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Bidens Klimagipfel – erster Test für erneuerten Führungsanspruch

Kurz gesagt, 21.04.2021 Forschungsgebiete

»America is back« – bis zum Sommer möchte Biden die USA wieder als klimadiplomatische Führungsmacht etablieren, an der Seite der EU. Susanne Dröge über die Erfolgsaussichten dieses Projekts und die Möglichkeiten, auch China einzubinden.

Zum »Leaders Summit on Climate« am 22. und 23. April hat US-Präsident Joe Biden 40 Staats- und Regierungschefs eingeladen, um gemeinsam verbindliche Klimaschutzziele, Finanzierungszusagen und technologische Initiativen auf den Weg zu bringen. Mit Spannung erwartet wird das Klimaziel der USA für 2030, das sie beim Gipfel verkünden und als »nationalen Beitrag« (nationally determined contribution, NDC) beim UN-Klimasekretariat hinterlegen wollen. Die EU hatte ihr Ziel bereits beim Pariser Gipfel des französischen Staatspräsidenten Macron im Dezember benannt: um 55 Prozent sollen die Emissionen im Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 gesunken sein. Schon im Herbst 2020 hatte auch China seine Ziele öffentlichkeitswirksam verkündet. Damit stehen die USA unter einem hohen Erwartungsdruck, den sie selbst unter dem Motto »America is back« befeuern.

Klimapolitik – Anliegen der gesamten US-Regierung

Die US-Regierung hat die Klimapolitik zu einem ihrer vier Top-Themen auserkoren und will bis zum Sommer quer durch alle Ressorts (»whole of government«-Ansatz) die Eckpunkte einer ambitionierten Klimaagenda benennen. Bereits bekannt ist, dass die Regulierungen der Obama-Zeit und die Autorität der Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) wiederbelebt werden. Doch das Weiße Haus geht darüber hinaus: Die Verankerung des klimapolitischen Zielsystems in der US-Regierung erfolgt durch Personalentscheidungen des Präsidenten – an erster Stelle steht Ex-Außenminister John Kerry, der nun Klima-Sonderbeauftragter im Weißen Haus ist – und durch breit angelegte Executive Orders (Dekrete) wie dem zur »Bekämpfung der Klimakrise Zuhause und im Ausland«. Der Haushalt schließlich führt Corona-Pandemie und Klimapolitik zusammen und verknüpft den wirtschaftlichen Konjunkturstimulus mit »grünen Jobs«. 14 Milliarden US Dollar sollen allein 2022 auf Klimaschutz, Forschung, grüne Infrastruktur- und Energiepolitik entfallen.

Beim Leaders Summit können die USA ihren internationalen Gästen also vor Augen führen, dass sie tatsächlich zurück sind – und nicht kleckern, sondern klotzen. Sollte mit dem für den US-Klimagipfel angekündigten »Climate Finance Plan« ein nennenswerter Beitrag der USA zur internationalen Klimafinanzierung dazukommen, kann es gelingen, den Schaden der letzten vier Jahre, nicht zuletzt das Glaubwürdigkeitsproblem der Trump-Regierung, zu begrenzen. Von dem noch ausstehenden US-Beitrag von 2 Milliarden für den Grünen Klimafonds der UN waren 1,2 Milliarden US Dollar bereits in Aussicht gestellt worden, doch die internationale Gemeinschaft drängte auf mehr.

