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Piraterie im Golf von Guinea: Greift der Yaoundé-Prozess?

SWP-Studie 2019/S 05, 29.03.2019, 41 Seiten

doi:10.18449/2019S05

Forschungsgebiete

Fregattenkapitän Wolf Kinzel ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika.

Die Staatschefs der westafrikanischen Staaten haben 2013 beschlossen, gemeinsam für mehr maritime Sicherheit im Golf von Guinea zu sorgen. Damit haben sie den nach dem Tagungsort benannten Yaoundé-Prozess in die Wege geleitet. Seitdem hat sich das Risiko von Geiselnahmen auf Schif­fen jedoch erhöht: 2018 entfielen von weltweit 83 entführten Besatzungsmitgliedern 78 Personen auf den Golf von Guinea. Dennoch kann der Yaoundé-Prozess auch Erfolge vorweisen, die auf den ersten Blick in der Statistik nicht erkennbar sind.

Allerdings bleibt festzuhalten, dass diese Fortschritte zum großen Teil nur mit umfangreicher internationaler Hilfe erreicht worden sind und es auch Rückschläge gab. Da die Ursachen von Seeräuberei an Land liegen, ist die aus­schließliche Konzentration auf das Seegebiet ein »Geburts­fehler« des Yaoundé-Prozesses. Mittelfristig müssen diese Ursachen bekämpft werden, wenn Piraterie wirksam zurückgedrängt werden soll.

Als Erstes muss die Zu­nahme an Geiselnahmen auf offener See gestoppt werden. Dazu benötigen die Marinen der west­afrikanischen Staaten neben weiterer Ausbildung, War­tung und Logistik auch Schiffe. Das Hauptaugenmerk sollte auf Nigeria und Ghana liegen: Nigeria ist einerseits am stärksten von Sicherheitsvorfällen auf See betroffen, andererseits verfügt das Land, wie Ghana, über eine große Signal­wirkung in der Region.

Die internationale Gemeinschaft sollte das klare Signal vermitteln, dass Erfolge und Engagement einer afrikanischen Initiative durch weitere Unter­stützung belohnt werden. Dabei geht es nicht um die Entlassung der afrika­nischen Staaten aus der Verantwortung für ihre eigene Sicherheit – im Gegenteil: Die Anrainerstaaten müssen ihre gemeinsamen Anstrengungen fortsetzen. Dafür bietet der Yaoundé-Prozess den richtigen Rahmen.

Problemstellung und Empfehlungen

Im Juni 2013 beschlossen die Staatschefs der west­afrikanischen Staaten, gemeinsam und koordiniert über 25 Länder und mehrere Regionen hinweg die maritime Sicherheit im Golf von Guinea zu verbessern. Der mittlerweile bald sechs Jahre andauernde, nach dem Tagungsort benannte Yaoundé-Prozess hat die Unsicherheit im Golf von Guinea indes nicht signifikant verringern können. Im Gegenteil: Laut Untersuchungen der International Maritime Organ­ization (IMO) hat sich das Gewaltpotential bei Über­fällen auf Schiffe erhöht und das Risiko einer Geisel­nahme ist gestiegen. Dieser Trend hat sich 2018 im Golf von Guinea fortgesetzt: Im vergangenen Jahr entfielen von weltweit 83 entführten Besatzungs­mitgliedern 78 Personen auf das Seegebiet Golf von Guinea (vgl. das Kapitel »Statistik zur maritimen Sicherheit«, S. 12).

Im Fokus der vorliegenden Studie steht die Umsetzung der von den Golf-Anrainerstaaten vereinbarten Maßnahmen und Strukturen sowie die Frage, warum diese (noch) nicht zum Erfolg geführt haben. Dabei werden Stärken und Schwächen der bisherigen Ent­wick­lung sowie der mögliche weitere Weg zur Imple­mentierung der Afrikanischen Maritimen Strategie 2050 (AIM) aufgezeigt. Abschließend wird erörtert, wie und wo die Umsetzung mit deutscher oder inter­nationaler Unterstützung zu beschleunigen oder effektiver zu gestalten wäre.

Der Yaoundé-Prozess kann durchaus auch Erfolge vorweisen, die auf den ersten Blick in der Statistik nicht sichtbar sind. So hat sich die Zusammenarbeit zwischen benachbarten Küstenländern zum Positiven verändert. Zum Beispiel werden Marineschiffe ande­rer Staaten zu Hilfe gerufen, um im eigenen Hoheitsgewässer gegen Piraten vorzugehen. Notrufe von über­fallenen Schiffen verhallen nicht ungehört, sondern führen zum Eingreifen der Sicherheitskräfte. Zumin­dest einige von ihnen sind in der Bekämpfung von Piraten ausgebildet. Die materielle und personelle Einsatzfähigkeit der Marinen konnte teilweise ver­bessert werden, die Gerichtsbarkeiten der Küsten­länder befassen sich immerhin mit dem Problem Piraterie.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass diese Fortschritte zum großen Teil nur mit umfangreicher internationaler Hilfe erreicht worden sind und es auch eine Reihe von Rückschlägen gab. Der Prozess an sich ist noch nicht so stabil und vorangeschritten, als dass er un­umkehrbar ist. Die politische Bereitschaft der jewei­ligen Regierungen, jenseits von Lippenbekenntnissen Verantwortung für das Problem Piraterie zu übernehmen, ist noch nicht ausreichend. Jedoch fördert die langjährige (finanzielle) Unterstützung durch internationale Geber Ausgabendisziplin und Trans­parenz, denn sichtbare Fortentwicklung, Verstetigung und Dauerhaftigkeit sind Voraussetzung für weiteres externes Engagement. Die zu verzeichnenden Fort­schritte sind klein, mühsam erarbeitet, setzen nur langsam ein und fordern den Befürwortern ein hohes Maß an Frustrationstoleranz ab: Bereits erzielte Aus­bildungserfolge konnten im Folgejahr häufig nicht wiederholt werden. Technisches Gerät ist innerhalb kürzester Zeit nicht mehr einsetzbar. Scheinbare Kleinigkeiten wie die mangelnde Treibstoffversorgung für Notstromaggregate legen ganze Systeme lahm. – Indessen ist diese Initiative nicht einmal sechs Jahre alt; gemessen an der Aufgabe und der Größe und Fragilität der Region ist das eine vergleichsweise kurze Zeitspanne.

Die Ursachen von Piraterie liegen an Land, dem­zufolge kann das Problem nicht allein auf See gelöst werden. Die ausschließliche Konzentration auf das Seegebiet ist sozusagen der »Geburtsfehler« des Yaoundé-Prozesses. Eine übergreifende Strategie zur Bekämpfung von Piraterie, die die Verbesserung von Staat­lichkeit, gute Regierungsführung, politische Teilhabe der Bevölkerung etc. mit einbezieht, hätte diese afri­kanische Initiative allerdings überfordert; sie ist auch so an ihrer Belastungsgrenze. Perspektivisch müssen diese Aspekte aber berücksichtigt werden, um die Ursachen von Piraterie wirksam anzugehen.

Der Schwerpunkt maritimer Unsicherheit im Golf von Guinea liegt in Nigeria und den vorgelagerten Seegebieten. Maßnahmen zur Piraterie-Bekämpfung außerhalb dieses Gebiets versprechen vielleicht eine leichtere Umsetzbarkeit, das Kernproblem selbst lässt sich nur zusammen mit dem zugegebenermaßen schwierigen Partner Nigeria bewältigen. Hier gilt es gerade von deutscher Seite, die Zusammenarbeit mit der nigerianischen Marine mittels vieler kleiner Maß­nahmen zu intensivieren und dauerhaft aufrechtzuerhalten. Dazu gehören zum Beispiel die Fortsetzung der technischen (MTU-Schiffsmotoren) und militärischen Ausbildung (Maritime Interdiction Operations, MIO) wie auch ein erneutes Engagement an der Marine­schule in Sapele im Nigerdelta, die bereits in den 1980er-Jahren mit deutscher Hilfe entstanden ist. International gesehen, sollte eine regelmäßige Teil­nahme Deutschlands an der jährlich stattfindenden Übung »Obangame Express« (OE) angestrebt werden. Mittel- bis langfristig müssen gemeinsam mit der ni­gerianischen Marine Lösungswege gefunden werden, wie der eklatante Mangel an Hochsee-Patrouillen­booten (Offshore Patrol Vessel, OPV) behoben werden kann, da nur die Präsenz der nigerianischen Marine den Zustand des rechtsfreien Raumes in der Küstenregion beenden kann. Diese Boote sollten nach Mög­lichkeit nicht ausgesonderte Einheiten westlicher Marinen sein, um alle damit einhergehenden Prob­leme hinsichtlich Wartung, Logistik und technischem Klarstand (Betriebsbereitschaft) zu vermeiden.

Doch auch das in Accra, Ghana, beheimatete Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC), das ebenfalls mit wesentlicher deutscher Unterstützung errichtet wurde, kann mehr als bisher in den Yaoundé-Prozess eingebunden werden. Ein personeller Aufwuchs mit Hilfe maritimer Experten, die am KAIPTC bestehende oder auch neue Lehrgänge anbieten, könnte die Weiterentwicklung des Yaoundé-Prozesses begleiten und die regionale Zusammen­arbeit im maritimen Umfeld voranbringen.

Eine weitere Möglichkeit wäre, in Nigeria ein ge­mein­sames Meldezentrum aufzubauen, wo Sicher­heitsvorfälle und Umweltverschmutzungen durch Öl registriert und wo die Sicherheitskräfte, die Umweltbehörden, die Industrie und die Gemeinden koordiniert werden. Darüber hinaus wäre die Erweiterung der am Yaoundé-Prozess beteiligten Staaten in Rich­tung südliches Afrika unter Kooperation mit der dortigen Regionalorganisation eine Option für die Zukunft.

Der Yaoundé-Prozess ist in seiner Art eine Premiere in Afrika: Die länderübergreifende Befassung mit einem maritimen Problem unter Beachtung der jewei­ligen staatlichen Souveränität verdient Anerkennung. Allerdings greifen die bisherigen Maßnahmen noch nicht mit der erwünschten Effizienz.

Relevanz und Verortung

Inhaltlich schließt diese Studie an die SWP-Studie »Piraterie und maritime Sicherheit« aus dem Jahr 2010 an.1 Während, weltweit betrachtet, die Piraterie zurückgedrängt werden konnte – besonders an den Brenn­punkten Malaysia und Horn von Afrika –, gelang dies im Golf von Guinea nicht. Deshalb legt die vor­liegende Studie den Fokus auf dieses Seegebiet. Ins­besondere die Gewässer vor Nigeria sind die inzwischen mit am stärksten betroffene Region der Welt.2 Dabei reicht die Bandbreite der Piraterie-Vorfälle von zahlreichen kleineren Überfällen auf Schiffe, die in Häfen wie Lagos festgemacht haben, oder auf Schiffe, die unmittelbar davor auf Reede liegen, bis hin zu »echten« Fällen von Seeräuberei mit schwer bewaffneten Tätern, viele Kilometer vor der Küste. Demgegenüber hat sich die Lage am Horn von Afrika weitest­gehend normalisiert.

Dass sich die Situation auch im Golf von Guinea ändert, liegt im Interesse Deutschlands: »Die Wett­bewerbsfähigkeit der Industrienation Deutschland hängt maßgeblich von der freien Zugänglichkeit und der Sicherheit der Seewege ab. Deutschland verfügt global über die höchste Anzahl an Containerschiffen und stellt damit weltweit eine der größten Handelsflotten.«3 Der Blick der Bundesrepublik nach Afrika reduziert sich nicht nur auf die sogenannte Flüchtlingskrise: »In Afrika engagiert sich Deutschland bei der Stärkung der eigenen Fähigkeiten auf dem Konti­nent, selbst mehr Verantwortung für die Vorbeugung und Lösung von Krisen und Konflikten zu übernehmen. Die Förderung von Stabilität und Prosperität unseres Nachbarkontinents ist eine Zukunftsinvestition und liegt im ureigenen Interesse Europas.«4 Unter diesem Blickwinkel ist der Yaoundé-Prozess aus deut­scher Sicht von Interesse, weil er die afrikanischen Bemühungen im Kampf gegen die Piraterie im Golf von Guinea bündelt. Deutsche Sicherheitspolitik ist in erster Linie auch Präventionspolitik. Deutschland als eine der führenden Exportnationen ist ganz besonders abhängig von weltweit freien und sicheren Handels­wegen.5 Der Anteil Afrikas am deutschen Außen­handel war 2014 mit etwa 2,2 Prozent der Importe und 2 Prozent der Exporte auf den ersten Blick ver­gleichsweise gering. Allerdings hatte der ganze ame­rikanische Kontinent im selben Jahr auch »nur« 8 Prozent Anteil am deutschen Import und 12 Prozent am deutschen Export – und diese Anteile sind der deutschen Wirtschaft ausgesprochen wichtig.6 Etwa 85 Prozent aller deutschen Exporte Richtung Afrika gehen in die Länder Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien, Südafrika und Nigeria.7 Auf dem Weg zu den beiden letztgenannten Ländern passieren die Schiffe den Golf von Guinea.

Diese Studie befasst sich schwerpunktmäßig mit den Gründen für maritime Unsicherheit im Golf von Guinea – mit staatlicher Fragilität als Determinante und mit illegaler Fischerei, Schmuggel, Organisierter Kriminalität (OK), Terrorismus, ethnischen und reli­giösen Konflikten sowie Umweltverschmutzung als Kodeterminanten – und mit Erfolg versprechenden Unterstützungsmaßnahmen, und zwar auf bilateraler, regionaler und internationaler Ebene. Zuvor folgen eine Begriffsklärung, eine historische und geographische Einordnung des Yaoundé-Prozesses sowie ein statistischer Überblick über maritime Sicherheit.

