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Stabilitätspolitik in Zentralasien und Kaukasien im Rahmen der "Anti-Terror-Allianz"

Arbeitspapier FG 5, 2002/ Nr.02, 15.12.2001, 3 Seiten

2. Probleme und Herausforderungen für internationale Stabilitätspolitik am Südrand der GUS

Wie tragfähig die russisch-amerikanische Kooperation auch immer ist, ein Resultat der Nach-September-Dynamiken ist eine verbreiterte internationale Stabilisierungspolitik im weiteren "kaspischen Raum", die allerdings noch der praktischen Umsetzung bedarf. Inwieweit kann sie auf die entscheidenden Fehlentwicklungen und Destabilisierungsfaktoren in ihren Partnerländern einwirken? Inwieweit ist sie bereit und in der Lage, mit ihren Sicherheitspartnern im Klartext zu kommunizieren - mit Regimen, die in "Verlautbarungskulturen" eingeübt sind: in das alljährliche Verlautbarungsritual zur verstärkten Bekämpfung von Korruption, in demokratische Lippenbekenntnisse, zu denen die realen politischen Verhältnisse in grellem Widerspruch stehen, in zwischenstaatlichen Harmonieritualen, die von Grenzstreitigkeiten und riskanten Defiziten regionaler Kooperation konterkariert werden?

Wie gehen westliche Sicherheitspartner mit dem Spannungsverhältnis zwischen einer Stabilitätspolitik, die über bloße Militär- und Polizeihilfe hinausgehen will und muß, und der Zurückhaltung gegenüber Einmischung in die inneren Angelegenheiten erst kürzlich unabhängig gewordener, souveränitätsfixierter, mitunter beratungsresistenter Staaten um? Empfindlichkeit gegenüber ausländischer Einmischung haben zentralasiatische Staaten besonders in Bereichen aufgebaut, in denen Veränderungen dringend geboten wären: z.B. im regionalen Wassermanagement.

Im gesamten südlichen GUS-Raum wird nationale oder regionale Sicherheit mit Sicherheit amtierender Regimes gleichgesetzt. Regimesicherheit basiert hier auf einer Balancewahrung zwischen politischen Clans durch Pfründenverteilung. Die eskalierte innenpolitische Krise in Kirgistan hat mit der Störung solcher Balancewahrung zu tun. In den letzten Monaten kam es vor allem in Kirgistan,Kasachstan und Georgien zur Zuspitzung innenpolitischer Auseinandersetzungen und Regierungskrisen.

Ein ehemaliger georgischer Minister bezeichnet das politische System in seiner Heimat mit dem Terminus "Korruptionsstabilität". Das Stichwort "Korruption" steht nicht nur für ein "common wisdom" in bezug auf den "postsowjetischen" Raum, sondern für spezifische Partnerschaftsprobleme bei der Sicherheitskooperation.

Ein Beispiel: In das amerikanische "Train and Equip"-Programm für georgische Sicherheitskräfte sind "internal forces" einbezogen, die im Mittelpunkt des Korruptionsverdachts stehen, den die Bevölkerung gegenüber ihrer Machtelite hegt. In Georgien sind seit längerem gerade die inneren Sicherheitsorgane, die für "law and order" zuständigen Stellen, zum Inbegriff von "Korruptionsstaatlichkeit" geworden. Wie stellt sich "Train and Equip" auf diesen Umstand ein? Ein anderes Beispiel: Ein gerade für Europa besonders beunruhigendes Symptom der Instabilität in Zentralasien und Kaukasien ist der Drogenhandel. Das für Drogenbekämpfung zuständige VN-Ressort, die USA, die EU und andere Akteure haben "Train and Equip"-Programme zur Unterbindung des von Afghanistan ausgehenden Drogenhandels entwickelt. Angesichts der Verwicklung von Rechtsschutz- und Staatssicherheitsorganen in den Drogenhandel in Ländern wie Tadschikistan (40-50 Prozent laut UNDCP-Schätzungen) stellten Teilnehmer solcher Programme aber bereits fest, sie wüßten nicht recht, ob ihre Expertise der Eindämmung des Drogenhandels diene oder nicht eher der Schaffung von "more sophisticated traffickers".

Sprechen neue westliche Strategiekonzepte für den hier behandelten Raum die zentralen Herausforderungen an? Was sind die neuen Herausforderungen nach dem 11. September? Es sind bei aller Relevanz des Themas Terrorismus in hohem Maße die alten Probleme. Es sind Probleme, die von der aktuellen Bedrohungstroika "Islamismus, Terrorismus, Drogenhandel" etwas in den Hintergrund gedrängt wurden, obwohl sie mit diesen besonderen Sicherheitsrisiken kausal eng verbunden sind: Armutsentwicklung, soziale Polarisierung, Perspektivlosigkeit, in einigen Fällen starke Regression im Bereich von Informationsfreiheit, ja Rückentwicklung zu völlig geschlossenen und isolierten Gesellschaften wie in Turkmenistan, Störungen der zwischenstaatlichen Kommunikation, ungeregelte Umwelt- und Wasserprobleme, die in Zentralasien zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko werden könnten.

Die von Afghanistan ausgehenden Risiken haben sich gewiß noch nicht erledigt. Der Drogenhandel ist nach dem Sturz des Talibanregimes keineswegs abgeklungen. Aber die Destabilisierungsgefahr für Zentralasien ging auch vor dem 11.September nur zum Teil von Afghanistan aus. Ein erheblicher Teil der Probleme lag für die Staaten im Bereich eigener Entwicklung und Verantwortung. Die Strategiepapiere zu Zentralasien sprechen diese Probleme auch durchaus an, gehen insofern nicht in die "Terrorismus-Falle", als daß sie die "Nach-September-Welt" von der "Vor-September-Welt" trennten. In entscheidenden Punkten, wie in der Frage der regionalen Kooperation oder der Konditionalisierung von Stabilisierungshilfe, wird operative Politik allerdings mit erheblichen Empfindlichkeiten auf der Gegenseite konfrontiert und schreckt mitunter davor zurück, Klartext zu reden.