mindestens einer dieser Tweets/Posts wurde nach dem 7. Oktober gelöscht.

In Algerien sind die Sichtweisen von Regierung und Opposition zu Israel nahezu deckungsgleich.

Nach dem 7. Oktober fanden sich algerische oppositionelle Aktivistinnen in einer paradoxen Situation. Zwar deckte sich ihre Sichtweise auf Israel/Gaza in der Regel nahezu vollkommen mit der Regierungs­linie. Aber gleichzeitig wollten sie sich nicht von der Regierung vereinnahmen lassen, was nicht leicht war, weil die einzigen erlaubten Demonstrationen von offi­zieller Seite organisiert wurden. Dies hatte zur Folge, dass Aktivistinnen des Hirak den offiziellen Kundgebungen entweder fernblieben oder durch klare Abgrenzungen ihrer Gruppierung von Regimeparteien versuchten, ihre Unabhängigkeit vom Regime zu signalisieren.97

Gegen das Demonstrationsverbot opponierte vor allem das moderat islamistische Mouvement de la société pour la paix (MSP), etwa mit Sit-ins. Ähnlich wie in Marokko versuchten die Islamisten, durch beson­ders scharfe Rhetorik ihre Popularität zu stei­gern. Doch war dies in Algerien deutlich schwieriger, weil sich die Positionen kaum von denen der Regie­rung unterschieden. Letztlich blieb die öffentliche Mobili­sierung vergleichsweise bescheiden, nicht nur wegen stark eingeschränkter Freiheitsräume. Viel­mehr schie­nen zahlreiche Algerierinnen darauf zu vertrauen, dass die Regierung sich in der Palästina-Frage inter­national engagiert und das aus ihrer Sicht Richtige tut.98

Tunesien: Großer Resonanzraum nach dem 7. Oktober

In Tunesien war das Lager der Befürworter einer Normalisierung mit Israel immer klein. Wichtige Gründe dafür dürften die langjährige Präsenz der PLO-Führung in Tunis sowie die israelische Bombardierung von deren Hauptquartier auf tunesischem Boden 1985 sein, die sich tief im kollektiven Gedächt­nis eingegraben hat. Auch die mutmaßliche Tötung eines tunesischen Drohneningenieurs der Hamas durch den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad Ende 2016 sorgte für Aufsehen.99 Umfragen weisen aber einen signifikanten Wandel der Stimmungslagen in den Wochen nach dem 7. Oktober aus. Noch 2022 waren es 11%, die diplomatische Beziehungen zwi­schen arabischen Staaten und Israel »sehr befürwor­teten« (vgl. Grafik 8), und am 7. Oktober 2023 sollen laut Forscherinnen von Arab Barometer sich gar 12% der Befragten für eine Normalisierung der Beziehungen Tunesiens mit Israel ausgesprochen haben. Am 27. Oktober 2023 war es noch 1%.100

Die Solidarität mit den Palästinenserinnen zeigt sich in Tunesien seit Jahrzehnten auf der Straße, etwa wenn größere israelische Angriffe auf Gaza oder Zu­sammenstöße auf dem Tempelberg in Jerusalem zu verzeichnen sind.101 An vorderster Front steht der Gewerkschaftsdachverband Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT), bei dessen Veranstaltungen schon vor dem 7. Oktober regelmäßig formell die Solidarität mit Palästina bekundet und Normalisierungsschritte verurteilt wurden.102 Die Auswertung der Facebook-Seiten fünf größerer tunesischer Par­teien im Zeitraum von Januar 2021 bis Juli 2022103 erwies allerdings, dass nur die sozialdemokratische Attayar und die populistische, panarabische Echaab-Partei Israel überhaupt erwähnten. Dabei ging es in erster Linie gegen Normalisierung: Die Echaab ver­mutete im Januar 2021, Grund für ein (angeblich versuchtes) Attentat auf den Präsidenten sei dessen Antinormalisierungsrhetorik gewesen.104

Ins antiisraelische Gesamtbild passen auch die tune­sischen Twitter-Debatten, die auf Arabisch geführt wurden. Schon vor dem 7. Oktober zeugten 98% der Tweets/Posts von einer ablehnenden Haltung gegenüber der Normalisierung und fand sich kein einziger positiver Tweet (vgl. Grafik 10). Hier gab es zahlreiche besorgte und ablehnende Reaktionen auf sporadisch kursierende Gerüchte einer möglichen offiziellen tunesisch-israelischen Normalisierung. Die punktuelle Analyse englisch- und französischsprachiger Tweets/Posts aus Tunesien schien vor dem 7. Oktober eine minimal weniger ablehnende Hal­tung anzudeuten. Damit stand sie im Einklang mit dem etwas weniger einheitlichen Meinungsbild in Um­fragen vor dem 7. Oktober.

In der Tat gab es bis Oktober 2023 auch kontroverse Debatten über Israel, die von den zunehmend ein­deutigen Framings des Präsidenten abwichen oder die Instrumentalisierung Israels durch ihn thematisierten. Diskussionen über Normalisierung waren, zu­mindest vor dem 7. Oktober, nicht zuletzt auch Chiff­re für den Kampf um Meinungsfreiheit und kulturellen Pluralismus. So unterschrieben im Früh­jahr 2023 mehr als 600 Personen aus Zivilgesellschaft und Wis­senschaft eine Petition für die Verteidigung der aka­demischen Freiheiten in Tunesien.105 Dies geschah, nachdem die Universität Manouba angekündigt hatte, einem international bekannten Historiker den Status »Professor emeritus« zu entziehen, da er an einem Kolloquium in Paris teilgenommen hatte, bei dem auch israelische Wissenschaftlerinnen anwesend waren. Die Geister in Tunesien schieden sich auch regelmäßig an der Frage, ob tunesische Sportler gegen Israeli antreten sollten.106 Dass es Kulturschaffende und Akteure im Privatsektor gab, die nach Israel reis­ten, war in den betreffenden Eliten ein offenes Geheimnis.107

Zudem entbrannten in Tunesien wiederholt Diskussionen über Antisemitismus, so auch im Kontext der Anschläge auf die Synagoge in Djerba 2023.108 In Reaktion darauf, dass eines der Opfer sowohl tune­sischer als auch israelischer Staatsbürger war, wurde in Tweets/Posts die Ausweisung der tunesischen Familie des Opfers gefordert oder von ihnen eine Entscheidung verlangt, ob sie Israeli oder Tunesier, jüdisch oder nichtjüdisch seien.109 Im Anschluss dar­an entwickelte sich eine recht nuancierte Debatte über Rassismus und Antisemitismus.110 Dass gewisse Akteure »(tunesisch-)jüdisch« und »zionistisch« gleich­setzen, hatte sich schon im November 2022 bei einer von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mitorganisierten Veranstaltung herausgestellt, in der es unter anderem um die »judeo-tunesische« Sprache ging. Vertreter der selbsternannten »nationalen Kommission zum Kampf gegen Normalisierung und Zionismus« störten die Zusammenkunft, indem sie rassistische Parolen von sich gaben, die Veranstalterin beleidigten und eine Normalisierung mit dem »zionistischen Gebilde« ver­urteilten, die angeblich unter dem Deckmantel der akademischen Freiheiten stattfinden solle.111 Dies wiederum rief Aktivistinnen für kulturellen Plura­lismus und Meinungsfreiheit auf den Plan.112

Nach dem 7. Oktober verstummten solche Stimmen weitestgehend. Hatten direkt vor dem 7. Oktober 66% der Tunesierinnen eine Zweistaatenlösung favo­risiert, fiel diese Zahl bis Ende Oktober auf 50%. Gleich­zeitig stieg die Zahl derer, die bewaffneten Widerstand, teilweise bis zur Auflösung des Staates Israel, befürworteten.113 Die Diskursverengung nach dem 7. Oktober ließ sich auch auf Twitter/X beobachten, wo kaum mehr eine Handvoll Nutzer gegen den Strom schwamm. Beispiele dafür waren Tweets, in denen auf Widersprüche hingewiesen oder schlicht die Instrumentalisierung Palästinas thematisiert wurde: Kritik wurde daran geübt, dass die Tunesier die islamistische Ennahda und ihre Führung hassten, die islamistische Hamas dagegen blind feierten, und dass der Präsident für die Freiheit der Palästinenser eintrat, selbst aber Oppositionelle aus politischen Gründen verhaften ließ.114

Fraglich ist, ob Präsident Saied den Geist, den er aus der Flasche gelassen hat, wieder einfangen kann.

Die von Arab Barometer nach dem 7. Oktober täg­lich erhobenen Daten legen nahe, dass es nicht in erster Linie die Attacken der Hamas, sondern die darauffolgenden israelischen Reaktionen waren, die zu diesen Veränderungen führten. Offen bleibt, in­wieweit sie auch Folge der populistischen offiziellen Rhetorik des Präsidenten waren oder ob dieser sich erfolgreich ein tief verankertes antiisraelisches Senti­ment zunutze machte. Allerdings ist stark zu bezwei­feln, dass der Präsident den Geist, den er aus der Flasche gelassen hat, wieder einfangen kann: So sah er sich mit Protesten aus dem ihm sonst treu ergebe­nen eigenen Lager konfrontiert, als er im November 2023 den Gesetzesentwurf zur »Kriminalisierung der Normalisierung« zurückzog. Sichtbar wurde auch, dass die Instrumentalisierung der Solidarität mit Palästina Grenzen hat. Versuche, diese im Vorfeld der geplanten Kommunal- und Distriktwahlen Ende 2023 zu nutzen, zeitigten augenscheinlich keine mobili­sierende Wirkung: Die Wahlbeteiligung fiel genauso nied­rig aus wie bei den Parlamentswahlen im Jahr zuvor.

