UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat unter dem Slogan »A Race We Can Win – A Race We Must Win« zu einem Klimagipfel in New York am 23. September eingeladen. Mit seiner Agenda beweist er Führungsstärke, die die internationale Klimapolitik dringend nötig hat, meint Susanne Dröge.
Seit der Ankündigung des US-Präsidenten, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen, wächst die Führungslücke in der internationalen Klimapolitik. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat sich vorgenommen, sie zu schließen: Seit 2017 setzt er sich mit Nachdruck für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ein. 2018 reiste er gleich zwei Mal zu Verhandlungen unter dem Dach der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCC) nach Katowice, Polen, wo das Regelbuch für das internationale Klimaabkommen festgezurrt wurde. Nun empfängt er am 23. September Staats- und Regierungschefs, Unternehmen, Jugendvertreter und Nichtregierungsorganisationen zu einem Sondergipfel in New York.
In den USA hatten günstige Trends im Energiemarkt – ein Wechsel von Kohle zu Gas – und eine beherzte Klimaschutzpolitik unter Präsident Obama zu sinkenden Emissionen geführt. Unter Präsident Trump wurden die Klimaschutz-Regularien wieder abgeschafft. Zwar bleiben viele US-Bundesstaaten dennoch am Ball, indem sie eigene Gesetze verabschieden und die erneuerbaren Energien voranbringen. Der nötige Schwung, mit dem sich das verkündete US-Klimaziel erreichen ließe, ist jedoch dahin. Die chinesische Regierung, die vor zwei Jahren gegenüber der EU und Kanada zugesagt hatte, sich für das Pariser Abkommen einzusetzen, ist nun vollauf damit befasst, die Folgen der US-Handelspolitik abzuwehren. Zudem treibt China die »Neue Seidenstraßen«-Initiative voran, die vor allem durch den Bau von Kohlekraftwerken und CO2-intensive Infrastrukturprojekte in den Nachbarländern auffällt. Gegen die Wirkungen, die dieser Rückfall der beiden größten Verursacher des Klimawandels entfaltet, ist schwer anzukommen. Verschärfend kommt hinzu, dass sich im letzten Jahr mit dem Amtsantritt von Jair Bolsonaro auch Brasilien dem klimapolitisch folgenreichen Nationalismus verschrieben hat. Die Freigabe des Amazonas für unkontrollierte Brandrodungen, einhergehend mit einer massiven Freisetzung von Treibhausgasen, sorgt zwar aktuell für internationale Empörung, beeinflussen lässt sich diese Politik von außen aber nur schwer. Die Verfechter einer zügigen Umsetzung des Pariser Abkommens, allen voran die kleinen Inselstaaten, die Europäische Union, Kanada und Mexiko, stellt dies vor große außenpolitische Herausforderungen
Guterres setzt in dieser Situation auf die große Bühne der UN-Generalversammlung, die gleichzeitig als Pranger und als Schaufenster fungiert. »Bringt Pläne, nicht Reden«, lautet seine Aufforderung an die Staats- und Regierungschefs vor dem Sondergipfel am kommenden Montag. Denn im nächsten Jahr bei der Vertragsstaatenkonferenz COP26 sind alle Länder aufgefordert, sowohl ihre mittel- als auch ihre langfristigen nationalen Vorhaben zur Klimapolitik einzureichen. Der Generalsekretär schlägt den Staaten mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel vor, sich an einer Reduktion der Emissionen von 45 Prozent bis 2030 zu orientieren; weiterhin sollen sie, so der Vorschlag, den Abbau von Subventionen für fossile Energien und den Verzicht auf neue Kohlekraftwerke ab 2020 vorantreiben. Damit setzt Guterres auch auf die Messbarkeit von Erfolgen und gibt Anhaltspunkte dafür, was er unter »ehrgeizigen« Ambitionen und Glaubwürdigkeit versteht. Der Gipfel soll schließlich auch dazu beitragen, gemeinsam mit nichtstaatlichen Akteuren Aktivitäten in insgesamt neun Kernfeldern weiter voranzutreiben. Dazu haben sich im Vorfeld Koalitionen aus UN-Mitgliedstaaten, Vertretern verschiedener Regierungsebenen, zum Beispiel aus US-Bundesstaaten, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und Jugendgruppen gebildet. Guterres zeigt damit, dass er die Stellschrauben für eine Klimawende kennt und sich nicht allein auf die Staatenlenker verlässt.
Neben dem Klimaschutz ergibt sich durch die Neupositionierungen der großen Staaten eine klimadiplomatische Herausforderung, die allein die Verhandler der UN-Klimarahmenkonvention oder einzelne Akteure wie die EU nicht stemmen können. Denn das Pariser Abkommen funktioniert nur, wenn eine Vielzahl von Staaten ihre Bemühungen nach oben schraubt, in Umsetzungsfragen kooperiert und dem Prinzip der Transparenz folgt. Es gilt insofern, der Macht der abtrünnigen Staaten die Macht der großen Zahl entgegenzusetzen. Und immerhin wollen sich am 23. September in New York rund 100 Staaten mit eigenen Klimaplänen beteiligen. 20 Länder wie Finnland, Großbritannien, Frankreich oder Costa Rica reisen mit einem deutlichen Bekenntnis zur Klimaneutralität an. Damit stützen sie aktiv das langfristige Ziel des Pariser Abkommens, ab 2050 weltweit ausgeglichene Klimabilanzen vorzuweisen. Guterres kann sich somit darauf verlassen, dass es Staaten und weitere Akteure gibt, die die Umsetzung des Pariser Abkommens voranbringen, sich auf der großen Bühne zeigen wollen und sich zum Multilateralismus bekennen.
Dass der anstehende Sondergipfel im Vorfeld Wirkung entfaltet hat, zeigt sich an der deutschen Klimaagenda. Wenn das Klimakabinett der Bundesregierung am 20.9. tagt, wird sein Augenmerk darauf liegen, was die Bundeskanzlerin nach New York mitnehmen kann. Neben dem Bekenntnis zum Neutralitätsziel für 2050 werden konkrete Maßnahmen wie der CO2-Preis sowie Konzepte für einen gerecht gestalteten Strukturwandel dazu gehören. Zwar ist der deutsche Beitrag noch nicht ambitioniert genug, um zügig und dauerhaft die Emissionen zu senken, doch für die Klimadiplomatie ist er ein wichtiges Signal. Schlechter bestellt ist es um den Auftritt der EU. Sie ist aufgrund des noch ausstehenden Antritts der neuen EU-Kommission am 1. November nicht in der Position, mit neuen Angeboten nach New York zu fahren.
Mit Blick auf die anstehenden Vertragsstaatenkonferenzen in Santiago de Chile im Dezember (COP25) und 2020 in Glasgow (COP26) ist der New Yorker Gipfel ein wegweisendes Ereignis. Vor allem dank der Führungsstärke des Generalsekretärs: Er stärkt die Sichtbarkeit der Vereinten Nationen gegenüber den nationalistischen Regierungen, bindet jene Akteure ein, die den Klimaschutz umsetzen können, und nimmt die Staatenlenker direkt in die Verantwortung. Zuletzt drohte er sogar mit einem Entzug des Rederechts für jene, die weiterhin auf Kohleverstromung setzen wollen.
Er gilt als eine der größten Bedrohungen des 21. Jahrhunderts: der Klimawandel. Wie lassen sich Treibhausgasemissionen reduzieren? Und wie ist mit ihren Folgen umzugehen? Das Dossier gibt einen Überblick über die vielfältigen Herausforderungen für die Klimapolitik auf europäischer und internationaler Ebene.