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Die ungewisse Zukunft der deutsch-chinesischen Beziehungen

Pekings Autarkiestreben und seine aggressive Außenpolitik machen eine Kurskorrektur in Berlin erforderlich

SWP-Studie 2021/S 23, 09.12.2021, 41 Seiten

doi:10.18449/2021S23v02

Forschungsgebiete
  • Zwischen der Volksrepublik China und einer breiten Allianz von Staaten zeichnet sich eine Konfrontation ab, die mittelfristig anhalten dürfte.

  • Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas steht auf tönernen Füßen. In dem Land ist insbesondere die Entwicklung der Produktivität dauerhaft schwach.

  • Die Staats- und Parteiführung in Peking hat den Pfad eingeschlagen, China von der Weltwirtschaft zu entkoppeln. Angeknüpft wird dabei an wirtschaftspolitische Traditionen der chinesischen Kaiserreiche und der ersten Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft nach Gründung der Volksrepublik.

  • Chinas Führung setzt außenpolitisch seit einigen Jahren auf einen offensiveren, teils aggressiveren Kurs. Adressat dieser Politik ist aber in erster Linie das eigene Volk: Nur die KPCh, so die Botschaft, könne das Land vor ausländischen Feinden schützen.

  • Die Entkopplung Chinas wird von Peking selbst initiiert. Doch sollten die Länder des Westens reagieren, etwa durch die Schaffung einer offenen Freihandelszone, an der alle großen OECD-Länder teilnehmen könnten.

  • Chinas Bedeutung für die deutsche Wirtschaft wird in der Öffentlichkeit regelmäßig überschätzt. Lediglich 2 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt von Exporten nach China ab.

Problemstellung und Empfehlungen

Die europäischen Regierungen haben den Konflikt zwischen der Volksrepublik China und den Vereinigten Staaten lange als ein Problem betrachtet, das ihren Kontinent nur indirekt betrifft. Das galt vor allem in der Phase, als die amerikanisch-chinesische Auseinandersetzung vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump angeheizt wurde. Doch inzwischen hat sich die Lage verändert. In Europa haben Ent­scheidungsträger aus Politik und Wirtschaft erkannt, dass die Volksrepublik einen konfrontativen Kurs verfolgt, der eine Neuorientierung im eigenen Um­gang mit China erfordert.

Für diesen Wandel gibt es mehrere Gründe. Sowohl die autoritäre Herrschaft von Generalsekretär Xi Jinping als auch die mangelnde Bereitschaft der chinesischen Regierung, ihr staatszentriertes Wirt­schaftsmodell anzutasten, geben in den europäischen Hauptstädten Anlass zur Sorge. Die zunehmend aggressive Außenpolitik Pekings wurde lange in Kauf genommen. Mittlerweile jedoch beobachten Europas Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft die Entwicklungen in China sehr viel aufmerksamer. Die strukturellen Probleme des Landes, vor allem der technologische Rückstand, die Überschuldung, die niedrige Produktivität und die rasche Überalterung der Gesellschaft, blieben auch 2021 ungelöst.

Die brutale Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong, die anhaltende Verletzung der Menschenrechte von Minderheiten, unter anderem in der Region Xinjiang, und die neuerdings sehr offen­sive Außenpolitik der Volksrepublik haben auch langjährige Unterstützer Pekings nachdenklich ge­stimmt. Doch nicht nur in Europa stehen die Zeichen auf Sturm. Mit welch harten Bandagen China kämpft, zeigt sich gegenwärtig in Australien – ein Land, das als Warnsignal, als sprichwörtlicher Kanarienvogel in der Kohlengrube dienen kann. Die Staaten Europas drohen von Chinas Kurs mittelfristig in gleicher Weise betroffen zu sein.

Dabei wird auch die Wirtschaftspolitik der chinesischen Regierung immer fordernder. Für Unternehmen aus OECD-Ländern haben sich die Bedingungen verschlechtert, etwa durch den wachsenden Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) in den Betrieben. Es scheint zudem keineswegs ausgeschlossen, dass Peking die Beschränkungen des Kapital­verkehrs weiter verschärft und künftig auch die Repatriierung von Profiten ausländischer Firmen stark limitiert.

Nach innen ist China unter Xi Jinping repressiver geworden. In der Innenpolitik weist die Volksrepublik Parallelen zu Diktaturen auf. Wie andere auto­ritäre Regime beruft sich die KPCh auf historische Demütigungen durch ausländische Mächte, um ihre eigene Herrschaft zu legitimieren. Und auch bei anderen autoritären Regimen findet sich die Idee, die eigene Gesellschaft sei gefährdet durch auswärtige Einflüsse sowie die zersetzenden Auswirkungen von Individualismus und Liberalismus.

In zunehmendem Maße macht die Kommunistische Partei eine vermeintliche Bedrohung des Landes durch ausländische Akteure geltend, um ihren Herr­schaftsanspruch zu untermauern. Vor diesem Hinter­grund schwor Xi seine Landsleute – anspielend auf den Heldenmythos der KPCh aus den 1930er Jahren – auf einen neuen »Langen Marsch« ein. Gemeint war damit eine anhaltende Auseinandersetzung mit westlichen Gesellschaften. Dieser Konflikt, den man auch als ideologisch geprägte Konfrontation zweier politischer und ökonomischer Systeme charakterisieren und als neuen Kalten Krieg bezeichnen kann, hat bereits begonnen. Dabei setzen die USA auf eine liberale Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, auf Eigenverantwortung und die Geltung von Menschenrechten, während China das Wohl der eigenen Bürger durch eine weitreichende Kontrolle der Kommunistischen Partei in Wirtschaft und Gesellschaft zu meh­ren vorgibt.

Es erscheint unwahrscheinlich, dass diese Konfrontation im laufenden Jahrzehnt zu überwinden sein wird. In dem geopolitischen Großkonflikt wird sich Europa positionieren müssen. Wenig plausibel ist dabei, enge Beziehungen sowohl zur Volksrepublik China als auch zu den Vereinigten Staaten und deren Verbündeten pflegen zu wollen. Die europäischen Gesellschaften werden sich zunehmend mit der Frage beschäftigen müssen, wie lange sie die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einem totalitären Staat noch aufrechterhalten oder gar ausbauen wollen. Europa steht vor einem Moment der Entscheidung.

Die europäischen Volkswirtschaften werden als Reaktion auf die SARS-CoV-2-Krise und die deutlich gestiegenen Produktionskosten in China ihre Ab­hängigkeit von dem Land ohnehin verringern. Seit dem Jahr 2000 haben sich die Löhne von Beschäftigten in der chinesischen Industrie nahezu verzehnfacht. Diese ist daher von einer arbeitsintensiven zu einer roboterintensiven Produktionsweise übergegangen. Seit 2010 ist die Zahl der in China eingesetzten Roboter von 50.000 auf 800.000 gestiegen – also um das Sechzehnfache. Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass eine Produktion in China nicht mehr annähernd so attraktiv ist wie noch vor einigen Jahren. Zugespitzt formuliert: Eine roboterbasierte Herstellung kann auch andernorts erfolgen.

Diese Prozesse werden vermutlich sowohl zu einer Renaissance der Industrieproduktion in Europa füh­ren als auch zu einer entsprechenden Verlagerung aus China in andere asiatische Volkswirtschaften, etwa Indien oder Vietnam. Die Aufgabe einer werte­orientierten europäischen Außenpolitik wird sein, die Abwanderung der Produktion aus China zu fördern und die Abhängigkeit der eigenen Volkswirtschaften von Exporten dorthin zu reduzieren. Deutschland sollte also nicht nur die Zusammenarbeit mit der totalitären und aggressiv auftretenden Volksrepublik schrittweise vorsichtiger gestalten, sondern auch neue Bündnisse schmieden und die Kooperation mit ande­ren demokratisch verfassten Gesellschaften stärken.

Von ebenso großer Bedeutung ist die Schaffung multilateraler Regelwerke, die es China erschweren, die Vorgaben etwa der multilateralen Handels­ordnung permanent zu missachten. Erreicht werden kann dieses Ziel entweder durch eine Neugründung der Welthandelsorganisation (WTO) ohne die Volks­republik oder durch plurilaterale Abkommen unter dem Dach der WTO.

Eine Alternative wäre der Beitritt der USA, der EU und anderer marktwirtschaftlich organisierter Staaten zu einem bestehenden Freihandelsprojekt. Es würde sich anbieten, das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) in diesem Sinne zu erweitern. Neben wichtigen Volks­wirtschaften aus dem indo-pazifischen Raum, allen voran Japan, zudem Australien, Kanada und Mexiko, nehmen auch die asiatischen Länder Malaysia, Singa­pur und Vietnam am CPTPP teil. Großbritannien hat im Februar 2021 einen Aufnahmeantrag gestellt. Das Projekt könnte zu einer neuen multilateralen Insti­tution ausgebaut werden, die der Regulierung des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungshandels dient.

Einleitung: Der neue System­konflikt gewinnt an Dynamik

Die Wahrnehmung Chinas in Europa hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Zuvor war der grundlegende Wandel in Pekings Außenpolitik unter Generalsekretär Xi Jinping lange Zeit ignoriert wor­den. Als die europäischen Regierungen erkannten, dass Xi auf eine aggressive Außen- und Außenhandels­­politik setzt, taten sie sich zunächst schwer damit, eine angemessene Antwort zu finden. Diese Behäbigkeit scheint inzwischen verschwunden zu sein. Be­reits im März 2019 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Dokument, das China ausdrücklich als »systemischen Rivalen« bezeichnete.1

Zu Beginn der dritten Dekade des 21. Jahrhun­derts blicken viele Europäer skeptisch auf das Land. Andrew Small vom European Council on Foreign Relations hat festgestellt, Europa stehe erst am An­fang einer neuen Debatte über die Volksrepublik.2 Es gibt allerdings schon heute eine hohe Akzeptanz für die These, dass sich das Verhältnis von Chancen und Herausforderungen gegenüber China verändert hat.3 Dies stellt eine dramatische Verschiebung dar, denn bis vor wenigen Jahren wurde der Aufstieg des Landes vorwiegend als Chance betrachtet. Unternehmen waren bestrebt, die Handelsbeziehungen auszubauen; dadurch wuchsen die europäisch-chinesischen Wirt­schaftsverbindungen. 2019 war China der drittgrößte Markt für EU-Warenexporte (9 Prozent der gesamten Ausfuhren) und der größte Partner für EU-Waren­importe (19 Prozent der gesamten Einfuhren).4

Der Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus und der damit verbundenen Krankheit hat Konsequenzen für Chinas Innen- und Außenpolitik. Die Krise hat die Kluft zwischen der Volksrepublik und vielen, wenn nicht den meisten OECD-Ländern weiter vertieft. Diese geo­politischen Verschiebungen werden sich erheblich auf die Produktion von Industriegütern auswirken. In zahlreichen OECD-Ländern werden die politischen Entscheidungsträger vermutlich bereit sein, ein wenig an Effizienz bei der Industrieproduktion einzubüßen, um die Abhängigkeit von China zu verringern. Unter­nehmen orientieren sich heute bei der Auswahl von Standorten nicht mehr in erster Linie an Produktions­kosten. Vielmehr spielt bei solchen Entscheidungen eine immer größere Rolle, wie verlässlich Lieferketten sind und wie sich Transportkosten entwickeln könnten.5

In Washington war man gegenüber China früher skeptisch als in europäischen Hauptstädten. Trotz anfänglichen Widerwillens, die amerikanische China-Politik zu unterstützen, haben sich Europas außen­politische Eliten ab 2019 – zunächst zögerlich – auf den US-Kurs eingelassen. Treibende Kraft war dabei nicht neuerliche Sympathie für Amerika oder gar für den bis Anfang 2021 regierenden Präsidenten Trump, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass sich das chine­sische Handeln gravierend verändert hat. Pekings offensive Politik und Rhetorik irritiert heute auch langjährige Unterstützer der Volksrepublik in Europa.

Die wachsenden Bedenken der Europäer werden durch drei Faktoren genährt. Erstens setzt China in den internationalen Beziehungen zunehmend auf »Sharp Power« und versucht so, Entscheidungs­prozesse in demokratischen Staaten zu beeinflussen.6 Zweitens nimmt innerhalb Chinas die Macht der Kommunistischen Partei nicht etwa ab, wie von vie­len erwartet, sondern weiter zu. Präsenter denn je ist die KPCh vor allem in den Unternehmen, staatlichen wie privaten. Drittens wird die einstige – vermutlich naive – Bewunderung für Chinas ökonomischen Aufstieg zunehmend von Zweifeln an der Nachhaltig­keit seines Wirtschaftsmodells abgelöst.

Betrachtet man im Jahr 2021 die chinesische Außenwirtschaftspolitik, ist die Frage nach der künf­tigen Form grenzüberschreitender Produktionsnetzwerke zentral. Angesichts der anhaltenden Covid-19-Pandemie sieht die Zukunft sowohl des internatio­nalen Handels als auch der grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten auf den ersten Blick düster aus. Das produzierende Gewerbe hat in Europa zu­mindest auf einigen Sektoren einen massiven Rück­schlag erlitten. Doch Chancen birgt, dass eine Abkehr von China als »Werkbank der Welt« stattfindet und damit internationaler Handel und grenz­über­schrei­tende Produktion neu konfiguriert werden. Waren die vergangenen zwei Jahrzehnte vom rasan­ten Aufstieg der Volksrepublik als Handelsmacht geprägt, so sind die goldenen Zeiten chinesischer Fertigung womöglich endgültig vorbei. Aber welche Volkswirtschaft wird das Land in dieser Rolle ablösen? Und was bedeutet die Neuordnung der Produktion für euro­päische Standorte? Wird die Abkehr von chinesi­schen Waren zu einer Rückkehr der Produktion nach Europa führen?

In dieser Studie werden die Auswirkungen des neuen Kalten Krieges auf Deutschland und Europa analysiert. Was sind die Triebfedern dieses geopolitischen Konflikts, und welche Optionen gibt es dabei aus europäischer Sicht? Zunächst wird kurz der Auf­stieg Chinas und dessen Wahrnehmung in den USA und Europa beleuchtet. Dem folgt eine Analyse von Pekings neuer Außen- und Außenwirtschaftspolitik, die zunehmend aggressiv und polternd wirkt. Der Blick gilt dann Chinas mangelnder Bereitschaft, der regelbasierten internationalen Ordnung zu folgen, was grenzüberschreitenden Handel und Investitionen betrifft. Danach wird die Reorganisation der globalen Lieferketten diskutiert, bevor es um Chinas Versuch geht, die Europäische Union zu spalten. Zum Schluss werden denkbare Optionen für die künftige deutsche und europäische Politik gegenüber Peking skizziert.

Chinas Aufstieg und die zu­nehmende Skepsis gegenüber seiner Wirtschaftspolitik

Das Land, das lange den größten Nutzen aus der heu­tigen Form der Globalisierung gezogen hat, ist China. Seine Wirtschaft profitiert schon seit mehr als vier Jahrzehnten von der Vertiefung der internationalen Arbeitsteilung. Reist man heute durch China mit sei­nen glitzernden Wolkenkratzern, modernen U‑Bah­nen, Hochgeschwindigkeitszügen und nicht enden wollenden Containerhäfen, vergisst man leicht die frühere Armut des Landes. Vor 40 Jahren, als der wirtschaftliche Aufstieg begann, waren die meisten Menschen in China mittellos. Peking sah noch so aus wie 1949, als die Volksrepublik gegründet wurde – mit dem Unterschied, dass die alten Stadtmauern ab­gerissen worden waren, damit einfache Wohnquartiere für Arbeiter entstehen konnten. Im tropisch-feuchten Shanghai stand das Wirtschaftsleben in den Sommermonaten still, weil es an Klimaanlagen fehlte.

Die Lebenserwartung lag 1979 bei 66 Jahren, ein deutlicher Anstieg gegenüber 1960, als sie nur 43 Jahre betrug, aber auch jetzt noch belief sich die jährliche Wirtschaftsleistung pro Kopf nur auf 210 US-Dollar. Verglichen mit 1962 war das zwar schon eine Steigerung um 70 Dollar, doch erst in der folgen­den Zeit stieg Chinas Wohlstand exponentiell an. 2018 verzeichnete die Weltbank eine Wirtschafts­leistung von 9.430 US-Dollar pro Kopf. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt (BIP) war von 178 Milliarden US-Dollar (1979) auf 13.600 Milliarden US-Dollar (2018) gestiegen. Die Industrieproduktion wuchs dramatisch. Zu Beginn der Öffnung des Landes, im Jahr 1980, wurden in China nur 220.000 PKWs jähr­lich produziert. 2017 verzeichnete China die größte Automobilproduktion der Welt – mit 24,8 Millionen Fahrzeugen, dem 112-Fachen der Fertigung von 1980.

Die Auswirkungen von Chinas Boom in der verarbeitenden Industrie

Chinas Aufstieg wirkte sich auch auf das produzierende Gewerbe in anderen Volkswirtschaften aus. Eine »Schneise der Verwüstung« hinterließ er in vie­len alten Industriegebieten der OECD-Länder – in Nord- und Mittelengland, dem Ruhrgebiet, Nord­italien und einzelnen Regionen der USA.7 In den Vereinigten Staaten setzte sich die Sichtweise durch, für den Niedergang der amerikanischen Industrie sei die Volksrepublik verantwortlich. Als »China-Shock« bezeichnete dies eine Studie von 2016.8 Dabei ist nicht entscheidend, ob China tatsächlich die Haupt­ursache für den Verlust von Industriearbeitsplätzen war. Vielmehr ist die Einschätzung weiter Teile der amerikanischen Gesellschaft, es sei so gewesen, hinreichend für die politische Mobilisierung gegen das Land.

Der Glaube an die Vorteile des internationalen Handels prägte die Politik der meisten westlichen Regierungen seit dem Zweiten Weltkrieg.9 Zwar sind Ökonomen immer davon ausgegangen, dass Handels­liberalisierung auch Verlierer innerhalb von Volks­wirtschaften hervorbringen kann.10 Vorherrschende Meinung in der Wirtschaftswissenschaft ist jedoch nach wie vor, dass gegenüber den Nachteilen für ein­zelne Gruppen, die unter zunehmender Konkurrenz durch ausländische Anbieter leiden, die Vorteile über­wiegen.11 Während die klassische Handelstheorie besagt, dass der Handel insgesamt für alle Volkswirtschaften vorteilhaft sei, könnte Chinas Aufstieg das Vertrauen in diese Annahme erschüttert haben.

Der WTO-Beitritt der Volksrepublik im Jahr 2001 förderte deren Wirtschaftswachstum, führte aber auch zu gravierenden Strukturveränderungen in den Partnerländern. In den Vereinigten Staaten etwa vervierfachten sich die Textilimporte in den ersten beiden Jahren von Chinas WTO-Mitgliedschaft. Im selben Zeitraum schlossen 200 amerikanische Textil­fabriken.12 Es ist bemerkenswert, dass sich die Käufer von in China hergestellten Produkten lange Zeit nicht daran störten, dass sie sich auf den Austausch mit einer Wirtschaft eingelassen hatten, die von einem autoritären Regime kontrolliert wurde. Chinesische Unternehmen belieferten die Verbraucher in anderen Ländern nicht nur mit billigen Konsumartikeln, son­dern auch mit lebenswichtigen Produkten wie medi­zinischen Gütern.13 Möglicherweise profitierte China deshalb mehr als seine Handelspartner, weil Peking sich weigerte, im eigenen Land eine liberale Handelspolitik umzusetzen. In den letzten Jahren lässt sich allerdings eine politische Reaktion auf den »China-Schock« und eine Renaissance der Präferenz für inlän­dische Erzeugung beobachten.14

2022 könnten die OECD-Länder an einem Wendepunkt in ihren internationalen Wirtschaftsbeziehungen stehen. Eine neue Betonung ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit, verbunden mit dem Ziel, die Abhängigkeit von China zu verringern, könnte sich in vielen Gesellschaften als populär erweisen. Wie die hohe Zustimmungsrate zeigt, die Donald Trump auch noch im letzten Jahr seiner Präsidentschaft genoss – im März 2020 lag sie bei 49 Prozent –, hat eine binnenorientierte Wirtschaftspolitik in den USA nicht wenige Unterstützer. Im Gegenzug wird China von vielen amerikanischen Bürgern zunehmend kritischer gesehen.