Iran: Mehr Skepsis als in offiziellen Framings

Die Resonanz auf die offiziellen Framings zu Iran in den maghrebinischen Stimmungslagen und generell die Haltungen zur Islamischen Republik sind schwie­rig zu erfassen. Dies liegt nicht nur daran, dass Iran in den öffentlichen Diskursen weniger präsent ist. Vielmehr sind die Haltungen zentraler politischer Akteure weniger offenkundig – mit Ausnahme des offiziellen Marokko und einiger tunesischer Politiker und zivilgesellschaftlicher Akteure. Umfragen im Maghreb, mit denen Einstellungen nur zum Iran er­mittelt werden sollen, sind rar. Hinzu kommt, dass zwar viele Maghrebinerinnen mit der antiimperia­listischen und antiisraelischen Haltung Irans sympa­thisieren, dies aber aus zwei Gründen nicht offen kund­tun: Sie wollen nicht in Verdacht geraten, einen Hang zum schiitischen Islam zu haben. Außerdem ist der Iran »keiner von uns«, das heißt, kein arabisches Land.115

Umfragen, die sich ausschließlich mit Iran befassen oder in denen Iran mit anderen regionalen und überregionalen Akteuren verglichen wird, deuten auf starkes Misstrauen hin. Bei einer Umfrage von 2019/20 in allen drei Maghreb-Staaten sahen rund die Hälfte der Befragten in Tunesien und deutlich mehr in Algerien und Marokko iranische Politiken »zu einem gewissen Grad« oder »sicher« als Gefahr für Sicher­heit und Stabilität in der arabischen Region (vgl. Grafik 11).

Es gab nach dem 7. Oktober allerdings auch An­zeichen, dass Iran an Sympathien gewon­nen hatte – nicht zuletzt nach dem Prinzip »der Feind meines Feindes ist mein Freund«.

Marokko: Kleinere Differenzen zum offiziellen Framing

Grafik 11

Stellt die iranische Politik eine Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität in der arabischen Region dar? 2019–2020

Das offizielle Framing zu Iran als feindlichem Akteur schien in Marokko zumindest partiell zu verfangen. Insbesondere jüngere Umfragen boten ein recht kritisches Iran-Bild. So unterbreitete Arab Baro­meter 2022 den Befragten eine Liste potentieller Bedro­hun­gen für nationale Sicherheitsinteressen. Dabei waren Israel und Iran diejenigen Akteure, von denen in der Wahrnehmung der Befragten die größ­ten Gefahren ausgingen (vgl. Grafik 12). Das iranische Nuklear­programm sowie »iranischer Einfluss in der Region« fand sich auf den Plätzen zwei und drei der als kri­tisch gesehenen Gefahren.116 Angeführt wurde die Liste allerdings von der »israelischen Besatzung in den palästinensischen Gebieten«.

In einer weiteren Umfrage von 2022 in Marokko zur Popularität der Außenpolitik regionaler und inter­nationaler Staatschefs fand sich der iranische Revolutionsführer Ali Khamenei am Ende der Liste – hinter Baschar al-Assad und Wladimir Putin. Joe Bidens Außenpolitik hatte doppelt so viele Anhänger unter den Befragten wie Khamenei.117 Dies könnte zwar mit den negativen offiziellen Darstellungen Irans in Marokko zusammenhängen, ließe sich aber auch mit anderen Faktoren erklären, etwa Solidarität in Teilen der marokkanischen Gesellschaft mit oppo­sitionellen Akteuren und Frauen in Iran.118

In der Twitter-Auswertung war die Ablehnung Irans eindeutig, ähnlich wie in den offiziellen Dis­kursen. Nur rund 5% der Tweets/Posts spiegelten eine positive Sichtweise auf Iran und knapp 60% eine negative. Neutrale Sichtweisen fanden sich bei etwa 30% der marokkanischen Tweets/Posts (vgl. Grafik 13).

Hier entsprangen die positiven Sichtweisen dem Versagen arabischer Staaten bei der Unterstützung für Palästina. So hieß es etwa, die Hamas sei für die Hinwendung zu Iran nicht zu verurteilen, wenn sie von den Arabern im Stich gelassen würde, die ihre Beziehungen zu Israel normalisierten. Oder es wurde konstatiert, die Araber seien gespalten, was Iran stark mache. Darüber hinaus wurde die Tötung des Kom­man­deurs der iranischen Quds-Einheit, Qassem Soleimani, durch die USA im Januar 2020 verurteilt. Bei den negativen marokkanischen Tweets/Posts domi­nierten religiöse und sicherheitspolitische Gründe, sprich: die Ablehnung von Schiiten, die ira­nische Haltung in der Westsahara-Frage und der negative Einfluss Irans in der gesamten Region über die Hisbollah und andere Akteure in Syrien, Jemen, Libanon und in Palästina. Jenseits des analysierten Zeitraums fanden sich in marokkanischen sozialen Medien vor allem seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Tweets/Posts, die Russland, Alge­rien und Iran miteinander in Verbindung brach­ten.119 Regelmäßig wurde zudem in sozialen Medien über von Iran ausgehende Gefahren berichtet, etwa Drohnen, die der Polisario geliefert würden. Dabei wurde teilweise auch das Zielpublikum für diese Infor­mationen genannt, nämlich internationale Akteure.120

Grafik 12

Bedrohungen der nationalen Sicherheitsinteressen, 2021–2022

Ganz anders sah es allerdings aus, wenn Iran und Israel direkt verglichen wurden: Zwar deckte sich die Einschätzung in der marokkanischen Öffentlichkeit zum Gefahrenpotential, das von Iran für die Region ausgeht, in weiten Teilen mit dem offiziellen Diskurs. Aber in einer Umfrage von 2020 zum Gefahrenpotential, das andere Staaten für die Stabilität in dem jewei­ligen Maghreb-Staat aufweisen, fiel das Urteil in Marokko eindeutig aus: 27% der marokkanischen Befragten schätzten Israel als größte Gefahr für ihr Land ein, während es bei Iran nur 2% waren, die rest­lichen Prozente verteilten sich auf andere Staaten.121 Dies deutet darauf hin, dass das offizielle Framing, das Normalisierung mit Israel und keine Beziehungen mit Iran propagierte, nur mäßig, wenn überhaupt verfing. Erwähnenswert ist auch, dass sich die wich­tig­sten politischen Parteien auf ihren Facebook-Seiten mit Aussagen zu Iran komplett zurückhielten.

Inwieweit der 7. Oktober bewirkte, dass sich Stimmungen zu Iran verschoben, ließ sich mangels ver­läss­licher Daten nicht feststellen. Das offizielle Fra­ming von Iran als Feind könnte auch verhindern, dass sich Marokkanerinnen völlig frei zum Thema äußern. Es ist aber davon auszugehen, dass das marokka­nische Framing der Rolle des Iran im Maghreb und im Sahel nach dem 7. Oktober (mehr) Resonanz in Europa fand. Wie erwähnt, hatten schon vor dem 7. Oktober zahlreiche europäische Medien die mut­maßliche Unterstützung für die Polisario durch Iran/ Hisbollah via Algerien aufgegriffen. Dass die Korrup­tionsaffäre im Europäischen Parlament keine nen­nenswerten Auswirkungen auf EU-Kooperationen mit Marokko hatte, dürfte auch an Rabats Positionierung als antiiranisch und prowestlich gelegen haben.

Algerien: Erhebliche Divergenzen zum offiziellen Diskurs

Während in Algerien das offizielle Framing Irans neutral bis positiv war, zeugten Umfragen von mehr­heitlich negativen Haltungen. 55% der Befragten gingen 2019 davon aus, Iran stelle »sicher« oder »bis zu einem gewissen Grad« eine Gefahr für die ara­bische Region dar (vgl. Grafik 11). Die Zahl derer, die sich sicher waren, dass von Iran keine Gefahr aus­gehe, lag in Algerien von den drei Maghreb-Staaten mit 5% am niedrigsten. In einer anderen Umfrage, ebenfalls von 2019, stand Iran am Ende der Liste der Nationen, zu denen sich die befragten Algerier engere Beziehungen wünschten – hinter den USA und Saudi-Arabien. Dieses schlechte Ranking entsprach nicht dem Stellenwert, den Iran in Meldungen der APS als Kooperationspartner genoss. Hier könnte das Faktische überwiegen. Es gibt kaum wirtschaftlichen Austausch, und Iran dürfte, auch wegen der inter­nationalen Sanktionen, in der breiten Bevölkerung nicht als attraktiver wirtschaftlicher Partner gelten. Für die algerischen politischen Parteien schien Iran ebenfalls in weiter Ferne zu liegen. Die Auswertung von Facebook-Seiten von fünf der wichtigsten alge­rischen politischen Parteien im Zeitraum von Januar 2021 bis Juli 2022 ergab keinen einzigen Post zu Iran.

Grafik 13

Sentimentklassifizierung nach Herkunft des Users in Tweets zum Iran

Ähnlich wie bei Israel wichen auf Twitter/X in Alge­rien die Sichtweisen von der offiziellen Linie ab. Weniger als 10% der Tweets/Posts reflektierten eine positive Sichtweise, mehr als 30% eine kritische und knapp über die Hälfte eine neutrale. Positiv gesehen wurde die antiamerikanische und antimarokkanische Haltung Irans. In den kritischen Tweets/Posts wurden die iranische Diktatur, Verbrechen der Hisbollah in Syrien, das Bewaffnen der Huthi-Rebellen im Jemen und die wenig effektive Unterstützung für die Hamas gegen Israel moniert. Zumindest letzteres dürfte nach dem 7. Oktober 2023 anders gesehen werden. Bei nega­tiven Sichtweisen auf Iran spielten – oftmals implizite – antischiitische Ressentiments eine Rolle, ohne dass Iran immer ausdrücklich genannt wurde.122

Schiitische Missionierung ist ein Thema, das zwar im analysierten Zeitraum in der APS keine Rolle spielte, aber im vergangenen Jahrzehnt immer wieder in die Schlagzeilen geriet. Vor allem Salafisten, also ultrakonservative Sunniten, führten hier Kampagnen. Dabei stand häufig nicht direkt Iran in der Kritik, sondern Schiiten in der gesamten MENA-Region – etwa wenn ein Prediger eine Fatwa gegen das Schauen schiitischer Fernsehsender erließ.123 Dass es dabei meist auch um Iran ging, zeigten gerade die offiziellen Maßnahmen, wie das Schließen iranischer Stände oder die Beschlagnahmung iranischer Bücher auf der algerischen Buchmesse.124

Dass die öffentliche Meinung von offiziellen Fra­mings abwich, lässt sich möglicherweise mit deren Subtext erklären. Zwar betonten sie vielversprechende Kooperationen und große Übereinstimmung mit Iran in internationalen und ideologischen Fragen. Zu­gleich sendeten Maßnahmen gegen schiitische Missio­nierung und Kultur ein Signal des Misstrauens an Iran. Das dürfte ein weiterer Grund sein, warum Iran in öffentlichen Diskursen eine Randerscheinung blieb, selbst nach dem 7. Oktober.