»Seeräuberei« und »bewaffneter Raubüberfall auf See«

Umgangssprachlich wird häufig der Begriff »Piraterie« verwendet. Das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der Vereinten Nationen (VN) jedoch spricht von »See­räuberei« und definiert diese als »jede rechtswidrige Gewalttat oder Freiheitsberaubung oder jede Plünde­rung, welche die Besatzung oder die Fahrgäste eines privaten Schiffes […] zu privaten Zwecken begehen«.8 Diese Tat muss »auf Hoher See9 gegen ein anderes Schiff oder […] gegen Personen oder Vermögenswerte an Bord dieses Schiffes« gerichtet sein.10 Der Begriff »Seeräuberei« (englisch »piracy«) beschränkt sich, vereinfacht ausgedrückt, auf Seegebiete außerhalb der jeweiligen Hoheitsgewässer und bezieht sich nur auf private, nicht aber auf staatliche Akteure. Gerade an der Westküste Afrikas finden jedoch viele Über­fälle im Bereich von Häfen, vor Reede liegend oder innerhalb der Hoheitsgewässer statt und werden daher nicht von Artikel 105 des SRÜ erfasst.11 Auch ist nicht zwei­fels­frei klar, ob nicht teilweise staatliche Akteure zumindest beteiligt sind oder als Anstifter agieren. Alle diese Fälle gehören streng genommen in die Kate­gorie »bewaffneter Raubüberfall auf See«, oftmals mangels Bewaffnung der Täter (häufig Klein­kriminelle) in Häfen nicht einmal in die Rubrik »bewaffnet«. Im Gegensatz dazu sind Überfälle wie die Verschleppung von Besatzungsangehörigen zur Erpressung von Löse­geld oder der Diebstahl der Ladung (zum Beispiel das Abpumpen von Rohöl auf andere Schiffe) für die Be­satzungen sehr viel bedroh­licher. Auch sie fallen je­doch, so sie sich innerhalb der Hoheitsgewässer er­eignen, nicht unter »See­räuberei«.

In der vorliegenden Studie werden alle diese Vor­fälle, soweit nicht explizit anders kenntlich gemacht, unter dem allgemeinen Begriff »Piraterie« zusammen­gefasst.

Entstehung und bisheriger Verlauf des Yaoundé-Prozesses

Mit der ersten Konferenz der Staatschefs der westafrikanischen Küstenanrainerstaaten, die alle bereits dem SRÜ beigetreten waren,12 wurde vom 24. bis 25. Juni 2013 in Kamerun offiziell der Startpunkt einer gemein­samen afrikanischen Initiative gesetzt.13 Karte 1 (S. 10) zeigt die am Yaoundé-Prozess beteiligten Staaten, die sich aus den Mitgliedsländern der beiden (Sub‑)Re­gionalorganisationen Economic Community of West African States (ECOWAS) und Economic Com­munity of Central African States (ECCAS) zusammensetzen. Durch die Beteiligung von ECOWAS und ECCAS haben sich selbst Länder ohne Zugang zum Meer der Initiative angeschlossen.

In der weiteren Analyse wird das ganze Seegebiet vor den am Yaoundé-Prozess beteiligten Ländern als Golf von Guinea bezeichnet, mit der nördlichen Be­grenzung durch die Kapverdischen Inseln und der südlichen Begrenzung durch Angola. Da sich mit Ab­stand die meisten Sicherheitsvorfälle vor der Küste Nigerias zutragen, beschränkt sich die Studie im Wesentlichen auf die komplette Zone »E« und den daran angrenzenden östlichen Teil der Zone »F«.

In Yaoundé unterzeichneten die Mitgliedstaaten der ECOWAS, der ECCAS und der Gulf of Guinea Commission (GGC)14 ein Memorandum of Understanding (MoU), um miteinander und koordiniert die maritime Sicherheit im Golf von Guinea zu erhöhen.15 Dazu sollen gemeinsame Aktivitäten abgestimmt und implementiert, Informationen und Erfahrungen aus­getauscht, die Kontrollmechanismen im Bereich mari­timer Sicherheit und Gesetze zur Bekämpfung von Piraterie und illegaler Aktivitäten auf See homogenisiert werden. Das MoU ist eine noch vergleichsweise allgemein gehaltene Absichtserklärung, während der am selben Tag unterschriebene Verhaltenskodex (Code of Conduct) schon recht spezifisch die weitere Vorgehensweise beinhaltet.16

Im Verhaltenskodex ist vereinbart worden, gemein­sam und über die Grenzen hinweg gegen kriminelle Machenschaften auf See vorzugehen, um den Handel, die Hafensicherheit und die Sicherheit des Schiffs­verkehrs und der Umwelt zu gewährleisten und sich gegenseitig auszutauschen und zu informieren. Zusätz­lich wurde festgelegt, die nationalen Gesetzgebungen und Strafverfolgungen entsprechend anzupassen. Ausdrücklich mit eingeschlossen wurden Umweltvergehen und die Bekämpfung illegaler Fischerei. Selbst der Einsatz von Schiffen anderer Nationen in eigenen Gewässern zwecks Strafverfolgung wurde geregelt. Ferner ist man übereingekommen, das Automated Identification System (AIS)17 flächendeckend zu nutzen und die Zusammenarbeit mit der International Crimi­nal Police Organisation (ICPO-INTERPOL) zu intensivieren. Schließlich wurden die technische Kooperation, ein gemeinsames Informationsmanagement, eine einheit­liche Datenerhebung sowie der Aufbau von Trainings­kapazitäten beschlossen. Bei all diesen Maß­nahmen wird die Souveränität der beteiligten Staaten ausdrücklich beibehalten.

Karte 1

Die Region und die am Yaoundé-Prozess beteiligten Staaten

Alle Maßnahmen sollen zusammen geplant werden, nicht zuletzt durch ein jährliches Treffen der Führungskräfte auf Ebene der Regionalorganisationen. Damit ist nicht nur der Grundstein gelegt, sondern auch der Rahmen geschaffen worden für ein gemein­sames Vorgehen im Kampf für mehr maritime Sicher­heit im Golf von Guinea. Das MoU bestimmt zusätz­lich die Schaffung eines Inter-Regional Coordination Centres (ICC). Dessen Aufbau und Aufgaben werden in einem Zusatzprotokoll zum MoU geregelt, das ein Jahr später, im Juni 2014, unterzeichnet worden ist (siehe Kapitel »Die Sicherheitsarchitektur im Rahmen des Yaoundé-Prozesses«, S. 25).

In einem Statement des Präsidenten des VN-Sicher­heitsrates wurde im August 2013 das Ergebnis des ersten Yaoundé-Gipfels gewürdigt.18 Im April 2016 erkannte der Präsident des VN-Sicherheitsrates in einem weiteren Statement die bisherigen Bemühungen an und forderte die be­teiligten Parteien auf fortzufahren.19 Die Verknüpfung von Piraterie und Organisierter Kriminalität und eine mögliche Ver­bindung mit Terrorgruppen und ‑orga­nisationen in Westafrika wurden ebenfalls thematisiert.

Vergleich zum Horn von Afrika

Am Horn von Afrika konnte die Piraterie innerhalb weniger Monate weitestgehend unterbunden werden. Die dortige European Union Naval Force Atalanta (EU NAVFOR) basiert auf dem VN-Mandat 1816 vom 2. Juni 2008. Erstmalig wurden hier alle seefahrenden Natio­nen dazu aufgerufen, Seeräuberei zu bekämpfen – auch in den Hoheitsgewässern Somalias.20 Im Gegen­satz zur Situation im Golf von Guinea hat sich die internationale Gemeinschaft des Problems angenom­men, da es sich um eine der meistbefahrenen und dadurch wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt handelt. Alle Schiffe, die vom Suezkanal kommen oder dorthin fahren, müssen durch die Meerenge Bab al-Mandab zwischen Djibouti und Jemen. Zum Schutz wurden hier Handels­schiffe in Konvois zusammengefasst und von einer Reihe von Kriegsschiffen nichtafrikanischer Marinen bis weit vor die Küste Somalias geleitet. Zusätzlich wurde das Gebiet mit Luftfahrzeugen (Seefernaufklärern und see­gestützten Hubschraubern) abgesichert, um im Falle eines Angriffs schnell reagieren zu können. Afrika­nische Staaten sind nicht beteiligt und Somalia hat keine eigenen Sicherheitskräfte, die nati­onales oder Völkerrecht vor der eigenen Küste durch­setzen könnten. In Somalia ist die Sicherheitslage an Land extrem schwierig, was eine der Ursachen für Pira­terie ist. Gleichzeitig ist dadurch deren Ursachen­bekämp­fung durch internationales Engagement nur sehr eingeschränkt möglich. Dennoch wird auch hier versucht das Problem Piraterie anzugehen, das durch die militärische Präsenz auf See nur weitestgehend unterdrückt, nicht aber gelöst werden kann.

Im Vergleich dazu geht der Schiffsverkehr an der westafrikanischen Küste nicht so gebündelt von­statten. Ein Teil der Schiffe kommt aus Übersee und fährt gezielt bestimmte Häfen an. Die meisten Schiffs­bewegungen finden zwischen den Anrainerstaaten statt oder, wie zum Beispiel Versorger für Bohrinseln oder Fischer, nur direkt vor der Küste. Anders als am Horn von Afrika verläuft der Seeverkehr nicht in gruppierter Form durch eine Meerenge, sondern ist breit disloziert, für eine Überwachung stehen nur äußerst wenige Schiffseinheiten zur Verfügung, Luft­aufklärung ist faktisch nicht vorhanden. Die Handels­schiffe können nicht in Konvois zusammengefasst werden wie vor der Küste Somalias und die Küsten­linie von Dakar, Senegal, bis Luanda, Angola, ist über 4500 km lang. Die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, neben EU NAVFOR eine weitere Mis­sion im Golf von Guinea zu eröffnen, ist gering, ein militärischer Abstützpunkt wie in Djibouti (Camp Lemonnier) ist entlang der westafrikanischen Küste nicht vorhanden. So wie Gemeinsamkeiten zwischen den Regionen erkennbar sind, gibt es auch große Unter­schiede. Daher muss für jede Region ein eigener Lösungsansatz gefunden werden, ein Denken in Blau­pausen hilft nur begrenzt weiter.

Statistik zur maritimen Sicherheit

Im Jahr 2017 gab es laut dem Jahresbericht des Inter­nationalen Schifffahrtsbüros (International Maritime Bureau, IMB) insgesamt 180 Vorfälle von Seeräuberei oder bewaffnetem Raubüberfall auf See weltweit.21 Das war der niedrigste Stand seit 1995.22 Von den 180 Vorfällen fanden 45 im Golf von Guinea statt, davon 33 im Seegebiet vor Nigeria.23 2018 stieg die Anzahl der weltweiten Überfälle wieder an, auf insgesamt 201. Dabei fällt die enorme Steigerung im Golf von Guinea auf (von 45 auf 82). Doch diesmal geht das nicht allein auf das Seegebiet vor Nigeria zurück (von 33 auf 48), sondern gleichermaßen auf die Verdrei­fachung im restlichen Seegebiet (von 12 auf 34)24 (vgl. Tabelle 1).

Betrachtet man nur Fälle von Entführungen von Besatzungsmitgliedern, ist nicht nur der stetige Anstieg in den letzten sechs Jahren beachtlich, sondern auch, dass der Großteil der weltweiten Entführungsfälle im Golf von Guinea zu verzeichnen ist (vgl. Tabelle 2).

Die Angreifer sind meist gut bewaffnet und gewalt­bereit. Die Angriffe – die Fälle von »Seeräuberei« und von »bewaffnetem Raubüberfall auf See« einschließen – ereignen sich zumeist vor Nigeria in dem See­gebiet, das dem Niger­delta und Port Harcourt vor­gelagert ist, mit bis zu 300 km Abstand zur Küste.

2018 setzte sich der ansteigende Trend fort. Erschwe­rend kommt hinzu, dass das IMB von einer ho­hen Dunkelziffer nicht gemeldeter Vor­fälle aus­geht.25 Die Problematik der Datenerhebung zum Thema Piraterie und Raubüberfälle gegen Schiffe und hier besonders im Golf von Guinea26 ist nicht Bestandteil der vor­liegenden Studie. Es bleibt aber festzuhalten, dass, weltweit betrachtet, die Zahlen zu Vorfällen dieser Art zurückgehen, während sie im Golf von Guinea entgegen dem Trend unverändert hoch sind oder im Falle von Geiselnahmen sogar steigen. Bemerkenswert ist allerdings der gleichzeitige Hinweis im Bericht 2018 auf die gute Zusammen­arbeit mit den westafrikanischen, insbesondere den nigerianischen, Behörden.27 Das war in den Jahren zuvor in dieser Form nicht im Bericht zu lesen.

Tabelle 1 Seeräuberei und bewaffnete Raubüberfälle auf Schiffe 2013–2018

2013a

2014b

2015b

2016b

2017b

2018b

Weltweit

264

245

246

191

180

201

Golf von Guinea

51

41

31

55

45

82

Golf von Guinea ohne Nigeria

20

23

17

19

12

34

Nigeria

31

18

14

36

33

48

aICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2013, London, Januar 2014,
Table 1, S. 5f.

bICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2018, London, Januar 2019,
Table 1, S. 6
[wie Fn. 24]: Zahlen von 2014–2018.