Wandel der öffentlichen Meinung

Während viele der langfristigen Folgen der Corona-Krise noch unklar sind, lässt sich bereits absehen, dass die Pandemie etablierte Handels- und Produk­tionsmuster verändern wird. Der Grund dafür ist eher politischer als mikroökonomischer Natur. Die Rivali­tät zwischen den USA und China wird sich angesichts der Verwüstungen, die das Virus angerichtet hat, wei­ter verschärfen. Die Amerikaner werden den chinesi­schen Beitrag zur Entstehung der Krise nicht verges­sen. Heute unterstützt man im politischen System der USA überparteilich eine harte Haltung gegenüber Peking. Die Unternehmenswelt mag nicht alle politi­schen Bedenken der Präsidenten Trump und Biden teilen, aber sie wird sich nicht dagegen verschließen, die US-Wirtschaftspolitik neu auszurichten und Pro­duktion von China in andere Volkswirtschaften zu verlagern.

Präsident Trump genoss für seine »tough on China«-Politik außergewöhnlich starken Rückhalt im eigenen Land. Die Wahrnehmung Chinas durch die US-Bürger hat sich in den letzten Jahren deutlich ver­schoben. Laut einer Umfrage des Pew Research Center hatten im März 2020 zwei Drittel der Amerikaner eine negative Meinung von dem Land, nur ein Viertel betrachtete es positiv. 2017 hatten noch 44 Prozent ein positives Bild von der Volksrepublik und 47 Pro­zent ein negatives. Heute sehen neun von zehn Amerikanern in China eine Bedrohung, darunter 62 Prozent sogar eine erhebliche Bedrohung.15

Zu Beginn des Jahres 2020 wurde China in vielen europäischen Ländern eher positiv wahrgenommen. Vor allem in Deutschland dominierte ein negatives Bild von den USA und zumal von Präsident Trump. Die Folge war, dass viele Bundesbürger enge Beziehungen zu Peking dem traditionellen Schulterschluss mit Washington vorzogen. Nach einer im Mai 2020 veröffentlichten Umfrage der Koerber-Stiftung gaben etwas mehr als ein Drittel der Deutschen (36 Prozent) engen Beziehungen zu China den Vorzug; nahezu der gleiche Anteil wünschte dagegen ein enges Verhältnis zu den USA (37 Prozent). Im Jahr 2019 waren die Zah­len noch anders: 50 Prozent der Deutschen plädierten für eine stärkere Bindung an die USA, und nur 24 Pro­zent befürworteten dies mit Blick auf China.16

Chinas Botschafter in Stockholm drohte den Schweden: »Für unsere Feinde haben wir Schrotflinten.«

Diese Imageverbesserung gibt jedoch Rätsel auf. Just zu dem Zeitpunkt, als der Rest der Welt – von Canberra über Neu-Delhi bis London und Paris – die Beziehungen zu Peking neu bewertete, war mehr als ein Drittel der Deutschen dafür, enger mit Xis Volks­republik zu kooperieren. Der Mangel an Wissen über die Situation in China mag diese Präferenz ein Stück weit erklären, aber wichtiger zu sein scheinen zwei andere Faktoren – erstens die wirtschaftliche Ab­hängigkeit Deutschlands von Exporten nach China, zweitens die Verachtung Trumps.

Doch die Perzeption des Landes unterliegt einem raschen Wandel. Bei einer Umfrage, die das Pew Research Center im Sommer 2020 in 14 Ländern durchführte, hatten 71 Prozent der Deutschen ein unvorteilhaftes Bild von China, während es ein Jahr zuvor noch 56 Prozent gewesen waren. Obwohl die Bundesrepublik überdurchschnittlich stark von Ex­porten nach China abhängig ist, lag die deutsche Bevölkerung damit genau im Median von neun euro­päischen OECD-Ländern.17 Am negativsten war die Wahrnehmung Chinas interessanterweise in Schwe­den, einem kleinen Land mit einer Bevölkerung von etwas mehr als 10 Millionen Menschen, also etwa der Hälfte der Einwohnerschaft Pekings. Schweden ist die Heimat des sich in chinesischem Besitz befindenden Autoherstellers Volvo und war früher als sehr offene Gesellschaft bekannt. Aber Schweden war auch dem ausgesetzt, was der britische »Economist« als »Shot­gun-Diplomatie« bezeichnete. Im November 2019 drohte der chinesische Botschafter in Stockholm, Gui Congyou, dem Land: »Wir verwöhnen unsere Freunde mit feinem Wein, aber für unsere Feinde haben wir Schrotflinten.«18

Äußerungen wie diese haben in ganz Europa ein negatives Echo ausgelöst und dazu beigetragen, den Nutzen der eigenen Beziehungen zu China zu über­denken. Schon im Sommer 2018 stellte der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einem Besuch in Peking gegenüber Premierminister Li Keqiang fest, dass die EU zwar nicht Trumps Rhe­torik und Methoden, wohl aber die meisten seiner wirtschaftspolitischen Ziele gegenüber China teile.19

Lange fiel es den europäischen Regierungen schwer, eine angemessene Antwort auf Chinas aggres­sive Außen- und Außenwirtschaftspolitik zu formu­lieren. Dies hat sich jedoch geändert. Im März 2019 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Dokument, das China ausdrücklich als »systemischen Rivalen« bezeichnet.20 Es besteht kein Zweifel daran, dass Europas politische Führung die Volksrepublik heute kritischer sieht als noch vor fünf Jahren. In letzter Zeit haben die europäischen Politiker Maß­nahmen ergriffen, um die asymmetrische Offenheit ihrer Länder gegenüber China zu beenden.21 Aller­dings steht das Ende 2020 auf deutschen Druck hin beschlossene – wenn auch noch nicht ratifizierte – Investitionsschutzabkommen der EU mit Peking im Widerspruch zur These wachsender China-Skepsis in europäischen Hauptstädten.

Der Gesamttrend aber könnte dem produzierenden Gewerbe in der EU willkommen sein. Wenn die Poli­tik weiterhin die wirtschaftliche Effizienz in den Hin­tergrund rückt und die Produktion in Europa gegen­über jener in China bevorzugt, wäre dies positiv für die europäischen Hersteller, wenn auch negativ für die dortigen Verbraucher. Davon abgesehen stehen Konsumenten der Abhängigkeit von China ebenfalls zunehmend skeptisch gegenüber, unter anderem auf­grund der anhaltenden Einschüchterungstaktiken chinesischer Politiker und Diplomaten.

Gewiss gibt es Stimmen in der deutschen Wirtschaft, die das China-Geschäft fortsetzen oder gar aus­bauen wollen. Häufig wird dabei argumentiert, eine Neustrukturierung der Wertschöpfungsketten in Richtung Europa würde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen schwächen. Allerdings im­portiert etwa die deutsche Automobilindustrie kaum Vorprodukte aus China, sondern bezieht insbesondere für die hiesige Produktion Komponenten aus Euro­pa. Das sieht in Ostasien anders aus: Obwohl Chinas Anteil am Welthandel mit Autoteilen bei relativ geringen 8 Prozent liegt, sind Teile von dort für einige Länder von entscheidender Bedeutung. Im Jahr 2018 stammten 29,3 Prozent aller von Südkorea und 35,7 Prozent aller von Japan importierten Autoteile aus China. Von den Komponenten, die die deutsche Automobilindustrie einführte, kamen aber gerade einmal 3,7 Prozent aus der Volksrepublik.22 Würde darauf verzichtet, Vorprodukte aus China zu im­por­tieren, hätte dies keine wesentlichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierenden Automobilkonzerne.

China – ein ungeliebter Partner

Die Volksrepublik ist heute ein anderer Staat als vor der Machtübernahme Xi Jinpings. Er wurde 2012 zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei ernannt und übernahm 2013 zusätzlich das Amt des Staatspräsidenten. Die Innen- und Außenpolitik Chinas hat er so stark geprägt wie keiner seiner Vorgänger seit Mao Zedong. Auf dem 19. Parteitag der KPCh im Jahr 2017 betonte Xi in einer dreieinhalbstündigen Rede, unter seiner Führung habe sich China erhoben und sei sowohl reich als auch mächtig geworden. Zum ersten Mal seit Maos Tod vier Jahrzehnte zuvor wie­derholte Xi dessen Parole, dass Pekings Politik die Pro­bleme der Menschheit lösen könne.23 Er hob damit die Trennlinie zwischen Innen- und Außenpolitik auf – zugunsten der Absicht, die politischen Werte der KPCh nach ganz Asien und in den Rest der Welt zu exportieren.24

Diese Veränderungen geraten auf beiden Seiten des Atlantiks zunehmend in den Blick. Ende Juni 2020 erschien ein gemeinsamer amerikanisch-europäischer Expertenbericht über China und die mit seinem Auf­stieg verbundenen Herausforderungen. Die Wahrnehmung des Landes wurde in klare Worte gefasst. Amerikaner und Europäer hätten es heute mit einer ganz anderen Volksrepublik zu tun als noch vor einigen Jahren. Zu deren Merkmalen gehörten »ein wiedererstarkter Parteienstaat der Kommunistischen Partei Chinas nach leninistischem Vorbild, mit er­heblich verbesserten Methoden der politischen und sozialen Kontrolle – einschließlich des ›Sozialkredit­systems‹, KI-gestützter allumfassender Überwachung und Orwell’scher Informationskontrolle – und ver­stärkter Repression«.25

Die Tatsache, dass sich eine Gruppe unterschied­licher Experten auf eine solch deutliche Sprache eini­gen konnte, ist an sich schon Spiegelbild des sich verändernden Diskurses über China. Noch markanter ist die Einschätzung, dass Jahrzehnte der Auseinandersetzung mit dem Land »einen neo-totalitären Fran­kenstein« hervorgebracht haben könnten.26 Zwar legt der Bericht nicht nahe, dass die Beziehungen zu China unweigerlich angespannt bleiben müssen, doch lässt das verwendete Vokabular wenig Raum für Vorstellungen von harmonischer und reibungsloser Zusammenarbeit.

Die Probleme, die die EU mit China hat, zeigen sich heute auf zwei Ebenen. Erstens stellen die Europäer zunehmend die Nachhaltigkeit von Chinas Wirtschaftsmodell in Frage. Das Land hat eine zu hohe Verschuldung, ein niedriges Innovationsniveau und eine alternde Gesellschaft. Diese Faktoren lassen daran zweifeln, dass dort in den kommenden Jahr­zehnten noch so problemlos wie bisher Gewinne gemacht werden können. Trotz des verstärkten Ein­satzes von Robotern hat sich die Produktivität in Chinas verarbeitender Industrie nach Angaben der Weltbank nur sehr schwach entwickelt. Seit 2008 nahm sie um lediglich 1,1 Prozent pro Jahr zu.27 In Verbindung mit den gestiegenen Produktionskosten resultiert daraus eine sinkende Attraktivität Chinas im Vergleich mit anderen Standorten.

Zweitens ist die EU wegen der zunehmend autoritären Haltung, die Xi und seine regierende KPCh ein­nehmen, aus politischer Sicht besorgt. Europäische Beobachter haben die dunkle Seite von Pekings Kom­munismus erkannt, und für viele ist Xis »Chinesischer Traum« ein Albtraum. Wie lange übersehen wurde, herrscht in dem Land eine beklagenswerte Menschenrechtslage. Dafür stehen die Unterdrückung politischer Freiheiten und der brutale Einsatz von Lagern zur »Umerziehung« ethnisch-religiöser Minderheiten.28 Die europäischen Gesellschaften, die nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus in Deutsch­land, dem Faschismus in Spanien und Italien sowie dem Stalinismus in der UdSSR und deren Satelliten­staaten eine große Geringschätzung für gewaltsame Regime an den Tag legen, sind erneut mit einer auf­strebenden totalitären Macht konfrontiert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, lange Zeit unerschütterlich in ihrer Unterstützung für China, stand am Ende ihrer Amtszeit unter zunehmendem Druck aus ihrer eigenen Partei, dem Land gegenüber distan­zierter aufzutreten. Der EU-China-Gipfel von Septem­ber 2020, der einen Höhepunkt von Merkels EU-Rats­präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte markieren sollte, wurde zu einer bemerkenswerten Mahnung, dass mit China ein schwerer Kampf bevorsteht. In Berlin wie Brüssel waren viele Beobachter der Mei­nung, dass Peking niemals gleiche Wettbewerbs­bedingungen für europäische Unternehmen in China akzeptieren werde.29

Im Jahr 2021 zeigte sich, dass es einigen Europäern auch nach Trumps Abwahl als US-Präsident sehr schwer fällt, sich bei diesem Thema zusammen mit Washington klar zu positionieren. Entsprechend mangelt es an Bereitschaft, die Regierung Biden im Ringen um ein gemeinsames Handeln zu unterstützen. Allerdings gibt es massive Widerstände im Euro­päischen Parlament gegen das Investitionsschutz­abkommen mit der Volksrepublik, das gegen Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft abgeschlossen wurde. Es liegt auf Eis und wird vermutlich nicht ratifiziert werden können.30 Jedenfalls hat sich das Europäische Parlament am 20. Mai 2021 mit über­wältigender Mehrheit (599 Ja-Stimmen, 30 Nein-Stim­men, 58 Enthaltungen) gegen eine Ratifizierung aus­gesprochen. Die Abgeordneten wollen sich zudem erst dann wieder mit dem Abkommen befassen, wenn die von China verhängten Sanktionen, vor allem die Einreiseverbote für profilierte Parlamentarier und Wissenschaftler aus Europa, aufgehoben worden sind.31

Selbst wenn das Abkommen eines Tages parla­mentarisch bestätigt werden sollte, würde sich noch immer die Frage nach Pekings Vertragstreue stellen. Die Erwartungen der EU sind nämlich keineswegs abstrakt, sondern sehr konkret. Staatliche Unter­nehmen in China sollen wie private Unternehmen gewinnorientierte Modelle betreiben. Das würde bedeuten, dass Staatsfirmen effizienter werden und Mitarbeiter entlassen müssten. Wenn sich europäische Investoren über Diskriminierung beschweren, soll die EU-Kommission von Peking Informationen über die Eigentumsverhältnisse von Unternehmen verlangen können.32 Gleichbehandlung würde in Zukunft auch bedeuten, dass europäische Investoren Zugang zu den gleichen (subventionierten) Kreditkonditionen erhalten müssen wie ihre staatlichen chinesischen Konkurrenten.

Merkels Nachfolger Olaf Scholz wird die politischen Beziehungen zu China vermutlich weniger intensiv gestalten. Dieser zu erwartende Wandel ist jedoch nicht nur eine Folge politischer Entscheidungen in Berlin oder Brüssel. Führungskräfte aus der Wirtschaft verstehen zunehmend, dass China nicht mehr so stark auf Importe angewiesen ist wie in der Vergangenheit. Konkret heißt das zum Beispiel: Das Land stellt jetzt häufiger eigene Werkzeugmaschinen her und muss sie nicht mehr in gleichem Maße ein­führen wie noch vor einigen Jahren. Die Phase hoher Gewinne in China könnte für den deutschen Mittel­stand endgültig vorbei sein.33

Viele Osteuropäer erinnert das Regime in Peking an die verachtete Sowjetherrschaft von einst.

Bis 2020 spielten die osteuropäischen Länder eine wichtige Rolle in Pekings Europa-Politik. Im Jahr 2012 hatte der damalige Premier Wen Jiabao die sogenannten China-Mittel-Ost-Europa-Gipfel durch ein erstes Treffen mit den Spitzen von 16 europäischen Staaten initiiert. Griechenland schloss sich 2019 dem bis da­hin »16+1«, jetzt »17+1« genannten Prozess an. Doch auch in den betreffenden Ländern wächst die Skepsis, was Vor- und Nachteile einer engen Kooperation mit China angeht. Für Schlagzeilen in Europa sorgte etwa, dass Prag seine Städtepartnerschaft mit Peking auf­kündigte und sich stattdessen für eine Verbindung mit der taiwanischen Hauptstadt Taipeh entschied.34

Es gibt drei Hauptgründe, weshalb sich diese Bezie­hungen verschlechtert haben. Erstens hat China nicht so viel investiert, wie die Osteuropäer gehofft hatten. Die chinesischen Investitionen in der gesamten EU erreichten 2016 mit 43 Milliarden US-Dollar ihren Höhepunkt und sind seitdem zurückgegangen. 2019, im Jahr vor der Pandemie, waren Chinas Investitionen in der EU so niedrig wie 2012.35 Der zweite Faktor war Pekings Umgang mit den regimekritischen Pro­testen in Hongkong. Viele Osteuropäer sahen sich an die Unterdrückung von Dissidenten durch die Sowjet­union und deren Satellitenstaaten vor 1990 erinnert. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen wurde den osteuropäischen Gesellschaften klar, dass sie mit einem Regime kooperieren würden, das Ähnlichkeiten mit der verachteten Sowjetherrschaft aufweist. Drittens erkannten die politischen Entschei­dungsträger, dass sowohl Washington als auch Brüs­sel ihre China-Politik revidierten. Eine anhaltende Bonhomie gegenüber China hätte daher neue Risiken für diese (mit Ausnahme Polens) relativ kleinen Län­der bedeuten können.36

Selbstverständlich hat die chinesische Regierung zur Kenntnis genommen, dass ihre Charme- und Investitionsoffensive teilweise gescheitert ist. Im Januar 2020 erklärte Generalsekretär Xi, er werde an den 17+1-Jahrestreffen künftig teilnehmen. Geholfen hat das nicht. Wenn die Präsenz von Mitgliedern der Gruppe bei der internationalen »Belt and Road«-Videokonferenz von 2020 ein Indiz ist, so hat China Osteuropa größtenteils verloren: Nur Serbien, Ungarn und Griechenland erschienen zu der Veranstaltung.37 Vor die Wahl gestellt, haben die meisten osteuropäischen Länder erkannt, dass sie im neuen Kalten Krieg nicht profitieren würden, sollten sie sich zu eng an die Volksrepublik binden.

Pekings Einsatz von »Sharp Power«

Staats- und Parteichef Xi Jinping hat nicht nur die KPCh seinen Prinzipien verpflichtet, sondern auch viele der zentralen Reformen Deng Xiaopings auf­gehoben, der China von 1978 bis 1997 führte. Vor dem Hintergrund von Maos tyrannischer Herrschaft hatte Deng sich nicht für eine Demokratisierung des Landes nach westlichem Vorbild entschieden, son­dern die bestehende politische Ordnung reformiert, Systeme der kollektiven Führung sowie Amtszeit­beschränkungen eingeführt und obligatorische Ruhe­standsregelungen für Politiker festgelegt.38 Xi indes strebt nicht weniger als eine dritte Revolution für China an. Nach der ersten kommunistischen Revo­lution unter Mao und dem radikalen Wandel durch umfassende Wirtschaftsreformen unter Deng will er damit einige der Liberalisierungsmaßnahmen seiner unmittelbaren Vorgänger rückgängig machen und die Macht der KPCh weiter ausbauen. Unter Xi strebt ein autoritärer Staat eine führende Rolle in der heutigen liberalen Weltordnung an.39

Zweifel an der demokratischen Legitimität der KPCh werden von Peking als klassisches Mittel west­licher Staaten abqualifiziert, das darauf ziele, ärmere Volkswirtschaften einzuschüchtern und in ihrer Souveränität zu beschneiden.40 Wiederholt sprach Xi von einem Kampf zwischen dem »Sozialismus chine­sischer Prägung« und westlichen, auf Schwächung Chinas hinarbeitenden Kräften mit ihren »extrem bösartigen« Vorstellungen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten.

Heute gibt es einige Anzeichen dafür, dass Chinas politisches System totalitäre Züge trägt. Die KPCh strebt danach, die Bürger des Landes vollständig zu überwachen und jegliche Privatsphäre aufzuheben. Damit geht die Volksrepublik über einen bloß auto­ritären Staat hinaus, der durch einen Mangel an Demokratie und Meinungsfreiheit gekennzeichnet ist. Zudem haben die Entscheidungsträger unter Xis Füh­rung die Zensur so weit verschärft, dass Positionen, die nicht mit jenen der Partei übereinstimmen, unter­drückt und bestraft werden, ebenso alle Formen politischen Humors. Dies spiegelt allerdings weniger Stärke als vielmehr Schwäche und geringes Selbst­bewusstsein der Machthaber wider.