Tunesien: Starke Abweichungen von präsidialen Signalen

In Tunesien wich, zumindest vor dem 7. Oktober, die öffentliche Stimmungslage zu Iran von den tenden­ziell positiven Signalen des Präsidenten ab. 31% der Tunesierinnen waren sich 2020 »sicher«, dass Iran eine Gefahr für die arabische Region darstelle, 29% fanden »bis zu einem gewissen Grad«, und nur 12% antworteten mit »sicher nicht« (vgl. Grafik 11). In einer Umfrage in Tunesien zur MENA-Politik regio­naler Staatschefs von 2022 landete Revolutionsführer Ali Khamenei an letzter Stelle, deutlich hinter dem saudischen, dem emiratischen und dem syrischen Staatschef.125 Eine ebenfalls eher negative Sichtweise auf die iranische Staatsführung offenbarte sich in tunesischen Auffassungen zu Khameneis Politik gegenüber den MENA-Staaten.126

Auch in der Twitter-Analyse erwies sich knapp die Hälfte der tunesischen Tweets/Posts als kritisch gegen­über Iran, etwa 13% spiegelten eine positive Sicht­weise und der Rest eine neutrale. Unter den Stimmen, die sich positiv zu Iran äußerten, fielen in erster Linie die iranische Unterstützung für die Palästinenserinnen und die harte iranische Haltung gegenüber Israel ins Gewicht. Bei den negativen Sichtweisen spielten die iranische Unterstützung für die jemenitischen Huthi sowie Angriffe auf Saudi-Arabien eine Rolle.

Im Gegensatz zu Algerien und Marokko fand sich in Tunesien auch eine Partei, die radikal säkulare PDL, die Iran massiv kritisierte und zu innenpoli­tischen Zwecken instrumentalisierte. Sie warf dem Präsidenten unter anderem im Vorfeld seines Refe­rendums im Sommer 2022 vor, von der schiitischen Religion und der Autorität Ayatollah Khomeinis inspiriert zu sein, das tunesische System in Richtung Iran entwickeln sowie Demokratie und Freiheiten nach iranischem Muster unterdrücken zu wollen.127 Knapp zehn Jahre zuvor schon hatte die »Liga zum Kampf gegen den Schiismus« im Internet dazu auf­gerufen, das iranische Kulturzentrum zu schließen.128 Im Jahr 2018 tauchte zudem eine »Liga zur Bekämpfung der schiitischen Welle« in den Medien auf.129 Während in Algerien vor allem Salafisten gegen Iran mobilisierten, waren es in Tunesien säkulare Kräfte, die nicht dem linken Lager entstammten und Iran der Einmischung oder Missionierung beschuldigten. Im Zuge der Proteste in Iran im Herbst 2022 berichteten verschiedene Plattformen, die diesen politischen Strö­mungen nahestehen, anerkennend über tunesische Nichtregierungsorganisationen, die gegen die Unter­drückung der iranischen Frauen demonstrierten, unter anderem vor dem iranischen Kulturzentrum.130

Bei anderen Parteien wiederum genoss Iran Sympathien. Im Februar 2023 kursierte in sozialen Medien ein Foto des Vorsitzenden der oppositionellen islamis­tischen Ennahda-Partei, Rachid Ghannouchi, als er sich anlässlich des iranischen Revolutionsfeiertags in der iranischen Botschaft aufhielt. Dies führte zu hef­tigen Debatten. Das Foto zeigte ihn beim gemein­samen Kuchenanschneiden mit einem ebenfalls oppo­sitionellen, linken Parteichef sowie einem ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär, den der Staatspräsident kurz zuvor zum Minister ernannt hatte.131 Offen iran­freundlich war auch eine »Liga für Toleranz«, die bis 2021 auffallend aktiv war. Deren Artikel zeugten von Nähe zu schiitischen Akteuren und Iran. Die Liga trat dezidiert gegen jede Form der Normalisierung mit Israel ein.132

Nach dem 7. Oktober mehrten sich solch positive Sichtweisen auf Iran. In Umfragen von Arab Barometer drei Wochen vor dem 7. Oktober beurteilten 29% der Tunesierinnen die Außenpolitik Khameneis posi­tiv, Ende Oktober 2023 waren es 41%. In sozialen Medien fanden sich mehr, auch indirekt proiranische Posts, etwa als ein prominenter Anhänger von Kais Saied die Hisbollah und ihren Generalsekretär Hassan Nasrallah feierte.133 Damit zeichnete sich eine Annä­he­rung von Debatten an den offiziellen Diskurs des Präsidenten ab.

Risiken von Stimmungslagen und deren Instrumentali­sie­rung

Es liegt auf der Hand, dass die politische Instrumen­talisierung öffentlicher Stimmungslagen sowie inter­nationaler Haltungen zu Israel und Iran, die im Maghreb betrieben wird, erhebliche Risiken birgt. Das wirkt sich auch auf das Ansehen europäischer Staaten in der Region aus.

Vertiefung autoritärer Praktiken

Seit Jahrzehnten befeuern und instrumentalisieren autoritäre arabische Herrscher populäre Stimmungslagen zu Israel und Iran zu innenpolitischen Zwecken. In Phasen (etwas) größerer politischer Freiheiten wurden – wenn auch in unterschiedlichem Maße – Stimmen in allen drei Maghreb-Staaten laut oder ent­wickelten sich Praktiken, die von den offiziellen Framings zu Israel und Iran abweichen. Die Analyse in dieser Studie hat gezeigt, wie Eskalationen im Nah­ostkonflikt sowie wechselnde geopolitische Allianzen bewirken, dass abweichende Meinungen nicht tole­riert werden. Aufgeheizte Stimmungslagen in der breiten Bevölkerung erleichtern es Entscheidungs­trägern, Iran und Israel in populistischer Manier zu nutzen, um Meinungs-, Religions- und/oder Forschungsfreiheit im Interesse nationaler Sicherheit zu beschränken oder Abweichler als Staatsfeinde zu dis­kreditieren. Dies alles dient dem Ziel, die eigene auto­ritäre Herrschaft weiter zu konsolidieren und die Stär­kung von Sicherheitsapparaten und Über­wachung zu rechtfertigen.

Verschärfung (über-)regionaler Spannungen

Algerien und Marokko führen nicht nur Propagandakriege gegeneinander, in denen Israel und Iran eine wichtige Rolle spielen. Sie begründen auch ihr Wett­rüsten mit der Gefahr, die angeblich vom Nachbarstaat bzw. der Polisario ausgeht und die sie direkt oder indirekt mit Israel und Iran in Verbindung brin­gen. Algerien hat sein Rüstungsbudget 2023 verdoppelt,134 Marokko hat angekündigt, sein Budget im Jahr 2024 um knapp 500 Millionen US-Dollar zu steigern.135

Algeriens und Marokkos Säbelrasseln birgt das Risiko unbeabsichtigter Eskalation.

Zwar dürfte keinem der Staaten an einer militä­rischen Auseinandersetzung gelegen sein, aber das gegenseitige Säbelrasseln birgt das Risiko unbeabsichtigter Eskalation. Der Konflikt zwischen Algerien und Marokko gründet vor allem in der Westsahara-Frage, speist sich in jüngerer Zeit aber auch aus der Kon­kurrenz der beiden Staaten um Einfluss auf und Bezie­hungen zu Staaten Subsahara-Afrikas.136 Die Normalisierung der Beziehungen Marokkos mit Israel hat die Kluft weiter vergrößert. Weil auch der tune­sische Präsident so entschieden auf den Antinormalisierungskurs eingeschwenkt ist, erscheint die magh­rebinische Integration, die seit Jahren mehr Rück- als Fortschritte macht, noch illusorischer. Auch in inter­nationalen Organisationen und europäischen Institu­tionen können die jeweiligen Haltungen Algeriens, Marokkos und Tunesiens zu Israel und Iran Dynamiken negativ beeinflussen. Beispiele wie das Tauziehen um Israels Beobachterstatus in der AU, gegen den Algerien mit einer am Ende erfolgreichen Kampagne zu Felde zog, absorbieren Kapazitäten der AU und lenken von drängenderen Herausforderungen auf dem Kontinent ab.137 Israel und Iran spielen auch beim Lobbying vor allem Marokkos in der EU eine Rolle. Dort stößt Marokko aufgrund seiner Positionen zu den beiden Staaten auf Wohlwollen und kann damit nicht zuletzt von europäischer Kritik an Ent­wicklungen im Land selbst ablenken.