US-Gipfel wird Balanceakt

Dennoch wird der Gipfel kein Selbstläufer. Viele große Staaten wie Russland, Brasilien und Saudi-Arabien halten sich zurück. Mit Europa steht hingegen ein verlässlicher Partner bereit. Die USA signalisieren immer wieder, dass die EU mit ihrem Green Deal einen hohen Standard gesetzt hat, dem man entsprechen will; die Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit sind damit sehr gut, der Ideenaustausch dies- und jenseits des Atlantiks vielfältig. Die Herausforderung aber besteht darin, sich auf Prioritäten zu einigen und die jeweiligen nationalen Prozesse nicht zu behindern – beides Voraussetzungen für gemeinsame Führung auf der internationalen Bühne. Ein Beispiel sind die EU-Pläne, für besonders CO2-intensiv produzierte Importgüter 2023 eine CO2-Grenzabgabe einzuführen (»CBAM«). Zwar hat Präsident Biden ähnliche Ideen geäußert, allerdings fehlen in den USA die rechtlichen Voraussetzungen, um einen solchen »Grenzausgleich« im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation umzusetzen – und damit auch für ein gemeinsames Vorgehen. Zuletzt bat John Kerry die EU-Kommission, ihre Pläne auf Eis zu legen – was sie aber nicht tun wird. Die Idee eines Klimaclubs mit einem gemeinsamen Mindestpreis oder Klimaaußenzoll gegenüber Drittstaaten bleibt daher eine schillernde Idee, mehr nicht. Auch ein CO2-Preis wird in den USA so schnell nicht kommen – im Senat bräuchte ein solcher Vorstoß 60 Stimmen, sicher sind Biden aber nur 50.

Auch in weiteren Projekten des Green Deal ist die EU den USA voraus. Dazu gehören Rechtsvorhaben für erneuerbare Energien, Wasserstoffinitiativen, klimafreundliche Mobilität, Infrastrukturinvestitionen und die Kreislaufwirtschaft. Für gemeinsame Initiativen bedarf es also intensiver Sondierungen, wo technologische Vorhaben wie z.B. die Batterieentwicklung oder die Dekarbonisierung der Schwerindustrie und der Luftfahrt im gemeinsamen Interesse liegen und wie konkrete Umsetzungsschritte aussehen können. Gelingt es im Laufe dieses Jahres, gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen, kann das als Signal gewertet werden, dass Biden eine »Führungsbalance« mit Europa ernsthaft anstrebt und diesen auch mit Inhalten untermauern kann.

China bereitet Kopfschmerzen

Die größte Sorge bleibt, dass keine konstruktive Zusammenarbeit mit China gelingt. Zwar formulierte Peking mehrfach öffentlich, dass es sich zu den Anführern in der Klimapolitik zählt. Doch nach den gegenseitigen Schuldzuweisungen für die international angespannte Lage beim ersten Aufeinandertreffen der neuen US-Regierung mit Vertretern Chinas in Anchorage, Alaska, im März schwanden die Hoffnungen auf eine Entspannung der US-chinesischen Beziehungen rapide. Ohnehin ist die Ausgangslage schwierig nach Jahren des Handelskriegs und der Spannungen in der Sicherheits- und Menschrechtspolitik. Doch EU und USA sind daran interessiert, die Klimapolitik aus dieser Konkurrenz herauszulösen. John Kerry warb in Peking mit Blick auf den US-Gipfel erfolgreich für mehr Zusammenarbeit. Parallel dazu berieten die Staatschefs Xi Jinping und Emmanuel Macron über Klimaschutz und Biodiversität mit der deutschen Bundeskanzlerin.

Die chinesische Regierung dürfte jedoch versuchen, klimapolitische Zusagen mit Zugeständnissen in anderen Politikfeldern zu verbinden. 2014 war es Kerry als Außenminister gelungen, die jahrelange gegenseitige Blockade der G2 zu beenden. Ob Washington 2021 daran anknüpfen kann, bleibt abzuwarten. Ein Erfolg wäre, wenn die Europäer zusammen mit den USA China in diesem Jahr konkrete Zusagen dazu abringen würden, wie es seine ehrgeizigen Klimaziele erreichen will: Noch vor 2030 soll der CO2-Ausstoß einen Höchststand erreicht haben, vor 2060 will Peking CO2-neutral wirtschaften. Mit dem Fortschreiben des aktuellen Kohleverbrauchs Chinas ist das unmöglich.

Für die anstehenden Klimagespräche bis zur COP26 kann der US-Gipfel wichtige Akzente setzen. Dass er die verschiedenen Führungsansprüche aus Europa, China und den USA in Einklang bringen kann, ist zu bezweifeln. Großbritannien als Gastgeber der COP26 und Italien als G20-Vorsitzender werden aber davon profitieren, dass die USA sich als »Co-Leader« zurückmelden und den Ton für die weiteren Runden setzen.