In Politik und Zivilgesellschaft vieler Länder hat sich das China-Bild zuletzt abrupt verändert. Ein Grund dafür ist Xis aggressive Rhetorik. Ebenso spielt eine Rolle, dass sich Peking zunehmend sogenannter Sharp Power bedient. Während es nach klassischen Vorstellungen bei Hard Power um militärische und wirtschaftliche Macht geht, bei Soft Power wiederum um kulturellen Einfluss, entfaltet sich Sharp Power durch aggressive, aber verdeckte politische Aktionen. Sie wird in der internationalen Politik als Fähigkeit von Regierungen definiert, Berichte über das eigene Land zu zensieren und zu manipulieren, Kritiker auszuschalten und missliebige Regierungen anderer Staaten ökonomisch unter Druck zu setzen. Als »sharp« gilt dieses von autoritären Regimen genutzte Mittel, weil es politische Debatten und Medien in den Zielländern »durchbohrt, durchdringt oder perfo­riert«.41

Um Sharp Power geht es auch, wenn versucht wird, durch staatlich finanzierte Wissenschaftsorganisationen, Medienunternehmen oder Austausch­programme ein positives Bild des eigenen Landes im Ausland zu vermitteln. Zwar sind solche Bestrebungen durchaus üblich; viele Regierungen versuchen, die internationale Wahrnehmung ihres Landes zu verbessern. Doch autoritäre Regime setzen rüde und aggressive Methoden ein, um andernorts für ihre Sicht der Welt zu werben. Dabei nutzen sie die Offen­heit demokratischer Gesellschaften aus.42 Euro­päische Länder sind deshalb eine leichte Beute für solche Vor­stöße.

In den Gesellschaften Europas sollten Kultur, Wis­senschaft, Medien und Verlagswesen grundsätzlich frei von staatlichem Einfluss und nur mäßig regle­mentiert sein. Diese Offenheit ist ein konstitutives Element von Demokratien, macht sie aber auch an­fällig für die Aktivitäten autoritärer Regime. Anderer­seits wäre es fatal, aus Angst vor ausländischer Ein­flussnahme selbst auf Zensur und Kontrolle umzuschalten. Der Spagat zwischen Offenheit und Subver­sionsabwehr stellt somit eine große Herausforderung für die europäischen Gesellschaften dar.

Die politischen Entscheidungsträger in Europa wissen noch nicht, wie sie auf Chinas Einsatz von Sharp Power reagieren sollen, ohne Prinzipien ihrer eigenen Gesellschaften zu opfern. Die Idee, von Peking Gegenseitigkeit zu verlangen – europäische Institutionen sollten innerhalb Chinas frei agieren können – ist plausibel, aber naiv. Die KPCh wird die Kontrolle und Zensur im eigenen Land nicht redu­zieren. Ein Verbot chinesischer Institutionen in euro­päischen Ländern wäre rein theoretisch eine Option. Sie überzeugt aber nicht, weil durch solche Maß­nahmen europäische Staaten ihrerseits autoritärer würden. In der Folge drohte eine Konvergenz zwi­schen Europa und China. Dies ist natürlich kein zwangsläufiges Resultat, aber das Risiko sollte in Betracht gezogen werden.

Dessen ungeachtet sind die europäischen Gesellschaften aber zunehmend irritiert über Chinas Ab­kehr von der Deng’schen Wirtschaftspolitik und die totalitären Tendenzen der Pekinger Politik. Für ein geschärftes Bewusstsein sorgte die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong zum 1. Juli 2020, die zahlreiche, teils harsche Reaktionen auslöste. Im Allgemeinen waren die Europäer dabei langsamer als die Amerikaner, doch entstand eine beträchtliche Eigendynamik.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages veröffentlichten eine Bewertung zur rechtlichen Dimension des Sicherheitsgesetzes. Die Verfasser argumentieren, nach Artikel 2 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) stelle die gemeinsame Erklärung des Vereinigten Königreichs und der Volksrepublik China von 1984 über den künftigen Status Hongkongs einen völkerrechtlichen Vertrag dar.43 Dass der Sonderstatus Hongkongs aufgehoben wurde, ist also keineswegs nur eine interne Angelegenheit Chinas, sondern bedeutet einen Verstoß gegen eine völkerrechtlich bindende Vereinbarung.

Reinhard Bütikofer, deutscher Abgeordneter im Europäischen Parlament, plädierte dafür, die Politik des Appeasements gegenüber Peking zu beenden. Die europäischen Staaten dürften sich in ihrer China-Politik nicht durch wirtschaftliche Abhängigkeiten einschränken lassen. Bütikofer forderte, dass der UN-Generalsekretär einen Sondergesandten für Hongkong ernennen solle.44 Zwei ehemalige deutsche Bot­schafter, Eckhard Lübkemeier und Volker Stanzel, empfahlen Deutschland und anderen europäischen Ländern, wirtschaftliche Sanktionen gegen China in Betracht zu ziehen, weil Peking mit dem Sicherheitsgesetz das Völkerrecht verletze.45 Auch eine Gruppe von Parlamentariern aus Österreich, Großbritannien, Deutschland und Spanien verurteilte das Gesetz als Verstoß gegen das Völkerrecht.46

Dies sind nur einige der Stimmen zu Hongkong von Sommer 2020. Insgesamt hat sich der Diskurs geändert. Der »Spiegel« brachte einen längeren Bei­trag mit dem Titel »Alle gegen China«. Auch wenn viele die Politik des damaligen US-Präsidenten Trump mit Unverständnis betrachtet hätten, so Tenor des Artikels, sei heute fast niemand bereit, sich auf die Seite Pekings zu stellen.47 Kanzlerin Merkel war zu­letzt mit ihrer anhaltend wohlwollenden Beurteilung der chinesischen Politik vergleichsweise isoliert. Über­raschenderweise blickt auch die Privatwirtschaft immer kritischer auf das Land; der Hauptgrund dafür dürfte Xis ökonomischer Kurs sein. Allerdings ist die Wahrnehmung uneinheitlich. Bei einer Umfrage der deutschen Außenhandelskammer in Peking von November 2020 waren die angesprochenen Unterneh­men eher optimistisch. Insbesondere das Investitionsschutzabkommen zwischen China und der EU wurde positiv bewertet. Als wichtigste Erwartungen an das Abkommen galten der Marktzugang (40 Prozent) und die Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer in China (39 Prozent). Nahezu die Hälfte der befragten Mana­ger rechnete mit gleichbleibenden Investitionen dort (45 Prozent). Etwa genauso so hoch war der Anteil derjenigen, die steigende oder stark steigende Inves­titionen erwarteten.48

Die Rückkehr sozialistischer Wirtschaftspolitik

Staats- und Parteichef Xi ist ein Politiker, der innen- wie außenpolitisch einen absoluten Machtwillen zeigt und in dieser Hinsicht nicht nur mit Mao Zedong, sondern auch mit chinesischen Kaisern ver­glichen wird.49 Marktwirtschaft betrachtet er als problematisches Konzept. Seit seinem Amtsantritt setzt er verstärkt auf eine klassische sozialistische Wirtschaftspolitik, die dem Staat eine zentrale Rolle bei der Ressourcenallokation zuweist und private Akteure als relativ unwichtig betrachtet. Diese Renais­sance maoistischer Politik, die staatliche Funktionäre zu maßgeblichen Entscheidungsträgern der Wirtschaft macht, wird Chinas ökonomische Dynamik höchstwahrscheinlich schwächen.50 Auch für euro­päi­sche Investoren ist diese Wende ein großes Problem.

In der Anfangsphase der Regierung Xi war zunächst nicht unbedingt erkennbar, dass sich Peking auf eine sozialistische Wirtschaftspolitik zurückbesann. Im Herbst 2013, etwa ein Jahr nach Xis Er­nennung zum Generalsekretär, hatte das dritte Plenum des 18. Parteitags der Kommunistischen Par­tei noch einen völlig anderen Kurs beschlossen. Im Strategiepapier zur Wirtschaftsreform wurde damals festgelegt, dass der Markt eine entscheidende Rolle bei der Allokation von Ressourcen spielen solle.51 Tatsächlich aber markierte diese Entscheidung nicht den Beginn eines neuen Abschnitts der wirtschaft­lichen Liberalisierung, sondern eher deren Ende.

Denn von da an setzte Xi andere Prioritäten. In seiner ersten Amtszeit konzentrierte er sich darauf, die Korruption zu bekämpfen und seine persönliche Machtbasis zu festigen, bevor dann auf dem 19. Kon­gress der KPCh im Herbst 2017 die bisherige Beschrän­kung auf zwei Amtszeiten für den chinesischen Präsi­denten und Vizepräsidenten aufgehoben wurde. Die Zensur wurde stark ausgeweitet, und zum Motor des Wirtschaftswachstums sollten nunmehr die Staats­unternehmen werden.52 Die Kommunistische Partei verabschiedete sich damit von ihrer wirtschafts­politischen Strategie aus dem Jahr 2013.

Über diese strukturellen Veränderungen in der Wirtschaftspolitik hinaus sind private Unternehmen in China zunehmend einem permanenten Überwachungsregime ausgesetzt. Das für chinesische Bürger schrittweise eingeführte Sozialkreditsystem soll auf den gesamten Firmensektor ausgeweitet werden. Peking plant, einen Katalog von 30 Kriterien zu ent­wickeln, deren Einhaltung zu Vorteilen und deren Nichteinhaltung zu Sanktionen führen soll. Mit die­sem System will die Regierung die Durchsetzung bestehender Normen und Gesetze verbessern. Dazu gehört unter anderem, Umweltvorschriften korrekt zu befolgen sowie Zölle und Steuern pünktlich zu entrichten. Ausländische Unternehmen sorgen sich allerdings, dass das Sozialkreditsystem auch ideologisches Fehlverhalten bestrafen soll. Befürchtet wird etwa, das persönliche Auftreten eines Firmenmanagements könnte schlechte Bewertungen nach sich ziehen. Erwartet wird zudem, dass ein Verstoß gegen die »Interessen der chinesischen Verbraucher« zum Punktabzug führt.

Viele der in den letzten sieben Jahren eingeführten Änderungen lösten Bedenken bei europäischen Poli­tikern wie Wirtschaftsführern aus. Bestimmte Rege­lungen, die Investitionen in China zu liberalisieren scheinen, wie etwa die Anhebung der Grenzen für ausländische Beteiligungen, sind nutzlos, wenn die Kommunistische Partei einen Sitz in der Unternehmensleitung bekleidet. Noch beunruhigender ist, dass jede Firma, in der mehr als drei Parteimitglieder

arbeiten, einen KPCh-Ausschuss einrichten muss. 92 Prozent der 500 größten Privatunternehmen Chi­nas verfügen heute über Parteizellen.53 Solche Ein­griffe in die private Wirtschaft haben das Interesse des europäischen Unternehmenssektors an China verringert. Gleichzeitig stellen sich Wirtschaftsführer aber auch die Frage, ob Pekings ökonomisches Modell nachhaltig ist. Im Klartext: Wird in der Volksrepublik künftig noch Geld zu verdienen sein? Und wird sie die vorhandenen Beschränkungen des Kapitalexports womöglich verschärfen und auch die Ausfuhr in China erzielter Gewinne untersagen?

Zweifel an der Nachhaltigkeit von Chinas Wirtschaftsmodell

Seit Jahren sind ausländische Beobachter verblüfft über die Höhe der Investitionen in China. Es fragt sich, wie nachhaltig ein Wirtschaftsaufschwung sein kann, der auf einer massiven Ausweitung von Inves­titionen beruht. Das klingt zunächst seltsam, denn Investitionen sind die treibende Kraft hinter jeder Steigerung der Wirtschaftsleistung. Doch ein Wachs­tum, das sich in erster Linie einem erhöhten Angebot von Arbeitskräften und Investitionen verdankt, wird früher oder später in Schwierigkeiten geraten.

Chinas Wachstum der letzten Jahrzehnte beruhte weitgehend auf einer Steigerung des Einsatzes von Arbeit und Kapital – und nicht darauf, dass die Pro­duktivität der Produktionsfaktoren zugenommen hätte. Von 1978 bis 2011 verzeichnete das Land einen jährlichen Anstieg der sogenannten Multifaktor­produktivität von durchschnittlich 3,5 Prozent.54 Diese Produktivitätssteigerung erklärt 40 Prozent von Chinas Wachstum.55 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 60 Prozent davon in diesen dreieinhalb Jahrzehnten auf einen erhöhten Einsatz der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit zurückzuführen sind.

Dieses Muster ist bekannt. Der amerikanische Ökonom Paul Krugman warnte 1994 in einem viel­beachteten Aufsatz davor, die Entwicklungspfade der südostasiatischen Volkswirtschaften – von der Welt­bank als ökonomisches Wunder gepriesen – allzu positiv wahrzunehmen. Sie könnten kein Vorbild für westliche Länder sein, und ihre langfristigen Wachs­tumsaussichten seien begrenzter, als viele erwarteten.56 Krugman erinnerte daran, dass die USA sich schon einmal vor einer aufsteigenden Macht gesorgt hätten. Drei Jahre, bevor 1997 die asiatische Finanzkrise ausbrach, verwies er auf die Risiken, die damit einhergingen, die wirtschaftliche Entwicklung in Schwellenländern zu beurteilen. Viele von Krugmans damaligen Beobachtungen treffen auf das China der letzten drei Jahrzehnte zu. Sein historischer Vergleich ist bemerkenswert:

»Es gab einmal eine Zeit, in der westliche Entschei­dungsträger ebenso beeindruckt wie erschrocken waren von den außergewöhnlichen Wachstums­raten, die eine Reihe östlicher Volkswirtschaften erzielten. Obwohl diese Volkswirtschaften immer noch wesentlich ärmer und kleiner waren als die des Westens, schien die Geschwindigkeit, mit der sie sich von bäuerlichen Gesellschaften in indus­trielle Kraftpakete verwandelt hatten, ihre anhaltende Fähigkeit, Wachstumsraten zu erreichen, die um ein Vielfaches höher waren als die der fort­geschrittenen Nationen, und ihre zunehmende Fähigkeit, die amerikanische und europäische Technologie in bestimmten Bereichen herauszufordern oder sogar zu übertreffen, die Dominanz nicht nur der westlichen Macht, sondern auch der westlichen Ideologie in Frage zu stellen.«57

Krugmans Ausführungen galten jedoch nicht dem Südostasien der 1990er Jahre, sondern der Sowjet­union und ihren Satellitenstaaten, die Anfang der 1960er Jahre eine beachtliche Wirtschaftsentwicklung vorzuweisen schienen. Doch ebenso wie Asiens später aufsteigende »Tigerstaaten« und in der Folge China erlebten die kommunistischen Länder kein Wunder, sondern durchliefen erklärbare Prozesse. Das rasante Wachstum der dortigen Produktion lässt sich vollständig durch den stark gestiegenen Einsatz von Produktionsfaktoren erklären. Die Beschäftigung wuchs durch eine politisch induzierte Erhöhung des Arbeitskräftepotentials, während das Bildungsniveau durch Investitionen in Schulen und Universitäten drastisch erhöht wurde. Vor allem aber stieg die Wirt­schaftsleistung durch massive Investitionen in Sach­kapital.58

Krugman betonte, dass ein Wirtschaftswachstum, das auf einem gesteigerten Einsatz von Produktionsfaktoren und nicht auf erhöhter Produktivität beruhe, zwangsläufig mit sinkenden Erträgen konfrontiert sein werde.59 Das entscheidende Element für ein nachhaltiges Wachstum ist demnach das Niveau der totalen Faktorproduktivität. Das Pro-Kopf-Einkommen kann nur dann in nachhaltiger Weise wachsen, wenn die Produktion pro Einheit der eingesetzten Produk­tionsfaktoren steigt.60 Krugmans Analyse hat sich in den letzten Jahren wiederholt bestätigt.

Die durchschnittliche Produktivität chinesischer Unternehmen liegt bis heute weit unter dem Niveau amerikanischer Firmen.

Nachdem die Sowjetunion in den 1970er Jahren aus amerikanischer Sicht ökonomisch weniger be­drohlich geworden war, wurde Japan als nächste aufstrebende Volkswirtschaft wahrgenommen. Der Harvard-Soziologe Ezra Vogel und andere priesen das Land und prognostizierten, es würde die führende Wirtschaftsmacht des 21. Jahrhunderts werden – was sich letztlich als falsch erwies. Trotz aller Unter­schiede zwischen der UdSSR, Japan und China gibt es Parallelen, die bedenkenswert sind. Wie Krugman schon vor mehr als 25 Jahren zutreffend feststellte, setzt die Analyse einer Wirtschaft voraus, die einzel­nen Komponenten ihres Wachstums zu berücksich­tigen. Es ist zwar richtig, dass Volkswirtschaften wachsen, wenn der Input an Arbeit und Kapital er­höht wird, doch ein Boom, der so entsteht, ist nicht nachhaltig. Und wie bereits erwähnt, steigt die totale Faktorproduktivität in China eben nicht schnell an.

Vergleicht man Chinas Produktivitätsentwicklung mit der anderer Länder, schneidet es überraschend schlecht ab. Von 2000 bis 2014 stieg die Produktivität seines verarbeitenden Gewerbes von 16 Prozent des amerikanischen Wertes auf noch immer nur 21,2 Pro­zent. Mit anderen Worten: Die USA sind auf diesem Sektor nach wie vor um ein Vielfaches produktiver als die Volksrepublik.61 Diese Durchschnittswerte schließen nicht aus, dass es auch in China hoch­pro­duktive Fabriken gibt. Doch die durchschnittliche Produktivität chinesischer Unternehmen liegt bis heute weit unter dem Niveau amerikanischer Unter­nehmen.

Auch das Finanzsystem dämpft die Entwicklung der Produktivität. In China bevorzugen staatliche Banken, die das Finanzsystem dominieren, die Kredit­vergabe an staatseigene Unternehmen. Das ist aus Sicht der Banken rational, denn solche Kredite weisen aufgrund der impliziten staatlichen Garantien gerin­gere Risiken auf. Dem Produktivitätswachstum ist diese Politik jedoch abträglich, da die produktivsten Unternehmen – und das sind meist private Firmen – größere Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Investitionen haben.62 Die Steigerung der Produkti­vität durch Allokation von Ressourcen an die produk­tivsten Unternehmen funktioniert in China also nicht sonderlich gut.63

Xis Wirtschaftspolitik hat dieses Problem in den letzten Jahren weiter verschärft. So ging 2016 nur noch knapp ein Zehntel aller neuen Kredite an pri­va­te Unternehmen, während mehr als vier Fünftel an Staatsbetriebe flossen.64 Dies drückt die Produkti­vitätssteigerung, da seit der Finanzkrise 2008 die Weiterentwicklung staatlicher Unternehmen stag­nierte. Chinesische Staatsbetriebe arbeiten wegen schwacher Managementleistungen zunehmend ineffizient und unrentabel, und gewöhnlich haben sie eine geringere Produktivität als nichtstaatliche Unternehmen.65 Der Internationale Währungsfonds (IWF) empfahl in seinem Bericht zu den Artikel-IV-Konsultationen im Jahr 2019, die Staatsunternehmen zu reformieren und Marktkräfte zu aktivieren, um die Produktivität zu steigern.66 Es ist unwahrscheinlich, dass dieser IWF-Ratschlag in Peking auf offene Ohren stieß.