Verstärkung antiwestlicher Souveränitätsdiskurse

Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich an den diametral entgegengesetzten Haltungen zu Israel im Maghreb einerseits und in Europa andererseits klarer denn je gezeigt, wie tief der Graben zwischen den maghrebinischen Bevölkerungen und europäischer Politik in dieser Frage ist. Das verstärkt die bereits existierenden Spannungen. Offizielle europäische Einstellungen zu den Massakern der Hamas in Israel und zum israe­lischen Krieg gegen die Hamas sowie europäische Innenpolitiken werden im Maghreb als Affront nicht nur gegen Palästinenser, sondern generell gegen Mus­liminnen wahrgenommen. Die Auffassung, der Wes­ten messe im Hinblick auf die Ukraine und Palästina mit zweierlei Maß, wird von den Gesellschaften im Maghreb nahezu vollständig geteilt.138 Arabisch-natio­nalistische, islamistische und dezidiert linke Akteure fordern die komplette »Dekolonisierung« Palästinas und mobilisieren gegen europäische Unterstützung für Israel. In Tunesien richtete sich die Wut auch auf Vertreterinnen Deutschlands,139 weil dieses sich an­fangs vorbehaltlos hinter Israel und dessen Recht gestellt hatte, sich mit militärischen Mitteln zu ver­teidigen, in VN-Resolutionen gegen einen Waffenstillstand stimmte und zu Israels wichtigsten Waffenlieferanten gehört. Aus der tunesischen Zivilgesellschaft wurden Klagen laut, dass sich Stiftungsmitarbeiterinnen in Israel proisraelisch positionieren durften, aber Mitarbeitern in Tunesien untersagt wurde, sich mit Palästina zu solidarisieren.140 Dies illustriert vielleicht am besten, wie sehr das Thema Israel in europäisch-maghrebinische Beziehungen hineinspielt.

Europas kritische Äußerungen zu Iran dagegen, etwa nach der gewaltsamen Niederschlagung von Demonstrationen im Herbst 2022, zogen im Maghreb wenig öffentliche Kritik auf sich. Das spiegelt die be­schriebenen Ambivalenzen gegenüber einem Akteur, dessen Weltsicht, insbesondere zu Palästina, man teilt, der aber nicht zur arabischen Welt gehört und vor dessen möglicher Expansion und Destabilisie­rungspotential man sich auch fürchtet.

Europa: Welchen Tendenzen entgegenwirken, welche unterstützen?

Bis vor wenigen Jahren konnten europäische außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Akteure sich erlauben, diskursive Polarisierung und politische Instru­mentalisierung sowie Desinformation im Magh­reb mit Blick auf Israel und Iran zu ignorieren. Als beispielsweise Marokko seine Beziehungen zu Iran abbrach, hatte das keine Auswirkungen auf Europa. Mit der Normalisierung der Beziehungen Marokkos zu Israel Ende 2020 begann sich die Gemengelage sukzessive zu ändern. Europäische Akteure mussten zur Kenntnis nehmen, dass dieser Wandel bestehende Spannungen zwischen den Nachbarstaaten Algerien und Marokko verschärfte und ein Auslöser oder zu­mindest Vorwand für Algeriens Abbruch seiner diplo­matischen Beziehungen zu Marokko war. Die Analyse in dieser Studie hat unter anderem gezeigt, wie sich die schon zuvor existierende aggressive Rhe­torik zwischen den beiden Staaten infolge der Präsenz Israels in Marokko und deren Instrumentalisierung durch Algerien noch verstärkt hat.

Europa hat keine Wahl, als sich zu den Dynamiken im Maghreb um Israel zu verhalten.

Seit dem 7. Oktober 2023 nun hat Europa keine Wahl, als sich zu den Dynamiken im Maghreb um Israel zu verhalten – zumal europäische Akteure vor Ort konkrete Folgen zu spüren bekommen. Auch nach einer Deeskalation und möglichen positiven Entwicklungen in Nahost werden Israel und in etwas geringerem Maße Iran im Maghreb ein Thema blei­ben. Vor allem Israel wird weiterhin für innen-, regio­nal- und außenpolitische Zwecke instrumentalisiert werden, was vorhandene Spannungen erhöhen wird.

Vorrangiges europäisches Ziel muss sein, aggres­siver Rhetorik zwischen den Maghreb-Staaten, in der Israel und Iran auftauchen, entgegenzuwirken und damit verbundener Propaganda nicht aufzusitzen. Hier gilt es, von maghrebinischen Quellen verbreitete Informationen zu angeblichen Handlungen und Mani­pulationen Israels und Irans zu verifizieren, auch wenn dies in der sich ausdehnenden Landschaft von Desinformation schwierig sein kann. Darüber hin­aus sollten Informationsplattformen, die noch so weit wie möglich faktenbasiert arbeiten, unterstützt und Kooperationen ausgebaut werden. Auch mediale Plattformen in Europa, die in die Region ausstrahlen, können hierbei eine wichtige Rolle spielen. In Deutsch­land gälte dies etwa für Qantara oder die Deutsche Welle.

Zweitens geht es darum, bestehende Polarisierungen um Iran und Israel nicht durch eigene Rhetorik und Handlungen zu verstärken sowie Rücksicht auf Stimmungslagen in den Bevölkerungen zu nehmen. Im Falle Marokkos heißt dies, trilaterale europäische Kooperationen mit Marokko und Israel künftig sorg­fältig abzuwägen und auf Bereiche zu beschränken, in denen Israel spezielle Expertise zu bieten hat und es zugleich in der Bevölkerung keine manifeste Ableh­nung entsprechender Projekte gibt. Ein Beispiel hierfür könnten Kooperationen im Wassermanagement in Marokko sein, wo die EU, Marokko und Israel bereits ein gemeinsames Projekt auf den Weg ge­bracht haben.

Drittens muss europäischen Akteuren bewusst sein, dass Israel und bis zu einem gewissen Grad Iran als Vorwand für repressive Maßnahmen und die Ein­schränkung von Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit dienen. In Marokko wurden, zumindest bis Oktober 2023, Akteure kujoniert, die sich gegen die Nor­ma­lisierung aussprachen, in Tunesien solche, die sie nicht explizit ablehnen. In allen drei Staaten wird Iran schiitischer Proselytismus zugeschrieben – ob zu Recht oder Unrecht, ist nicht immer klar. Tatsache ist indes, dass Schiiten teilweise verfolgt oder zumin­dest beobachtet werden. Europäische Akteure sollten konsequent Meinungsfreiheit anmahnen und Diskri­minierung aller religiösen und kulturellen Minderheiten deutlich ansprechen.

Viertens müssen deutsche und europäische außen­politische Akteure sich darauf einstellen, dass in Tune­sien erneut, möglicherweise auch in Algerien und selbst in Marokko Gesetzesvorhaben zur »Krimi­nalisierung von Normalisierung« auf den Weg ge­bracht werden. Früher hat Europa mit erheblichem diplomatischem Druck dazu beigetragen, solche Vor­haben in Tunesien zu verhindern. Weil dort die Sensibilität für Einmischung von außen hoch ist und der Vorwurf europäischer Doppelstandards nach dem 7. Oktober im Raume steht, könnte sich europäisches Einwirken als kontraproduktiv erweisen. Hier kann lediglich darauf hingewiesen werden, dass ein solches Gesetz außen- und sicherheitspolitische Handlungsspielräume einengen würde. Sollte wie in bisherigen Gesetzesentwürfen jedweder direkte oder indirekte Kontakt nichtstaatlicher Akteure, etwa Kulturschaffende, Sportler und Wissenschaftlerinnen, mit Israeli unter Strafe gestellt werden, wären Signale aus Euro­pa in Richtung Meinungsfreiheit und wissenschaftlicher Pluralismus dennoch sinnvoll. Das gilt unter anderem deshalb, weil ein solches Gesetz sich als Keule gegen Meinungsfreiheit insgesamt entpuppen könnte und zudem negative Folgen für Tunesiens jüdische Minder­heit haben dürfte.

Fünftens ist es kein einfacher, aber ein notwendiger Balanceakt, dass europäische Akteure zwischen Ablehnung israelischer Politik und Solidarität mit den Palästinenserinnen einerseits, antisemitischen Haltungen und gewaltsamen Ausschreitungen gegen Juden und Israeli sowie jüdische religiöse Stätten andererseits unterscheiden. Solidarität und Mitgefühl mit und Parteinahme für Palästinenserinnen sind auch bei divergierenden Haltungen zu respektieren. Hetze und Gewalt gegen Jüdinnen sollten dagegen klar benannt und verurteilt werden, wie dies ver­schiedene europäische Regierungen nach dem An­schlag auf die Synagoge von Djerba im Mai 2023 taten.

Schließlich dürfen sich europäische Politiker von Entscheidungsträgern im Maghreb nicht gegen deren Nachbarn aufbringen lassen, auch dann nicht, wenn Israel oder Iran als Begründung angeführt werden. Das beidseitige Aufrüsten in Algerien und Marokko und die aggressive Rhetorik in direkter Nachbarschaft Europas, unterstützt durch Propaganda, in der Israel und Iran als zusätzliche Vorwände dienen, erhöhen das Risiko militärischer Konfrontation. Europa hat folg­lich jedes Interesse, hier deeskalierend zu handeln.

Abkürzungsverzeichnis

APS

Algérie Presse Service

AU

Afrikanische Union

BRICS

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika

EU

Europäische Union

FIS

Front islamique du Salut (Islamische Heilsfront)

GECF

Gas Exporting Countries Forum

IRNA

Islamic Republic News Agency

IWF

Internationaler Währungsfonds

MAK

Mouvement pour l’autodétermination de la Kabylie (Bewegung für die Autonomie der Kabylei)

MAP

Maghreb Arabe Presse

MENA

Middle East and North Africa

MoU

Memorandum of Understanding

MSP

Mouvement de la société pour la paix

OPEC

Organization of the Petroleum Exporting Countries

P5+1

die fünf ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates plus Deutschland

PAM

Parti authenticité et modernité

PDL

Parti destourien libre

PJD

Parti de la justice et du développement

PLO

Palestine Liberation Organization

RNI

Rassemblement national des indépendants

TAP

Agence Tunis Afrique Presse

UGTT

Union Générale Tunisienne du Travail (tunesischer Gewerkschaftsdachverband)

USFP

Union socialiste des forces populaires

VAE

Vereinigte Arabische Emirate

VN

Vereinte Nationen

Endnoten

*

 Die Autorin dieser Studie dankt Paul Bochtler, Amina Bousnina und Pelican Mourad für die maßgebliche Unterstützung bei der Auswertung der Daten.

