Sri Lanka: Eskalation zwischen LTTE und Regierungstruppen
Interview von Florian Niederndorfer, in: derStandard.at, 12.05.2009 (online)Christian Wagner
Interview von Florian Niederndorfer, in: derStandard.at, 12.05.2009 (online)
derStandard.at: Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als würde der jahrzehntelange Konflikt in Sri Lanka zu Ende gehen. Nun diese Eskalation: Wie kam es dazu?
Christian Wagner: Ich würde nicht von einer Eskalation des Konflikts sprechen. De facto hat sich in den vergangenen Wochen nicht wirklich etwas an der Dramatik geändert. Nur wird das Gebiet, das die LTTE-Rebellen (Liberation Tigers of Tamil Eelam, Befreiungstiger von Tamil Eelam, Anm.) kontrollieren, immer kleiner. Wir wissen nicht, was bei den Angriffen auf die Zivilisten genau passiert ist, ob die Armee auf sie geschossen hat oder ob die LTTE das Feuer auf die Fliehenden eröffnet hat. Die Armee hatte angekündigt, keine schweren Waffen einsetzen zu wollen, aber in der Situation des Kampfes kann sich das jederzeit ändern.
derStandard.at: Die Rebellen kontrollieren nur mehr einen winzigen Küstenstreifen. Warum riskieren sie die endgültige Vernichtung durch die Armee?
Christian Wagner: Der große Preis in diesem fünf Quadratkilometer großen Gebiet ist LTTE-Führer Velupillai Prabhakaran, der sich mit seinen Getreuen noch immer dort aufhalten soll. Die Frage ist, was er vorhat. Wenn wir davon ausgehen, dass er noch dort ist, könnte er entweder versuchen zu fliehen, wobei das Gebiet von allen Seiten von der Armee blockiert ist. Oder er begeht Selbstmord, alle LTTE-Kader tragen Zyankali-Kapseln an einer Kette mit sich, in die sie im Fall des Falles beißen. Das würde den Märtyrerkult um ihn befördern. Oder aber er ergibt sich der Armee, wovon ich aber nicht ausgehe. Es geht den Rebellen also einzig und alleine darum, ihrem Führer ein würdiges Ende zu bereiten, ein Tamilen-Staat wird auf fünf Quadratkilometern nicht mehr verteidigt werden und der Krieg der Rebellen ist längst verloren. Dass sie mit ihrer Taktik das Vorgehen der Zivilisten riskieren, ist den LTTE durchaus bewusst, sie dienen ihrem Führer als menschliche Schutzschilder.
derStandard.at: Bisher blieben die Touristenregionen der Insel von der Gewalt weitgehend verschont. Ist im Falle einer militärischen Niederlage der LTTE eine Ausdehnung des Konflikts dorthin möglich?
Christian Wagner: Anschläge auf Touristen dürfte es auch in Zukunft eher nicht geben. Die LTTE dürften vorerst militärisch verschwinden, es werden zwar kleinere Gruppen überbleiben, aber die Strukturen an sich wird es nicht mehr geben. Und die Rebellen hätten schon bisher eine Bombe in ein Touristenhotel werfen können, sie taten es aber nicht, weil das den Druck von internationaler Seite massiv erhöht hätte und sie von Abgaben der Diaspora-Tamilen im Westen abhängig sind. Es ist auch noch nicht klar, wie sich die Exil-Tamilen gegenüber den künftigen Nachfolgern der LTTE stellen werden, die bisherigen Rebellen hatten ja nicht nur Freunde unter der Diaspora, sondern hat ihre Gelder oft auch gewaltsam eingetrieben.
derStandard.at: Dass die LTTE ihre Waffen niederlegt, um ein Blutbad zu verhindern, ist ausgeschlossen?
Christian Wagner: Das hätte man schon vor einigen Wochen machen können und müssen. Nun ist nur mehr der ganz harte Kern der Rebellen im Kampfgebiet, eine Meuterei gegen Prabhakaran scheint auch nicht mehr realistisch. Ich fürchte, es wird auf einen blutigen Endkampf hinauslaufen.