Chinas schwache Produktivitätsentwicklung galt bisher nur als marginales Problem, weil sie durch hohe Investitionen kaschiert wurde. Trotz leichter Rückgänge sind die Investitionen in der Volksrepublik im internationalen Vergleich noch immer extrem hoch. 2017 betrugen die Anlageinvestitionen 42,6 Prozent des BIP; sie waren damit mehr als dop­pelt so hoch wie in Deutschland (20,3 Prozent) oder den USA (20,5 Prozent). Ein markanter Sonderfall ist China selbst im Vergleich zu anderen dynamisch wachsenden Volkswirtschaften wie Indien (28,8 Prozent), Süd­korea (31,1 Prozent) und Indonesien (32,2 Prozent).67

Eine Steigerung der Produktivität wäre aus volkswirtschaftlicher Perspektive einfach zu erreichen, würde politisch aber ein komplexes Handeln erfor­dern, da die Marktkräfte und nicht die Kommunis­tische Partei über Investitionen entscheiden müssten. Wie gesehen, ist ein an privaten Akteuren orientierter Ansatz unter Xi in den Hintergrund getreten.68 Niedrige Produktivität und damit eine Schwächung des Wachstums sind der Preis für den steigenden Einfluss der KPCh auf die chinesische Wirtschaft.

Die anhaltend geringe Produktivität in China ist besonders relevant, weil die Zahl seiner Arbeitskräfte in den kommenden Jahren deutlich sinken wird. Um die Wirtschaftsleistung zu stabilisieren, müsste zur Kompensation die Produktivität jedes einzelnen Arbeitnehmers in entsprechendem Maße gesteigert werden. Die Produktivitätsentwicklung in Japan ist ein gutes Beispiel für eine solche Situation. Zwischen 1956 und 1992 stieg die Zahl der Beschäftigten dort von 42 Millionen auf 65 Millionen; nach Erreichen des Höchststandes schwankte sie dann zwischen 63 und 65 Millionen. Die anhaltende wirtschaftliche Stagnation des Landes korreliert mit seinem stagnierenden Erwerbspersonenpotential.69

Das Dilemma eines deutlich sinkenden Arbeitskräftepotentials wird sich in China künftig noch deutlicher zeigen als in Japan. 2011 erreichte die Zahl der Erwerbspersonen in China mit 940,5 Millionen ihren Höchststand, aber schon bis 2015 sank sie um fast 30 Millionen auf 911 Millionen. Das chinesische Ministerium für Humankapital und soziale Angelegenheiten prognostiziert einen weiteren Rückgang auf 830 Millionen im Jahr 2030 und auf 700 Millionen im Jahr 2050. Von 2030 an wird die Zahl der Erwerbspersonen jedes Jahr um 7,6 Millionen sinken. Bis zum Jahr 2050 werden dagegen die USA, so Prog­nosen, ihr Erwerbspersonenpotential von 157 Millio­nen (2015) auf immerhin 186 Millionen erhöhen.70

Der Trend auf Chinas Arbeitsmarkt wird nur schwer umkehrbar sein. Pekings Entscheidungsträger hatten erwartet, dass die Abschaffung der Ein-Kind-Politik, die in den späten 1970er Jahren eingeführt worden war, die Geburtenrate würde steigen lassen. Tatsächlich ist aber das Gegenteil eingetreten. Nach­dem es Familien 2016 erlaubt worden war, zwei Kinder zu haben, sank die Zahl der Geburten bis 2017 um 630.000; damit lag sie pro Frau bei durchschnittlich 1,6. China rangiert auf einer Liste von 224 Staa­ten und Territorien auf Platz 182, was diesen Wert angeht. Schlusslichter sind Hongkong (durchschnittlich 1,19 Geburten), Taiwan (1,13), Macau (0,95) und Singapur (0,83).71

Im Corona-Jahr 2020 nahmen die Geburten nicht etwa zu, wie manche Beobachter erwartet hatten, sondern gingen gegenüber dem Vorjahr um weitere 15 Prozent zurück.72 Nach 11,8 Millionen Geburtsanmeldungen 2019 lag die Zahl nun bei 10 Millionen – der niedrigste Stand seit Gründung der Volks­republik.73 Noch 1997 waren in China über 20 Millio­nen Menschen zur Welt gekommen. Zu den Gründen für die sinkende Geburtenrate dürften die hohen Wohnungspreise in chinesischen Städten gehören, die es jungen Familien fast unmöglich machen, eine Unterkunft zu erwerben. 2021 wurde die Drei-Kind-Politik eingeführt, doch ist ungewiss, ob sie an der gering ausgeprägten Bereitschaft der Menschen, mehrere Kinder zu bekommen, etwas ändern wird.

Steigern lässt sich die Produktivität aber nicht nur durch Förderung des privaten Sektors, sondern auch durch eine bessere Ausbildung des vorhandenen Arbeitskräftepotentials.74 In den letzten Jahrzehnten hat China stark in Bildung und Ausbildung investiert, um das Qualifikationsniveau seiner Beschäftigten zu erhöhen. Erwartet wird, dass die Produktivität als Folge dessen tatsächlich steigen wird. Bislang ist die­ser qualitative Sprung, wie gezeigt, jedoch noch nicht gelungen.

Neben der geringen Produktivität gibt es für europäische Beobachter einen weiteren Grund, zunehmend skeptisch auf Chinas Wirtschaftsmodell zu blicken: die hohe Verschuldung – die Kehrseite des wirtschaftlichen Aufschwungs. Viele Experten kon­statieren, dass Chinas Wirtschaftswachstum seit der globalen Finanzkrise 2008 weniger solide finanziert ist, als offiziell angegeben wird. Schon 2018 hätte sich die chinesische Regierung ein weiteres kreditfinanziertes Maßnahmenpaket – das damals nach mehre­ren früheren Stützungsprogrammen diskutiert, dann aber verworfen wurde – eigentlich kaum leisten können.75 Die Covid-19-Pandemie erforderte zwar einen erneuten finanziellen Stimulus, aber die Folgen für die Solidität der chinesischen Staatsfinanzen und damit die Schuldentragfähigkeit sind erheblich. Bereits 2019 lag die Gesamtverschuldung ohne den Finanzsektor bei 300 Prozent des BIP, ein auch im Vergleich zu Industrieländern hoher Wert.

Tatsächlich hat sich China 2020 deutlich höher verschuldet als erwartet. Nach Daten des Washing­toner Institute of International Finance (IIF) stieg die Gesamtverschuldung des Landes von 300,5 Prozent des BIP (Ende des 3. Quartals 2019) innerhalb von zwölf Monaten auf 337,4 Prozent. Kein anderes Schwellen- oder Entwicklungsland weist eine so hohe und so rasch gestiegene Verschuldung auf. China war in der Gruppe der Schwellenländer der Haupttreiber des Schuldenanstiegs. Rechnet man die Volksrepublik heraus, sanken die in US-Dollar berechneten Schulden der anderen Schwellenländer von Ende 2019 bis zum Ende des dritten Quartals 2020.76

Könnte diese Kreditaufnahme zu einer Finanzkrise führen? Während einige Beobachter davon ausgehen, dass die chinesische Regierung quasi grenzenlos Kredite aufnehmen kann, ist die Lage womöglich kritischer. Wenn die Erwartungen umschlagen, wird es schwierig, sie zu kontrollieren. Die hohe Verschuldung in China ist eng mit privaten Schulden aus Immobilieninvestitionen verbunden. Tatsächlich sind zwei Drittel der Kredite in China durch Immobilien gedeckt. Darüber hinaus hat Peking wenig bis keine Kontrolle über die privaten Erwartungen, und wäh­rend diese über einen langen Zeitraum positiv waren, können sie sich schnell in die entgegengesetzte Rich­tung drehen.

Die Daten zu Immobilien sind bemerkenswert. Im Jahr 2019 wurde der Wert aller Immobilien in China auf 65.000 Milliarden US-Dollar geschätzt, was dem Doppelten der jährlichen Wirtschaftsleistung der G7‑Länder entsprach. Verschiedenen Quellen zufolge stehen etwa 20 Prozent der Wohnungen in China leer.77 In einer Marktwirtschaft würden die Preise in einer solchen Situation fallen. Immer wieder endeten Immobilienpreisblasen in Krisen, nicht nur in Spa­nien und den USA. Die Frage ist, ob die KPCh der historischen Erfahrung trotzen kann.

Im Herbst 2021 warfen die Krisen des chinesischen Immobilienentwicklers Evergrande und anderer, klei­nerer Unternehmen die Frage auf, ob es nun zu einer Anpassungskrise kommen wird. Gegenwärtig lässt sich das nicht abschließend beantworten. Möglich erscheinen sowohl schwere Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt als auch deren erfolgreiche Abwen­dung. Verbreitet sich erst einmal Panik, wird es aber nicht mehr nur um die Rettung einzelner Immobi­lienentwickler, sondern um den gesamten Sektor gehen. Bereits jetzt gibt es einen Zielkonflikt zwi­schen dem Bestreben der KPCh, zugunsten von Fami­lien die Wohnkosten zu senken, und der Stabilisierung der Preise im Wohnungsbestand.

Ist ein Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zu China eine Option?

Lange Zeit hatte es den Anschein, die deutsche und die chinesische Wirtschaft würden gleichermaßen vom Ausbau ihrer Beziehungen profitieren. Deutsche Firmen lieferten zum Beispiel hochentwickelte Werk­zeugmaschinen, die in China zum Aufbau der ver­arbeitenden Industrie genutzt wurden. Die Idee, für die eigene ökonomische Entwicklung auf deutsches Know-how zurückzugreifen, wurde von Sun Yat-sen, dem Begründer des modernen China, schon 1921 geäußert: Das Land solle »deutsches Wissen und deut­sche Fähigkeiten« nutzen, um reich und mächtig zu werden.78 Während die symbiotische Beziehung zwi­schen Deutschland und China in der Phase florierte, als die chinesische Industrie aufgebaut wurde, haben sich die Perspektiven für deutsche und andere euro­päische Unternehmen in den letzten Jahren stark eingetrübt. Unklar ist insbesondere, wie offen die Wirtschaft der Volksrepublik künftig sein wird.

Trotz aller Unwägbarkeiten bauen viele europäische Unternehmen ihr Geschäft mit China seit Jahren aktiv aus, weshalb sich das Handelsungleichgewicht zwischen beiden Seiten zuletzt verringerte. 2018 importierten die EU-Länder Waren im Wert von 400 Milliarden Euro aus China, während sie für etwas mehr als die Hälfte dieser Summe dorthin exportierten. Dabei sind die Ausfuhren aus der EU zwischen 2008 und 2018 schneller gewachsen als die chinesischen nach Europa. In dieser Zeit stieg der europäische Export nach China von 78,3 Milliarden Euro auf 209,9 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 268 Pro­zent. Die chinesischen Exporte waren bereits 2008 mit 249,1 Milliarden Euro sehr umfangreich; seitdem ist ihr Wert um 58,5 Prozent auf 394,7 Milliarden Euro gestiegen.79

Deutschland exportiert mehr nach China als jedes andere Land in der EU, was an sich nicht überraschend ist. Dennoch erstaunt, dass die deutschen Aus­fuhren dorthin im Jahr 2018 mit 93,7 Milliarden Euro einen höheren Wert hatten als die China-Exporte der nächstplatzierten acht europäischen Länder – einschließlich Frankreichs, Italiens und Großbritanniens – zusammen, die sich auf 92,9 Milliarden Euro beliefen. Deutschland exportierte viereinhalb Mal so viel in die Volksrepublik wie Frankreich. Diese Zah­len geben einen Hinweis darauf, warum man in Berlin gegenüber Peking sehr viel vorsichtiger ist als in Paris. Die deutsche Wirtschaft ist durch chinesischen Druck verwundbarer als die anderer europäischer Länder.

Volkswirtschaften wie Frankreich oder Großbritannien profitieren heute davon, nur wenig mit China verflochten zu sein.

Die China-Politik der bisherigen Bundesregierung stellte allerdings kein Novum dar. Einem solchen Kurs folgte bereits die Bonner Republik. In den 1990er Jahren vermied es die Regierung Kohl, gegen­über Peking sensible Themen anzusprechen, etwa den Status Taiwans und die Missachtung von Menschenrechten in China.80 Diese eindeutig auf die Mehrung wirtschaftlichen Nutzens zielende Politik wurde mit einem Narrativ verbunden, das einige Politiker heute noch predigen: Durch das Engagement deutscher Firmen in China werde die dortige Unternehmerschaft gestärkt, was zur politischen Liberalisierung des Landes beitrage.81 Rücksichtnahme auf die mate­riellen Interessen der deutschen Unternehmen ist fraglos keine Erfindung der letzten Jahre.

Heute profitieren Ökonomien wie Frankreich oder Großbritannien davon, nur zu einem geringeren Grad mit China verflochten zu sein. Sie können Xis neueste Autarkiekonzepte mit größerer Gelassenheit als Deutschland verfolgen. Außerdem besteht fast die Hälfte von Frankreichs Exporten nach China aus Airbus-Flugzeugen – ein für Peking kaum zu erset­zendes Produkt.82

China arbeitet zwar seit vielen Jahren an einer eigenen zivilen Verkehrsmaschine, der Comac C919. Allerdings hat US-Präsident Trump kurz vor Ende seiner Amtszeit die staatlichen chinesischen Hersteller von Verkehrsflugzeugen auf Washingtons Sank­tionsliste gesetzt. Für Pekings Pläne, von Airbus und Boeing unabhängig zu werden, war dies ein schwerer Rückschlag. Die Volksrepublik ist stark von amerikanischen Zulieferern abhängig, etwa bei Triebwerken und Flugzeugelektronik.83

Doch auch für die Bundesrepublik ist China nicht unersetzlich. Zwar ist das Land die wichtigste ein­zelne Volkswirtschaft für den deutschen Außenhandel. 7 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen nach China. Doch der Anteil dieser Exporte an der Gesamt­ausfuhr ist seit 2011 nur noch wenig gestiegen. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist Deutschland nicht stärker auf Wertschöpfungslieferungen – also Vorprodukte in der Wertschöpfungskette – angewiesen als Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen. Verglichen mit den USA und Japan ist die Bedeutung chinesischer Vorpro­dukte für Deutschland sogar etwas niedriger.84

Tabelle Importe und Exporte Deutschlands aus bzw. nach Osteuropa und China 2019 (in Mrd. Euro)

Land

Importe

Exporte

Gesamter Warenhandel

China

77,0

96,3

173,3

Polen

63,6

65,8

129,4

Tschechien

52,7

44,5

97,2

Ungarn

29,1

26,9

56,0

Polen, Tschechien, Ungarn

145,4

137,2

282,6

Quelle: Eurostat, eigene Berechnungen.

Zugleich treibt Deutschland in der Summe deutlich mehr Handel mit den drei osteuropäischen Volkswirtschaften Polen, Tschechien und Ungarn als mit China. Lediglich 2 Prozent der deutschen Arbeits­plätze hängen direkt oder indirekt vom Export in die Volksrepublik ab.85

Deutschlands Warenhandel mit den drei osteuropäischen Partnerländern übertraf 2019 den Umfang der Ein- und Ausfahren von bzw. nach China sehr deutlich. Mit 282,6 Milliarden Euro lag der Wert des Han­dels mit Polen, Tschechien und Ungarn um 109,3 Mil­liarden Euro über jenem des China-Handels. Schon der Warenhandel nur mit Polen und Ungarn war 2019 – bei einem Volumen von 185,4 Milliarden Euro – umfangreicher als jener mit China. Der Warenhandel mit den drei Ländern, in denen zusam­men knapp 60 Millionen Menschen leben, übersteigt also jenen mit den 1,4 Milliarden Chinesen nennenswert. Noch deutlicher wird die Intensität des Waren­handels, wenn man ihn auf Pro-Kopf-Basis berechnet. 2019 lag er im Verhältnis zu den drei osteuropäischen Ländern bei rund 4.838 Euro je Einwohner, gegenüber China jedoch nur bei 124 Euro.

Natürlich stellt sich an dieser Stelle die Frage, weshalb in der öffentlichen Diskussion das Bild ge­zeichnet wird, der Handel mit China sei so viel bedeutender als der mit anderen Ländern. Eine Rolle spielen gewiss die zahlreichen China-Reisen von Bundeskanzlerin Merkel, die dabei regelmäßig von hochkarätigen Wirtschaftsdelegationen begleitet wurde. Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft stellt fest, dass die Wahrnehmung von Chinas Stellenwert für die Bundesrepublik durch die hohen Umsätze und Gewinne einiger deutscher Großunternehmen verzerrt werde.86 Es hat daher den Anschein, dass es Firmen mit überproportional großem China-Geschäft gut gelingt, ihre eigenen Interessen als besonders wichtig für Deutschlands Wirtschaftsentwicklung auszugeben.

Im Juli 2021 legte das Kieler Institut für Weltwirtschaft eine Kurzstudie vor, in der die Kosten einer Abkopplung von China beziffert werden. Dabei geht es um die Effekte, die eine Verdoppelung der nicht­tarifären Handelshemmnisse hätte.87 Für diesen Fall rechnen die Autoren damit, dass die Importe aus China um mehr als 80 Prozent zurückgehen würden. Die dadurch entstehenden Kosten werden für die gesamte EU auf 130 bis 170 Milliarden Euro veranschlagt. Dies entspricht einem Verlust an Real­einkommen von 0,8 Prozent.88 Die Gesellschaften Europas hätten also einen vergleichsweise geringen Wohlstandsverlust hinzunehmen, sollten die Einfuh­ren aus China massiv reduziert werden. Zugleich würde der innereuropäische Handel wachsen.

Bislang führte die Annahme, das Geschäft mit China habe große Bedeutung für die Bundesrepublik ins­gesamt, zu einer Außenpolitik, die vieles den öko­no­mischen Interessen einzelner Akteure unterordnet. Kay Möller kritisierte diesen Kurs gegenüber der Volksrepublik schon vor einem Vierteljahrhundert: »In der Realität verfolgt Deutschland weiterhin eine wirtschaftsorientierte Politik, während es vorgibt, ein globaler Akteur mit strategischen Interessen im west­lichen Pazifik zu sein.«89

Vor allem die deutsche Industrie ist in China sehr exponiert, was lange Zeit die Bereitschaft der politi­schen Entscheidungsträger dämpfte, Pekings Ver­halten nüchtern zu bewerten. Die Berliner Politik ist ständig damit beschäftigt, erhebliche Risiken der deutschen Wirtschaft gegenüber China zu berücksichtigen. So wird etwa die BASF, das größte Chemieunternehmen der Welt, die umfangreichste Einzel­investition seiner 135-jährigen Geschichte in der Volks­republik tätigen. Für 10 Milliarden Euro soll in der südchinesischen Provinz Guangdong ein soge­nannter Steamcracker entstehen.90 Dabei wird es sich um die drittgrößte Fabrik der BASF nach Ludwigs­hafen in Deutschland und Antwerpen in Belgien han­deln. Der Vertrag, der es dem Unternehmen ermöglicht, ohne einen chinesischen Partner zu investieren, wurde 2018 unterzeichnet – im Rahmen der fünften deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen und im Beisein von Bundeskanzlerin Merkel und Premier Li Keqiang.91

Insbesondere für die deutsche Automobilindustrie sind Skaleneffekte bei der Entwicklung von Fahrzeu­gen ein wichtiger Faktor. Gelingt es, die für die euro­päischen und andere Märkte entwickelten Fahrzeuge in China zu produzieren oder auch nur zu vertreiben, sinken die Entwicklungskosten pro Fahrzeug, wäh­rend die Erträge steigen. Solche Skaleneffekte gelten natürlich auch für andere Industriezweige.

Trotz anhaltender Förderung des China-Geschäfts durch die Politik geht die deutsche und europäische Privatwirtschaft seit einiger Zeit auf Distanz zur Volksrepublik. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, warn­te im Juni 2021 vor zu großer Nachsicht gegenüber Peking. Verstöße gegen Menschenrechte seien keine innere Angelegenheit. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie ausschließen könnten, dass es in der eigenen Wertschöpfungskette zu Zwangsarbeit kommt.92

Gerade deutsche Firmen werden in den kommenden Jahren verstärkt mit chinesischen Wettbewerbern konfrontiert sein. Dies gilt etwa für den Maschinenbau. 2020 stieg China zum wichtigsten Lieferland für Maschinen und Anlagen auf.93 Die Lahrer Herrenknecht AG etwa war viele Jahre uneingeschränkter Weltmarktführer bei der Herstellung von Tunnel­vortriebsmaschinen. Inzwischen hat die chinesische Konkurrenz nachgezogen und bietet wettbewerbs­fähige Produkte zu außergewöhnlich niedrigen Prei­sen. Herrenknecht zeigte sich vom Tempo des Aufhol­prozesses überrascht.94 Die »Neue Zürcher Zeitung« mutmaßte im März 2021, der gegenwärtige Boom im China-Geschäft könnte der letzte gewesen sein: Das Land wolle nicht mehr nur Werkbank der Welt, son­dern auch Entwickler hochwertiger Produkte sein.95

Sorgen bereitet deutschen Unternehmen auch das neue Sanktionsgesetz der Volksrepublik. Personen und Firmen, die gegen China gerichtete Sanktionen umsetzen, können dafür im Land juristisch belangt werden. Der BDI betrachtet das Gesetz als Minenfeld, durch das wirtschaftliche Aktivitäten in China zum unkalkulierbaren Risiko würden.96

Geschäfte mit China könnten bald ähnlich geächtet sein wie in den 1980er Jahren kommerzielle Kontakte nach Südafrika.