1

 Vgl. beispielsweise Samira Mobaied, »The Baatho-Assadist System, a System of Political Instrumentalisation«, in: Open Journal of Political Science, 10 (2020) 1, S. 124–133, <https:// www.scirp.org/journal/paperinformation?paperid=97937>; »Morocco Severs Relations with Iran«, in: Aljazeera, 8.3.2009, <https://www.aljazeera.com/news/2009/3/8/morocco-severs-relations-with-iran>; vgl. auch Annie Tracy Samuel, »Commanding the Faithful: the Kingdom of Morocco’s Relations with the Islamic Republic of Iran«, in: The Journal of North African Studies, 29 (2024) 3, S. 474–500.

2

 Ilanit Chernick, »Moroccan Jewry in Israel Set to Commemorate 60 Years of Aliya«, in: The Jerusalem Post, 25.8.2019, <https://www.jpost.com/Israel-News/Moroccan-Jewry-in-Israel-set-to-commemorate-60-years-of-aliya-599658>.

3

 Peres hatte Marokko bereits 1981 und 1986 Besuche abgestattet. 1993 legten Rabin und Peres gemeinsam einen Zwischenstopp in Marokko ein.

4

Aurélie Collas, »Moroccans Mobilize for Gaza Despite the Rapprochement between Rabat and Tel Aviv«, in: Le Monde, 25.10.2023, <https://www.lemonde.fr/en/le-monde-africa/ article/2023/10/25/moroccans-mobilize-for-gaza-despite-the-rapprochement-between-rabat-and-tel-aviv_6202517_124 .html>; Post von TelQuel, 19.10.2023, <https://twitter.com/ TelQuelOfficiel/status/1714975143187877950>.

5

 Michael M. Laskier, »Israel and the Maghreb at the Height of the Arab-Israeli Conflict: 1950s–1970s«, in: Middle East Review of International Affairs, 4 (2000) 2, <https://ciaotest.cc. columbia.edu/olj/meria/meria00_lam01.html>.

6

 Das Büro wurde vom späteren tunesischen Außen­minister Khemaies Jhinaoui geleitet. Jhinaoui wurde von Präsident Saied direkt nach dessen Machtübernahme 2019 entlassen, weil er laut Beobachtern die Normalisierung befürwortete, vgl. Lamine Ghanmi, »Tunisia’s New Leader Raises Eyebrows as He Gives Short Shrift to Ministers«, in: The Arab Weekly, 3.11.2019, <https://thearabweekly.com/ tunisias-new-leader-raises-eyebrows-he-gives-short-shrift-ministers>.

7

 Thomas Hill/Sarah Yerkes, Tunisian Foreign Policy under Kais Saied, Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace, 11.1.2023, <https://carnegieendowment. org/2023/01/11/tunisian-foreign-policy-under-kais-saied-pub-88770>.

8

 DCAF Tunisie, Décret présidentiel n° 2022-691 du 17 août 2022, 17.8.2022, <https://legislation-securite.tn/latest-laws/ decret-presidentiel-n-2022-691-du-17-aout-2022-portant-pro mulgation-de-la-constitution-de-la-republique-tunisienne/>.

9

 Allison Kaplan Sommer, »Tunisian President Says Zionists Are Responsible for Deadly North African Storm«, in: Haaretz, 19.9.2023, <https://www.haaretz.com/middle-east-news/2023-09-19/ty-article/.premium/tunisian-president-says-zionists-are-responsible-for-deadly-north-african-storm/ 0000018a-ad30-dd0e-afdf-affe368d0000>.

10

 Vgl. hier den Facebook-Post vom 7.10.2023, <https:// www.facebook.com/Presidence.tn/>.

11

 Interviews mit (ehemaligen) tunesischen Offiziellen, Dezember 2023.

12

 »Chaque fois que des Palestiniens sont tués, les Juifs de Tunisie sont attaqués à leur tour«, in: Courrier international, 25.10.2023, <https://www.courrierinternational.com/article/ tensions-chaque-fois-que-des-palestiniens-sont-tues-les-juifs-de-tunisie-sont-attaques-a-leur-tour>.

13

 Im Jahr 2000 musste Präsident Bouteflika eine Ein­ladung nach Algerien an den dort geborenen jüdischen Sänger Enrico Macias wegen dessen Nähe zu Israel zurücknehmen.

14

 »Algerian Journalists Visit Tel Aviv at the Invitation of Israel«, in: Echorouk Online, 14.3.2017, <https://www.echorouk online.com/algerian-journalists-visit-tel-aviv-at-the-invitation-of-israel>.

15

 Laut unbestätigten Medienberichten soll Bouteflika damals Barak versprochen haben, eine Botschaft in Tel Aviv zu eröffnen, vgl. Farid Alilat, »Quand Bouteflika promettait d’ouvrir une ambassade d’Algérie à Tel-Aviv«, in: Jeune Afrique, 24.7.2023, <https://www.jeuneafrique.com/1465356/ politique/quand-bouteflika-promettait-douvrir-une-ambassade-dalgerie-a-tel-aviv/>.

16

 »Algeria Lawmakers Seek to Criminalise Normalisation with Israel«, in: Middle East Monitor, 17.5.2022, <https://www. middleeastmonitor.com/20220517-algeria-lawmakers-seek-to-criminalise-normalisation-with-israel/>.

17

 »Algeria’s Tebboune Calls for UN Vote on Granting Palestine Full Membership«, in: The New Arab, 20.9.2023, <https://www.newarab.com/news/algeria-calls-un-vote-full-membership-palestine>.

18

 »L’Algérie décline l’invitation de l’Egypte au Sommet pour la paix prévu au Caire ce samedi«, in: algeriepatriotique, 20.10.2023, <https://www.algeriepatriotique.com/2023/10/ 20/le-president-tebboune-invite-au-sommet-pour-la-paix-prevu-au-caire-ce-samedi/>.

19

 Banafsheh Keynoush, Revolutionary Iran’s Africa Policy, Riad: King Faisal Center for Research and Islamic Studies, Juni 2021 (Special Report), <https://kfcris.com/pdf/dd448fcd 67b35ab48903bd18c6fcffd160d99d2290923.pdf>.

20

 Ebd., S. 32.

21

 »Attaf et son homologue iranien conviennent d’insuffler une nouvelle dynamique à la coopération bilatérale«, in: L’Expression, 31.3.2023, <https://www.lexpression.dz/info-en-continu/attaf-et-son-homologue-iranien-conviennent-d-insuffler-une-nouvelle-dynamique-a-la-cooperation-bilate rale-335358>.

22

 Murat Başoğlu, »Téhéran: l’Iran et l’Algérie conviennent d’annuler les visas politiques«, Agence Anadolu (AA), 9.7.2023, <https://www.aa.com.tr/fr/politique/t%C3%A9h%C3%A9ran-liran-et-lalg%C3%A9rie-conviennent-dannuler-les-visas-poli tiques-/2940491>.

23

 »Morocco Severs Relations with Iran«, in: Aljazeera, 9.3.2009, <https://www.aljazeera.com/news/2009/3/8/morocco -severs-relations-with-iran>, vgl. auch Samuel, »Commanding the Faithful« [wie Fn. 1].

24

 Syed Zafar Mehdi, »Iran Would Welcome Restoration of Ties with Egypt, Morocco: Foreign Minister«, AA, 30.6.2023, <https://www.aa.com.tr/en/middle-east/iran-would-welcome-restoration-of-ties-with-egypt-morocco-foreign-minister/ 2933908>.

25

Frida Dahmani, »Tunisie: Kaïs Saïed, l’Iran et le chiisme«, in: Jeune Afrique, 5.8.2022, <https://www.jeuneafrique.com/ 1367548/politique/tunisie-kais-saied-liran-et-le-chiisme/>.

26

 Für Letztere vgl. »Naissance de la Ligue Tunisienne pour la lutte contre la marée chiite«, in: Tuniscope, 6.3.2018, <https://www.tuniscope.com/article/12819/actualites/bien-etre/chiite-275910>.

27

 »Iran’s Cultural Center Opens in Tunis«, Islamic Republic News Agency (IRNA), 17.3.2007, <https://en.irna.ir/news/8919 779/Tunisia-Culture-Iran-GNR>.

28

 Intissar Fakir, Morocco and Israel: Economic Opportunities, Military Incentives, and Moral Hazards, Washington, D.C.: Middle East Institute, 1.12.2022, <https://www.mei.edu/publi cations/morocco-and-israel-economic-opportunities-military-incentives-and-moral-hazards>.

29

 Vgl. auch die Kapitel zu den Maghreb-Staaten in Keynoush, Revolutionary Iran’s Africa Policy [wie Fn. 19].

30

Trading Economics, »Iran Exports to Morocco«, <https:// tradingeconomics.com/iran/exports/morocco>, siehe auch Trading Economics, »Morocco Imports from Iran«, <https:// tradingeconomics.com/morocco/imports/iran>.

31

 Judah Ari Gross, »In Morocco, Gantz Signs Israel’s First-ever Defense MOU with an Arab Country«, in: The Times of Israel, 24.11.2021, <https://www.timesofisrael.com/in-moroc co-gantz-signs-israels-first-ever-defense-mou-with-an-arab-country/>.

32

 Safaa Kasraoui, »Morocco, Bahrain, and UAE Contribute to Israel’s 2022 Arms Sales Increase«, in: Morocco World News, 15.6.2023, <https://www.moroccoworldnews.com/2023/ 06/355963/morocco-bahrain-and-uae-contribute-to-israels-2022-arms-sales-increase>.

33

 »Israeli Army Chief Lands in Morocco for First Visit as Ties Normalise«, France 24, 19.7.2022, <https://www.france24. com/en/diplomacy/20220719-israeli-army-chief-lands-in-morocco-for-first-visit-as-ties-normalise>.

34

 Ministry of National Defence, »Air Force Commander Receives the New Military Attaché to the Embassy of Islamic Republic of Iran in Algeria«, Algier, 8.3.2021, <https://www. mdn.dz/site_cfa/sommaire/actualites/an/delegation-cfa-iran-08032021-an.php>.