Tabelle 2 Anzahl der entführten Besatzungsmitglieder 2013–2018

2013a

2014b

2015c

2016d

2017e

2018f

Weltweit

36

9

19

62

75

83

Golf von Guinea

36

6

19

34

65

78

Golf von Guinea ohne Nigeria

2

0

0

5

0

38

Nigeria

34

6

19

29

65

40

aICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2013, London, Januar 2014,
Table 9, S. 11.

bICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2014, London, Januar 2015,
Table 9, S. 11.

cICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2015, London, Januar 2016,
Table 9, S. 10.

dICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2016, London, Januar 2017,
Table 9, S. 10.

eICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships [wie Fn. 21], Table 9, S. 12.

fICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships [wie Fn. 24], Table 9, S. 12.

Hintergründe der Piraterie am Golf von Guinea

Staatliche Fragilität als Determinante von Piraterie

Als einer der Hauptgründe für Piraterie gilt die Ver­fasst­heit von Staatlichkeit in der betroffenen Küsten­region bzw. die damit verbundene Fragilität der Re­gion, die in Westafrika stark ausgeprägt ist: Gemäß dem »Fragile States Index 2018« gehören die Demo­kra­tische Republik Kongo und die Zentralafrikanische Republik in die höchste Kategorie »Very high Alert«, Guinea und der Tschad in die zweithöchste Kategorie »High Alert« und die Staaten Burundi, Guinea-Bissau, Côte d’Ivoire, Liberia, Kamerun, Republik Kongo, Mali, Niger und Nigeria in die dritthöchste Kategorie »Alert«.28 Auch aufgrund der schwierigen topographischen Gegebenheiten kann besonders für das Niger­delta von einer weitestgehenden Abwesenheit jeg­licher Staatlichkeit gesprochen werden. Allenfalls in einigen wenigen Städten gibt es Sicherheitskräfte, Polizei oder staatliche Einrichtungen, einzelne Kasernenanlagen liegen wie kleine Festungen inmit­ten der schwer zugänglichen Gegend. In der Fläche gibt es so gut wie keine staatlichen Schulen oder medizinische Grundversorgung, selbst zur Erstellung eines Personalausweises müssen die Menschen die nächste Stadt aufsuchen. Die starke Umweltverschmutzung lässt die traditionelle Lebensweise als Fischer kaum noch zu, ohne dass es eine wirkliche Alternative dazu gibt.29 Weit verbreitete Jugend­arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Perspektivlosigkeit ergibt ein hohes Konfliktpotenzial. Dabei ist grundsätzlich seemännische Kompetenz vorhanden und damit der Nährboden für Piraterie.30 In den Augen großer Teile der Bevölkerung kommt der Staat seinen Verpflichtungen ihr gegenüber nicht nach, andererseits finanziert er sich weitestgehend durch die Öl­einnahmen aus dem Nigerdelta. Aufgrund der gras­sierenden Korruption wird ein hoher Anteil dieser Gewinne zweckentfremdet und fließt statt in den Staatshaushalt in private Taschen.31 Aus Sicht weiter Teile der Bevölkerung des Nigerdeltas sind die Mit­glieder von Regierung, Sicherheitskräften und Wirt­schaft schlichtweg eine Gruppe von Verbrechern, die sich, oberflächlich gedeckt durch rechtsstaatliche und demokratische Strukturen, den großen Reichtum aus der Ölförderung in die eigene Tasche wirtschaftet.32

Auf den Punkt gebracht: Perspektivlosigkeit, feh­lende Konsequenzen durch mangelhafte Strafverfolgung, Korruption und damit durchaus nachvollziehbares fehlendes Vertrauen in staatliche Akteure bilden »beste Bedingungen« für Piraterie. »Die West­küste Afrikas – die Gewässer vor Nigeria – ist weiter­hin ein Hochrisikogebiet für Gewaltangriffe und bewaffneten Raub, und das, obwohl viele Vor­fälle vermutlich noch nicht einmal gemeldet werden.«33 Ein Teil der staatlichen Fragilität spiegelt sich in den Sicherheitskräften wider. Doch warum bekommen die Sicherheitskräfte am Golf von Guinea und hier besonders in Nigeria die Sicherheitslage nicht in den Griff?

Das Militär wird schwach gehalten, damit es der politischen Führung nicht gefährlich wird. Dafür werden der militärischen Führung Privilegien eingeräumt.

Am Beispiel Nigerias kann die Problematik gut auf­gezeigt werden: Einerseits wird das Militär gebraucht, um den unterschiedlichsten sicherheitspolitischen Herausforderungen im Land zu begegnen, denen meist eine höhere Priorität eingeräumt wird als der Bekämpfung der Piraterie.34 Andererseits darf es nicht zu mächtig werden, um nicht zu einer Bedrohung (Putschgefahr) und einer eigenen Macht im Staate zu werden.35 Vereinfacht gesagt, wird die militärische Führungsebene durch eine Reihe von Privilegien und Begünstigungen fürstlich entlohnt und damit ruhig­gestellt, demgegenüber wird das Militär insgesamt personell und materiell nicht ausreichend ausgestattet. Korruption ist damit ein systemisches Problem.36 Neben den militärischen Teilstreitkräften Heer, Luft­waffe und Marine gibt es auch noch die Polizei,37 die Präsidentengarde, Geheimdienste38 und andere Orga­ne, die sich teilweise gegenseitig überwachen und ihre eigentliche Aufgabe – am Beispiel der Polizei die Aufrechterhaltung der Ordnung – nicht wirklich erfüllen.

Die Marine ist die kleinste der drei Teilstreitkräfte und damit besonders schlecht ausgestattet.39 Da sie für die Sicherheit entlang der Küste zuständig ist, hat das negative Auswirkungen auf die Sicherheit im Golf von Guinea und in den Sumpfgebieten an der Küste. Schon seit den 1960er-Jahren gibt es zwischen der Regierung und verschiedenen bewaffneten Gruppen40 gewaltsame Auseinandersetzungen in der Deltaregion.41 Diese sogenannten Rebellen, die seit Jahrzehnten und in wechselnden Gruppierungen eine stärkere Beteiligung an den Gewinnen aus der Ölförderung einfordern, haben mit ihren Anschlägen auf die Öl­industrie 2015 die Regierung an den Rand des wirt­schaftlichen Zusammenbruchs gebracht, da die Erlöse aus der Ölförderung den weitaus größten Teil der Regierungseinnahmen ausmachen. Folgerichtig hat die Regierung mehr finanzielle Mittel für die Marine bereitgestellt, die die Hauptlast im Kampf gegen die Rebellen zu tragen hat.42

Allerdings führten diese verbesserten Fähigkeiten auch dazu, dass Marine-Spezialkräfte zeitweise im Kampf gegen Boko Haram im Nordosten des Landes eingesetzt wurden, als Boko Haram übermächtig zu werden drohte. Aufgrund mangelnder Abstimmung und eines bestenfalls lückenhaften Lagebildes kam es in der Folge zu mehr Schussverletzungen durch eigene Truppen (Friendly Fire) als durch Boko-Haram-Kämpfer.43

Dieselben Marine-Spezialkräfte fielen im Anschluss bei einer Boarding Operation während der Übung »Obangame Express 2015« auf einem Schiff durch un­verhältnismäßige Eskalation auf.44 Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung: Sicherheitskräfte müssen auf die jeweilige Aufgabe vorbereitet und dafür ausgebildet sein. Der verbreitete Grundsatz »train as you fight« gilt auch hier. Weder kann eine kurz vorher bunt zusammengewürfelte Truppe die gewünschten Resultate erzielen,45 noch kann eine gut eingespielte Truppe automatisch alle verschiedenen Einsatz­szenarien bedienen. Kontinuität in der Vorbereitung ist alleroberstes Gebot. Darüber hinaus kann man effiziente und handlungssichere Einsatzkräfte nur gewinnen, wenn man die geforderten Fähigkeiten über Jahre hinweg ständig gemeinsam trainiert.

Illegale Fischerei, Schmuggel, Organisierte Kriminalität, Terrorismus

Piraterie ist nicht nur die Folge mangelhafter Staat­lichkeit und weit verbreiteter Perspektivlosigkeit. Die nachfolgend beschriebenen Probleme wirken als Kodeterminanten, die den Konflikt verschärfen.

Westafrikas Küstenstaaten verlieren jährlich bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar durch illegale Fischerei (illegal, undokumentiert, unreguliert, IUU).46 Dabei muss gerade an der nördlichen Westküste Afrikas von einer engen Verknüpfung von (illegaler und legaler) Fischerei, Menschenhandel und Drogenschmuggel mit Hilfe der unterschiedlichsten Fischereifahrzeuge ausgegangen werden.

In einer Studie über IUU-Fischerei in Subsahara-Afrika stellte die Marine Resources Assessment Group Ltd (MRAG) fest, dass etwa ein Fünftel des gefangenen Fisches illegal erbeutet wird.47 Dabei findet man alle Formen illegaler Fischerei: Fischen ohne jegliche Lizenz; Fischen unter Angabe falscher Daten, beson­ders in Bezug auf Größe des Schiffes und Umfang des Fanges; Fischen mit nicht zugelassenen Hilfsmitteln; Fischen in nicht zugelassenen Gebieten sowie Fischen mit Lizenzen, die zwar von offizieller Seite ausgegeben werden, deren Gebühren aber weder in den Staats­haushalt fließen noch den gültigen Regularien entsprechen. Das ist nicht nur ein monetäres Problem wegen fehlender Zahlungen an die jeweiligen Länder, sondern wächst sich bereits sichtbar zu einem Prob­lem der örtlichen Versorgung an den Küsten aus. Die größtenteils mit kleinen Booten ausgestatteten ört­lichen Fischer bringen zunehmend weniger und immer kleinere Fische nach Hause. Steigende Bevöl­kerungszahlen steigern andererseits die Nach­frage. Die Ware Fisch wird teurer, die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung sind schon heute in vielen Küstenregionen bedrohlich.

Am Beispiel Nigeria lässt sich die direkte Verbindung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität (hier: Drogenschmuggel) aufzeigen. Boko Haram stellt Drogenschmugglern die eigenen Versorgungswege zur Verfügung und finanziert sich dadurch zumindest in Teilen.48 Obwohl Drogenschmuggler Terrorgruppen meist eher als Unsicherheitsfaktor wahrnehmen,49 profitieren sie in diesem Fall von der schlechten Sicherheitslage und nutzen die von Boko Haram geschützten Versorgungswege an Land. Auf See erhöhen diese Drogentransporte die maritime Unsicherheit. Beim Drogenschmuggel handelt es sich um ein flexibles System, dessen Interessengruppen sich stets aufs Neue zusammenfinden.50 Sie können aus Drogenschmugglern, Terroristen und / oder Piraten bestehen – aber auch Politiker und Sicherheitskräfte können involviert sein, zum Beispiel indem sie Bestechungsgelder annehmen. Allen Beteiligten ist gemein, dass sie am Drogenschmuggel verdienen.

Es ist schwer vorstellbar, dass der Schmuggel und andere Straftaten an der Küste und in den Sümpfen Nigerias ohne jegliche Beteiligung der dortigen Sicher­heitskräfte stattfinden. Die Marineführung versucht, diese Verflechtung durch jährliche Personalwechsel bis zur untersten Ebene zu unterbinden. Das hat jedoch einen Preis: Die Streitkräfte finden sich im schwierigen Terrain in den Sümpfen kaum zurecht und können wenig Handlungssicherheit entwickeln.51 Zudem wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Einheimischen erschwert, da der Aufbau von persönlichen Beziehungen und damit Vertrauen zwischen örtlichen Würdenträgern und Komman­deuren militärischer Einheiten Zeit benötigt.

Ethnische und religiöse Konflikte in Nigeria

Die Sicherheitskräfte Nigerias stehen vor Heraus­forderungen, die weit über ihre Kapazitäten hinausgehen: Nicht nur der Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram und die damit einhergehende Hungersnot im Nordosten des Landes gehören dazu, sondern auch die seit vielen Jahren andauernden blutigen Kämpfe zwischen Ackerbauern und Viehhirten, ma­rodierende Banden im Nordwesten sowie die zeit­weise nach Unabhängigkeit strebende Biafra-Bewe­gung im Südosten des Landes. Hinzu kommen die Unruhen im Nigerdelta, die zusammen mit dem niedrigen Ölpreis das Land und seine Wirtschaft an den Rand des Abgrunds gebracht haben.52 Darüber hinaus leidet Nigeria unter religiösen Spannungen. Bei allen Präsidentenwahlen stellt die Frage, aus welcher Region ein Kandidat stammt und welcher Religion er angehört, eines der wichtigsten Themen dar. Nigeria ist, grob gesagt, zweigeteilt, mit einem überwiegend muslimisch geprägten Norden und einem eher christlich dominierten Süden. Verschärfend wirkt, dass die Wirtschaftsmetropole Lagos und die Ölvorkommen an der Küste, also im christlich dominierten Teil des Landes, liegen. Jede Diskussion über eine gerechte Verteilung des Reich­tums erhält damit immer auch eine religiöse Dimen­sion, die dadurch erschwert wird, dass Religion in Nigeria eine große Bedeutung hat, und zwar unab­hängig davon, um welche es im Einzelnen geht.53

Nicht zuletzt ist Nigeria ein Vielvölkerstaat mit unterschiedlichen Ethnien und mehreren Hundert anerkannter Sprachen. Die ethnische Zugehörigkeit spielt im alltäglichen Leben eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Vielzahl und Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Probleme ergeben ein ausgesprochen komplexes und anspruchsvolles Umfeld, mit dem die Sicherheitskräfte deutlich überfordert sind. Diese Unsicherheit macht an der Küstenlinie Nigerias nicht halt, sondern erzeugt rechtsfreie Räume auch auf See.