Bemerkenswert ist, dass es im Ausland schon seit längerem kritische Kommentare zur deutschen China-Politik gegeben hat. Judy Dempsey wies 2012 auf die negativen Effekte hin, die sich aus der inten­siven Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit dem Land ergeben.97 Noah Barkin warnte 2018, Deutschland verhalte sich wie ein Frosch in langsam erhitz­tem Wasser – es verkenne, dass sich die Bedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten in China änderten. Noch hätten sowohl Vertreter der Bundesregierung als auch die Privatwirtschaft nicht verstanden, dass die von Peking beschworene »Win-Win-Beziehung« in der Realität heiße, dass China zweimal gewinne.98 George Magnus spitzte die Problematik im März 2021 zu: Firmen müssten sich zwischen Gewinnen und Prinzipien entscheiden. Er sagte voraus, dass der ge­sellschaftliche Druck auf Unternehmen, die in China tätig seien, wachsen werde. Ähnlich wie in den 1980er Jahren Firmen geächtet worden seien, die Geschäfte in Südafrika machten, werde es künftig Unternehmen geben, die sich wegen ihrer China-Aktivitäten am Pranger sähen.99 Es erscheint unwahr­scheinlich, dass die Gesellschaften der OECD-Länder immer genauer unter die Lupe nehmen, welche umwelt- und sozialpolitischen Effekte durch Unter­nehmen im eigenen Land entstehen, und zugleich ausblenden, dass dieselben Firmen in einem totalitä­ren Staat systemstabilisierend wirken.

Anfang 2019 gab es erste Anzeichen für einen strukturellen Wandel in den Beziehungen zwischen der EU und China. Unter expliziter Bezugnahme auf die Volksrepublik warnte der BDI seine Mitglieder in einem Bericht davor, sich zu sehr von einzelnen Märkten abhängig zu machen.100 Selbstverständlich gingen der Veröffentlichung des Papiers heftige inter­ne Debatten voraus. Doch die skeptischen Stimmen setzten sich durch.

Im Jahr 2020 meldeten weitere Akteure Bedenken an. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), der 3200 vor allem kleine und mittlere Unternehmen vertritt, änderte seine Haltung gegen­über China. Ursprünglich war er bestrebt, die wirt­schaftlichen Beziehungen zu vertiefen, da deutsche Unternehmen Werkzeugmaschinen lieferten, die Chinas Aufstieg als Produktionsstandort ermöglichten. Aufgrund ihres hohen Spezialisierungsgrades sahen sich die Verbandsmitglieder keiner großen Konkurrenz durch chinesische Unternehmen aus­gesetzt.

Noch im Herbst 2018 lehnte der damalige VDMA-Präsident Carl Welcker konkrete Regeln ab, die deut­sche Firmen vor chinesischer Übernahme ge­schützt hätten. Im Januar 2020 revidierte er seine Haltung. Seither fordert der Verband die europäische Politik auf, Maßnahmen zu ergreifen, die den politischen Realitäten in China Rechnung tragen. Das Land müsse aufgrund seines politisch gesteuerten Wirt­schafts- und Investitionsverhaltens anders behandelt werden als andere Investoren. Kritisiert wurden die ungleichen Rahmenbedingungen: Chinesische Inves­toren fänden in Europa offene Türen vor, während europäische Investoren in China mit erheblichen Hindernissen konfrontiert seien. Neben den starken Einschränkungen für ausländische Direktinvestitionen kritisierte der Branchenverband offen die sich verschlechternden Bedingungen für ausländische Unternehmen in China. Visumanträge seien kompli­zierter geworden, die Restriktionen bei Nutzung des Internets hätten zugenommen, und die Einführung von Sozialkreditsystemen für Unternehmen werde als höchst problematisch angesehen.101

Ende 2020 hatte sich die Position des VDMA und anderer Industrieverbände weiter verhärtet. Der VDMA kommentierte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Zukunft des deutschen Maschinenbaus in einer Mitteilung mit skeptischen Worten – zu erwarten sei ein scharfer Wettbewerb. Die Phase des wirtschaftlichen Austauschs zu wechselseitigem Nutzen (»Win-Win«) sei vorüber.102

Bundeskanzlerin Merkel wurde für ihre nachsichtige Haltung gegenüber China seit geraumer Zeit im In- und Ausland kritisiert. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, warf ihr im Sommer 2020 vor, ein veraltetes Bild von dem Land zu haben.103 Merkel war mit ihrer Haltung in Deutschland zuletzt mehr und mehr isoliert, lehnte es aber beharrlich ab, ihre Politik zu ändern.104 Aller­dings wurden in der Diskussion über die Motive der Kanzlerin auch andere als bloß ökonomische Über­legungen angestellt. Der Politologe Thorsten Benner etwa meinte, Merkel sei deshalb unkritisch gegenüber China, weil sie zum einen Deutschland und Europa für schwach halte und zum anderen den Glauben an die Verlässlichkeit der USA während Trumps Präsi­dentschaft verloren habe. Folge sei, dass sie alles unternehme, um Peking wohlgefällig zu stimmen.105

Der CDU-Politiker Friedrich Merz, dessen Aversion gegen eine nachgiebige China-Politik immer deut­licher wird, mahnte im Juli 2021 einen entsprechenden Kurswechsel der Bundesregierung an. Deutschland solle auf diesem Feld nicht nur mit den USA, sondern auch mit Großbritannien, Japan, Kanada, Australien und Neuseeland kooperieren. Merz zufolge ist die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China »zu groß«. Um gegenzusteuern, sollten Unter­nehmen auch einmal auf ein Geschäft verzichten, so sein Ratschlag.106

Gleichwohl reagierte die frühere Bundesregierung auf Chinas zunehmend offensive Außenpolitik und die wachsende Skepsis in einigen Wirtschaftsverbänden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie begann Anfang 2020, seine Regeln für aus­ländische Direktinvestitionen zu verschärfen. Bisher benötigten nur Unternehmen solcher Sektoren, die als lebenswichtige Infrastruktur gelten, für auslän­dische Direktinvestitionen in Höhe von mehr als 10 Prozent des Firmenkapitals eine Genehmigung. Nun wurde diese Vorgabe auf andere Bereiche aus­geweitet. Geprüft werden seitdem auch ausländische Direktinvestitionen entsprechender Größenordnung, wenn sie in Unternehmen fließen, die auf den Sek­toren künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Nanotechnologie tätig sind.107

Darüber hinaus widmet Deutschland der indo-pazifischen Region inzwischen über die wirtschaft­liche Zusammenarbeit hinaus erhöhte Aufmerksamkeit. Im September 2020 veröffentlichte die Bundesregierung neue politische Leitlinien für den Indo-Pazifik.108 Wie viele andere Länder auf der Welt er­kennt auch Deutschland, dass der Indo-Pazifik eine Region der Chancen ebenso wie der Konflikte ist. Auf die zunehmenden Spannungen dort reagierte die Bundesregierung relativ spät. Sie wagte jedoch nicht, sich fest im Lager der westlichen Demokratien zu positionieren, und setzte weiterhin auf harmo­nische Beziehungen mit Peking. Diese Präferenz wird häufig auch in der Wissenschaft mit Deutschlands relativ engen Wirtschaftsbeziehungen nach China begründet, etwa vom Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr. Er behauptete im Mai 2021, eine Abkopplung von China sei wegen der engen ökonomischen Verflechtung unmöglich.109 Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte über­rascht diese Scheu, Konsequenzen zu ziehen. Mehr als andere Länder sollte sich Deutschland der Risiken einer anbiedernden Politik, eines Appeasement-Kurses gegenüber einem aggressiven, totalitären Staat bewusst sein. Mit Blick auf China hat es den Anschein, als verzichte Deutschland auf die Durchsetzung einer wertebasierten Außenpolitik.

Die Priorisierung (kurzfristiger) wirtschaftlicher Interessen vor einer strategischen, langfristig ange­legten Politik ist fast schon ein Markenzeichen im deutschen Umgang mit Peking geworden. Kay Möller urteilte bereits 1996, dass diese Art von Opportunismus unter einem realistischen Paradigma völlig legi­tim wäre, wenn keine vitalen strategischen Interessen bestünden. Unzureichend, wenn nicht unüberlegt sei ein solcher Kurs aber, wenn als Grundlage eines ge­rechten Friedens eine neue Weltordnung angestrebt werde, in der Deutschland eine aktive Rolle spielen solle.110 Mit anderen Worten: Wenn es ein Primat der wirtschaftlichen Interessen gibt, verliert die deutsche Außenpolitik Einfluss auf die Mitgestaltung der inter­nationalen Beziehungen.

China verhandelt, ändert seine Politik aber nicht

Aus Sicht der europäischen Politik ist es ein kritischer Faktor, dass China darauf beharrt, im multilateralen Handelsregime einen Sonderstatus einzunehmen. Das liberale Welthandelsregime hat den spektakulären Aufstieg des Landes ermöglicht, doch anders als immer wieder angekündigt, sind grundlegende Refor­men in der chinesischen Außenwirtschaftspolitik bisher ausgeblieben. Schon in den ersten Jahren nach dem Beitritt Chinas zur WTO 2001 warnten kritische Beobachter, dass Peking sich weigern könnte, seine Verpflichtungen aus dem Beitrittsprotokoll zu erfül­len.111 Gefragt wurde, was man tun könne, damit die gering ausgeprägte Bereitschaft der chinesischen Poli­tik, Verträge einzuhalten, möglichst geringe Effekte auf andere Volkswirtschaften habe. Ansonsten expor­tiere China unzureichende »Governance«.112

Immer wieder haben sich chinesische Regierungsvertreter auf internationalen Konferenzen zum Geist des liberalen Handelsregimes und zu marktwirtschaft­­lichen Reformen bekannt, doch in der Praxis sind dies oft nur Lippenbekenntnisse geblieben.113 Auch die Europäische Kommission hat kritisiert, dass Peking wirtschaftspolitische Reformen immer wieder ankün­dige, aber nicht in einem Maße um­setze, wie es dem Entwicklungsniveau des Landes ent­spräche.114 An Er­kenntnissen fehlt es nicht: Ein Ver­treter der Bundesregierung stellte 2018 fest, dass chinesische Funktionäre das sagten, was die deutsche Seite hören wolle, um anschließend das Gegenteil davon zu tun.115

Im Gegensatz zu den damals sehr china-freund­lichen Regierungen in Rom und Berlin hat die Euro­päische Kommission schon 2019 deutlich angemerkt, dass Pekings öffentlich erklärte Reformabsichten nicht zu notwendigen Veränderungen in der Wirt­schaftspolitik des Landes geführt hätten. Die Kommis­sion erwarte Reformen, die sowohl dem aktuellen Entwicklungsstand Chinas als auch seinen Ambitionen in der internationalen Politik gerecht würden.116 Dabei hat die Kommission schon vor zwei Jahren die Bereiche identifiziert, in denen Peking seinen Ver­pflichtungen nicht nachkommt:

»China schützt seine Inlandsmärkte für seine Marktführer und schirmt sie ab durch eine selek­tive Marktöffnung, Lizenzvergaben und andere Investitionsbeschränkungen; hohe Subventionen sowohl für staatliche als auch für private Unternehmen; die Schließung seines Beschaffungsmarktes; Lokalisierungsanforderungen, auch für Daten [das heißt, sämtliche Schritte des Produktionsprozesses müssen lokal erfolgen und entsprechende Daten auf Servern gespeichert werden, die in China stehen, H.D.]; die Bevorzugung einheimischer Betreiber bei Schutz und Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten und anderen inländischen Gesetzen; sowie die Beschränkung des Zugangs zu staatlich finanzierten Programmen für ausländische Unternehmen. EU-Unternehmen müssen sich als Vorbedingung für den Zugang zum chinesischen Markt aufwändigen Anforderungen unterwerfen, wie etwa der Gründung von Joint Ventures mit lokalen Unternehmen oder dem Transfer von Schlüsseltechnologien an chinesische Partner. Einer der Sektoren, in denen der Mangel an gegenseitigem Marktzugang besonders akut ist, sind Finanzdienstleistungen. Während chinesische Fintech- und Online-Zahlungsunternehmen, Kre­ditkartenanbieter, Banken und Versicherer ihre Präsenz in der EU ausbauen, wird europäischen Anbietern der Zugang zum chinesischen Markt verwehrt.«117

Phil Hogan, der bis Ende August 2020 EU-Handels­kommissar war, machte die Politik gegenüber China zu einer Priorität. Eine seiner ersten Reisen als Kom­missar führte ihn nach Washington, wo er versuchte, die Trump-Administration von einem koordinierten Vorgehen der Amerikaner und Europäer in dieser Frage zu überzeugen. Hogans Ansatz war partiell erfolgreich. Heute fordern die EU, die USA und Japan von China, seine Politik in Bezug auf Subventionen und erzwungenen Technologietransfer zu ändern.118

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten kritisch zu China geäußert. Bei seinem letzten Besuch dort im November 2019 bestand er darauf, als Europäer und nicht als Franzose wahrgenommen zu werden. Macron gestaltete seine Reise so europäisch wie mög­lich, indem er den irischen EU-Handelskommissar und die deutsche Bildungsministerin mitbrachte. Als in Peking ein Abkommen zum Schutz geographischer Herkunftsangaben unterzeichnet wurde, waren auf Macrons Wunsch im Hintergrund nur die chinesische und die EU-Flagge zu sehen.119 Gewiss war dies an­gemessen, weil es sich um ein Abkommen zwischen China und der EU handelte, doch nahmen Beobachter die symbolträchtige Bitte Macrons aufmerksam zur Kenntnis.

Die Neuorganisation von Wert­schöpfungsketten und Chinas neue Wirtschaftspolitik

Nach dem Ende der Corona-Krise werden Lieferketten vermutlich neu geordnet werden – zum einen weil vielen Unternehmen bewusst geworden ist, wie un­zuverlässig die bisherigen Lieferketten sind; zum anderen weil es durch die 2020 und 2021 stark gestie­genen Frachtraten betriebswirtschaftlich unattraktiver wurde, in Ostasien zu produzieren. Die derzeitige Abhängigkeit der OECD-Länder von Lieferungen aus China wird sich wahrscheinlich verringern, weil es für Unternehmen sehr teuer werden kann, ausschließlich auf ostasiatische Anbieter von Vorprodukten zu setzen. Deutlich wird dies, blickt man auf die Frachtraten für einen Standardcontainer auf dem Weg von Ostasien nach Europa. Beliefen sich die Kos­ten hier vor dem Jahr 2020 auf etwa 1.700 US-Dollar für Seefracht und etwa das Doppelte für den Trans­port mit der Eisenbahn, so haben sie sich 2021 ver­vielfacht. Mit dem Schiff kostete der Transport eines Containers auf dem Spot-Markt im September 2021 etwa 15.000 US-Dollar, mit der Bahn sogar 21.000 US-Dollar.120 Ein Container auf der wichtigen Export­route von Schanghai nach Rotterdam kostete im Juni 2021 rund 12.000 Dollar, eine Versechsfachung gegenüber dem Vorjahreswert, als die gleiche Dienst­leistung noch für weniger als 2000 US-Dollar zu haben war.121 Zwar betreffen Preise auf dem Spotmarkt nur etwa 30 Prozent des Warentransports, weil Frachtraten üblicherweise in länger laufenden Verträ­gen vereinbart werden. Aber angesichts der hohen Nachfrage nach Transportdienstleistungen ist es un­wahrscheinlich, dass die Kosten für den Waren­transport schnell sinken werden. Bei neuen Verträgen werden also ebenfalls höhere Preise fällig. Einzelne Beobachter vermuten, dass es in den kommenden drei bis vier Jahren unwirtschaftlich sein dürfte, in Ostasien produzieren zu lassen und die Erzeugnisse dann in Europa zu verkaufen.122

Auch wenn zunächst Güter von strategischer Be­deutung Vorrang genießen werden, dürfte die Ten­denz anhalten, nichtchinesischen Bezugsquellen den Vorrang zu geben. Bis 2020 war vielen Politikern und Bürgern in Europa gar nicht bewusst, welch überra­gende Rolle China etwa bei der Versorgung mit kurzfristig kaum ersetzbaren Komponenten sowie medizinischen Geräten und Pharmazeutika spielt.

Reduzierung der Abhängigkeit von China

Nachdem deutlich geworden war, welche Folgen die hohe Abhängigkeit von China hat, forderten einzelne Beobachter eine Umstrukturierung der Lieferketten. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Verlagshauses Axel Springer, mahnte eine »konsequente Abkopplung« an.123 Der französische Finanzminister Bruno Le Maire empfahl den europäischen Ländern, ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren; nötig sei ein Prozess zur Stärkung der »Souveränität in strate­gischen Wertschöpfungsketten«. Als Beispiele nannte er die Automobil-, die Luft- und Raumfahrt- sowie die Pharmaindustrie.124 Viele Europäer verwenden nicht den Begriff »Entkopplung«, sondern bevorzugen den milderen und weniger konfrontativen Ausdruck »Diversifizierung«. Der Effekt ist jedoch derselbe. Auch eine partielle Entkopplung bedeutet nicht, den Waren- und Dienstleistungshandel mit China voll­ständig einzustellen.

Die Volksrepublik hat mittlerweile Indien als welt­weit führender Produzent und Exporteur von phar­mazeutischen Wirkstoffen abgelöst. China dominiert die globale Versorgung mit Antibiotika, Vitaminen und Heparin, einem gerinnungshemmenden Medi­kament. Im Jahr 2018 kamen volle 79 Prozent aller US-Importe von Antibiotika aus China.125 Die Covid-19-Krise wird insbesondere bei Arzneimitteln zu einem höheren nationalen Selbstversorgungsgrad führen.

Die Autoindustrie hat verstanden, dass sie ihre Zukunft riskiert, wenn die Produktion von Kern­komponenten ausgelagert ist.

Weltweit wurde die hohe Abhängigkeit von China deutlich, als das Land in Reaktion auf den Corona-Ausbruch Ende Januar 2020 seine Produktion still­legte. Die südkoreanischen Autohersteller Hyundai und Kia mussten den Betrieb unterbrechen, weil ihnen Komponenten aus China fehlten. In Japan waren Honda und Nissan gezwungen, die Produktion zurückzufahren. Der britische Hersteller Jaguar Land Rover ließ Berichten zufolge Einzelteile aus China in Koffern einfliegen, um die Produktion im eigenen Land aufrechtzuerhalten.126

Im Jahr 2021 zeigten sich deutlich die Effekte der lange nur vermuteten, tatsächlich aber schon ange­laufenen Rückverlagerung von Produktion nach Europa. Noch 2016 hatte der damalige VW-Vorstands­vorsitzende Matthias Müller eine eigene Batterie­zellenfertigung durch Volkswagen abgelehnt, ja als »Witz« bezeichnet. Aus Kostengründen sei es nicht sinnvoll, die Batteriezellen selbst herzustellen. Sie sollten importiert werden.127 Die Einschätzung war verbreitet, Batterien seien ein Vorprodukt, das Auto­mobilkonzerne bevorzugt bei Zulieferern einkaufen sollten. Fünf Jahre später sieht die Lage völlig anders aus. Der amerikanische Elektroautohersteller Tesla errichtet seine größte Batteriefabrik weder in Asien noch in den USA, sondern im brandenburgischen Grünheide. Volkswagen baut in Salzgitter eine neue Fabrik zur Herstellung von Batterien und sechs weitere an anderen Orten in Europa.128

Die Automobilindustrie hat verstanden, dass es die Zukunft ihrer Unternehmen gefährdet, wenn die Produktion von Kernkomponenten eines Fahrzeugs ausgelagert ist. Denn daraus ergibt sich eine Abhän­gigkeit von Zulieferern – im Falle von Batterien bislang vorwiegend solchen aus Asien –, die prob­lematisch werden kann. Was die Halbleiterindustrie angeht, erwägt der weltgrößte Hersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) offenbar ernsthaft, in Deutschland eine Fabrik für Computerchips zu errichten. Bereits begonnen hat TSMC mit dem Bau einer Produktionsanlage im amerikanischen Bundesstaat Arizona, wo das Unter­nehmen stattliche 12 Milliarden US-Dollar investiert.129

Ein wichtiges Motiv für die Rückverlagerung der Produktion aus Asien nach Europa und in die USA liegt darin, dass die Kosten für den Seetransport, wie oben ausgeführt, drastisch gestiegen sind. 90 Prozent aller Industrie- und Konsumgüter werden per See­fracht bewegt. Der Einkauf in Asien billig erzeugter Waren wird damit kostspielig. Gewiss erscheint es möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass die Kosten der Logistik wieder sinken werden. Allerdings werden die klimapolitischen Bemühungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, die Logistikbranche wohl auf Dauer finan­ziell belasten, ohne dass Produktivitätsfortschritte dies vollständig kompensieren dürften. Denn je län­ger die Transportwege, desto höher die potentiellen Kohlendioxid-Emissionen.

