Ein Beitrag zur Entdramatisierung
SWP-Studie 2018/S 08, 21.06.2018, 33 Seiten ForschungsgebieteIn der Europäischen Union und der Eurozone wird hitzig über die Notwendigkeit zusätzlicher Transfers und das Zerrbild einer »Transferunion« gestritten. Angesichts der Kontroversen erscheint es dringlicher denn je, Vor- und Nachteile sowie Formen und Optionen von Transfers darzulegen und damit die Diskussion zu versachlichen. Eine rationale Gesamtbewertung muss über die reinen Finanztransfers hinaus auch die weiterreichenden Vorteile einer geeinten Union und einer stabilen Währungsunion einbeziehen.
Die EU verfügt bereits über verschiedene Transferinstrumente innerhalb und außerhalb ihres Budgets. Aber weder die vorhandenen noch die diskutierten weiteren Mechanismen rechtfertigen die These, Europa befinde sich auf dem Weg in eine Transferunion.
Dennoch setzen die erreichte Integrationstiefe und die erforderliche weitere Vertiefung Anreize für neue Arten von Transfers. Es wird unumgänglich sein, das Budget der EU aufzustocken und neue Transfermechanismen einzuführen, um den Anforderungen an eine stetig enger zusammenwachsende und interdependente EU mit einem Binnenmarkt und einer gemeinsamen Währung zu genügen. Dabei muss die Balance zwischen Solidarleistungen und mitgliedstaatlicher Eigenverantwortlichkeit gewahrt werden.
Drei Prinzipien sollten beachtet werden. Erstens müssen klare Grenzen gezogen werden, was Umfang, Dauer und Funktion von Finanztransfers als Form europäischer Solidarität betrifft. Zweitens müssen Transfers an das Prinzip der Konditionalität geknüpft werden, also der Belohnung von Regelkonformität und der Sanktionierung von Regelverstößen. Drittens wird eine Ultima-Ratio-Begrenzung für zusätzliche Transfers unabdingbar sein. Zu denken ist hier an eine Staateninsolvenz und ein geordnetes Verfahren der Schuldenrestrukturierung innerhalb der Eurozone.