Umweltverschmutzung im Nigerdelta

Der Lebensraum der örtlichen Bevölkerung und ihre traditionelle Lebensweise als Fischer und Kleinbauern werden nicht nur durch die Ölförderung selbst be­droht, sondern auch durch Sabotageaktivitäten ver­schiedener Rebellengruppen im Nigerdelta – und selbst durch die Maßnahmen der Sicherheitskräfte, die die Rebellen bekämpfen. Amnesty International weist in einem Bericht vom März 2018 darauf hin, dass Shell seit 2011 über 1000 Ölverschmutzungen meldete, mit etwa 17,5 Millionen Liter ausgelaufenem Rohöl. Eni meldete seit 2014 über 800 Fälle, mit 4,1 Millionen Liter ausgelaufenem Öl.54 Allein die etwa 92 km lange Tebidaba-Brass-Pipeline wies seit 2014 offiziell 262 Fälle von auslaufendem Öl auf, von denen die meisten auf Sabotageakte zurückgehen.55 Die Verschmutzungen haben ein epidemisches Aus­maß erreicht und weite Landstriche als Fischgrund, für Ackerbau und als Trinkwasserreservoir für die dort lebenden Menschen unbrauchbar gemacht. Laut des Berichts benötigte Shell im Mittel sieben Tage, um vor Ort auf eine Leckage zu reagieren (im Extremfall 252 Tage).56 Daher ist davon auszugehen, dass die ge­schätzten Mengen ausgelaufenen Öls eher zu niedrig angesetzt sind. Nicht nur die lange Reaktionszeit und die fehlenden Reinigungs- und Kompensationsbemühungen vermitteln der örtlichen Bevölkerung ein Gefühl von Ohnmacht und Desinteresse der Behörden. Viele Vorfälle werden auch als Sabotageakte deklariert, um eventuelle Schadensersatzansprüche zu umgehen.57 Illegale Raffinerien, wo unter primi­tivsten Bedingungen mit offenem Feuer in Fässern Rohöl weiterverarbeitet wird, bieten jeweils für bis zu 100 Personen ein – wenn auch karges – Einkommen und ernähren damit ein ganzes Dorf.58 Weil keine anderen Einkommensmöglichkeiten vorhanden sind, ist die Dorfgemeinschaft meist nicht kooperativ bei der Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften, obwohl die Auswirkungen für die Natur desaströs sind. Die übliche Reaktion der Streitkräfte, solche Raffinerien mangels anderer Möglichkeiten einfach anzuzünden und dann sich selbst zu überlassen, mit allen einhergehenden Umweltproblemen, erhöht die Spannungen vor Ort zusätzlich.59 Beispielsweise sprach der örtliche Kommandeur eines militärischen Stützpunktes im Nigerdelta von einem eindeutig »very hostile environment« und der Kasernenbereich wurde an allen Seiten Tag und Nacht mit Maschinengewehr-Posten bewacht.

Das Militär versucht durchaus, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Pipelines zu schützen. Allerdings sind Soldaten, die über Tage und Wochen hinweg inmitten der Mangrovensümpfe auf einer kleinen Plattform aus Holz ausharren, um eine Pumpstation zu bewachen, ein leichtes Ziel – entweder für Kor­ruption oder für Überfälle, bei denen häufig alle Sicherheitskräfte getötet und anschließend die Pipe­line oder Pumpe doch gesprengt werden. Viele Kanäle in den Sümpfen existieren nur deshalb, weil direkt unter ihnen die Pipelines verlegt wurden, die folglich mit einfachsten Mitteln sabotiert werden können. Da diese Kanäle gleichzeitig als Transportwege genutzt werden und sich über viele Kilometer erstrecken, sind sie flächendeckend kaum zu schützen. Diese vielen kleinen Sabotageakte wirken nicht nur wie Nadel­stiche und zermürben das bereits überlastete Sicher­heitspersonal, sondern verschärfen zusätzlich das Umweltproblem durch austretendes Öl.

Das Delta ist äußerst schwierig zu kontrollieren, Polizei gibt es dort so gut wie gar nicht. Erschwerend für die örtliche Bevölkerung kommt hinzu, dass durch die an der Erdölförderung beteiligten Personen die Nachfrage nach vielen Versorgungsgütern insgesamt steigt und damit die Preise. Das ist kein Problem für die in der Erdölgewinnung tätigen Firmen – dafür umso mehr für die Einheimischen.

Doch kann der Yaoundé-Prozess die in diesem Kapitel dargestellten Probleme und Ursachen tatsäch­lich an­gehen oder arbeitet er sich nur an den Sympto­men (auf See) ab, statt die Ursachen (an Land) zu be­kämp­fen?60 Immerhin bringt der Yaoundé-Prozess einen Teil von Staatlichkeit zurück in die Region und führt damit zu ersten Lösungsansätzen.61

Analyse der Sicherheitsvorfälle gegen Schiffe

Der folgenden Untersuchung liegen die monatlichen Meldungen und die Jahresberichte von Sicherheitsvorfällen gegen Schiffe für den Zeitraum Januar 2014 bis September 2017 der International Maritime Or­ganization (IMO)62 zugrunde (vgl. Tabelle 3), außer­dem der Jahresbericht 2018 des International Mari­time Bureau (IMB) (vgl. Fn. 24). Alle Vorfälle gehen gleichberechtigt in die Statistik ein, unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Relevanz für den Yaoundé-Prozess erheblich: Hafenüberfälle durch teils unbewaffnete Kleinkriminelle, die sich nachts an Bord schleichen, werden genauso in der Statistik berücksichtigt wie ein Überfall 100 km vor der Küste mit mehreren Toten und entführten Besatzungsmitgliedern. Nur die zuletzt genannten Vorfälle sind wirklich für den Yaoundé-Prozess von Bedeutung.

Die Zahlen der IMO differieren leicht von den in Tabelle 2 (vgl. S. 13) genutzten Daten des IMB. Mög­licherweise liegt das an unterschiedlichen Methoden der Datenerhebung und an der Dunkelziffer nicht gemeldeter Vor­fälle. Dafür erlauben die monatlichen Meldungen der IMO eine spezifische qualitative Aus­wertung, die im Folgenden vorgenommen wird.

Überfälle im Hafen und auf Reede der Tiefwasserhäfen sind (bewaffnete) Raubüberfälle auf See und fallen nicht unter Seeräuberei.

Bei den Vorfällen in Häfen handelt es sich weitestgehend um räuberische Überfälle aus dem Bereich Kleinkriminalität, die teilweise unbewaffnet bis dilettantisch ausgeführt wurden. Betroffen sind die Häfen Lagos (Nigeria), Pointe-Noire (Republik Kongo), Freetown (Sierra Leone), Conakry (Guinea), Tema und Sekondi-Takoradi (Ghana), Abidjan (Côte d’Ivoire) und Luanda (Angola). Diese Vorfälle spiegeln die allgemeine Kriminalitätsrate in den Hafenstädten wider und könnten im Rahmen polizeilicher Maßnahmen zur Hafensicherheit eingedämmt werden. Nötig sind dazu eine verlässliche Hafenabsicherung von Land, eine zuverlässige und ausreichende Stromversorgung (Licht) sowie kleine Patrouillenboote zur Überwachung des schwimmenden Verkehrs im Hafenbecken. In den letzten Jahren hat sich eine Veränderung in der regionalen Verteilung der Hafenüberfälle ergeben. Fanden 2014 noch Überfälle entlang des gesamten Küstenstreifens am Golf von Guinea statt, konzentrieren sich die Vorfälle seit 2016 hauptsächlich auf Lagos (Nigeria) und Pointe-Noire (Republik Kongo). Offenbar haben die Sicherheitskräfte in den anderen Gebieten mit der Umsetzung einfacher Maßnahmen zur Hafensicherheit und erhöhten Sichtbarkeit erste Erfolge erzielt. Diese Überfälle betreffen zwar unmit­tel­bar die Sicherheit von Besatzungsangehörigen, haben aber mit Seeräuberei im Sinne des SRÜ nichts zu tun (vgl. das Kapitel »›Seeräuberei‹ und ›bewaffneter Raubüberfall auf See‹«, S. 8). Damit werden sie auch nicht unmittelbar vom Yaoundé-Prozess erfasst.

Auch die Überfälle auf Schiffe, die auf Reede vor den großen Tiefwasserhäfen liegen, fallen nicht unter den Tatbestand der Seeräuberei. Solche Überfälle setzen eine gute Vorbereitung und Ausstattung der Angreifer voraus, die überwiegend bewaffnet sind, und das Gewaltpotential ist deutlich höher. Nach deutschem Verständnis wäre die Polizei für solche Überfälle zuständig, in Westafrika ist es die Marine des jeweiligen Landes. Damit ergeben sich direkte Verknüpfungen mit dem Yaoundé-Prozess, obwohl es bei diesem eigentlich nicht um polizeiliche Maßnahmen geht: An der ganzen afrikanischen West­küste gibt es nur wenige Tiefwasserhäfen mit einer entsprechend vor­gelagerten Reede, die gut mit den Radar­stationen an Land überwacht werden könnte. Pro Land sind das ein oder zwei Häfen, in denen meist auch die Marine selbst einen Stützpunkt hat. Die Meldewege und Reaktionen auf Notrufe von Schiffen, die auf Reede liegend überfallen werden, sind iden­tisch mit denen bei Überfällen auf Schiffe in inter­nationalen Gewässern, allerdings mit deutlich kür­zeren Reaktions­zeiten. Dennoch übertrifft der dazu erforderliche Auf­wand momentan noch oft die vorhandenen Fähig­keiten der westafrikanischen Länder, angefangen bei der Bereit­stellung von aus­reichenden Betriebs­stoffen bis hin zur Ausstattung mit einsatzklaren Patrouillenbooten, die schnell zu Hilfe eilen könnten. Eine Stärkung der Fähigkeiten im Rahmen des Yaoundé-Prozesses kann damit als Nebeneffekt auch die beiden häufigsten Arten von Überfällen auf Schiffe – nämlich auf Schiffe im Hafen und auf Schiffe auf Reede – ein­dämmen, da solche Patrouillen in den Häfen die Sicherheitslage von der Wasser­seite verbessern würden. Allerdings wären gerade in großen Häfen wie Lagos dafür mehrere einsatzklare Boote erforderlich.

Nur Überfälle jenseits der Hoheits­gewässer gelten als Seeräuberei. Aus Sicht der Besatzung ist es jedoch unerheblich, ob sich der Überfall 17 oder 20 km vor der Küste zuträgt.

Tabelle 3 Übersicht über die räumliche Verteilung der Sicherheitsvorfälle gegen Schiffe 2014–2017

2014a

2015b

2016c

2017d

Weltweit

242

267

171

203

Golf von Guinea

28

27

43

48

Hafen + Reede

10

17

23

17

Hoheitsgewässer

9

1

3

6

Internationale Gewässer

9

9

17

25

aIMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Annual Report – 2014, MSC.4/Circ.219/
Rev.1, London, 28.4.2015, Annex 2, S. 2.

bIMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Annual Report – 2015, MSC.4/Circ.232,
London, 11.4.2016, Annex 2, S. 1.

cIMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Annual Report – 2016, MSC.4/Circ.245,
London, 30.3.2017, Annex 2, S. 2.

dIMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Annual Report – 2017, MSC.4/Circ.258,
London, 16.4.2018, Annex 2, S. 1.

Die in Tabelle 3 separat aufgeführten Überfälle innerhalb der Hoheitsgewässer, aber von Häfen und Reeden entfernt, beinhalten meist Sicherheitsvorfälle, die sich durch »echte« Piraterie-Überfälle nur dadurch unterscheiden, dass sie nicht weit genug von Land entfernt stattfinden, als dass sie unter das SRÜ fallen würden. Die Vorgehensweise der Angreifer und die Auswirkungen auf die Besatzungen sind jedoch die gleichen, völlig unabhängig davon, ob der Überfall gerade noch innerhalb der Hoheitsgewässer (also »bewaffneter Raubüberfall auf See«) oder gerade außer­halb (also »Seeräuberei«) erfolgt.

Überfälle in internationalen Gewässern, also weit­ab von Häfen und Reeden und außerhalb der Hoheits­gewässer, stellen die jeweiligen Länder vor die größte Herausforderung. Für die Besatzungen bedeuten sie eine reelle Bedrohung, da die Angreifer in der Regel schwer bewaffnet und gut organisiert sind und eine hohe Gewaltbereitschaft haben. Im Regelfall handelt es sich um Organisierte Kriminalität auf vergleichsweise hohem Niveau. So erfordert beispielsweise eine Geiselnahme auf See eine zusätzliche Organisation an Land und das Umfüllen einer Ladung auf andere Schif­fe auf hoher See Kommunikationsmittel, weiteres Per­sonal mit seemännischer Expertise und eine erheb­liche Logistik im Hintergrund.

Diese Überfälle außerhalb der Hoheitsgewässer finden fast ausschließlich vor Brass, Bonny Island und Port Harcourt statt, alle an der nigerianischen Küste gelegen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Angreifer in den angrenzenden Küstengebieten leben. Die Mit­glieder der größten und bekanntesten Rebellengruppe Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) scheinen zwar, alimentiert durch das Amnestie­programm der nigerianischen Regierung,63 überwiegend den offenen Konflikt zu vermeiden, verfügen aber vermutlich über ein erhebliches Waffenarsenal und eine nach wie vor funktionierende Organisations­struktur. Damit sind in der Region sowohl genügend Waffen und Boote vorhanden als auch ausgebildete Kämpfer und Seeleute, die sich nicht nur im sehr unübersichtlichen Nigerdelta hervorragend auskennen, sondern auch schnell auf hoher See zuschlagen können. Mangelnde Staatlichkeit ermöglicht es den Piraten, Geiselnahmen notfalls über Wochen hinweg auch an Land durchzuhalten. Genau hier liegen mut­maß­lich die Ursachen für den Anstieg der Entführungs­fälle in den letzten Jahren: Die Kombination aus quasi unbeschränkter Bewegungsfreiheit von Piraten fernab der Küste auf See und anschließender Verbrin­gung der Geiseln an Land hat sich als erfolgreiches »Geschäftsmodell« etabliert.