In Zeiten des Klimawandels und der intensiven Debatte darüber kommt noch ein weiterer Faktor ins Spiel, der es attraktiver werden lässt, die Produktion nach Europa zurückzuholen: Hier gibt es weder tropische Stürme noch eine hohe Erdbebengefahr. Die Veränderung des Klimas wird in Europa vermutlich eher verkraftbar sein als in exponierteren Regio­nen der Welt, etwa in Südasien. So könnte Bangladesch vom Anstieg der Meeresspiegel stark betroffen sein und seinen heutigen Vorteil als Produktionsstandort der Textilindustrie verlieren. Selbst in dieser Branche, in der Lohnkosten eine erhebliche Rolle spielen, wird über eine weitgehend automatisierte Produktion in Deutschland geforscht. Der Bekleidungskonzern Brenninkmeyer (C&A) will in Mönchen­gladbach mit einer der weltweit modernsten Produk­tionsanlagen ab Herbst 2021 zunächst 400.000 Jeans pro Jahr produzieren. Näherinnen werden dort indes nur wenige gebraucht, dafür nimmt die Bedeutung von Programmierern und Maschinenführern zu.130

In der Pharmazie, in der elektronischen Industrie und bei Autoteilen hatte die Reorganisation der Lieferketten schon lange vor der aktuellen Krise be­gonnen. Die beiden Haupttreiber waren die steigenden Arbeitskosten in China und die Zölle auf Importe von dort, welche die Trump-Administration verhängt hatte. Letztere wirken sich naturgemäß auch auf die Beschaffung von Komponenten aus. Wenn etwa ein Produkt aus Spanien, das in die USA exportiert wird, zu viele in China hergestellte Einzelteile enthält, muss der Importeur den erhöhten Handelskriegszoll zahlen.

Eine wichtige Folge dieser Re-Nationalisierung der Produktion wird die Rückkehr der Inflation sein. Anders als etwa von der EZB behauptet, handelt es sich bei der jüngsten Teuerung um ein strukturelles, keine nur temporäres Phänomen. Wenn die OECD-Länder darauf verzichten, viele Güter von den billigs­ten Anbietern, die typischerweise im Ausland sitzen, zu kaufen und stattdessen auf inländische oder in Nachbarstaaten produzierte Güter setzen, werden die Preise zwangsläufig steigen. Die lange Phase billiger Importe, die für niedrige, mitunter sinkende Preise sorgten, ist vermutlich vorbei. Denn die Preise für Waren werden anziehen, wenn ein großer Teil davon im Inland hergestellt wird. Nach den traumatischen Erfahrungen mit Covid-19 werden die Bürger der OECD-Länder wahrscheinlich eine begrenzte Redu­zie­rung ihres Wohlstands akzeptieren. Vielen Men­schen in Industrieländern wird eine zuverlässige Ver­sor­gung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen wichtiger erscheinen als eine weitere Aus­weitung des Konsumniveaus. Laut einer Reuters/Ipsos-Umfrage von März 2021 wollen 63 Prozent der Ameri­kaner, dass die US-Behörden generell Erzeugnisse aus amerikanischer Produktion kaufen, auch wenn diese deutlich teurer sind. 62 Prozent meinen, die Regierung solle ausschließlich Impfstoffe kaufen, die im eigenen Land hergestellt wurden.131 Zumindest in den USA zeigen viele Bürger eine Präferenz dafür, Steuer­gelder für die Beschaffung im Inland auszugeben.

Auch in der Europäischen Union gibt es ein Kon­sumfeld, auf dem die Menschen seit Jahrzehnten klaglos erhöhte Preise akzeptieren. Die eigene Agrar­produktion führt zu deutlich höheren Lebensmittelpreisen, als es möglich wäre, wenn die EU ihre Pro­duzenten nicht massiv schützen würde. Und es wird keineswegs auf breiter Basis dagegen protestiert, dass landwirtschaftliche Produkte hier vergleichsweise teuer sind.

Für einige hochverschuldete Volkswirtschaften wird es jedoch problematisch sein, wenn die Inflation zurückkehrt, denn sie lässt die Zinsen steigen und führt so zu höheren Kosten für den Schuldendienst. Sowohl die Geschäftsbanken als auch die Noten­banken einschließlich der Europäischen Zentralbank werden die Rückkehr von positiven (Nominal-)Zinsen zunächst vermutlich begrüßen. Ob aus den höheren Preisniveaus, die eine Neuorganisation von Lieferketten mit sich bringen wird, eine anhaltende Inflation resultieren wird, ist gegenwärtig noch nicht abschließend zu beurteilen. Die Notenbanken könnten sich aber gezwungen sehen, inflationäre Tendenzen durch deutliche Anhebungen des nominalen Zinsniveaus zu bekämpfen. In diesem Fall wären stark verschuldete Staaten – von Griechenland über Japan bis hin zu den USA – mit gravierend steigenden Finanzierungs­kosten konfrontiert.

Chinas Autarkiestreben

Die chinesische Regierung hat sich in den letzten Jahren deutlich von den Weltmärkten abgewandt und sich zunehmend auf die Entwicklung des eige­nen Binnenmarktes konzentriert. Damit stellt sich unweigerlich die Frage, ob die verbreitete Annahme überhaupt noch zutrifft, China wolle an seiner Rolle als »Werkbank der Welt« festhalten. Betrachtet man die chinesische Geschichte, wird rasch deutlich, dass die seit 40 Jahren zu beobachtende Präferenz für Han­del und Warenaustausch eine Ausnahme darstellt. Schon Mao Zedong setzte nach dem Bruch mit der Sowjetunion auf selbstbestimmte Entwicklung (zili gengsheng). Für das kommunistische China war es wichtig, die ökonomische und politische Abhängigkeit vom Ausland und die Ausbeutung durch die UdSSR und kapitalistische Länder zu reduzieren.132 Dabei baute Maos Autarkiestreben auf wirtschafts­politischen Traditionen auf, die die chinesischen Kaiserreiche über Jahrtausende gepflegt hatten.

Der China prägende Konfuzianismus zählte handeltreibende Menschen zum niedrigsten der vier Stände. Den höchsten Stand bildeten die Gelehrten, gefolgt von den Bauern und den Handwerkern. Auch innerhalb des ohnehin niedrigen Standes der Händler wurde differenziert. Das geringste Ansehen hatten diejenigen, die mit dem Ausland verkehrten, weil sie damit zeigten, dass China nicht autark sei. Dies wurde als Schwächung der kaiserlichen Würde verstanden.133

Xis Wirtschaftspolitik zielt darauf ab, die Reformen Deng Xiaopings aus den späten 1970er Jahren rück­gängig zu machen. Deng war für einen doppelten Traditionsbruch verantwortlich. Zum einen gab er die maoistische Wirtschaftspolitik auf und ließ Raum für Privatinitiative und marktwirtschaftliche Konzepte. Zum anderen legte er aber auch die alte Abneigung der chinesischen Wirtschaftspolitiker gegen Außenhandel und grenzüberschreitende Arbeitsteilung ad acta. Angesichts der jahrhundertelangen Isolation der chinesischen Wirtschaft und der noch längeren Be­vorzugung heimischer Produktion, verbunden mit einer Aversion gegen den Außenhandel, wiegt diese zweite Dimension von Dengs Reformen noch schwerer als sein Zurückdrängen des Staates in der Produktion.

Für Europas Außenwirtschaftspolitik stellt sich die Frage womöglich gar nicht, ob man die Zusammen­arbeit mit Chinas künftig intensivieren möchte. Denn Peking setzt heute auf alte wirtschaftspolitische Konzepte und wendet sich von der internationalen Arbeitsteilung ab. Schon im November 2018 sah Generalsekretär Xi die Zeit für eine Renaissance von Maos Handelspolitik gekommen. Er beklagte, es werde immer schwerer, Hochtechnologie aus dem Ausland zu beziehen. Wachsender Unilateralismus und Protektionismus anderer Länder zwängen China, auf den Pfad der Selbstversorgung einzuschwenken.134

Im Oktober 2020 konkretisierte Xi im Rahmen der fünften Plenarsitzung des 19. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei seine außenwirtschafts­politischen Reformen. Er propagierte eine »doppelte Zirkulation« genannte Strategie, die aus zwei zentra­len Elemente besteht. Erstens soll China durch eine Stärkung der inländischen Produktion und Nachfrage vom Ausland unabhängiger werden. Zweitens will Xi sicherstellen, dass die Volksrepublik für internatio­nale Produktionsnetzwerke unverzichtbar bleibt. Das Land möchte sich also von anderen Märkten lösen, aber diese sollen von chinesischen Lieferungen ab­hängig bleiben.135

Sollte Xi damit Erfolg haben, Chinas Grenzen für Importe, Menschen und Kapital zu schließen, wer­den es Europa und der Rest der Welt schwer haben, irgendeinen Einfluss auf die Volksrepublik zu neh­men. Doch während die Würfel in Peking offenbar schon gefallen sind, debattiert Europa weiter eifrig über das Für und Wider einer engen Zusammenarbeit mit dem Land. Zugleich wird die Entwicklung einer einheitlichen europäischen Politik von China rege bekämpft. Hat Peking dabei eine Chance, sich durch­zusetzen?

Konventionelle und unkonventionelle Optionen für Europa

Heute stellt sich recht dringlich die Frage, wie die Europäische Union ihre Außenwirtschaftsbeziehungen zu China neu gestalten soll. Welche Optionen hat die EU angesichts der Abwendung des Landes von der internationalen Arbeitsteilung? Soll sie weiter unterstellen, dass die asymmetrische Offenheit der chinesischen Volkswirtschaft – die weniger für Importe als für Exporte gilt – über kurz oder lang Geschichte sein wird? Oder wäre es nicht angemes­sener, neue Wege ohne Einbeziehung Chinas zu beschreiten?

In der Handelspolitik gibt es, vereinfacht gesagt, drei Optionen. Die erste ist, den Status quo fortzuschreiben. Dies bedeutet, auf eine Weiterentwicklung der Welthandelsorganisation zu verzichten. Denn weder wird sich China zu einer Marktwirtschaft wan­deln, noch werden die USA der anhaltenden Miss­achtung der WTO-Prinzipien durch Peking zusehen und einer Stärkung der Organisation zustimmen. Die WTO wird dabei nicht verschwinden, aber in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Zweite Option ist, die WTO neu zu gründen und einige ihrer heutigen strukturellen Mängel zu besei­tigen. Dies würde den Ausschluss von Mitgliedern bedeuten, deren Ökonomien sehr stark vom Staat geprägt werden. Es handelt sich dabei um Formen eines staatlich durchdrungenen Kapitalismus.136 Das wichtigste Modell für diese nicht marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften ist China. In einer WTO gleichgesinnter Staaten könnten die heutigen Blockaden vermutlich überwunden werden. Allerdings zerfiele die Welt dann in einen freiheitlich geprägten Teil und den von China angeführten Block illiberaler Staaten.

Dritte Variante ist die Schaffung eines handels­politischen Clubs gleichgesinnter Staaten in einer großen Freihandelszone.137 Möglich wäre hier, dass die 38 Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine gemeinsame Freihandelszone entwickeln. Die OECD hat anlässlich des 50. Jahrestages ihrer Grün­dung im Jahr 2011 bekräftigt, eine Gemeinschaft demokratischer Marktwirtschaften zu sein. Im dama­ligen Abschlussdokument heißt es:

»Die OECD-Mitglieder stellen nach wie vor eine Gemeinschaft von Nationen dar, die sich den Werten der Demokratie auf der Grundlage von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten sowie der Einhaltung offener und transparenter marktwirtschaftlicher Prinzipien verpflichtet fühlen.«138

Auch wenn die OECD nicht gegründet wurde, um handelspolitische Zusammenarbeit zu organisieren, ist der Kreis ihrer Mitglieder als Plattform für eine Kooperation im neuen geopolitischen Konflikt sehr geeignet. Die relative Homogenität der OECD würde es ermöglichen, die Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien sowie rechtsstaatlicher Verfahren zur Con­ditio sine qua non des handelspolitischen Clubs zu machen. Die OECD-Freihandelszone könnte für alle Staaten offen sein, die bereit wären, diese Anforderungen zu erfüllen.

Allerdings würde der Prozess, eine solche Freihandelszone zu schaffen, vermutlich recht viel Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb wäre auch denkbar, eine bestehende Freihandelszone zu einer neuen, globalen Gruppe auszubauen. Nutzen ließe sich dafür etwa das bereits existierende Abkommen von Pazifikanrainern – das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP). Dieses Format, ursprünglich als Trans-Pacific Partnership (TPP) bekannt, böte die Grundlage, um ein vergleichsweise ambitioniertes Abkommen abzuschließen und dort die Handelsbeziehungen der wichtigsten Industrieländer weiterzuentwickeln.

Kritiker dieser Vorschläge werden einwenden, es sei unsinnig, die internationalen Wirtschaftsbeziehungen ohne China voranbringen zu wollen. Die beiden früheren SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und Rudolf Scharping etwa erklärten im März 2021, dass China nicht unter »globalen Hausarrest« gestellt werden könne.139 Gabriel und Scharping folgen un­beirrt der bekannten Linie sozialdemokratischer Außenpolitik, deren Mantra seit den 1960er Jahren »Wandel durch Handel« ist.140 Beide Politiker spra­chen sich dafür aus, nicht nur den Ansatz Willy Brandts, sondern auch den von Gerhard Schröder weiterzuverfolgen. Wenn Schröder während seiner Kanzlerschaft Russland oder China besuchte, sorgte er stets dafür, dass das Geschäft mehr zählte als poten­tiell schwierige Debatten über Menschenrechte oder die Behandlung von Minderheiten.141 Schröder selbst hat im März 2021 mit deutlichen Worten eine »moralisierende Außenpolitik« gegenüber China abgelehnt und die Einschätzung, er setze auf wirt­schaftliche Zusammenarbeit, bestätigt. Europa solle sich nicht, wie von Präsident Biden gewünscht, in einen kalten Handelskrieg hineinziehen lassen, so der Altkanzler.142

Auch im indo-pazifischen Raum findet die Idee, mit China weiter zu kooperieren, prominente Unter­stützung. Der frühere australische Premierminister Kevin Rudd etwa betont, trotz aller Meinungs­verschiedenheiten müsse es gegenüber Peking ein »Minimum an strategischem Vertrauen« geben. Beide Seiten würden dann schon erkennen, wie sehr die Zusammenarbeit dabei helfe, globale Herausforderungen zu bewältigen.143

Allerdings ist zu fragen, wie lange an der Hoffnung, China werde sich wandeln, noch festgehalten werden kann und soll. Es gibt gegenwärtig keine An­haltspunkte, dass diese Erwartung triftig wäre. Die Führung in Peking hingegen hat deutliche Schritte zur Dissoziation der Volksrepublik vom Weltmarkt unternommen. Vor diesem Hintergrund scheint es vollkommen angemessen, Konzepte zu entwickeln, wie sich die internationalen Wirtschaftsbeziehungen unter Ausschluss Chinas neu organisieren lassen.

Wenn man davon ausgeht, dass Peking mit seinen Weichenstellungen marktwirtschaftliche Verfahren zur Allokation von Ressourcen weiter reduzieren will, so ist zu klären, ob eine neue WTO ohne China oder eine Freihandelszone gleichgesinnter Staaten die sinnvollere Antwort wäre. Gewiss hätte die Neugründung der WTO Vorteile, weil einige ihrer heutigen Schwächen – etwa das Fehlen von Kriterien zur Einstufung einer Volkswirtschaft als Entwicklungsland – beseitigt werden könnten. Aber dieser Weg hätte den gravierenden Nachteil, die ohnehin vorhan­denen Spannungen mit China weiter eskalieren zu lassen und zugleich Staaten zu zwingen, sich für eine Mitgliedschaft in der alten oder der neuen WTO zu entscheiden.

Daher spricht viel für die Aufwertung einer vorhandenen Freihandelszone zum Club marktwirtschaftlicher Volkswirtschaften. Und anbieten würde sich eben CPTPP. Das Vereinigte Königreich hat 2021, nach seinem Austritt aus der EU, bereits eine Auf­nah­me in diese indo-pazifische Freihandelszone beantragt.144 Sowohl die Europäische Union als auch die USA könnten folgen. Ein Beitritt der EU zum CPTPP wurde bereits von mehreren Beobachtern vorgeschlagen.145 Bevor sich der Vertrag um EU und USA erwei­tern ließe, müssten einige seiner Dimensionen wohl neu verhandelt werden.

Es scheint verwegen, dass die EU einem transpazifischen Abkommen beitritt – doch ist sie in der Region als Handelspartner sehr präsent.

CPTPP ist ein vergleichsweise ambitioniertes Abkommen, beinhaltet die Regulierung von Dienstleistungen und gibt, ähnlich wie die WTO, Liberalisierungsschritte vor, die automatisch zu implementieren sind.146 Es reguliert eine Reihe von aktuellen Feldern, die in der WTO nur unzureichend berücksichtigt werden. Dazu gehört nicht nur die Rolle von Staats­unternehmen, sondern auch Warenhandel im Inter­net (E‑Commerce) und der Zugang zu den nationalen Märkten für Agrarprodukte.147 CPTPP verfügt über gleich drei Verfahren zur Streitschlichtung, darunter ein spezifisches Prozedere für arbeits- und umwelt­politische Konflikte.148

Dabei könnte CPTPP durchaus offen für China sein.149 Zumindest theoretisch könnte das Land seine Wirtschaftspolitik revidieren und die Subventionierung von Industrieunternehmen so verändern, dass der Wettbewerb mit Firmen aus OECD-Ländern nicht mehr gravierend verzerrt wird.150 Dies ist gegenwärtig freilich eine Illusion, und auch für absehbare Zeit ist nicht damit zu rechnen, dass China sein Wirtschaftssystem strukturell umbaut.

