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Sri Lanka: Verfassungsänderung als Weg aus der Krise

Kurz gesagt, 20.04.2022 Forschungsgebiete

Sri Lankas Premierminister Rajapaksa hat eine Verfassungsänderung angekündigt, um die Opposition zur Zusammenarbeit zu bewegen und die Macht seines Familienclans zu sichern. Abzuwarten bleibt, ob er damit die politische Stabilität zur Bewältigung der Finanzkrise herstellen kann, meint Christian Wagner.

Die Wirtschaftskrise in Sri Lanka spitzt sich zu: Nachdem die Regierung angekündigt hatte, ihre Auslandsschulden nicht zurückzahlen zu können, hat Präsident Gotabaya Rajapaksa den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe ersucht. Angesichts der politischen Instabilität nach dem Rücktritt zahlreicher Minister Anfang April hat sein Bruder, der ehemalige Präsident und heutige Premierminister Mahinda Rajapaksa, am Dienstag eine Verfassungsänderung angekündigt. Damit sollen die Befugnisse des Präsidenten beschränkt und die Rechte des Parlaments gestärkt werden.

Ursachen der Krise

Die Krise ist eine komplexe Mischung aus den innen- und außenpolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Unter der Präsidentschaft von Mahinda Rajapaksa hatte sich das Land von 2005 bis 2015 massiv bei China verschuldet. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts ist seit zehn Jahren rückläufig. 2019 führten die blutigen Anschläge vom Ostersonntag, bei denen mehr als 250 Menschen durch einen lokalen Ableger des sogenannten Islamischen Staates getötet wurden, zu einem Einbruch des Tourismus, einem der wichtigsten Devisenbringer des Landes. Die Corona-Pandemie 2020 verschärfte die Devisenknappheit, denn nun gingen neben den Tourismuszahlen auch die Rücküberweisungen sri-lankischer Gastarbeiter vor allem aus den Golfstaaten zurück. Im selben Jahr senkte die Regierung die Mehrwertsteuer und schwächte damit die Steuerbasis. Ihre überraschende Entscheidung im Mai 2021, die Landwirtschaft über Nacht auf organischen Anbau umzustellen, führte zu einem Rückgang der Erträge. Aufgrund dieser Entwicklungen sind die Devisenreserven des Landes gesunken und die Versorgungslage dramatisch.

Die innenpolitischen Konstellationen

Die absehbare Umschuldung durch den IWF wird vermutlich mit massiven Einschnitten der Staatsausgaben einhergehen. Zudem werden die Schuldzuweisungen für diese die parteipolitische Polarisierung vertiefen, die seit der Wahl Gotabaya Rajapaksas zum Präsidenten vor drei Jahren die politische Kultur des Landes prägen. Der frühere Verteidigungsminister gilt als Architekt des Sieges über die tamilische LTTE (Libration Tigers of Tamil Eelam) 2009. Seine Regierung ähnelte einer Familienautokratie, in der sein Bruder Premierminister wurde und weitere Familienangehörigen wichtige Ministerien übernahmen. Seit ihrer Machtübernahme verschlechterte sich die Menschenrechtslage deutlich: Die Opposition und die Medien klagten über zunehmende Repression und Einschüchterung.

Der Aufruf von Präsident Rajapaksa zu einer Zusammenarbeit mit der Opposition nach dem Rücktritt des fast gesamten Kabinetts verhallte im Nichts. Nach den Rücktritten von Abgeordneten der regierenden Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) sind die Mehrheitsverhältnisse im Parlament unklar. Ein Rücktritt des Präsidenten und eine Neuwahl sind schwer vorstellbar. Der Rajapaksa-Clan muss bei einer Niederlage weitreichende Vergeltungsmaßnahmen der Opposition fürchten. Das Oppositionsbündnis Samagi Jana Balawegaya (SJB) unter der Führung von Sajith Premadasa benötigt wiederum eine Zweidrittelmehrheit, um ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Rajapaksa einzuleiten.

Neue Parlamentswahlen würden bei einem Sieg der Opposition den Machtkampf eher verschärfen als mildern. Die Kohabitation zwischen einem mit weitreichenden Befugnissen ausgestattetem Präsidenten und einer Regierung, die von der Opposition geführt wird, bietet zwar theoretisch die Möglichkeit der Zusammenarbeit, um gemeinsam Reformen zu beschließen. Allerdings zeigte sich in der Vergangenheit, dass sich die rivalisierenden Parteien eher blockierten als zusammenarbeiteten.

Die geplante Verfassungsänderung würde zwar die Rechte des Präsidenten einschränken und im Gegenzug dem Premierminister und dem Parlament mehr Kompetenzen zubilligen. Mit dieser Machtverschiebung würde sich der Rajapaksa-Clan aber weiter seine dominierende Stellung sichern, ohne Neuwahlen in Kauf nehmen zu müssen.

Die Reformen des IWF werden zu Kürzungen in den Sozialausgaben führen und die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den Volksgruppen weiter belasten. Die buddhistisch-nationalistischen Hardliner, die ihre Anhänger in den singhalesischen Parteien haben, werden darauf pochen, dass die Lasten möglicher Einschnitte auf die tamilische und muslimische Minderheit im Norden und Osten des Landes abgewälzt werden.

Die Tamilen werden die Krise nutzen, um ihr Anliegen nach mehr Autonomie für ihre Gebiete durchzusetzen. Auch 13 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs ist dieses dem Konflikt zugrundeliegende Problem noch immer nicht politisch geregelt. Die Muslime beklagen, dass sie nicht erst in Folge der Anschläge von 2019 immer stärker Ausschreitungen buddhistischer Nationalisten ausgesetzt sind.

Die außenpolitischen Folgen

Um die Versorgungsprobleme in den Griff zu bekommen, hat Sri Lanka nun Indien und China um Notkredite gebeten. Beide Länder buhlen seit Jahren mit wechselndem Erfolg um einen größeren Einfluss in Sri Lanka. Außenpolitisch könnte Indien von der Krise profitieren, denn das chinesische Engagement ist eng mit dem Rajapaksa-Clan verknüpft. Allerdings gilt Indien als Fürsprecher der tamilischen Minderheit, so dass ein allzu starkes Auftreten wie in der Vergangenheit erneut den Widerspruch buddhistisch-nationalistischer Gruppen provozieren würde.

Deutschland und die EU können Sri Lanka weitere Wirtschaftshilfen für den Wiederaufbau in Aussicht stellen. Die EU ist nach China der zweitwichtigste Handelspartner des Landes. Allerdings stehen die westlichen Staaten vor schwierigen Entscheidungen hinsichtlich ihrer Unterstützung für Sri Lanka. Präsident Gotabaya Rajapaksa ist als Sieger des Bürgerkriegs ein Held für die singhalesische Mehrheit. Für die Tamilen ist er hingegen eher ein Kriegsverbrecher. Die internationale Gemeinschaft sieht in dem damaligen Verteidigungsminister einen der Hauptverantwortlichen für eine Reihe von Kriegsverbrechen der sri-lankischen Streitkräfte. Diese wurden zusammen mit den Kriegsverbrechen der LTTE in einem Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) 2011 dokumentiert. Die VN und westliche Staaten haben immer wieder eine Aufarbeitung dieser Verbrechen angemahnt, was sri-lankische Regierungen stets ablehnten. Diese Aspekte werden eine Bewältigung der Schuldenkrise nicht einfacher machen.