Die Analyse der Vorfälle vor der Küste Nigerias lässt folgendes Muster erkennen: Falls der erste Versuch nicht erfolgreich ist, kommt es häufig zu Folgeüberfällen,64 bis einer zum Erfolg führt, dann kehrt eine Pause ein.65 Das deckt sich mit Erfahrungen im Umgang mit somalischer Piraterie: Piraten werden nur für erfolgreiche Überfälle von den Hinter­männern entlohnt, andernfalls bekommen sie nichts. Daher versuchen sie es nach einem vergeblichen Versuch erneut.66 Die absolute Anzahl der Piraten ist also überschaubar und nach dem ersten erfolglosen Angriff lohnt sich eine schnelle und eingehende Untersuchung aller im Seegebiet befindlichen grö­ßeren Einheiten (potentielle Mutterschiffe) durch Sicherheitskräfte, um Folgeangriffe zu vermeiden.67

Seeräuberei weit vor der Küste und außerhalb der Hoheitsgewässer stellt die größte Herausforderung für die Sicherheitskräfte dar.

Die Überfälle auf See finden bis zu 200 Seemeilen (ca. 370 km) vor der Küste statt. Daraus lassen sich vier Schlussfolgerungen ableiten:

  • Die Angriffe erfolgen mit Hilfe von Mutterschiffen, da weder die Reichweite noch die Seefähigkeit der kleinen Boote ausreichend sind für autarke Operationen.

  • Die Angreifer sind aufgrund der großen Entfernung zum Land mit Radar nicht aufzufassen und damit nicht im Lagebild abgebildet. Das AIS wird wahrscheinlich weder von den Booten noch vom Mutterschiff der Piraten benutzt, damit sind sie in den Lagezentren nicht sichtbar.

  • Eine schnelle Hilfestellung durch an Land statio­nierte Einheiten ist unmöglich. 200 Seemeilen lassen sich durch die nigerianische Marine im besten Fall innerhalb von acht Stunden (25 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit) überbrücken. Hoch­geschwindigkeitsboote mit bis zu 70 Knoten können weder auf offener See eingesetzt werden noch verfügen sie über die nötige Reichweite. Auch sie kämen zu spät.

  • Eine engmaschige und permanente Vorabstationierung von Schiffen vor der Küste zur Minimierung der Reaktionszeit und zur besseren Radarabdeckung würde jede Marine der betroffenen Küstenanrainer bei weitem überfordern. Eine Stationierung beispiels­weise im Abstand von 50 Seemeilen im ge­samten Seegebiet sowohl in Länge als auch Tiefe des Raumes würde weit mehr Schiffe erfordern, als vorhanden sind. Wartung und Rotation benötigten darüber hinaus zusätzliche Schiffe. Das ist weder realistisch noch wäre es effizient.

Mit Hilfe des AIS kann die Position eines von einem Überfall betroffenen Schiffes nach seinem Notruf schnell ermittelt werden. Damit wird das zu unter­suchende Seegebiet erheblich eingeschränkt und für die Piraten steigt das Entdeckungsrisiko mit jedem weiteren Versuch deutlich an. Ein Abgleich des bord­eigenen Radarbildes eines zu Hilfe kommenden Schiffes mit dem AIS vermindert die Anzahl der ver­dächtigen Schiffe drastisch. Piratenschiffe, die plötz­lich selbst ein AIS-Signal senden, würden sofort auffallen. Eine solche anlassbezogene, zügige und systematische Untersuchung eines Vorfalls durch Marineeinheiten könnte den bis dahin rechtsfreien Raum außerhalb der Hoheitsgewässer und damit eine Grundvoraussetzung für Piraterie beenden.

Anhand der Statistiken lässt sich der Erfolg des Yaoundé-Prozesses auf den ersten Blick nicht erkennen, doch er ist vorhanden.

Jedoch gibt es bereits jetzt Indizien dafür, dass die im Rahmen des Yaoundé-Prozesses eingeführten Maß­nahmen eine Abschreckungswirkung erzielen. Unter dem Datum 5.6.2014 ist ein interessanter Eintrag im Bericht der IMO verzeichnet: Dort wird beschrieben, dass Piraten ein Fischereifahrzeug vor der Küste Ghanas kaperten, um es als Mutterschiff für zukünftige Operationen vor der Küste Nigerias zu verwenden. Innerhalb eines Tages verließen die Piraten das Schiff aber wieder, da sie eine Verfolgung durch die nigerianische Marine fürchteten.68 Dies kann als Indiz gewertet werden, dass ein wie auch immer aufgestelltes Überwachungsregime abschreckend wirkt und solche Überfälle reduziert.

Überfälle werden von den Schiffsbesatzungen immer häufiger direkt an die zuständigen Marinen gemeldet. Auch wenn eine sofortige Hilfe noch wäh­rend des Überfalls aufgrund der Entfernung nicht möglich ist, werden die Piraten durch die Meldung unter Druck gesetzt. Zwar können die Sicherheitskräfte das Seegebiet nicht ständig überwachen – die Piraten können allerdings nicht einfach von der Wasser­oberfläche verschwinden. Der Weg der Piraten zu den Küstengebieten führt sie in die Richtung der herbeikommenden Marineschiffe und hebt die Wahr­scheinlichkeit, entdeckt zu werden, signifikant an.

Auch eine Erhöhung des Drucks der Sicherheitskräfte an Land (im betroffenen Küstengebiet) verrin­gert die Aktivitäten von Piraten auf See. Ein Beispiel: Vom 18. Mai bis 19. Oktober 2015 fanden keine Piratenüberfälle vor Nigerias Küste statt, immerhin über einen Zeitraum von fünf Monaten.69 In dieser Zeit gingen die nigerianischen Streitkräfte im Rahmen der Operation »Pulo Shield« gezielt gegen die Rebellen im Deltagebiet vor. Scheinbar hatten die Rebellen ent­weder keine Kapazitäten mehr zur Verfügung, um Piratenüberfälle durchzuführen, oder das Risiko, Geiseln an Land unterzubringen, war ihnen zu hoch. Dies verdeutlicht den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Piraterie und der Situation an Land.70

2018 ist insgesamt im Golf von Guinea die Anzahl der Vorfälle auf See deutlich gestiegen. Dabei fällt auf, dass der Schwerpunkt scheinbar nicht mehr allein im Küstenbereich Nigerias liegt, sondern an­grenzende Seegebiete dazugekommen sind. Dem Jahresbericht des IMB lassen sich dazu weitere Einzel­heiten entnehmen:71 Von den 5972 im Detail genann­ten Vorfällen haben sich 10 direkt in den Häfen von Lagos (8), Sekondi-Takoradi (1) und Pointe-Noire (1) zugetragen. 31 Vorfälle fanden vor diesen Häfen auf Reede statt: Lagos (13), Sekondi-Takoradi (7), Pointe-Noire (4) und zusätzlich Cotonou (4), des Weiteren zwei vor Guinea und einer vor Côte d’Ivoire. Damit fallen 41 von 59 Fällen eher in die Kategorie Hafen­sicherheit (vgl. S. 20).

Auch wenn die Statistik scheinbar etwas anderes aussagt – der Schwer­punkt von Seeräuberei liegt weiterhin im Gebiet vor Nigeria.

Bemerkenswert sind noch die 6 Vorfälle vor der Küste Kameruns: Der erste Überfall fand am 9.2.18 statt, knapp 19 km vor Idenao. Ziel war der chine­sische Trawler »Luwen-Yu 2«, drei Crewmitglieder wurden entführt.73 Die anderen 5 Überfälle ereigneten sich zeitgleich am 23.11.18 und in derselben Position etwa 25 km vor Idenao.74 Betroffen waren fünf Trawler, die zwar unter ghanaischer Flagge fuhren, aber alle chinesischer Herkunft sind (»Chanlong 2«, »Chanlong 7«, »Haiying 7«, »Haiying 9« und »Renoveau 6«). Von allen Trawlern wurden zwischen zwei und fünf Besatzungsmitglieder ent­führt. Außer diesen 6 Vorfällen sind keine Überfälle vor Kamerun im Bericht aufgeführt. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich hier nicht um »gewöhnliche Überfälle« handelt, sondern eventuell aus anderen Motiven gezielt diese Boote ausgewählt wurden.

Damit reduziert sich die Anzahl der »echten« Piratenüberfälle im Jahr 2018, soweit sie im Detail beschrieben sind, auf insgesamt 12: Nigeria (9), De­mokratische Republik Kongo (2) und Ghana (1). Der Schwerpunkt liegt demnach weiterhin vor der Küste Nigerias.75

Was also sind die Konsequenzen aus den genannten Beobachtungen und wie passen die jeweiligen nationalen Fähigkeiten dazu?

Die Anerkennung, dass maritime Unsicherheit be­steht und alle Küstenanrainer dafür Verantwortung übernehmen müssen, findet sich im Yaoundé-Prozess wieder und trägt bereits erste Früchte. Eine bessere Ausstattung mit Booten, die im Hafen und seiner Um­gebung sichtbar patrouillieren, und der erkenn­bare Wille der Sicherheitskräfte, die Herausforderung an­zunehmen, konnten die Hafenüberfälle auf Schiffe verringern – mit den genannten Ausnahmen Lagos und Pointe-Noire.

Durch die Inbetriebnahme des National Maritime Operations Centres (NMOC) in Accra, Ghana, in un­mittelbarer Nachbarschaft zum Naval Headquarters im Burma Camp, konnte die Überwachung spürbar ausgebaut werden, außerdem ist die Erreichbarkeit eines solchen koordinierenden Zentrums gesichert. Damit konnte auch die Maritime Domain Awareness (MDA)76 der ghanaischen Marine geschärft werden, da dort das Radarbild mit dem AIS-Lagebild zusammengeführt werden kann. Kurze Wege zur Marine­führung ermöglichen schnelle Entscheidungen.

Die Zusammenarbeit benachbarter Marinen hat deutliche Fortschritte gemacht. Da in vielen Ländern nicht genügend eigene Kräfte vorhanden sind, wurde die nigerianische Marine wiederholt gebeten, gegen Piraten, die entlang der westafrikanischen Küste agierten, vorzugehen – das hat es vorher so nicht gegeben. Besser ausgestattete Marinen wie diejenigen in Ghana und Nigeria helfen ihren Nachbarn, der Imagegewinn ist signifikant und gibt der internationalen Kooperation einen erheblichen zusätzlichen Schub. In keiner der analysierten Meldungen 2018 wird berichtet, dass die jeweilige Marine benachrichtigt wurde, ohne dass eine Reaktion erfolgte. Ganz im Gegenteil: Gerade von der nigerianischen Marine heißt es immer wieder, dass sie auch weit außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer mit Schiffen zu Hilfe kam.

Lösungsansätze und ihre Grenzen

Die Sicherheitsarchitektur im Rahmen des Yaoundé-Prozesses

Mit den im Verhaltenskodex77 (vgl. S. 9) fest­gelegten Maßnahmen versuchen die Küstenanrainerstaaten, ihr Gewaltmonopol im vorgelagerten Küsten­gebiet durchzusetzen. Dazu bedarf es funktionierender Radarstationen zur Überwachung des Küsten­streifens, nationaler Lagezentren und multinationaler Koordi­nierungszentren. Die Zentren müssen mitein­ander vernetzt und für die zivile Schifffahrt erreichbar sein. Zusätzlich muss es Möglichkeiten geben, mittels Marineeinheiten schnell auf Übergriffe reagie­ren zu können. In der Ausgangslage waren die Küsten­staaten weder materiell noch personell oder organisatorisch entsprechend ausgestattet. Mit dem Fortschreiten des Yaoundé-Prozesses ist eine ganze Reihe von Aktivi­täten umgesetzt worden, die in der Realität bereits Wirkung zeigen.

Die Einteilung der am Yaoundé-Prozess beteiligten Staaten in unterschiedliche Zonen wurde bereits im Kapitel »Entstehung und bisheriger Verlauf des Yaoundé-Prozesses« vorgestellt (vgl. S. 8). Die kom­plette Organisations-Architektur gemäß der Yaoundé-Vereinbarungen beinhaltet ein übergeordnetes strate­gisches Koordinationszentrum (Inter-Regional Coordi­nation Centre, ICC) und jeweils ein regionales Zentrum für die beiden Regionen ECCAS und ECOWAS (vgl. Graphik 1). Darunter angeordnet sind die multinationalen maritimen Koordinationszentren (MMCC) zur operationellen Koordination in den Zonen A, D, E, F und G. Darunter befinden sich wiederum die natio­nalen maritimen Operationszentralen (NMOC), in denen die jeweiligen Länder ihre Maß­nahmen und Informationen bündeln.