35

 Ghaya Ben Mbarek, »Algerian Parliament Speaker Meets Iranian President Raisi in Tehran«, in: The National, 23.8.2023, <https://www.thenationalnews.com/mena/ 2023/08/23/algerian-parliament-speaker-meets-iranian-president-raisi-in-tehran/>; Ali Izadi, »FM: Iran-Algeria Ties on Right Track«, IRNA, 8.7.2023, <https://en.irna.ir/news/ 85163205/FM-Iran-Algeria-ties-on-right-track>; »Iran’s Foreign Minister Visits Algeria over Syrian, Gulf Crisis«, in: The North Africa Post, 19.6.2017, <https://northafricapost. com/18405-irans-foreign-minister-visits-algeria-syrian-gulf-crisis.html>.

36

 »Development of Iran-Algeria Relations«, in: nournews, 7.8.2023, <https://nournews.ir/En/News/145099/Development-of-Iran-Algeria-relations>.

37

»22 Countries Requested to Purchase Iran Military Drones, Official Says«, in: Middle East Monitor, 19.10.2022, <https:// www.middleeastmonitor.com/20221019-22-countries-requested-to-purchase-iran-military-drones-official-says/>.

38

 Christine Kensche, »Wie der Iran ein weltumspannendes Terror-Netz gegen Israel in Stellung bringt«, in: Die Welt, 10.11.2023, <https://www.welt.de/politik/ausland/plus248 426070/Geheimdienstberichte-Irans-weltumspannendes-Terror-Netz-gegen-Israel.html>.

39

 Es existiert eine breite politikwissenschaftliche Literatur, die zeigt, wie zentral für Legitimität und Machterhalt autoritärer Herrscher deren Fähigkeit ist, Diskurse zu beein­flussen und zu kontrollieren sowie Narrative zu entwickeln und an sich verändernde internationale und nationale politische Gemengelagen anzupassen. Vgl. dazu Laurie A. Brand, Official Stories. Politics and National Narratives in Egypt and Algeria, Stanford: Stanford University Press, 2014, <https:// www.sup.org/books/title/?id=23394>, und Christian Göbel, »Authoritarian Consolidation«, in: European Political Science, 10 (2011) 2, S. 176–190, <https://link.springer.com/ article/10.1057/eps.2010.47>.

40

 Gemeint sind Bemühungen einer Nation um ein bestimmtes Image in der internationalen Arena. Damit verbunden sind gezielte Vermarktungs- und Kommuni­kationstrategien, vgl. Steffen Wippel (Hg.), Branding the Middle East, Berlin/Boston: De Gruyter, 2023, doi: 10.1515/ 9783110741100.

41

 Für detaillierte Informationen zum methodischen Vor­gehen bei der Datenerhebung und Auswertung siehe die bei GESIS abzurufenden Forschungsdaten unter der doi: 10.7802/2691.

42

 Der Begriff »Normalisierung« kommt am häufigsten vor, gefolgt von »Palästina/Palästinenser/palästinensisch« sowie »Al-Quds« (Jerusalem), »Gaza« und »Westjordanland«. »Okku­pation« kommt erst hinter »Marokko« und »Trump«. Das wiederum unterstreicht, wie bedeutsam der Trump-Deal mit Marokko für die algerischen Entscheidungsträger war und wie sehr er sie irritiert haben dürfte.

43

 »Affaire ›Pegasus‹: le Maroc continue à faire de l’espionnage au profit d’Israël«, Algérie Presse Service (APS), 19.7.2021, <https://www.aps.dz/monde/125117-affaire-pegasus-le-maroc-continue-a-faire-de-l-espionnage-au-profit-d-israel>.

44

 »Explainer: Why Did Algeria Cut Diplomatic Ties with Morocco?«, France24, 26.8.2021, <https://www.france24.com/ en/africa/20210826-explainer-why-did-algeria-cut-diplomatic-ties-with-morocco>.

45

 »Démantèlement d’un groupe terroriste appartenant au ›MAK‹«, APS, 13.10.2021, <https://www.aps.dz/algerie/128855-demantelement-d-un-groupe-terroriste-appartenant-au-mak?tmpl=component&print=1>.

46

 »La Ligue arabe salue la décision de SM le Roi d’envoyer une aide médicale et humanitaire d’urgence au peuple palestinien«, Maghreb Arabe Presse (MAP), 19.5.2021, <https:// www.mapnews.ma/fr/actualites/politique/la-ligue-arabe-salue-la-d%C3%A9cision-de-sm-le-roi-denvoyer-une-aide-m%C3%A9dicale-et>.

47

 »La communauté juive au Panama salue le leadership du Maroc dans la promotion de la paix«, MAP, 28.1.2021, <https://www.mapnews.ma/fr/actualites/politique/la-commu naut%c3%a9-juive-au-panama-salue-le-leadership-du-maroc-dans-la-promotion-de>.

48

 »ONU: le Maroc et Israël organisent une conférence de haut niveau sur la sécurité alimentaire et l’agriculture innovante«, MAP, 23.4.2021, <https://www.mapnews.ma/fr/ actualites/economie/onu-le-maroc-et-isra%c3%abl-organisent-une-conf%c3%a9rence-de-haut-niveau-sur-la-s%c3%a9curi t%c3%a9>.

49

 »Maroc/Israël: le rétablissement des relations est salutaire pour la cause palestinienne (député danois)«, MAP, 23.12.2020, <https://www.mapnews.ma/fr/actualites/poli tique/marocisra%c3%abl-le-r%c3%a9tablissement-des-rela tions-est-salutaire-pour-la-cause>.

50

Zum Beispiel Posts von TAP news agency, 11.5.2023, <https://twitter.com/TapNewsAgency/status/1656424235202494467?s=20>; 15.5.2023, <https://twitter.com/TapNews Agency/status/1658122250300665856?s=20>.

51

 Khalil Jelassi, »Kais Saied revient sur l’attaque de Djerba: Ils évoquent l’antisémitisme alors que nous sommes au 21e siècle», in: La Presse, 12.5.2023, <https://lapresse.tn/158147/ kais-saied-revient-sur-lattaque-de-djerba-ils-evoquent-lanti semitisme-alors-que-nous-sommes-au-21e-siecle/>.

52

 »41 ans après la libération des otages US … Rétrospective des efforts de la diplomatie algérienne«, APS, 20.1.2022, <https://www.aps.dz/algerie/134527-41-ans-apres-la-libera tion-des-otages-americains-retrospective-des-efforts-de-la-diplomatie-algerienne-dans-le-reglement-des-crises>.

53

 »L’Iran soutient la ›légitime défense‹ des Palestiniens – Raïssi«, Agence Tunis Afrique Presse (TAP), 8.10.2023, <https:// www.tap.info.tn/fr/Portail-Monde/16694428-l-iran-soutient-la>, und »L’Iran soutient le droit de la Palestine à se défendre contre Israël, selon le président iranien«, TAP, 8.10.2023, <https://www.tap.info.tn/fr/Portail-Monde/1669 5585-l-iran-soutient-le>.

54

 Reporters Without Borders, 2023 World Press Freedom Index, <https://rsf.org/en/2023-wo rld-press-freedom-index-journalism-threatened-fake-content-industry>.

55

 »Tunisia-Palestinian Flag and Anthem in All Tunesian Schools«, in: Tunisie Numérique, 8.10.2023, <https://news-tunisia.tunisienumerique.com/tunisia-palestinian-flag-and-anthem-in-all-tunisian-schools/>.

56

 »Tunesische ›Ennahda‹: Die Feier des Besatzungsstaates bestätigt die Falschheit von Saieds Slogan, Normalisierung sei Hochverrat« (eigene Übersetzung aus dem Arabischen), Al-Quds, 13.11.2022, <https://bitly.ws/3d2AF>.

57

 »Le PDL refuse les références chiites utilisées par Kaïs Saïed dans ses discours«, in: Business News, 19.4.2022, <https:// www.businessnews.com.tn/le-pdl-refuse-les-references-iites-utilisees-par-kais-saied-dans-ses-discours,520,118464,3>.

58

Post von Adlene Mohammedi, 5.6.2023, <https://x.com/ AdleneMo/status/1665688078730551298?s=20>.

59

 Shaquile Goff, »Algerian President Claims Morocco Helped Cause Forest Fires in Algeria«, Morocco World News, 18.8.2021, <https://bitly.ws/3d2BZ>.

60

 Post von TSA Algérie, 8.10.2023, <https://x.com/TSAlge rie/status/1711065991122202890?s=20>.

61

Post von Morocco Intelligence, 16.10.2023, <https:// x.com/MoroccoIntel/status/1713843108809519406?s=20>.

62

 »Au Maroc, un homme condamné à cinq ans de prison pour ›offense à la monarchie‹ après des posts sur Facebook«, in: Le Monde, 3.8.2023, <https://bitly.ws/3d2Bh>.

63

 Human Rights Watch, »Morocco and Western Sahara. Events of 2022«, <https://www.hrw.org/world-report/ 2023/country-chapters/morocco-and-western-sahara>.

64

 »Moroccan Palace Asks Islamist Party to Stop Criticizing Ties with Israel«, Reuters, 13.3.2023, <https://www.reuters. com/world/middle-east/moroccan-palace-asks-islamist-party-stop-criticizing-ties-with-israel-2023-03-13/>; Safaa Kasraoui, »PJD Calls on Morocco’s Government to Cut Ties with Israel«, Morocco World News, 13.11.2023, <https://www.moroccoworld news.com/2023/11/358929/pjd-calls-on-moroccos-govern ment-to-cut-ties-with-israel>.

65

 Hasna Yacoub, »Israël phagocyte le makhzen«, in: L’Expression, 4.1.2021, <https://www.lexpressiondz.com/ nationale/israel-phagocyte-le-makhzen-339406>.

66

 Vgl. typische Beispiele aus Algerien und Marokko in »L’entité sioniste et le Maroc veulent contrecarrer l’Algérie en Afrique«, APS, 17.8.2021, <https://www.aps.dz/algerie/ 126285-l-entite-sioniste-et-le-maroc-veulent-contrecarrer-l-algerie-en-afrique>.

