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Euroraumkrise: Haushaltsdisziplin statt Transferunion

Die Devise bei der Bewältigung der Eurokrise heißt mehr Eigenverantwortung statt Vergemeinschaftung, meint Ognian Hishow. Die Mitgliedstaaten müssen durch die konsequente Umsetzung von Stabilitätsmechanismen auf Haushaltsdisziplin verpflichtet werden.

Kurz gesagt, 11.03.2013 Forschungsgebiete

Die Devise bei der Bewältigung der Eurokrise heißt mehr Eigenverantwortung statt Vergemeinschaftung, meint Ognian Hishow. Die Mitgliedstaaten müssen durch die konsequente Umsetzung von Stabilitätsmechanismen auf Haushaltsdisziplin verpflichtet werden.

Die Schuldenkrise in der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) hat den Glauben an die duale Struktur einer zentralen Geldpolitik bei gleichzeitiger dezentraler Fiskalpolitik vielfach erschüttert. Nun soll eine Vergemeinschaftung von Haushalt und Schulden den Weg aus der Krise weisen und vor künftigen Krisen schützen. Der Bogen der Lösungsvorschläge ist weit gespannt: Eurobonds und ein Schuldentilgungsfonds, eine europäische Arbeitslosenversicherung und eine Bankenunion oder ein gemeinsamer WWU-Haushalt sind nur einige Vorschläge. Tatsächlich aber würden ein gemeinsamer Haushalt und die Vergemeinschaftung der Schulden die Probleme auf die EU/WWU-Ebene verlagern, ohne ihre Ursachen zu beseitigen. Stattdessen muss die Eigenverantwortung der Staaten gestärkt werden. Dabei sollte eine Rückbesinnung auf die Haushaltsdisziplin im Fokus stehen, die von einer Stärkung der Tarifdisziplin flankiert wird.

Die Befürworter einer Zentralisierung argumentieren, dass die einzelnen Mitgliedstaaten asymmetrischen Schocks ausgesetzt sind, die sie besser über den Mechanismus der Vergemeinschaftung absorbieren können: Überschuldete Regierungen würden beispielsweise von Marktspekulanten in den Staatsbankrott getrieben; eine Übertragung von Teilen der nationalen Haushalte auf die EU/WWU-Ebene würde ein solches Risiko reduzieren. Genauso würden die nationalen Haushalte durch eine gemeinsame Haftung für einen Teil der nationalen Schuld tragfähiger werden. Diese Argumente sind nicht stichhaltig, weil sie außer Acht lassen, dass asymmetrische Schocks durch Disziplinlosigkeit selbst verschuldet sein können. In solchen Fällen muss das Übel an der Wurzel gepackt werden, also da, wo es entsteht: in den Mitgliedstaaten.

So war in Griechenland eine mangelhafte Haushaltsdisziplin zu beklagen: das Land leistete sich in den konjunkturell guten frühen 2000er Jahren hohe strukturelle Defizite - bis zu sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) - anstatt Haushaltsüberschüsse zu generieren. In Frankreich, Italien und Portugal fiel das Wachstum in der ersten Hälfte der 2000er Jahre unter zwei Prozent p.a. In der Folge stieg die Arbeitslosigkeit. Anstatt die Arbeitsmärkte zu deregulieren, hat die Regierung den bequemeren Weg gewählt und sich strukturell verschuldet. Auch in Spanien, Irland und Zypern lagen Verwerfungen vor, die ignoriert wurden.

Nationale Fehlentwicklungen dieser Art können durch eine Vergemeinschaftung nicht verhindert werden. Allenfalls eine "Vergemeinschaftung der Aufsicht" kann helfen; so ist es die Aufgabe des Europäischen Systemic Risk Boards, strukturelle Verwerfungen wie Spaniens überdimensionierten Bausektor oder Blasen wie Irlands überdehnten Bankensektor zu identifizieren und im Rat und der EU-Kommission energisch darauf zu bestehen, sie frühzeitig zu unterbinden. Die Zentralisierung von Haushalten und Schulden hingegen ist eine Form der Vergemeinschaftung, die nicht funktioniert, weil sie lediglich an den Symptomen herumdoktert.

Die neuen Stabilitätsmechanismen nehmen die Ursachen der Instabilität in den Blick

Zwar verlangt die derzeitige Notlage der Peripherie nach der Solidarität des Nordens und damit nach - temporärer - Ressourcenumverteilung bis zur Rückkehr zum Wachstum. Es sollte jedoch vermieden werden, dass die Hilfeleistungen als Dauerlastenteilung gestaltet werden. Auch der permanente ESM sollte später umfunktioniert werden.

Vorrang müssen nun Initiativen haben, die die Ursachen der Instabilität ansprechen. Die Rückbesinnung auf die Idee des ersten Stabilitäts- und Wachstumspaktes (StWP) ist dabei hilfreich. Er hatte vorgeschrieben, dass das jährliche Haushaltsdefizit in den Mitgliedstaaten drei Prozent, die Gesamtverschuldung sechzig Prozent des BIP nicht überschreiten dürfe. Allerdings ging der StWP nicht weit genug. Seine Hauptschwäche bestand darin, dass er nicht ausdrücklich auf Haushaltsüberschüssen in Zeiten des Aufschwungs bestanden hatte. Ferner kann auch ein Dreiprozentdefizit bei sehr schwachem Wachstum einen Anstieg der Schuldenquote über sechzig Prozent nicht verhindern.

Die neuen, im Zuge der Krise vom Europäischen Rat beschlossenen Stabilitätsinstrumente - der Fiskalpakt mit seinem Fiscal Compact, Sixpack, Europlus-Pakt u.a. - gleichen nun die Schwächen des StWP aus und sind damit geeignet, die WWU stabil zu halten. So stellt ein Automatismus sicher, dass in Zeiten des Aufschwungs Haushaltsüberschüsse erzielt werden, die zyklische Defizite ausgleichen können. Gleichzeitig sind strukturelle Defizite praktisch untersagt. Damit wird eine Überschuldung vermieden und die Finanzmärkte werden in der Regel nicht beunruhigt. Die Tatsache, dass die Regierungen der Krisenländer durch die neuen Stabilitätsregeln zum Sparen gezwungen werden, sorgt ferner für eine Verringerung ihrer Leistungsbilanzdefizite. Wichtig hierbei ist es, dass die Tarifpartner zugleich für eine Lohnentwicklung sorgen, die die Wettbewerbsfähigkeit nicht beschädigt. Dies ist Voraussetzung für einen gesicherten Zufluss von Kapital in die Peripherie.

Die neuen Stabilitätsinstrumente sind den prominent diskutierten Instrumenten der Vergemeinschaftung überlegen, weil sie ihre Notwendigkeit von vornherein eliminieren. Sie ebnen den Weg zu einer marktbasierten Refinanzierung der Schulden durch die WWU-Regierungen. Die Transferunion wird damit überflüssig.

Der Text ist auch bei EurActiv.de und tagesspiegel.de erschienen.