Die Errichtung des ICC in Kamerun ist im Mem­orandum of Understanding (vgl. S. 9) beschlossen worden. Ein Zusatzprotokoll zum MoU (Additional Protocol) vom 5.6.2014 legt Aufbau und Aufgaben des ICC fest:78 Hauptaufgabe des ICC ist es, als zentrale Stelle die maritime Sicherheit im Golf von Guinea dauerhaft zu verbessern, und zwar durch verstärkte Kooperation, Koordination, Vergemeinschaftung und Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen in der Region. Die Einrichtung dieses gemeinsamen Zentrums wurde in einem High-Level Meeting der VN am 12. Februar 2016 anerkannt, kurze Zeit später im Juli 2016 war das ICC einsatzbereit. Das ICC ist unterhalb der Direktorenebene (bestehend aus dem Direktor und einem Stellvertreter) in folgende fünf Themen­bereiche unterteilt:

  • Maritime Governance and International Co­operation [Meerespolitik und Internationale Zusammen­arbeit]

  • Administration and Finance [Verwaltung und Finanzen]

  • Information Management and Communication [Informationsmanagement und Kommunikation]

  • Education and Training [Ausbildung]

  • Legal Affairs and Judicial Cooperation [rechtliche Angelegenheiten und juristische Kooperation]

Das ICC setzt sich zusammen aus insgesamt 26 Perso­nen, der Unterbau der jeweiligen Bereiche hat im Regelfall einen Mitarbeiter und gegebenenfalls ein kleines Sekretariat. Letztendlich ist das ICC recht schlank aufgestellt, um die im Zusatzprotokoll fest­gelegten Aufgaben zu bewältigen: Entwicklung einer gemeinsamen Strategie, Aufbau von Kapazitäten ziviler und militärischer Komponenten des »Maritime Law Enforcement«,79 Koordination von Ausbildungs- und Übungstätigkeiten in den Regionen, Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Marinen und regionalen Zentren, Erfahrungsaustausch, Erarbeitung standardisierter Verfahren, Mög­lichkeiten der Finanzierung und vieles mehr. Hinzu kommt die Ausrichtung des jährlichen Direktoren-Treffens von ECCAS, ECOWAS und GGC zur maritimen Sicherheit, zur Weiterentwicklung, Über­wa­chung und Evaluierung der regionalen Koordination. Diesem sehr komplexen Aufgaben­paket kann das vorhandene Personal nur begrenzt gerecht werden. Die Beteiligung von Mitarbeitern aus möglichst vielen Nationen ist dabei ein wichtiges Signal der Mitsprache und verbessert die Akzeptanz über den Standort hinweg. Andererseits muss sich das ICC den Sparzwängen beugen; ein mehrere hundert Personen um­fassendes Zentrum hätte vermutlich jeden Finanz­rahmen und die Akzeptanz der nationalen wie inter­nationalen Finanzgeber gesprengt. Ein Ausgleich der vorhandenen Defizite durch externe Angebote, gege­benenfalls auch projektbezogen, wäre sicherlich hilfreich.

Graphik 1

 Übersicht über die am Yaoundé-Prozess beteiligten Koordinationszentren und Operationszentralen

Die Eröffnung des ICC war das erste sichtbare Zei­chen von »Hardware« im Bereich maritimer Sicherheit im Golf von Guinea.

Doch eine der größten Herausforderungen liegt wie zu erwarten im Bereich der Finanzierung der beschlossenen Maßnahmen. Die Sicherheitskräfte und Marinen im genannten Seegebiet sind chronisch unterfinanziert. Auch wenn sich die Staatschefs auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen, bedeutet das nicht, dass die notwendige Finanzierung bereit­gestellt wird. Daher wurden von Beginn an öffentlichkeitswirksam die Ergebnisse vorgestellt und die Treffen als afrikanische Initiative publik gemacht. Die dahinterliegende, durchaus legitime Absicht war es, zusätzliche Zuwendungen und Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft zu erhalten, auch wenn einige afrikanische Staatschefs anmahnten, dass es sich hier um einen ureigenen Bereich von Staatlichkeit handle, und daher mehr Eigenständigkeit der einzelnen Nationen einforderten.

Maritime Sicherheit auf der Ebene der Afrikanischen Union

Beim Blick nach Afrika liegt der Fokus normalerweise nicht auf maritimen Themen, doch die Afrikanische Union (AU) hat bereits 2012 ihre maritime Strategie für den Zeitraum bis zum Jahr 2050 veröffentlicht (Africa’s Integrated Maritime Strategy, AIM).80 Auf knappen 32 Seiten wird nicht nur festgestellt, dass der Küstenbereich und damit die maritime Komponente einen erheblichen Anteil zur weiteren Entwick­lung des ganzen Kontinents beitragen kann und folg­lich nicht isoliert zu betrachten ist.81 In diesem Doku­ment wird auch Bezug genommen auf die sicherheits­politischen Herausforderungen wie Schmuggel, IUU-Fischerei, Piraterie und illegale Abfallentsorgung. Weiterhin wird auf die Entwicklungschancen hinge­wiesen und dass alle diese Aspekte sinnvollerweise nur länderübergreifend und gemeinsam angegangen werden können. Daher muss die AU eine führende Rolle übernehmen, unterstützt durch die verschie­denen Regionalorganisationen wie zum Beispiel ECOWAS, ECCAS und andere. Zusätzlich wurde mit der AIM eine Lücke in der afrikanischen Sicherheitsarchitektur geschlossen, die vorher die maritime Seite nicht berücksichtigt hatte.82 Ganz konkret werden länderübergreifende Seeraumüberwachung, einheitliche gesetzliche Regelungen, der Aufbau von natio­nalen Küstenwachen oder Marinen, regionale Über­wachungszentren und eine Rund-um-die-Uhr-Erreich­barkeit entsprechender Meldestellen eingefordert. Sogar die »sea-blindness«83 der Öffentlichkeit und vieler Akteure soll durch eine Kampagne vermindert werden. Die AU erlegt sich in diesem Dokument auch die Verpflichtung auf zu einer jährlichen Konferenz (Maritime Security and Development Conference), bei der Experten aus unterschiedlichen Bereichen (öffent­lich und privat) gemeinsam und sektorübergreifend diskutieren sollen.

Auch wenn in der AIM kein direkter Zusammenhang zwischen maritimer (Un‑)Sicherheit und der Sicherheitslage an Land hergestellt wird, weist sie klar auf die Bedeutung des Seeraumes vor der afrikanischen Küste hin. Dazu gehört auch die Einbeziehung der inländischen Wasserwege. Die Strategie beschreibt die gemeinsame Herangehensweise über Länder­grenzen hinweg, auch derjenigen Länder, die keinen direkten Zugang zum Meer haben. Da sie häufig die Häfen der Küstenländer mitnutzen, sind sie von den Vorgängen auf See ebenso betroffen. Damit gibt es auch auf der Ebene der übergeordneten Regional­organisation AU ein maritimes Strategiepapier zur Orientierung, an das der Yaoundé-Prozess anknüpft.

Maritime Kapazitäten westafrikanischer Staaten

Tabelle 4 gibt einen Überblick über die maritimen Kapazitäten der westafrikanischen Marinen. In den hier anschließenden Erläuterungen wird Nigeria ausgespart, da es gesondert im darauffolgenden Kapitel betrachtet wird.

Korvetten und Hochsee-Patrouillenboote (Offshore Patrol Vessel, OPV) haben in etwa die gleiche Größe, mit einer Verdrängung zwischen 700 und 2000 Tonnen und etwa 70 bis 100 Meter Länge. Dabei sind Korvetten meist stärker bewaffnet als Hochsee-Patrouillenboote und können eine höhere Maximalgeschwindigkeit laufen, zu Lasten der Seeausdauer und der Kosten.

Auch wenn die Angaben zu den einzelnen Marinen je nach Quelle divergieren – gerade bei der Be­urteilung der Einsetzbarkeit der Einheiten gibt es er­hebliche Abweichungen –, bleibt die Gesamtaussage recht ähnlich: Die Marinen Nigerias und Ghanas ver­fügen sowohl materiell als auch personell über die größten Fähigkeiten, Äquatorialguinea hat eine kleine, aber relativ gut ausgestattete Marine. Die recht große Marine der Demokratischen Republik Kongo ist kaum einsatzbereit, die Zahlen erwecken auf dem Papier den Eindruck einer Marine, die es in der Realität nicht gibt. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Anzahl der einsatzklaren Einheiten sehr begrenzt ist.

Diese Studie unterscheidet Schiffe und Boote, grob vereinfacht, nach folgenden Kriterien: Schiffe können aufgrund der Seeausdauer und Größe längere Zeit und auch bei stärkerem Seegang in der Ausschließ­lichen Wirtschaftszone (AWZ)84 und dar­über hinaus operieren. Erschwerend wirkt allerdings, dass die Schiffe der westafrikanischen Marinen meist älterer Bauart und relativ langsam sind. Eine Verfol­gungs­jagd von Piraten auf hoher See ist damit im Regelfall nicht möglich. Korvetten können bis in die AWZ patrouillieren, mit Einschränkungen bei ho­hem Seegang und hinsichtlich der Seeausdauer. Mitt­lere Patrouillen­boote eignen sich vorwiegend für den Einsatz inner­halb der Hoheitsgewässer bis zu einem moderaten Seegang. Die kleinen Patrouillenboote operieren nur in den Küstengewässern, meist nur in Sichtweite der Küste oder in den Binnen­gewässern, und bei gerin­gem Seegang.

Piraten außerhalb der Hoheitsgewässer müssen vor der westafrikanischen Küste derzeit kaum eine Verfol­gung befürchten. Die Anzahl der verfügbaren Schiffe, Korvetten und OPVs reicht nicht einmal ansatzweise aus, um weit vor der Küste ein Abschreckungspotenzial aufzubauen – und dies funk­tioniert nur über physische Präsenz.85 Es ist ein weit­gehend rechtsfreier Raum und die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, ist minimal. Zur Bekämpfung von Piraterie wird nicht zwingend ein möglichst großes, modernes, schnelles und kampfstarkes Schiff benötigt. Es bedarf aber einer soliden Seeausdauer und damit einer gewissen Größe, um die Entdeckungs­wahrscheinlich­keit für Piraten in einem vergleichsweise großen Seegebiet zu erhöhen. Korvetten oder große OPVs reichen dafür im Regelfall aus, denn bei wirklich schlechtem Wetter sind Piraten auf See auch nicht mehr handlungsfähig.

Maritime Sicherheit in Nigeria

In Nigeria ist die schwierige und komplexe sicherheitspolitische Situation an Land unmittelbar ver­flochten mit der maritimen (Un‑)Sicherheit an der Küste und im vorgelagerten Seegebiet. Wie in vielen anderen afrikanischen Ländern werden die Streit­kräfte ganz selbstverständlich auch im Bereich innere Sicherheit eingesetzt. Die nigerianische Marine ist daher auch in weiten Gebieten der Deltaregion für die Sicherheit zuständig, schon allein aus der Tatsache heraus, dass die Polizeikräfte keine geeigneten Mittel zur Verfügung hätten.

Tabelle 4 Übersicht über die maritimen Kapazitäten westafrikanischer Staaten

Navy Personal

Schiffe

Boote

Angola

1000

1 Fischereiaufsicht

2 mittlere Patrouillenboote
 13 kleine Patrouillenboote

Äquatorialguinea

250

1 Hochsee-Patrouillenboot
1 Fregatte

9 kleine Patrouillenboote

Benin

500

5 kleine Patrouillenboote

Côte d’Ivoire

1000

5 kleine Patrouillenboote

Demokratische Republik Kongo

6700

1 mittleres Patrouillenboot
 15 kleine Patrouillenboote

Gabun

500

1 Landungsschiff

2 mittlere Patrouillenboote
 10 kleine Patrouillenboote

Gambia

unbekannt

8 kleine Patrouillenboote

Ghana

2000

11 mittlere Patrouillenboote
 2 Boote (ehemals U. S. Coast Guard)
 1 kleines Patrouillenboot

Guinea

400

3 kleine Patrouillenboote

Guinea-Bissau

350

1 kleines Patrouillenboot

Kamerun

1500

2 mittlere Patrouillenboote
 11 kleine Patrouillenboote
 2 kleine Landungsboote

Kapverdische Inseln

100
(Coast Guard)

3 kleine Patrouillenboote

Republik Kongo

800

8 kleine Patrouillenboote

Liberia

50
(Coast Guard)

wenige sehr kleine Patrouillenboote

Nigeria

8000

1 Meko-Fregatte (nicht einsatzbereit)
2 Hochsee-Patrouillenschiffe (ehemalige Schiffe der U. S. Coast Guard)

2 Korvetten
 3 mittlere Patrouillenboote
 30 kleine Patrouillenboote
 80 sehr kleine Patrouillenboote

Senegal

950

1 mittleres Patrouillenboot
 3 kleine Patrouillenboote

Sierra Leone

unbekannt

1 kleines Fischereiaufsichtsboot

Togo

200

3 kleine Patrouillenboote

Quelle: The International Institute for Strategic Studies (IISS), »Chapter Nine: Sub-Saharan Africa«, in: The Military Balance,
117 (2017) 1, S. 479–548, <
https://doi.org/10.1080/04597222.2017.1271216> (Zugriff am 28.5.2018).

Die Meko-Fregatte der nigerianischen Marine ist seit Jahren nicht einsatzbereit, die beiden anderen Schiffe wurden aus Altbeständen der U. S. Coast Guard übernommen (vgl. Tabelle 4). Sie wurden vor der Abgabe an die nigerianische Marine überholt und sind sehr solide, aber sehr alte Schiffe mit kombiniertem Diesel- und Dampfturbinenantrieb. Mit den bei­den Korvetten sind wahrscheinlich die zwei Hochsee-Patrouillenboote aus chinesischer Produktion gemeint, die modern sind, letztendlich aber auch die Hauptlast der Seeraumüberwachung tragen müssen. Das dürfte Besatzung und Boot an die Grenze der Belastbarkeit bringen.

Die Vielzahl der kleinen und sehr kleinen Patrouillenboote wird im Nigerdelta benötigt. Das sind meist mit Außenbordern angetriebene kleine Boote. Der Verfügungsbestand ist im Regelfall sehr unbefriedigend, die Antriebe sind überwiegend starke Zweitakt-Motoren mit hohem Spritverbrauch, die im täglichen Gebrauch überwiegend unter Vollgas betrieben wer­den. Zusammen mit dem rudimentären Wartungs­verständnis und mangelnder Ersatzteilausstattung führt dies zu einer hohen Ausfallquote.