Die USA könnten zur transpazifischen Freihandelszone zurückkehren, die unter Präsident Barack Obama vorangebracht worden war. Sie würden damit eine Entscheidung der Regierung Trump revidieren. Präsident Biden müsste hierzu seine China-Politik nicht modifizieren. Denn das ursprüngliche TPP ent­hielt bewusst hohe Anforderungen, um China de fac­to auszuschließen. Das Land hätte dem TPP grund­sätzlich beitreten können, dafür aber seine Wirtschaft stark umgestalten müssen. So wäre ein fundamen­taler Wandel nötig gewesen, was die Rolle von Staats­unternehmen, staatliche Subventionen und den Schutz von Arbeitnehmern angeht.151

Ein Beitritt der Europäischen Union zu einem transpazifischen Abkommen scheint zwar auf den ersten Blick ein verwegener Vorschlag zu sein. Doch tatsächlich ist die EU als Handelspartner in der Region sehr präsent. Sie verhandelt zudem mit allen Mitgliedsländern des CPTPP (abgesehen von Brunei) über ein Freihandelsabkommen oder hat ein solches bereits abgeschlossen, Letzteres etwa jeweils mit Mexiko und Kanada. Die Agrarpolitik der EU, die von einigen Mitgliedern des CPTPP als protektionistisch wahrgenommen wird, wäre eine nennenswerte Hürde für einen Beitritt. Allerdings muss die EU auch bei den Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland, über die gegenwärtig verhandelt wird, einen Weg finden, wie sich mit wettbewerbsfähigen Agrarproduzenten kooperieren lässt.152

Ein wichtiger Schritt, um das CPTPP weiterzuentwickeln, wäre dessen Umbenennung. Charles D. Lake vom Peterson Institute in Washington hat vorgeschlagen, das Abkommen künftig als »Comprehensive Agreement for International Partnership« (CAIP) zu bezeichnen und den regionalen Bezug komplett auf­zugeben.153 Letzteres ist jedenfalls unverzichtbar. Eine denkbare Alternative wäre »Global Trade and Service Agreement« (GTSA).

Eine Freihandelszone, an der die EU, die USA, Japan und Großbritannien teilnähmen, wäre ein massiver Block. USA und EU könnten in diesem Club ihre anhaltenden handelspolitischen Konflikte mög­licherweise eher lösen als auf bilateraler Ebene. Die Freihandelszone müsste allen beitrittswilligen Volks­wirtschaften offenstehen, sofern sie bereit wären, die Bedingungen einer Mitgliedschaft zu erfüllen.

Die marktwirtschaftlich geprägten Ökonomien, die gegenwärtig angespannt auf die neuesten Ent­scheidungen in Peking blicken, würden das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Wie in dieser Studie gezeigt, hat sich die chinesische Führung ohnehin entschlossen, die bisherige asymmetrische Öffnung hin zum Weltmarkt zumindest partiell zu beenden und auf autozentrierte Entwicklung zu setzen. Eine Freihandelszone marktwirtschaftlich geprägter Länder würde den gegenwärtigen Zustand ungenügender Regulierung beenden und könnte zugleich für einen Liberalisierungsschub sorgen.

Schlussbemerkungen: Europa hat die Wahl

Für europäische Führungskräfte in Politik und Wirt­schaft hat sich die Romanze mit China in eine schwie­rige Beziehung verwandelt. Nach Jahren relativer Harmonie und gegenseitigen ökonomischen Nutzens kriselt das Verhältnis zusehends. Es ist zwar schwer, ein genaues Datum zu nennen, doch dürfte 2018 die Entzweiung zwischen China und der EU begonnen haben. Im selben Jahr startete US-Präsident Trump seinen Handelsstreit mit Peking.

Wenn China den autoritären Vormarsch fortsetzt, stehen die politischen Entscheidungsträger in Europa, Asien und den USA vor einer zentralen Frage: Kommt bald schon die letzte Gelegenheit, sich einem aufstre­benden Unterdrückungsstaat entgegenzustellen? Mit anderen Worten: Müssen Europa und die Welt dem­nächst eine Antwort darauf liefern, wie lange sie noch mit einem totalitären und das Völkerrecht igno­rierenden Regime eng zusammenarbeiten wollen?

Die Anhaltspunkte verdichten sich, dass Chinas Staats- und Parteiführung die heutige internationale Ordnung nicht nur skeptisch betrachtet, sondern zentrale Grundannahmen der Westfälischen Systems missachtet. Dazu gehört das Prinzip staatlicher Souve­ränität – die grundlegende Norm, auf der eine Ge­sellschaft von Staaten letztlich ruht.154 China hinge­gen scheint von einer differenzierten Souveränität – je nach Größe und Macht des betroffenen Landes – auszugehen. Im Jahr 2010 sagte Pekings damaliger Außenminister Yang Jiechi in einer erhitzten Debatte mit Amtskollegen der ASEAN-Gruppe, China sei ein großes Land, andere Länder seien klein, und dies sei eine Tatsache.155

Die Annahme, dass China ein Sonderfall sei und über eine spezifische Souveränität verfüge, ist in der politischen Kultur des Landes tief verwurzelt. China wird dabei als einziger Staat betrachtet, der keine echten internationalen Pendants habe. Der europäische Gegenentwurf geht indes seit den Verträgen von Münster und Osnabrück im Jahr 1648 von der Exis­tenz grundsätzlich gleichberechtigter Staaten aus.156 Diese fundamentalen Differenzen werden auch in den kommenden Jahren die Zusammenarbeit zwischen der Volksrepublik und den EU-Staaten er­schweren.

Auch beim Disput um die Inseln im Südchinesischen Meer missachtet die chinesische Regierung die Normen des Völkerrechts und setzt eigene Interessen rücksichtslos durch. Der Ständige Schiedshof in Den Haag hat entsprechende Gebietsansprüche Pekings als ungerechtfertigt zurückgewiesen. Doch China igno­riert diesen Spruch und fährt fort, auf den Inseln des Meeres seine Militärstützpunkte auszubauen und Land aufzuschütten.157

Vor diesem Hintergrund müssen die europäi­schen Staaten, ebenso wie alle anderen Länder, eine Wahl treffen und sich entscheiden, ob sie weiterhin Geschäfte mit China machen und deren politische Kosten ignorieren wollen. Sollen die EU-Staaten mit einem autoritären Regime paktieren oder sich mit gleichgesinnten, politisch liberalen Gesellschaften verbünden?

Waren die Europäer historisch gesehen eher ge­neigt, dem amerikanischen Beispiel zu folgen, so hat die Außenpolitik von Donald Trump eine solche Haltung erschwert. Viele Europäer hätten es intuitiv vorgezogen, die Zusammenarbeit ebenso mit Wa­shington wie mit Peking zu reduzieren. Im Februar 2020 appellierte der damalige US-Justizminister William Barr an die Einigkeit der Demokratien:

»Im Laufe der Geschichte haben sich freie Gesellschaften mit unfreien Gegnern auseinander­gesetzt. In entscheidenden Momenten haben sie die notwendige Einheit und Zielstrebigkeit erreicht, um zu siegen; nicht weil sie dazu gezwungen wurden, sondern weil sie sich frei dafür entschieden haben. Wir müssen diese Wahl heute treffen.«158

Gewiss, diese Forderungen sind von einem in der amerikanischen Politik weitverbreiteten Pathos getra­gen. Doch die Hoffnung mancher Europäer ist trüge­risch, man könne im Konflikt mit einem autoritären Staat, der nach Hegemonie strebt, eine gemäßigte Position einnehmen. Die neue Außenpolitik der KPCh unter Führung von Generalsekretär Xi Jinping hat die Bedingungen für den Umgang mit China verändert. Der Wandel in den Beziehungen der Volksrepublik zu anderen Staaten hat seinen Ursprung also in Peking. Xis Regime strebt nicht nach Ausgleich, son­dern nach Dominanz. Die neue Politik Chinas gefähr­det dabei nicht nur die politische Freiheit in vielen anderen Ländern, sondern langfristig auch die wirt­schaftlichen Entwicklungsperspektiven in der Volks­republik selbst.

Einige liberal-demokratische Staaten haben sich bereits entschieden, der autoritären Herausforderung selbstbewusst zu begegnen. China wird die USA auch in den kommenden Jahrzehnten nicht als Hegemo­nialmacht ablösen – was umso mehr gilt, wenn es Washington gelingen wird, sich wieder auf koope­ratives Handeln zu besinnen und die bestehenden globalen Bündnisstrukturen zu erneuern.159

Europa hat aus dem Kalten Krieg der Vergangenheit hinreichende Erfahrung im Umgang mit tota­litären Staaten. In den vier Jahrzehnten des Ost-West-Konflikts schafften es die europäischen Länder, gleich­zeitig mit der UdSSR zu kooperieren, mit ihr zu konkurrieren und sie abzuwehren.160 Die EU-Staaten könnten sich dafür entscheiden, gegenüber China abermals die gesamte Bandbreite solcher Ansätze zu nutzen. Allerdings spielte im Kalten Krieg von damals der Handel eine sehr geringe Rolle. Anders als die Sowjetunion ist die Volksrepublik nicht nur ein systemischer Wettbewerber, sondern auch ein wich­tiger Wirtschaftspartner. Für das gesamte Jahr 1987 belief sich das Handelsvolumen zwischen den Ver­einigten Staaten und der UdSSR auf zwei Milliarden US-Dollar. Diesen Wert erreichte der amerikanisch-chinesische Handel 2018 pro Tag.161

Es ist jedoch schwierig einzuschätzen, welche Politik Xi Jinping künftig zu betreiben gedenkt. Wie die Generalsekretäre der KPdSU vor Michael Gorba­tschow könnte er beabsichtigen, mit westlichen Gesellschaften auf allen Ebenen nur einen geringen Austausch zu pflegen – von akademischen und kulturellen Kontakten bis hin zu Handel und Finan­zen. Die meiste Zeit der chinesischen Geschichte waren die Machthaber des Landes nicht an wirtschaftlichen und anderen Beziehungen mit dem Westen interessiert.

Für die europäischen Länder ist der Konflikt zwischen China und den USA aber auch eine große Chance, ihre Beziehungen in ganz Asien zu vertiefen. Denn angesichts des arroganten und aggressiven Auftretens der Volksrepublik wollen andere Staaten des indo-pazifischen Raums – von Indien über Japan und Vietnam bis Australien – ihre Außen- und Außenwirtschaftspolitik diversifizieren.

Natürlich hätten viele Europäer gerne mehr Optionen. Aber wenn, wie der ehemalige US-Finanz­minis­ter Hank Paulson angedeutet hat, ein neuer Eiserner Vorhang wirtschaftlicher Art entstehen wird, gibt es vermutlich tatsächlich nur die Wahl zwischen einem der beiden Lager. Die erratische Politik eines Donald Trump und die Schwierigkeiten mit der Regierung Joe Bidens sollten die Europäer nicht von der Erkenntnis abhalten, dass sie zum liberalen Lager gehören. Die europäischen Staaten sollten sich daher den demokra­tischen Kräften anschließen und die wirtschaftlichen Kosten eines solchen Vorgehens in Kauf nehmen.

Abkürzungen

APEC Asia-Pacific Economic Cooperation

BDI Bundesverband der Deutschen Industrie

BIP Bruttoinlandsprodukt

CAIP Comprehensive Agreement for International Partnership

CPTPP Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership

EU Europäische Union

EZB Europäische Zentralbank

G7 Gruppe der Sieben (die sieben führenden westlichen Industriestaaten)

GTSA Global Trade and Service Agreement

IIF Institute of International Finance (Washington, D.C.)

IMF International Monetary Fund

IW Institut der Deutschen Wirtschaft (Köln)

IWF Internationaler Währungsfonds

KI Künstliche Intelligenz

KPCh Kommunistische Partei Chinas

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

TPP Trans-Pacific Partnership

VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau

WTO World Trade Organization (Welthandels­organisation)

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Endnoten

1

 European Commission, EU-China – A Strategic Outlook. Joint Communication of the European Commission and the High Representative of the Union for Foreign Affairs to the Euro­pean Parliament, the European Council and the Council, Straßburg, 12.3.2019, <https://ec.europa.eu/info/sites/ default/files/communication-eu-china-a-strategic-outlook. pdf>; Axel Berkofsky, »The EU and China. From ›Strategic Partners‹ to ›Systemic Rivals‹«, in: ders./Gulia Scio­rati (Hg.), Mapping China’s Global Future. Playing Ball or Rocking the Boat?, Mailand: Italian Institute for Inter­national Political Studies, Januar 2020, S. 100–111 (100), <https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/ ispi_mappingchina_web_1.pdf> (alle URLs dieser Studie zuletzt einge­sehen am 3.12.2021).

2

 Andrew Small, The Meaning of Systemic Rivalry: Europe and China beyond the Pandemic, European Council on Foreign Relations, Mai 2020 (Policy Brief), S. 2, <https://ecfr.eu/ archive/page/-/the_meaning_of_systemic_rivalry_europe_ and_china_beyond_the_pandemic.pdf>.

3

 European Commission, EU-China – A Strategic Outlook [wie Fn. 1].

4

 Eurostat, China-EU – International Trade in Goods Statistics, <https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/ China-EU_-_international_trade_in_goods_statistics>.

5

 Simon Book/Simon Hage/Claus Hecking, »Globale Rückholaktion«, in: Der Spiegel, 24.7.2021, S. 64–67 (65).

6

 Das Mittel der »Sharp Power« ist zwischen dem Buhlen um Sympathie (»Soft Power«) und dem Einsatz militärischer Macht (»Hard Power«) angesiedelt. Bei dieser Methode geht es darum, Wirkung durch Manipulation der öffentlichen Meinung in anderen Ländern zu erzielen.

7

 Werner Plumpe, Das Kalte Herz. Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution, Berlin 2019, S. 540.

8

 David H. Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson, The China Shock: Learning from Labor Market Adjustment to Large Changes in Trade, Cambridge, Mass.: National Bureau of Economic Research, Januar 2016 (Working Paper 21906).

9

 Alan S. Blinder, »The Free-Trade Paradox. The Bad Politics of a Good Idea«, in: Foreign Affairs, 98 (2019) 1, S. 119–128 (120).

10

 Ebd., S. 122.

11

 Autor/Dorn/Hanson, The China Shock [wie Fn. 8], S. 1.

12

 Dinny McMahon, China’s Great Wall of Debt. Shadow Banks, Ghost Cities, Massive Loans, and the End of the Chinese Miracle, Boston/New York 2018, S. 167.

13

 Adam Soboczynski, »Made in China«, in: Die Zeit, 2.4.2020, S. 45.

14

 Eine solche Politik spiegelt Gedanken wider, die John Maynard Keynes 1933 zur wirtschaftlichen Autarkie entwickelte. Keynes unterstützte die seinerzeit populäre Abkehr von der internationalen Arbeitsteilung. Er schlug vor, Waren »selbst herzustellen, wann immer es vernünftigerweise und auf zweckmäßige Weise möglich ist«. Dabei war sich Keynes des potentiellen Wohlstandsverlustes bewusst, der daraus resultieren würde, die internationale Arbeitsteilung aufzugeben. Er wies auf den Zusammenhang zwischen relativem Wohlstand und den daraus resultierenden Wahlmöglichkeiten hin. Wie er feststellte, würde nationale Selbstversorgung etwas kosten, doch könnte sie zu einem erschwinglichen Luxus werden, sofern Gesellschaften diese Politik präferieren sollten. John Maynard Keynes, »National Self-Sufficiency«, in: The Yale Review, 22 (Juni 1933) 4, S. 755–769 (758, 760).

15

 Kat Devlin/Laura Silver/Christine Huang, »U.S. Views of China Increasingly Negative amid Coronavirus Outbreak«, Pew Research Center, 21.4.2020, <https://www.pewresearch. org/global/2020/04/21/u-s-views-of-china-increasingly-negative-amid-coronavirus-outbreak/>.

16

German Worldviews in Times of COVID-19, abrufbar unter <https://www.koerber-stiftung.de/fileadmin/user_upload/ koerber-stiftung/redaktion/the-berlin-pulse/pdf/2020/Koerber_ TheBerlinPulse_Sonderausgabe_Grafikteilenglisch.pdf>.

17

 Die neun Länder sind: Schweden, Dänemark, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Belgien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Laura Silver/Kat Dev­lin/Christine Huang, »Unfavorable Views of China Reach Historic Highs in Many Countries«, Pew Research Center, 6.10.2020, <https://www.pewresearch.org/global/2020/10/06/ unfavorable-views-of-china-reach-historic-highs-in-many-countries/>.

18

 »How Sweden Copes with Chinese Bullying«, in: The Economist, 20.2.2020 (eigene Übersetzung).

19

 Tom Mitchell, »Pushing Back on China«, in: Financial Times, 12.9.2018, S. 7.

20

 European Commission, EU-China – A Strategic Outlook [wie Fn. 1].

21

 Small, The Meaning of Systemic Rivalry [wie Fn. 2], S. 5.

22

 Economist Intelligence Unit, Country Report Italy, 16.4.2020, S. 39.

23

 Elizabeth C. Economy, »China’s New Revolution. The Reign of Xi Jinping«, in: Foreign Affairs, 97 (2018) 3, S. 60–74 (60).

24

 Ebd., S. 69.

25

 Asia Society, Dealing with the Dragon. China as a Trans­atlantic Challenge. A Joint Report of Bertelsmann Stiftung, Program Germany and Asia, The Asia Society Center on U.S.-China Relations, China Policy Program, George Washington University, 29.6.2020, S. 11 (eigene Übersetzung), <https://asiasociety.org/sites/ default/files/inline-files/Dealing% 20with%20the%20Dragon_ Report_25.06.20.pdf>.

26

 Ebd., S. 12.

27

 »China’s Growth Prospects: Automatic for the People«, in: The Economist, 14.8.2021, S. 27.

28

 Das Australian Strategic Policy Institute hat hierzu um­fangreiche Dokumentationen vorgelegt. Vgl. »The Xinjiang Data Project«, im Internet verfügbar unter <https://xjdp.aspi. org.au/>.

29

 Dana Heide/Moritz Koch/Till Hoppe/Hans-Peter Sieben­haar, »EU-China-Gipfel: Das Ende der Illusionen«, in: Handelsblatt, 14.9.2020, S. 8.

30

 Dazu mehr im Abschnitt »Ist ein Abbruch der wirt­schaftlichen Beziehungen zu China eine Option?«, S. 22.

31

 »EU Parliament ›Freezes‹ China Trade Deal over Sanctions«, in: The Guardian, 20.5.2021, <https://www.theguardian.com/world/2021/may/20/eu-parliament-freezes-china-trade-deal-over-sanctions>.

32

 Dana Heide/Till Hoppe/Moritz Koch/Thomas Sigmund, »EU greift Chinas Staatswirtschaft an«, in: Handelsblatt, 12.5.2020, S. 6.

33

 Tom Fairless, »China, Germany Shift from Allies to Rivals«, in: The Wall Street Journal, 18.9.2020, S. A1.

34

 Emilian Kavalski, »How China Lost Central and Eastern Europe«, in: The Conversation, 27.7.2020.

35

 Ebd.

36

 Ebd.

37

 Ebd.

38

 Yuen Yuen Ang, »Autocracy with Chinese Characteristics. Beijing’s Behind-the-Scenes Reforms«, in: Foreign Affairs, 97 (2018) 3, S. 39–46 (41).

39

 Economy, »China’s New Revolution« [wie Fn. 23], S. 61; Thorsten Benner/Jan Gaspers/Mareike Ohlberg/Lucrezia Poggetti/Kristin Shi-Kupfer, Authoritarian Advance. Responding to China’s Growing Political Influence in Europe, Report of the Global Public Policy Institute and the Mercator Institute for China Studies, Februar 2018, S. 7, <https://www.merics. org/sites/default/files/2018-02/GPPi_MERICS_Authoritarian_ Advance_2018_0.pdf>.

40

 Odd Arne Westad, »The Sources of Chinese Conduct. Are Washington and Beijing Fighting a New Cold War?«, in: Foreign Affairs, 98 (2019) 5, S. 86–95 (87).

41

 Christopher Walker/Jessica Ludwig, »The Meaning of Sharp Power. How Authoritarian States Project Influence«, in: Foreign Affairs, 16.11.2017 (eigene Übersetzung), <https://www.foreignaffairs.com/articles/china/2017-11-16/meaning-sharp-power>.

42

 Christopher Walker, »What is ›Sharp Power‹?«, in: Journal of Democracy, 29 (2018) 3, S. 9–23 (11).

43

 Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Das chinesische Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone Hongkong in der rechtlichen Diskussion, Berlin, 17.6.2020 (WD 2 – 3000 – 049/20).

44

 Reinhard Bütikofer, »Europas Chinapolitik: Raus aus der Appeasement-Falle«, in: Der Tagesspiegel, 17.6.2020, S. 6.

45

 Eckhard Lübkemeier/Volker Stanzel, »Sanktionen gegen China sollten kein Tabu sein«, in: Die Welt, 30.6.2020, S. 2.

46

 Johann David Wadephul, »Hongkong: Ein Lackmustest für das Ansehen Chinas«, in: Die Welt, 22.7.2020, S. 2.