67

 Saïd Boucetta, »Un veto indien ferme contre l’Algérie«, in: L’Expression, 31.8.2023, <https://www.lexpressiondz.com/ nationale/un-veto-indien-ferme-contre-l-algerie-372916>.

68

 »Complot France-Maroc-Israël contre l’Algérie: Un mensonge de plus du régime algérien«, in: Hespress, 1.6.2023, <https://fr.hespress.com/316803-complot-france-maroc-israel-contre-lalgerie-un-mensonge-de-plus-du-regime-algerien. html>.

69

 Post von TSA Algérie, 11.10.2023, <https://twitter.com/ TSAlgerie/status/1712153088906105091>.

70

 Post von TSA Algérie, 6.11.2023, <https://x.com/TSAlge rie/status/1721435013743251746?s=20>.

71

 Post von Lahcen Haddad, 31.10.2023, <https://x.com/ Lahcenhaddad/status/1719241838156976146?s=20>, Mohamed Jaouad El Kanabi, »Les drones iraniens fournis au polisario s’invitent au Parlement britannique«, in: Hespress, 12.7.2023, <https://fr.hespress.com/322338-les-drones-iraniens-fournis-au-polisario-sinvitent-au-parlement-britan nique.html>.

72

 Riyad Hamadi, »Bengrina: ›La Tunisie va normaliser ses relations avec Israël‹», in: TSA, 13.8.2023, <https://www.tsa-algerie.com/bengrina-la-tunisie-va-normaliser-ses-relations-avec-israel/>.

73

 Bachir Abdallah, »Normalisation avec Israël: la Tunisie entre rumeurs et réalités«, in: Maroc Diplomatique, 16.8.2023, <https://maroc-diplomatique.net/normalisation-avec-israel-la-tunisie-entre-rumeurs-et-realites/>, »Kais Saied, un président sous influence«, MAP, 1.9.2022, <https://www.mapnews.ma/ fr/actualites/politique/kais-saied-un-pr%C3%A9sident-sous-influence>.

74

 Mohamed Moslem/Dalila Henache, »Algeria Will Not Participate in the Cairo Peace Summit«, Echorouk Online, 20.10.2023, <https://www.echoroukonline.com/algeria-will-not-participate-in-the-cairo-peace-summit>.

75

 Fadwa Islah, »Guerre Israël-Hamas: au Maroc, le difficile pari de la neutralité», in: Jeune Afrique, 12.10.2023, <https:// www.jeuneafrique.com/1491892/politique/guerre-israel-hamas-au-maroc-le-difficile-pari-de-la-neutralite/>.

76

 Mohammed Jaabouk, »ONU: Accusations mutuelles entre le Maroc et l’Iran à la quatrième commission«, in: Yabiladi, 12.10.2023, <https://www.yabiladi.com/articles/ details/143281/accusations-mutuelles-entre-maroc-l-iran.html>.

77

 So hat Tunesien seine Beziehungen zu Syrien als eines der ersten arabischen Länder wieder normalisiert. In der Westsahara-Frage ist es von seiner ehemals neutralen Linie abgewichen und hat damit Marokko gegen sich aufgebracht, vgl. »Sahara occidental: Incident diplomatique entre le Maroc et la Tunisie«, in: Tribune de Genève, 26.8.2022, <https:// www.tdg.ch/incident-diplomatique-entre-le-maroc-et-la-tunisie-640975605641>.

78

 »Gaza UN Resolution: Tunisia Outlines Motives behind Abstention«, TAP, 28.10.2023, <https://www.tap.info.tn/en/ Portal-Top-News-EN/16762467-gaza-un-resolution>.

79

 Basma El Atti, »Tunisia Will Not Endorse Legal Actions in ICJ Genocide Case to Avoid ›Implicit Recognition‹ of Israel«, in: The New Arab, 11.1.2024, <https://www.newarab. com/news/tunisia-will-not-endorse-legal-actions-against-israel-icj>.

80

Post von Tounes El Khadra, 3.11.2023, <https://x.com/ TounesKhadra/status/1720518955482202294?s=20>.

81

 Frida Dahmani, »Pourquoi Kaïs Saïed a réveillé les démons du racisme antisubsaharien«, in: Jeune Afrique, 23.2.2023, <https://www.jeuneafrique.com/1420935/poli tique/pourquoi-kais-saied-a-reveille-les-demons-du-racisme-antisubsaharien/>.

82

 Der Literatur ist zu entnehmen, dass staatlich kontrollierte Medien für autoritäre Herrscher ein effektives Instrument sind, um die öffentliche Meinung zu formen. Wenn sich Regierungspositionen ändern, nähern sich politische Positionen der Zielgruppen, unabhängig ihrer individuellen Haltung, denjenigen des Regimes an, vgl. etwa Jennifer Pan/Zijie Shao/Yiqing Xu, »How Government-controlled Media Shifts Policy Attitudes through Framing«, in: Political Science Research and Methods, 10 (2022) 2, S. 317–332, <https://bitly.ws/3d6h5>.

83

 Von insgesamt 8.074 arabischsprachigen Tweets/Posts, die Israel thematisierten, enthielten 518 das Wort »Normalisierung«. Diese wurden daraufhin codiert, ob deren Verfasser der Normalisierung ablehnend oder unterstützend gegenüberstehen und ob sie irrelevant oder neutral waren.

84

 Solche Umfragen sind immer mit Vorsicht zu genießen, da schon eine leichte Veränderung der Fragestellung völlig andere Resultate produzieren kann. Sie werden daher in der Studie nur als eine von mehreren Quellen für die Beurteilung von Stimmungslagen verwendet.

85

 In die Analyse einbezogen wurden Texte auf den Face­book-Seiten folgender Parteien: Parti authenticité et modernité (PAM), Rassemblement national des indépendants (RNI), Parti de la justice et du développement (PJD), Istiqlal (Unab­hängigkeitspartei) und Union socialiste des forces populaires (USFP).

86

 Dass das Bild in Marokko gemischt ist, lässt sich an der steigenden, wenn auch bescheidenen Zahl von Marokkanern ablesen, die gemäß marokkanischen Medien Israel besuch­ten (erste Hälfte 2023: 2.000). Allerdings reisten erheblich mehr Israelis nach Marokko (2022: 70.000). Lina Ibriz, »Entre janvier et juin 2023, plus de 2000 Marocains se sont rendus en Israël«, in: le Desk, 17.8.2023, <https://ledesk.ma/encontinu/ entre-janvier-et-juin-2023-plus-de-2-000-marocains-se-sont-rendus-en-israel/>.

87

 A. Kadir Yildirim, Islamist Responses to Arab Normalization Agreements with Israel, Houston, TX: Rice University’s Baker Institute for Public Policy, 27.1.2021 (Issue Brief), <https:// repository.rice.edu/server/api/core/bitstreams/a3c79edb-1ee3-4dbf-ac6c-9cbec13fcfa2/content>.

88

 »Infographic: Global Demonstrations in Response to the Israel-Palestine Conflict«, Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 7.11.2023, <https://acleddata.com/2023/11/ 07/infographic-global-demonstrations-in-response-to-the-israel-palestine-conflict/>.

89

 »Gaza: à Rabat, 3000 manifestants exigent la rupture des liens avec Israël«, in: le Desk, 10.12.2023, <https://ledesk. ma/encontinu/gaza-a-rabat-3-000-manifestants-exigent-la-rupture-des-liens-avec-israel/>.

90

 Post von Ali Lmrabet, 21.11.2023, <https://x.com/ Alilmrabet/status/1727085731519336644?s=20>.

91

 Yasmine Tijani, »Guerre Hamas-Israël: pourquoi la position du Maroc est particulière«, in: Le Point, 20.10.2023, <https://www.lepoint.fr/afrique/guerre-hamas-israel-pourquoi-la-position-du-maroc-est-particuliere-20-10-2023-2540102_3826.php>.

92

 »Morocco Elected as 2024 Human Rights Council Presi­dent«, France 24, 10.1.2024, <https://www.france24.com/en/ live-news/20240110-morocco-elected-as-2024-human-rights-council-president>.

93

Aziza Mehdid, »Le hirak soutient la cause palestinienne«, in: Le Jeune Indépendant, 31.1.2020, <https://www.jeune-independant.net/le-hirak-soutient-la-cause-palestinienne/>.

94

 Diese Erfahrung hat die Autorin in den 22 Jahren ge­macht, in denen sie in Algerien regelmäßig forscht. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Schriftsteller Boualem Sansal, der eine Reise nach Israel öffentlich gemacht hat. Ihm wur­den Verrat vorgeworfen und juristische Verfahren angedroht. »Human Rights Activists to Echorouk: ›Writer Boualem Sen­sal Betrayed Algeria Twice‹«, in: Echorouk Online, 26.7.2016, <https://www.echoroukonline.com/human-rights-activists-to-echorouk-writer-boualem-sensal-betrayed-algeria-twice>.

95

 Post von Ferhat Mehenni, 12.10.2023, <https://x.com/ FerhatMhenni/status/1712457469228728714?s=20>.

96

 Repost von Fayçal Métaoui, 12.12.2020, <https://twitter. com/Fmetaoui/status/1337691087478132736>.

97

 Interviews in Algier, November 2023.

98

 Interviews in Algier und Tunis, November und Dezem­ber 2023.

99

 »Hamas Mourns Tunisian Drone Engineer Murdered ›by Israeli Mossad‹», in: The New Arab, 17.12.2016, <https://www. newarab.com/news/hamas-mourns-tunisian-drone-engineer-murdered-israeli-mossad>; siehe auch Jack Khoury, »Hamas: Mossad Agents Carrying Bosnian Passports behind Tunisia Drone Expert Assassination«, in: Haaretz, 16.11.2017, <https:// www.haaretz. com/israel-news/2017-11-16/ty-article/hamas-gives-new-evidence-linking-mossad-to-drone-experts-killing/0000017f-e8f6-da9b-a1ff-ecffbf000000>.