Viele Boote der nigerianischen Marine werden in der Übersicht nicht berücksichtigt, da sie zwar noch bemannt, aber nicht mehr einsatzbereit sind. So lie­gen zum Beispiel im Hafen von Lagos noch einige weitere Boote, die möglicherweise von der nigerianischen Marine »mitgezählt« werden, aber schon lange die Pier oder den Hafen nicht mehr verlassen haben. Das ist im Übrigen eine weit verbreitete Situation in den westafrikanischen Marinen.

Aufgrund der mangelnden Präsenz in der Fläche entwickelte die Marine den Plan, die größeren Mün­dungen des Sumpfgebietes direkt an der Küstenlinie zu überwachen. Diese »Chokepoints« sollten den Schmuggel von Öl verhindern, indem der Verbindungsweg zum Meer abgeschnitten wird. Doch die Mittel reichen bis heute nicht aus, die etwa zwanzig Zugangspunkte rund um die Uhr zu kontrollieren. Für die Durchführung der Kontrollen werden die bereits erwähnten kleinen, leicht bewaffneten Motor­boote gebraucht, zusätzlich Hausboote als schwimmende Unterkünfte. Neben Stromerzeugern und Treibstoff wird außerdem eine entsprechende mili­tärische Absicherung benötigt, die einem konzen­trierten Angriff gut ausgerüsteter Rebellen stand­halten kann. Gleichzeitig versuchen die Streitkräfte, auch neuralgische Punkte der Ölförderungs-Infra­struktur wie Pumpstationen etc. im Delta zu schützen. Damit ist die nigerianische Marine, wie auch die Sicherheitskräfte insgesamt, überfordert, eine flächen­deckende Absicherung ist sehr aufwändig und über­steigt die Möglichkeiten der Marine.

Um einen besseren Überblick über das unwegsame Gelände zu bekommen, hat Nigeria zwei Flugzeuge (ATR 42 MP) für die Luftraumüberwachung angeschafft.86 Allerdings werden diese Flugzeuge von der Luftwaffe betrieben, wodurch es wiederum zu Brüchen in der Informationskette zwischen den Teilstreitkräften und bei der Einsatzplanung kommt. Außerdem werden diese Flugzeuge auch im Kampf gegen Boko Haram und für andere Aufgaben eingesetzt. Zwei Flugzeuge sind in Anbetracht der vielfältigen Prob­leme und der Größe des Landes völlig unzureichend, ihr Nutzen ist auch überschaubar: Letztendlich können Luftbeobachtungen nur an Bodeneinheiten zur näheren Untersuchung weitergemeldet werden.

Die Nigerian Maritime Administration and Safety Agency (NIMASA, seit 2006)87 ist verantwortlich für die Küstengewässer, für die Vermeidung von Umwelt­verschmutzung, die Regulierung der Arbeitsbedingungen und Standards sowie für die Hafenbehörden in Nigeria. Damit gibt es Überschneidungen mit den Aufgaben einer klassischen Küstenwache. In vielen Marinestützpunkten im Nigerdelta findet man Ein­heiten der NIMASA neben den Booten der Marine. Trotzdem arbeiten die beiden Behörden eher neben­einander als miteinander, da sie bei der Verteilung von Ressourcen, Dienstposten und Prestige in direkter Konkurrenz zueinander stehen. Diese Zersplitterung der Befugnisse erfordert einen erhöhten Koordinationsaufwand, dem aber nicht nachgekommen wird. Wie auch bei der Marine sind die Boote der NIMASA häufig in einem schlechten Zustand und gar nicht oder nur begrenzt einsatzbereit. Teilweise fehlen das Geld oder auch das Know-how zur Wartung.

Die Zusammenarbeit von privaten Sicherheitsdienstleistern und der Marine führt dazu, dass die Ursachen der Piraterie nicht wirklich angegangen werden.

Im Bereich maritimer Sicherheit haben sich auch private Sicherheitsdienste gebildet – und die Arbeits­teilung zwischen ihnen und der Marine ist interessant: Der private Sicherheitsdienstleister überlässt der nigerianischen Marine einsatzbereite Boote, die mit einer gemischten Crew aus Firmen- und Marine­angehörigen bemannt werden. Diese Boote werden dann für Einsätze unter der Kontrolle der nigerianischen Marine verwendet und in einsatzfreien Zeiten mit den Soldaten an Bord an solvente Firmen ver­mietet.88 Auch eine andere Vorgehens­weise lässt sich beobachten: Unter anderem vor den nigerianischen Tiefwasserhäfen wurden Sicherheitszonen eingerichtet. Private Firmen stellen Schiffe, Wartung, Logistik und die Rechnungsabwicklung zur Verfügung, die nigerianische Marine stellt das Sicher­heitspersonal an Bord und die Bewaffnung bereit.89

Letztendlich unterlaufen diese privaten Sicherheitsdienstleister das staatliche Gewaltmonopol. Erschwerend kommt hinzu, wenn, wie in Nigeria, finanzielle Interessen innerhalb der Streitkräfte und das öffentliche Sicherheitsinteresse kollidieren – insbesondere wenn staatliche Sicherheitskräfte an zivile Kunden »vermietet« werden. Das unterminiert die Glaubwürdigkeit der staatlichen Einrichtungen, deren ureigene Aufgabe es ist, für Sicherheit zu sorgen. Verschwinden diese Zusatzeinnahmen des Staates in nicht transparente Kanäle, verringert das die Bereit­schaft der Sicherheitskräfte, bereits während ihres Dienstes Sicherheit zu gewährleisten, wenn sie im privaten »Einsatz« dafür noch einmal bezahlt werden. Allein 2017 bestanden im gesamten Westafrika Ver­träge mit maritimen Sicherheitsdiensten im Wert von ca. 367 Millionen US-Dollar. Die re­gionalen Marinen hatten laut diesem Bericht dagegen deutlich weniger Mittel im Kampf gegen Seeräuberei zur Verfügung, ca. 33 Millionen US-Dollar, die NIMASA allerdings 218 Millionen US-Dollar.90 Diese Summen erklären, warum der Sicherheitssektor für private Dienstleister und gleichzeitig auch für die Angehörigen der Sicher­heitskräfte äußerst attraktiv ist. Dass dadurch die Sicherheit insgesamt erhöht wird, kann bezweifelt werden – das würde nämlich das Geschäfts­modell zerstören.

In den Monatsberichten (2017) des IMB wird die zunehmend zuverlässigere Erreichbarkeit und Reak­tion der nigerianischen Marine erwähnt.91 Sie ist wiederholt nach einer Benachrichtigung über einen Notfall mit einem Schiff zu Hilfe geeilt, das war bis vor einigen Jahren noch nicht der Fall. Auch wenn ein Eingreifen noch während des Überfalls aufgrund der Raum-Zeit-Faktoren nicht möglich ist, ist es ein wichtiger erster Schritt, dass Notrufe gehört werden und eine staatliche Reaktion darauf erfolgt. 2018 hat sich diese Entwicklung verstetigt (vgl. S. 24, letzter Absatz). Damit wird immerhin bei allen vorhandenen Prob­lemen in einem Teilbereich eine erhebliche Ver­besserung erreicht, die unmittelbar auf den Yaoundé-Prozess zurückzuführen ist.

Internationale Übungen

Lücken im Aufbau operativer Kapazitäten und beim Informationsaustausch wollen westliche Partnernationen – allen voran die USA und Frankreich – auch mit Hilfe von internationalen Manövern schließen. »African Winds« oder »Saharan Express« und nicht zuletzt »Obangame Express« sollen bei der Ausbildung der Marinen in der Region helfen und den Yaoundé-Prozess nachhaltig fördern.

Die größte Übung, »Obangame Express« (OE), wird seit 2010 (OE 10) jährlich durchgeführt. Sie wird ausgerichtet und weitestgehend finanziert durch die USA, unter der Federführung des U. S. Naval Forces Europe-Africa / U. S. 6th Fleet und dem in Stuttgart beheimateten U. S. Africa Command (AFRICOM). Die beteiligten Nationen92 trainieren hier ausdrücklich Fähigkeiten zur Erhöhung der maritimen Sicherheit in Szenarien gegen illegale Fischerei, gegen Drogen- und Waffenschmuggel und gegen Piraterie.

Auch Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren an der Übung »Obangame Express« beteiligt, im Jahr 2014 sogar besonders intensiv, da im Rahmen von OE 14 fünf Schiffe teilgenommen haben (die Fre­gatten Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, die Kor­vette Oldenburg, die Einsatzgruppenversorger Frankfurt am Main und Bonn). Allerdings entstand diese starke Präsenz eher zufällig, da der Verband der ersten vier genannten Schiffe Südafrika besucht hatte und sich der Einsatzgruppenversorger Bonn auf Erprobungsfahrt befand. Zusätzlich stellte das Seebataillon Eckernförde ein Team zum Training der Fähigkeiten im Bereich Maritime Interdiction Operations (MIO)93 zur Verfügung.94 Im Folgejahr, während OE 15, nahmen wieder ein deutsches Schiff, die Fregatte Brandenburg, und ein MIO-Team des Seebataillons Eckernförde teil. In den beiden nachfolgenden Jahren (OE 16 und OE 17) verstetigte sich die Teilnahme der Bundesrepublik mit jeweils einem MIO-Team des Seebataillons Eckernförde. Das ist umso höher ein­zuschätzen, als diese regelmäßige Mitwirkung beson­ders wichtig für ein kontinuierliches Programm ist und die Verlässlichkeit des deutschen Beitrags zeigt, obwohl das deutsche Seebataillon selbst unter hoher Einsatz­belastung steht.

Während in den Anfangsjahren noch einzelne Verfahren wie das Boarden von Schiffen geübt wurden, gewann die Übung mit den Jahren an Kom­plexität. 2014 wurde noch mit mehreren Schiffen unterschiedlichster Nationen in einem fest umgrenzten Seegebiet geübt, 2015 war bereits die ganze Küsten­region Schauplatz der Übung. Dabei galt es, ein Lage­bild in den Lagezentren zu erstellen und über längere Zeit zu halten, Auffälligkeiten und Vorfälle über Länder­grenzen hinweg zu verfolgen und mit den see­gehenden Einheiten zu koordinieren. Dies war und ist für alle beteiligten westafrikanischen Marinen eine große Herausforderung, wie die Übungsergebnisse bestätigten.95 Es zeigten sich ganz unterschiedliche Mängel: fehlende standardisierte Spruchformate und einheitliche Einsatzverfahren, eine unterschiedliche Interpretation und ein divergierendes Verständnis des Lagebildes, organisatorische und technische Schwierigkeiten. Dazu gehört auch die lückenhafte Radar­abdeckung. Das AIS allein kann nicht bei der Verfol­gung von Piraten oder Schmugglern genutzt werden, da sie das System nicht benutzen. Erst bei einer parallel stattfindenden Radarüberwachung fallen Überwasserkontakte ohne AIS auf.

Angesichts der vorhandenen technischen Ausstattung der örtlichen Marinen sind die beobachteten Mängel nicht verwunderlich. Hinzu kommen Sprach­barrieren, Konkurrenzdenken und Animositäten zwischen einzelnen Staaten, die die Zusammenarbeit teilweise erschweren. Weil weder genügend Personal noch Material verfügbar sind, gibt es außerhalb der genannten Übungen praktisch keinerlei Aktivitäten, bei denen mehrere Schiffe miteinander koordiniert agieren. Die genannten Probleme sind also nicht überraschend, sondern zeigen im Gegenteil allen Beteiligten auf, wie wichtig diese Übungen sind und in welchen Bereichen weitere Anstrengungen nötig sind.

Die bisherigen Unterstützungsmaßnahmen der deutschen Marine setzen bei den angesprochenen Defiziten an: Erhebliche Mängel im Bereich MIO können mit vergleichsweise geringem Aufwand deut­lich verringert werden. Das deutsche Seebataillon hat hier mit seinem Ausbildungsangebot vor Ort seit 2014 einen guten Ruf erworben. Andere Defizite, wie die nur in Ausnahmen vorhandene Fähigkeit, per Daten­link ein Radarbild von Bord eines Schiffes in das Lagebild an Land zu übermitteln, erfordern tech­nische Lösungen, die entsprechend finanziert und eingebaut werden müssen. Doch erst damit könnte auch die AWZ der jeweiligen Länder überwacht werden. Letztendlich erfordert die Größe des Gebietes zusätzlich eine stichprobenartige luftgestützte See­raumüberwachung. Eine der beiden für diesen Zweck von Nigeria angeschafften ATR 42 wurde während OE 15 trotz hoher Einsatzbelastung im Kampf gegen Boko Haram im Nordosten des Landes zeitweise für die Übung bereitgestellt – und das zu einem Zeit­punkt, als der Kampf gegen die Terrorgruppe oberste Priorität hatte.

Doch es fehlt teilweise an den einfachsten Dingen, wie Treibstoff für die an der Übung teilnehmenden Einheiten oder schlichtweg Kommunikationsmitteln. Hilfreich, ja geradezu unabdingbar ist, dass Techniker aus den USA vor Beginn der Übung die beteiligten Zentren aufsuchen und die über das Jahr ausgefallenen Geräte und Systeme reparieren. Kaum eines der beteiligten Länder kann in eigene Wartung investieren, auch leicht behebbare Störungen führen so meist zum Totalausfall einer Anlage. Damit ist es mit der Nachhaltigkeit nicht gut bestellt. Dies bestätigen die Übungsergebnisse auch in anderer Hinsicht: Sichtbare Ausbildungserfolge lassen sich häufig in den Folge­jahren nicht wiederholen, weil das Personal komplett wechselt und Erfahrungen nicht systematisch weiter­gegeben werden. Genauso können Fortschritte auch in kürzester Zeit wieder verloren gehen, wenn die Bemühungen nicht verstetigt werden. Kontinuität in der Ausbildung und die tatsächliche Bereitstellung von Mitteln sind bei allen vorhandenen Schwierig­keiten absolut notwendig, fordern den beteiligten afrikanischen Marinen aber erhebliche Anstrengungen ab.