47

 Georg Fahrion/Christiane Hoffmann/Laura Höflinger/ Peter Müller/Jörg Schindler/Bernhard Zand, »Anti-Stimmung in Europa, USA, Indien: Alle gegen China«, in: Der Spiegel, 20.6.2020, S. 70–73 (72).

48

 AHK Greater China, German Business in China. Business Confidence Survey 2020/21, S. 4, <https://china.ahk.de/market-info/economic-data-surveys/business-confidence-survey/>. Allerdings überraschen einige der Ergebnisse der Umfrage. So gaben 70 Prozent der 490 Befragten an, ihr Unternehmen sei mit keinerlei Beschränkungen beim Marktzugang in China konfrontiert. Bei einer Erhebung von 2019 hatten das nur 37 Prozent bekundet. Dieser Sprung wirft Fragen auf. Haben sich die Investitionsbedingungen so deutlich verbessert? Oder antworten die betreffenden Manager so, um die chinesische Politik nicht zu verstimmen? Wenn mehr als zwei Drittel von ihnen keine Hürden für Investitionen in China konstatieren, stellt sich außerdem die Frage, wozu die EU überhaupt ein Investitionsschutzabkommen mit dem Land benötigt.

49

 Daniel-Dylan Böhmer/Maximilian Kalkhoff/Christoph B. Schiltz, »Die China-Illusion«, in: Welt am Sonntag, 9.5.2021, S. 2.

50

 Nicolas R. Lardy, The State Strikes Back. The End of Economic Reform in China?, Washington, D.C.: Peterson Institute for International Economics, 2019, S. 2.

51

 Ebd., S. 17.

52

 Ebd., S. 19.

53

 Dana Heide, »Alles unter Kontrolle: Wie die KP in China Wirtschaft und Gesellschaft beherrscht«, in: Handelsblatt, 1.7.2021.

54

 Diese wird auch als totale Faktorproduktivität bezeichnet. Sie misst die Effizienz einer Volkswirtschaft. Die Ver­änderungsrate der totalen Faktorproduktivität gibt den An­teil des Wachstums einer Volkswirtschaft an, der nicht auf eine Steigerung des Einsatzes der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zurückzuführen ist. Diese Kennzahl gilt als Ausdruck des technischen Fortschritts und der Effizienz­steigerung. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW Glossar: Totale Faktorproduktivität, <https://www.diw.de/de/ diw_01.c.430429.de/presse/glossar/totale_faktorproduktivi taet.html>.

55

 Yangun Zhang, »Productivity in China: Past Success and Future Challenges«, in: Asia-Pacific Development Journal, 24 (2017) 1, S. 1–21 (4).

56

 Paul Krugman, »The Myth of Asia’s Miracle«, in: Foreign Affairs, 73 (1994) 6, S. 62–78 (64).

57

 Ebd. (eigene Übersetzung).

58

 Ebd., S. 63.

59

 Ebd.

60

 Ebd., S. 67; Mingkang Liu, Total Factor Productivity in China: Current Conditions, Problems, and Policy Solutions, Hong­kong: Lau Chor Tak Institute of Global Economics and Finance, The Chinese University of Hong Kong, Dezember 2017 (Working Paper Nr. 63), S. 2.

61

 Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), Economic Survey China, Paris, April 2019.

62

 Zhang, »Productivity in China« [wie Fn. 55], S. 13.

63

 Liu, Total Factor Productivity in China [wie Fn. 60], S. 4f.

64

 Lardy, The State Strikes Back [wie Fn. 50], S. 105f.

65

 Zhang, »Productivity in China« [wie Fn. 55], S. 13.

66

 International Monetary Fund (IMF), People’s Republic of China 2019 Article IV Consultation, Washington, D.C., August 2019 (IMF Country Report Nr. 19/266), S. 31.

67

 OECD, Economic Survey China [wie Fn. 61], S. 44.

68

 Liu, Total Factor Productivity in China [wie Fn. 60], S. 6.

69

 Daniel C. Lynch, »Is China’s Rise Now Stalling?«, in: The Pacific Review, 32 (2019) 3, S. 446–474 (452).

70

 Ebd., S. 453.

71

 CIA, The World Factbook, Total Fertility Rate, <https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/rankorder/2127rank.html>.

72

 Nicole Bastian/Dana Heide/Stephan Scheuer, »Pekings Fünfjahresplan: Chinas Angriff auf die Weltwirtschaft – die nächste Phase hat begonnen«, in: Handelsblatt, 26.2.2021, S. 50.

73

 »China Birthrate Slumps as Experts Blame Changing Attitudes«, in: The Guardian, 21.2.2021, <https://www.the guardian.com/world/2021/feb/10/china-birthrate-slumps-experts-blame-changing-attitudes>.

74

 Liu, Total Factor Productivity in China [wie Fn. 60], S. 12.

75

 »The Chinese Economy: Ten-year Hangover«, in: The Economist, 17.11.2018, S. 35.

76

 Dies lag auch am Kursanstieg des US-Dollars gegenüber den Währungen der Schwellenländer. Institute of Inter­national Finance, Global Debt Monitor, Washington, D.C., 18.11.2020.

77

 Kenji Kawase, »China’s Housing Glut Casts Pall over Economy«, in: Financial Times, 20.2.2019, <https://www.ft. com/content/51891b6a-30ca-11e9-8744-e7016697f225>.

78

 Zitiert nach Kay Möller, »Germany and China: A Continental Temptation«, in: The China Quarterly, (1996) 147, S. 706–725 (706).

79

 Eurostat, EU-28 Exports to and Imports from China, abrufbar unter <https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/ index.php?title=File:EU-28_exports_to_and_imports_from_ China_by_product_group,_%202008_and_2018.png>.

80

 Möller, »Germany and China« [wie Fn. 78], S. 707.

81

 Ebd., S. 717.

82

 Ebd.

83

 Kenji Kawase, »China’s Commercial Jet Ambitions Shaken as US Blacklists COMAC«, Nikkei Asia, 15.1.2021, <https://asia.nikkei.com/Business/Aerospace-Defense/China-s-commercial-jet-ambitions-shaken-as-US-blacklists-COMAC>.

84

 Jürgen Matthes, Zur Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China im Außenhandel – eine Faktensammlung, Köln: Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), 19.12.2019 (IW-Report 43/2019), S. 28ff.

85

 »Germany’s China Policy: Out of Date«, in: The Economist, 18.7.2020, S. 24.

86

 Matthes, Zur Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China im Außenhandel [wie Fn. 84], S. 32.

87

 Gabriel Felbermayr/Steffen Gans/Hendrik Mahlkow/ Alexander Sandkamp, Decoupling Europe, Kiel: Institut für Weltwirtschaft, Juli 2021 (Kiel Policy Briefs, Nr. 153), S. 7.

88

Ebd., S. 13.

89

Möller, »Germany and China« [wie Fn. 78], S. 724 (eigene Übersetzung).

90

 Zwei Steamcracker bilden das Kernstück des BASF-Werks in Ludwigshafen, der größte Chemiefabrik der Welt. In den Anlagen wird Rohbenzin mit Hilfe von Dampf auf­gespalten. Dabei entstehen kürzere Moleküle, die die Grund­bausteine für die weitere chemische Produktion darstellen. Das Verfahren besteht aus mehreren Schritten: Zunächst wird das Rohbenzin mit Wasserdampf vermischt und ver­dampft. Anschließend wird es in Öfen auf mehr als 800 Grad Celsius erhitzt. Dabei zerfällt das Rohbenzin in kleinere Bausteine, vor allem Ethylen, Propylen, Butadien, Pyrolyse­benzin und Wasserstoff. BASF, Das Herz des Verbunds, <https://www.basf.com/global/de/who-we-are/organization/ locations/europe/german-sites/ludwigshafen/production/the-production-verbund/Steamcracker.html>.

91

 Johnny Erling, »BASF investiert 10 Milliarden Euro in China«, in: Die Welt, 9.7.2018, <https://www.welt.de/wirt schaft/article179052276/BASF-Chemiekonzern-bekommt-gruenes-Licht-fuer-Standort-in-Guangdong.html>.

92

 Christoph Giesen/Max Hägler, »China: Der Druck auf deutsche Unternehmen steigt«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 9.6.2021, <https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ china-basf-volkswagen-industrie-eu-uiguren-1.5316206? reduced=true>.

93

 Moritz Koch, »Die deutsche Wirtschaft muss sich auf eine Entkopplung von China einstellen«, in: Handelsblatt (online), 12.7.2021.

94

 Fairless, »China, Germany Shift from Allies to Rivals« [wie Fn. 33].

95

 Susanne Ziegert/Jürg Meier, »Der letzte Boom im Geschäft mit China«, in: Neue Zürcher Zeitung, 21.3.2021.

96

 Tobias Kaiser/Frank Stocker/Philipp Vetter, »Neues Gesetz aus Peking alarmiert deutsche Wirtschaft«, in: Die Welt, 15.6.2021, S. 9.

97

 Judy Demsey, »China Focus Comes at a Cost for Ger­many«, in: The New York Times, 3.9.2012.

98

 Noah Barkin, »›Boiled Frog Syndrome‹: Germany’s China Problem«, Reuters, 15.4.2018, <https://www.reuters.com/ article/uk-germany-china-insight/boiled-frog-syndrome-germanys-china-problem-idINKBN1HM03H?edition-redirect=in>.

99

 George Magnus, »Profit or Principle is the Hard Choice for Foreign Companies in China«, in: Financial Times, 31.3.2021, S. 17.

100

 Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Partner und systemischer Wettbewerber – Wie gehen wir mit Chinas staatlich gelenkter Volkswirtschaft um?, Januar 2019, <https://e.issuu.com/embed.html#2902526/66953848>.

101

 Julia Löhr, »Maschinenbauer warnen vor China«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.1.2020, S. 17.

102

 Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), China als Handelspartner und Konkurrent: Abkehr von der »Win-Win-Situation«, 17.12.2020, <https://berlin.vdma. org/viewer/-/v2article/render/57739429>; Bertelsmann Stiftung (Hg.), Was Chinas Industriepolitik für die deutsche Wirt­schaft bedeutet. Szenarien für »Made in China 2025« am Beispiel des deutschen Maschinenbaus, Gütersloh, Dezember 2020, <https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/ BSt/Publikationen/GrauePublikationen/ST_DA_Studie_ Auswirkungen_Chinas_Industriepolitik.pdf>.

103

 Fahrion u.a., »Anti-Stimmung in Europa, USA, Indien« [wie Fn. 47], S. 73.

104

 »Germany’s China Policy: Out of Date«, in: The Economist, 18.7.2020, S. 24.

105

 Thorsten Benner, »Die Furcht der Kanzlerin: Warum Angela Merkel eine Konfrontation mit China um jeden Preis vermeiden will«, in: Der Tagesspiegel, 25.7.2021, S. 4.

106

 Daniel Goffart, »›Notfalls aufs Geschäft verzichten‹«, in: Wirtschaftswoche, 16.7.2021, S. 30.

107

 Löhr, »Maschinenbauer warnen vor China« [wie Fn. 101].

108

 Bundesregierung, Leitlinien zum Indo-Pazifik. Deutschland – Europa – Asien: Das 21. Jahrhundert gemeinsam gestalten, September 2020, <https://www. auswaertiges-amt.de/blob/2380500/ 33f978a9d4f511942c241eb4602086c1/200901-indo-pazifik-leitlinien--1--data.pdf>.

109

 Hendrik Kafsack, »Gemeinsam gegen China«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.5.2021, S. 15.

110

 Möller, »Germany and China« [wie Fn. 78], S. 725.

111

 Susan Ariel Aaronson, »Is China Killing the WTO?«, in: The International Economy, (Winter 2010), S. 40–67 (41).

112

 Ebd., S. 67.

113

 BDI, Partner und systemischer Wettbewerber [wie Fn. 100], S. 4.

114

 European Commission, EU-China – A Strategic Outlook [wie Fn. 1].

115

 Barkin, »›Boiled Frog Syndrome‹« [wie Fn. 98].

116

European Commission, EU-China – A Strategic Outlook [wie Fn. 1].

117

 Ebd., S. 5f (eigene Übersetzung).

118

 Dana Heide/Till Hoppe, »EU drängt auf Chinas Öffnung«, in: Handelsblatt, 21.1.2020, S. 6.

119

 Dominique Patton, »EU, China Agree to Protect 100 of the Other’s Regional Foods«, Reuters, 6.11.2019, <https:// www.reuters.com/article/us-eu-china-food/eu-china-agree-to-protect-100-of-the-others-regional-foods-idUSKBN1XG0XA>.

120

 »Weihnachten wird teuer«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.9.2021, S. 20.

121

 Jacqueline Goebel/Bert Losse, »Wie die Schifffahrt die Inflation anfeuert«, in: Wirtschaftswoche, 21.6.2021, <https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/hohe-frachtraten-wie-die-schifffahrt-die-inflation-anfeuert/ 27300352.html>.

122

 Ebd.

123

 Small, The Meaning of Systemic Rivalry [wie Fn. 2], S. 10.

124

 Ebd.

125

 Economist Intelligence Unit, Country Report Italy [wie Fn. 22], S. 42.

126

 Ebd., S. 39.

127

 »VW-Chef Matthias Müller: Eigene Batteriezell­fertigung wäre ›ein Witz‹«, in: Automobilwoche, 30.8.2016, <https://www.automobilwoche.de/article/20160830/AGENTUR MELDUNGEN/308309970/vw-chef-matthias-mueller-eigene-batteriezellfertigung-waere-ein-witz>.

128

 Book/Hage/Hecking, »Globale Rückholaktion« [wie Fn. 5].

129

 Patrick Welter, »TSMC prüft Bau einer Chipfabrik in Deutschland«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.7.2021, <https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/tsmc-prueft-bau-einer-chipfabrik-in-deutschland-17454452.html>.

130

 Book/Hage/Hecking, »Globale Rückholaktion« [wie Fn. 5].

131

 Timothy Aeppel/Chris Kahn, »Americans Want the Government to Buy U.S.-made Goods, Even if They Cost More«, Reuters, 30.3.2021, <https://www.reuters.com/article/ us-usa-economy-madeinusa-poll-idUSKBN2BM1DA>.

132

 Eric Helleiner, »The Return of National Self-Sufficien­cy? Excavating Autarkic Thought in a De-Globalizing Era«, in: International Studies Review, 2021, S. 1–25 (18).

133

 Alain Bihr, »Warum China den Kapitalismus nicht erfand«, in: Le Monde Diplomatique, 7.11.2019, S. 3.

134

 Gabriel Wildau, »Xi Invokes Mao with Call for ›Self-reliance‹«, in: Financial Times, 13.11.2018, S. 4.

135

 Tetsushi Takahashi, »›A Future in Which China No Longer Needs the World, But the World Cannot Spin without It‹«, in: Financial Times, 16.12.2020; Kevin Rudd, »Short of War. How to Keep U.S.-Chinese Confrontation from Ending in Calamity«, in: Foreign Affairs, 100 (2021) 2, S. 58–71 (61).

136

 Andreas Nölke und Tobias ten Brink prägten diesen Begriff. Im englischen Sprachraum ist die Bezeichnung »state capitalism« geläufiger. Tobias ten Brink/Andreas Nölke, »Staatskapitalismus 3.0«, in: dms – der moderne staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, 6 (2013) 1, S. 21–32.

137

 Jürgen Matthes/Galina Kolev, It’s all about China, stupid! Handelspolitische Perspektiven nach dem Machtwechsel in den USA, Köln: Institut der Deutschen Wirtschaft, Januar 2021 (IW-Policy Paper 1/21), S. 3.

138

 OECD 50th Anniversary Vision Statement, Treffen des OECD-Rates auf Ministerebene, Paris, 25./26.5.2011 (eigene Übersetzung), <https://www.oecd.org/mcm/48064973.pdf>.

139

 Sigmar Gabriel/Rudolf Scharping, »Wir können China nicht unter Hausarrest stellen«, in: Handelsblatt, 25.3.2021, S. 48.

140

 Allerdings reichen die Ursprünge dieses Konzepts sehr viel weiter zurück. Schon der amerikanische Präsident und Politikwissenschaftler Woodrow Wilson (1856–1924) setzte auf politische Konvergenz durch wirtschaftliche Zusammenarbeit. Walter Russell Mead, »The End of the Wilsonian Era«, in: Foreign Affairs, 100 (2021) 1, S. 123–137 (131).

141

 »Kritik an Schröders Prinzip des ›Wandel durch Handel‹«, Deutsche Welle, 4.5.2005, <https://www.dw.com/ de/kritik-an-schr%C3%B6ders-prinzip-des-wandel-durch-handel/a-1572911-0>.

142

 Gerhard Schröder, »Moralisierende China-Politik wird scheitern«, in: Handelsblatt, 4.3.2021, S. 48.

143

 Rudd, »Short of War« [wie Fn. 135], S. 71 (eigene Übersetzung).

144

Yuka Hayashi, »Japan Wants U.S. Back in TPP«, in: The Wall Street Journal, 16.4.2021.

145

 Jürgen Matthes/Galina Kolev, Eine Einordnung von RCEP. Was das regionale Handelsabkommen für die EU und die deutsche Wirtschaft bedeutet – und was nicht, Köln: Institut der Deutschen Wirtschaft, 21.12.2020 (IW-Policy Paper 28/20), S. 17; Wendy Cutler/Peter Grey/Kim Jong-Hoon/Mari Pangestu/ Yoichi Suzuki/Tu Xinquan, Trade in Trouble. How the Asia Pacific Can Step Up and Lead Reforms, o.O.: Asia Society Policy Institute, Mai 2019 (Issue Paper), S. 7, <https://asiasociety.org/sites/ default/files/2019-05/ASPI_Trade%20In%20Trouble_1.pdf>.

146

 Deborah Elms, The Comprehensive and Progressive Trans-Pacific Partnership. Policy Innovations and Impacts, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2019 (Global Economic Dynamics Focus Paper), S. 6.

147

 Charles D. Lake II, A Three-Part Strategy to Take the Com­prehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership to the Next Level, Washington, D.C.: Peterson Institute for International Economics, November 2020 (Rebuilding the Global Economy).

148

 Elms, The Comprehensive and Progressive Trans-Pacific Partnership [wie Fn. 146], S. 17.

149

 China gehört der asiatisch-pazifischen Wirtschafts­gemeinschaft APEC an. TPP wurde aus dieser heraus gegründet und stand der Volksrepublik daher von Beginn an offen. Ebd., S. 18.

150

 Matthes/Kolev, It’s all about China, stupid! [wie Fn. 137] S. 15.

151

 Gary Clyde Hufbauer/Jeffrey J. Schott/Zhiyao Lu, China and the Trans-Pacific Partnership: In or Out?, Washington, D.C.: Peterson Institute for International Economics, 23.6.2020 (Trade and Investment Policy Watch).

152

 Cutler u.a., Trade in Trouble [wie Fn. 145], S. 7.

153

 Lake, A Three-Part Strategy [wie Fn. 147].

154

 Robert Jackson, »Sovereignty in World Politics: A Glance at the Conceptual and Historical Landscape«, in: Political Studies, 47 (1999) 3, S. 431–456 (432).

155

 John Pomfret, »U.S. Takes Tougher Tone with China«, in: Washington Post, 30.7.2010, S. A01.

156

 Mead, »The End of the Wilsonian Era« [wie Fn. 140], S. 132.

157

 Economy, »China’s New Revolution« [wie Fn. 23], S. 69.

158

 William Barr, »Keynote Address of the ›China Initiative Conference‹«, Washington, D.C.: Center for Strategic and International Studies, 6.2.2020 (eigene Übersetzung), <https://www.csis.org/analysis/attorney-general-william-barrs-keynote-address-china-initiative-conference>.

159

 Joseph Nye, »Does China Have Feet of Clay?«, Project Syndicate, 4.4.2019, <https://www.project-syndicate.org/ commentary/five-key-weaknesses-in-china-by-joseph-s--nye-2019-04?barrier=accesspaylog>.

160

 Asia Society, Dealing with the Dragon [wie Fn. 25], S. 18.

161

 »A New Kind of Cold War. Special Report China and America«, in: The Economist, 18.5.2019, S. 3–15 (5).

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