100

 Michael Robbins u.a., »How the Israel-Hamas War in Gaza Is Changing Arab Views«, in: Foreign Affairs, 14.12.2023, <https://www.foreignaffairs.com/middle-east/how-israel-hamas-war-gaza-changing-arab-views>.

101

 Mirco Keilberth, »Zusammen für Gaza«, in: taz, 21.5.2021, <https://taz.de/Diskussion-um-Nahostkonflikt-in-Tunesien/!5773571/>.

102

 »L’UGET dénonce la normalisation académique avec l’entité sioniste«, in: L’Économiste Maghrébin, 12.4.2023, <https://www.leconomistemaghrebin.com/2023/04/12/uget-denonce-normalisation-academique-entite-sioniste/>; »Tunisian Civil Society Calls for the Academic and Cultural Boycott of Israel on the 7th Anniversary of the Revolution of Freedom and Dignity in Tunisia«, Webseite von »Boycott, Divestment, Sanctions« (BDS), 12.1.2018, <https://bds movement.net/news/tunisian-civil-society-calls-academic-and-cultural-boycott-israel-7th-anniversary-revolution>.

103

Ennahda, Parti déstourien libre, Attayar, Harakat Echaab, Qalb Tounes.

104

 »An den Generalsekretär der Volksbewegung #Zuhair_Al-Maghzawi in seinem ersten Kommentar zum Attentat auf Kais Saied: ›Die Position des Präsidenten zur Normalisierung bringt ihn in Gefahr.‹« (eigene Übersetzung aus dem Arabischen), <https://www.facebook.com/Echaab. Tunisie/videos/221242396314432>.

105

 »Affaire Kazdaghli: une pétition pour la défense des libertés académiques«, in: Business News, 16.4.2023, <https:// www.businessnews.com.tn/affaire-kazdaghli--une-petition-pour-la-defense-des-libertes-academiques,520,128470,3>.

106

 »Mondial U20: En cas de Tunisie – Israël en quarts de finale! Que faire?«, webdo, 29.5.2023, <https://www.webdo.tn/ fr/actualite/sport/mondial-u20-en-cas-de-tunisie-israel-en-quarts-de-finale-que-faire/206145>.

107

 Interviews der Autorin in Tunis zwischen 2005 und 2023.

108

 Doan Bui, »Tunisie: ›Il y a une espèce de gangrène popu­liste‹«, in: Le Nouvel Obs, 22.5.2023, <https://www. nouvelobs.com/monde/20230522.OBS73615/tunisie-il-y-a-une-espece-de-gangrene-populiste.html>.

109

Post von Wejdene Bouabdallah, 13.5.2023, <https://x. com/tounsiahourra/status/1657343153156898822?s=20>.

110

 Mirco Keilberth, »Tunesier gegen Tunesier«, in: Süd­deutsche Zeitung, 15.5.2023, <https://www.sueddeutsche.de/ politik/djerba-tunesien-antijudaismus-1.5859078>.

111

 »Vom House of Novel zum National Book House: Versuche einer kulturellen Normalisierung in Tunesien« (eigene Übersetzung aus dem Arabischen), in: Alchourouk, 10.11.2023, <https://bit.ly/4biLPPg>.

112

Kommuniqué des Vereins »Nous Tous« vom 11.11.2022, <https://m.facebook.com/photo/?fbid=140420845429155&set=ecnf.100083837200814>.

113

 Robbins u.a., »How the Israel-Hamas War in Gaza Is Changing Arab Views« [wie Fn. 100].

114

Post von Gargabil, 10.10.2023, <https://x.com/Gargabil/ status/1711724850727862673?s=20>; Post von Sentenza, 24.10.2023, <https://x.com/RealSentenza/status/17167094 20439142836?s=20>; Post von Nessryne J, 3.11.2023, <https:// x.com/sasoukee/status/1720415577007595863?s=20>.

115

 Interviews der Autorin mit Wissenschaftlerinnen, Politikern, Journalistinnen und zivilgesellschaftlichen Aktivisten, Tunis und Algier, 2023.

116

 Arab Barometer VII, Morocco Report, Oktober 2022, S. 37, <https://www.arabbarometer.org/wp-content/uploads/ABVII_ Morocco_Report-ENG.pdf>.

117

 Ebd., S. 39.

118

 So kam es im Herbst 2022 in Marokko auch zu öffentlichen Bekundungen der Solidarität mit Iranerinnen während der Proteste in Iran. Hind El Grari, »Journée nationale des droits des femmes: des Marocaines se coupent les che­veux en soutien aux Iraniennes«, in: le Desk, 10.10.2022, <https://ledesk.ma/encontinu/journee-nationale-des-droits-des-femmes-les-marocaines-se-coupent-les-cheveux-en-soutien-aux-iraniennes/>.

119

Post von Lahcen Haddad, PhD, 27.2.2023, <https://x. com/Lahcenhaddad/status/1630225849474580482?s=20>.

120

Post von Ibti___sam, 8.3.2023, <https://twitter.com/ IbtiChitana/status/1633428654632976384>.

121

 »Does Iran Pose Greater Threat to the Region Than Israel? Here Is What Arab Citizens Think«, Arab Barometer, 3.1.2020, <https://www.arabbarometer.org/2020/01/israel-or-iran-which-is-the-greater-perceived-threat-copy/>.

122

 Vgl. Post von Fawaïd de Savants Algériens, 1.1.2022, <https://twitter.com/Fawaid_Djazair/status/ 1477258749060464643>.

123

 »Le jugement relatif au fait de regarder les chaînes de télévision chiites«, Le site web officiel du Cheikh Mohamed Ali Ferkous, 8.7.2011, <https://ferkous.com/home/?q=fr/art-mois-fr-72>.

124

 Vgl. zum Beispiel »L’ouvrages chiites d’un éditeur iranien interdits de Salon du livre à Alger« (Post auf Face­book), France 24, 2.11.2018, <https://www.facebook.com/ FRANCE24/posts/10156264743101936/?locale=fr_FR>.

125

 »Citizens Lukewarm on Leaders’ Cold War«, Arab Baro­meter, 15.9.2022, <https://www.arabbarometer.org/2022/ 09/citizens-lukewarm-on-leaders-cold-war/>.

126

 Arab Barometer VII, Tunisian Report, 2022, S. 61, <https:// www.arabbarometer.org/wp-content/uploads/AB7-Tunisia-Report-EN.pdf>.

127

Vgl. Kommuniqué des Vereins »Nous tous« vom 11.11.2022 [wie Fn. 112].

128

 »La ligue pour la lutte contre le chiisme appelle à la fer­meture du centre culturel iranien«, Business News, 21.8.2012, <https://www.businessnews.com.tn/la-ligue-pour-la-lutte-contre-le-iisme-appelle-a-la-fermeture-du-centre-culturel-iranien,520,32972,3>.

129

 »Naissance de la ligue tunisienne pour la lutte contre la marée chiite«, in: Tuniscope, 6.3.2018, <https://www.tunis cope.com/article/12819/actualites/bien-etre/chiite-275910>.

130

 »Un collectif d’associations organise une marche de soutien aux Iraniennes«, Business News, 29.9.2022, <https:// www.businessnews.com.tn/un-collectif-dassociations-organise-une-mare-de-soutien-aux-iraniennes,520,123243,3>.

131

 Dahmani, »Tunisie: Kaïs Saïed, l’Iran et le chiisme« [wie Fn. 25].

132

 Deren Webseite war im November 2023 nicht mehr zugänglich, aber Aufrufe der Liga waren noch auf anderen Plattformen auffindbar, <https://directinfo.webmanager center.com/Mots-Clefs/ligue-tunisienne-pour-la-tolerance/>.

133

 Beat Stauffer, »›Ihr werdet nicht mehr in Ruhe leben können!‹ – Israels Feldzug gegen die Hamas in Gaza lässt auch im Maghreb die Emotionen hochgehen«, in: Neue Zürcher Zeitung, 21.11.2023, <https://www.nzz.ch/meinung/ der-krieg-um-gaza-laesst-auch-im-maghreb-die-emotionen-hochgehen-ld.1765034>.

134

 »En Algérie, très forte hausse du budget de la défense prévue pour 2023«, in: Le Monde, 23.11.2022, <https://www. lemonde.fr/afrique/article/2022/11/23/en-algerie-tres-forte-hausse-du-budget-de-la-defense-prevue-pour-2023_6151208_ 3212.html>.

135

 Safaa Kasraoui, »Morocco’s 2024 Finance Bill Allocates $12 Billion for Defense«, in: Morocco World News, 23.10.2023, <https://www.moroccoworldnews.com/2023/10/358504/ morocco-s-2024-finance-bill-allocates-12-billion-for-defense>.

136

 Isabelle Werenfels, Maghrebinischer Wettstreit um Sub­sahara-Afrika, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2020 (SWP-Aktuell 83/2020), doi: 10.18449/2020A83.

137

 »Algeria Takes Its Anti-normalisation Fight to AU«, in: The Arab Weekly, 3.2.2022, <https://thearabweekly.com/ algeria-takes-its-anti-normalisation-fight-au>.

138

 Interviews der Autorin in Algier und Tunis, 2022 und 2023, sowie mit marokkanischen Akteuren in Berlin, Brüssel und Madrid, 2023.

139

 Mirco Keilberth, »Deutsche Botschaft unbeliebt«, in: taz, 31.10.2023, <https://taz.de/Nahost-Konflikt-in-Tunesien/ !5970088/>.

140

 Interviews in Tunis, Dezember 2023.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus­zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet.

SWP-Studien unterliegen einem Verfahren der Begut­achtung durch Fachkolle­ginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review), sie werden zudem einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https:// www.swp-berlin.org/ueber-uns/qualitaetssicherung/.
SWP‑Studien geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2024

SWP

Stiftung Wissenschaft und Politik

Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit

Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-200
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org

ISSN (Print) 1611-6372

ISSN (Online) 2747-5115