Weitere Vorhaben im Golf von Guinea sind beispielsweise das im Januar 2013 gestartete »Critical Maritime Routes in the Gulf of Guinea Programme« (CRIMGO) der Europäischen Union (EU)96 und die bereits seit 1990 bestehende Operation »Corymbre«97 der französischen Marine, die erstens die Verbesserung der maritimen Sicherheit und zweitens die Verteidigung französischer Interessen im Golf von Guinea verfolgt. Der Sinn dieser internationalen Übungen ist die nachhaltige und kontinuierliche Steigerung von Fähigkeiten und Kapazitäten. Weder die afrikanischen noch die westlichen Marinen können mehr als eine große internationale Übung wie »Obangame Express« pro Jahr stemmen. Durch die weithin sichtbare Zusammenarbeit während der Übungen und den Anreiz, sich vor den Marinen der anderen Nationen keine Blöße zu geben, entsteht der nötige Druck auf die nationalen Entscheidungsträger in Politik und Militär, in der Zeit zwischen den Übun­gen an den eigenen Fähigkeiten und Kapazitäten zu arbeiten. Dazu gehören neben der Ausbildung auch die permanente Wartung und Pflege der technischen Anlagen (Radargeräte, Überwachungszentren, Kom­munikationsmittel) und der schwimmenden Ein­heiten. Nigeria möchte seinen Führungsanspruch in der Region auch dadurch untermauern, dass es die größte Anzahl von Schiffen und Booten zu den Übun­gen anmeldet. Die jährliche Übung »Obangame Ex­press« wirkt also über die konkreten Übungsinhalte hinaus. Dass dieser Weg lang ist und nicht geradlinig verläuft, liegt in der Natur der Sache und spiegelt sich jedes Jahr in den Übungsergebnissen.98

Zusätzlich zu den unterschiedlichen nationalen Aktivitäten gibt es eine stärkere Beteiligung der EU. Bereits im September 2015 stellte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe des Militärausschusses der Europäischen Union (European Union Military Committee, EUMC) fest, dass der Yaoundé-Prozess stärker durch die EU unterstützt werden sollte: »Alle präventiven Maßnahmen zur Herstellung von maritimer Sicherheit werden sich langfristig auszahlen. Die EU kann eine wichtige Rolle dabei spielen, die west- und zentral­afrikanischen Staaten dabei tatkräftig zu unterstützen, finanziell und im Kapazitätsaufbau ganz im Sinne einer Ertüchtigungsinitiative, die afrikanischen Partner durch Hilfe zur Selbsthilfe zu befähigen. Die EU sollte ambitioniert sein, den Aktionsplan für den Golf von Guinea im Rahmen des Comprehensive Approach99 zu implementieren.«100

Fähigkeitslücken im Bereich Organisation

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Infrastruktur zur Seeraumüberwachung entlang der verschiedenen Seegebiete vor der westafrikanischen Küste noch nicht vollständig aufgebaut oder erst vergleichsweise kurz in Betrieb ist. Die Zusammenarbeit ist noch nicht gewachsen, Bruchstellen oder Lücken in der Or­ganisation zeigen sich erst in der realen Umsetzung und im täglichen Betrieb. Eine lückenlose und quasi reibungsarm funktionierende Struktur lässt sich nicht innerhalb weniger Jahre errichten. Insgesamt ist das Konstrukt durchdacht und zweckentsprechend. Nun benötigt das System die Vervollständigung und die kontinuierliche Nutzung und Bewährung im tägli­chen Einsatz.

Wie bereits im Kapitel »Internationale Übungen« beschrieben (vgl. S. 31), lassen sich trotz allem orga­nisatorische Mängel feststellen. So wird eine konse­quente Nutzung von standardisierten Spruchformaten für mündliche und schriftliche Mel­dungen benötigt, die eine schnellere, einfachere und voll­ständige Verarbeitung von Informationen und Mel­dungen ermöglichen. Eine solche Umsetzung lässt sich vergleichsweise einfach und ohne signifikante Kosten durchführen, erfordert aber eine einheitliche Ausbildung und erhebliche Disziplin. Unzureichende Abstimmung oder gar mangelndes Vertrauen bei Vor­fällen an der Grenze zwischen zwei Anrainerstaaten, wie beispielsweise im Falle einer Nacheile,101 werden sich im Lauf der Zeit und mit zunehmender Routine entlang festgelegter Abläufe und Verfahren beheben lassen. Das Beispiel der Seegrenze zwischen Kamerun und Nigeria verdeutlicht dies. Diese Seegrenze war lange umstritten, die Sensibilität ist daher immer noch relativ hoch. Mit der Zeit wird sich durch wach­sendes Vertrauen Entspannung einstellen, mit positi­ven Effekten auch in anderen Politikfeldern, die diese beiden Länder betreffen.

Eine über den rein organisatorischen Bereich hinausgehende Herausforderung liegt in der Strafver­fol­gung. Nicht nur Mängel in der Gerichtsbarkeit erschwe­ren die Verurteilung von Piraten, sondern auch Lücken in den bestehenden Gesetzen behindern die juristische Aufarbeitung.102 Die Anpassung solcher Gesetze erfordert politischen Willen und benötigt Zeit.

Seit Dezember 2016 finanziert die EU das »Gulf of Guinea Inter-Regional Network« (GoGIN), ein Netz­werk zum Austausch von Informationen zwischen 19 Ländern entlang der westafrikanischen Küste.103 Außerdem fördert die EU eine Reihe von Projekten: Ab 2019 soll das Projekt »Improving Port Security in West and Central Africa« die Hafensicherheit erhö­hen. Mit Hilfe des Projekts »Critical Maritime Routes Monitoring, Support and Evaluation Mechanism« (CRIMSON) sollen die verschiedensten Einzelmaßnahmen untereinander verbunden und koordiniert werden. Das »Seaport Cooperation Project« (SEACOP) bekämpft auch in Westafrika den Drogenhandel (hauptsächlich Kokain) und damit die Organisierte Kriminalität. Es wird unterstützt durch »CRIMJUST« und durch das »Support Programme to the Maritime Security Strategy« (PASSMAR). Diese beiden Initiativen zielen darauf ab, die Integrität und die Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden in Westafrika zu ver­bessern, vor allem im Kampf gegen den internatio­nalen Drogenhandel. Und schließlich wird ECOWAS bei der Umsetzung der maritimen Sicherheitsstrategie im Golf von Guinea unterstützt, nämlich im Rahmen des »Support to the West Africa Integrated Maritime Security« (SWAIMS). Alle genannten Projekte der EU greifen damit Mängel in ganz unterschiedlichen Be­hör­den westafrikanischer Staaten auf und schaffen eine Verbindung zwischen den Maßnahmen auf See und den Institutionen an Land – nicht nur innerhalb der einzelnen Länder, sondern auch länderübergreifend, insbesondere in der Gesetzgebung und bei den Straf­verfolgungsbehörden.104 Damit wird der anfangs an­gesprochene »Geburtsfehler« des Yaoundé-Prozes­ses angegangen: Die bereits vorhandenen Fähig­keiten der Seeraumüberwachung werden durch komplemen­täre Maß­nahmen an Land ergänzt, um auch die Ursachen von Piraterie zu bekämpfen.

Fähigkeitslücken beim Material und Personal

Die schwierigste Aufgabe, sozusagen die »Königs­disziplin«, ist die Bekämpfung von Piraterie, Drogen- und Menschenhandel sowie der IUU-Fischerei auf hoher See.

Wie im Kapitel »Maritime Kapazitäten westafrikanischer Staaten« bereits erläutert (vgl. S. 28), haben praktisch nur Nigeria, Ghana und Äquatorialguinea die nötigen Fähigkeiten, bis weit hinaus in der AWZ zu wirken, und dann auch nur sehr limitiert. Die überwiegende Anzahl der zur Verfügung stehen­den Einheiten sind Boote, die lediglich für den Ein­satz innerhalb der Hoheitsgewässer geeignet sind, also bis etwa 20 km vor der Küste. Damit ist die Option einer vollständigen, permanenten Seeraumüberwachung durch weit vorgelagerte Schiffe nicht realistisch. Auch zusätzliche geeignete Schiffe würden aufgrund der Größe des Seegebietes allenfalls punk­tuelle oder stichprobenartige Kontrollen ermöglichen. Doch genau das würde den Mehrwert dieser Schiffe dar­stellen: Die Wahrscheinlichkeit, dass Piraten entdeckt würden, würde erhöht und damit der derzeit weit­gehend rechtsfreie Zustand zumindest in Teilen beendet werden. Eine ständige, flächendeckende Absicherung wäre zwar theoretisch wünschenswert, wäre aber in der Praxis völlig überzogen.

Bei einem Notruf durch ein weit vor der Küste überfallenes Schiff muss das betroffene, zu diesem Zeitpunkt noch relativ kleinräumige Seegebiet mög­lichst schnell und systematisch nach Piraten und Geiseln abgesucht werden. Die Anzahl der Schiffs­kontakte ist so weit vor der Küste überschaubar, da sich die große Masse der Fischereiboote in den Küsten­gewässern aufhält. Da Piraten das AIS sicherlich nicht benutzen, sollte der Abgleich zwischen dem AIS und dem eigenen schiffsgestützten Radar eine schnelle Lokalisierung ermöglichen. Voraussetzung ist aller­dings, dass das zu Hilfe eilende Schiff bereits in See steht und schnell reagieren kann. Außerdem werden sich die Piraten nach einem Überfall in Richtung Küste und damit in Richtung der Suchkräfte bewegen, besonders wenn sie Geiseln an Bord haben. Gleiches gilt für Schmuggler, die ebenfalls in Richtung Küste fahren müssen. Die Bekämpfung von IUU-Fischerei dagegen ist schwieriger, da sich die großen Fabrikschiffe nach dem Fang von der Küste entfernen. Hier helfen nur Stichproben während des Fang­vorgangs.

Benötigt wird also eine maßvolle Anzahl von Schif­fen, die anlassbezogen die Suche und Verfolgung aufnehmen können, sich dazu aber zumindest zeit­weise an der Grenze der Hoheitsgewässer zur AWZ aufhalten müssen. Die Anzahl muss immerhin so groß sein, dass sich Piraten nicht einfach frei bewe­gen können. Wenn bekannt ist, dass sich das weit und breit einzige Schiff, das in der Lage wäre, Piraten aufzuhalten, gerade öffentlich sichtbar im Hafen von Lagos befindet, ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit für Piraten nach einem Überfall nicht gegeben, das Seegebiet somit ein rechtsfreier Raum.

Damit der Yaoundé-Prozess weiter voranschreitet, ist jedoch mehr nötig als zusätzliche Schiffe: Not­wendig ist das Zusammenspiel aus erstens einer funktionierenden Meldekette vom überfallenen Schiff an die Meldestelle an Land, zweitens der Verarbeitung der vorhandenen Informationen und dem lücken­losen Abgleich des Lagebildes an Land und drittens der darauf folgenden Aktion durch schwimmende Einheiten auf See inklu­sive Lageaktualisierung. Die dazu erforderlichen Voraussetzungen an Land sind inzwischen weitest­gehend gegeben. Aller­dings gilt auch hier, dass es oftmals zwei Schritte voran und einen wieder zurück geht: Der erst im Sommer 2017 in Betrieb genommene Sendemast des MMCC in Cotonou, Benin, ist Anfang diesen Jahres mitsamt der darauf installierten Fern­meldetechnik während eines Sturms umgestürzt. Die Vergabe von Baumaßnahmen an lokale Firmen ist entwicklungspolitisch zweckmäßig und erwünscht, birgt aber auch Risiken. Der Mast beim MMCC Accra, Ghana, wurde so dicht an der Küste errichtet, dass er im Spritz­wasserbereich liegt und demzufolge mit erheblichen Korrosionsproblemen zu rechnen ist.

Altes, aus westlichen Marinen ausgemustertes Gerät überfordert im Einsatz oft die logistischen Fähigkeiten der Empfänger-Marinen.

Doch warum stellt die Erhaltung und Wartung des technischen Geräts die Marinen in Afrika vor so große Probleme? Die Schiffe und Boote sind häufig ausge­musterte Einheiten aus westlichen Marinen und zu­meist am Ende ihres Nutzungszeitraumes angekommen, auch wenn sie zuvor überholt worden sind. Dem­zufolge ist das Gerät oft wartungsanfällig und die Ersatzteilversorgung ist schwierig und teuer, einer der Gründe, warum sie in westlichen Marinen ausgemustert wurden. Die Flotten beinhalten Schiffe und Boote verschiedenster Herkunft, mit unterschiedlichen Ver­sorgungsketten und Verfahren, lange zurückliegender Inbetriebnahme und mit Gerätschaften, für die es Ersatz­teile bisweilen nur noch als teure Sonderanfertigungen gibt. Das überfordert jede Logistik sowie zur Verfügung stehende Haushaltsbudgets. So entstehen aus ursprünglich begrenzten Systemausfällen häufig Total­ausfälle der gesamten Einheit. Das führt nicht nur zu großer Frustration der jeweiligen Marine, sondern auch zu mangelnder Bereitschaft internationaler Geber, erneut zu investieren, da die Dauer­haftigkeit nicht gewährleistet ist.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

In der vorangehenden Analyse werden erste Anzeichen aufgezeigt, die auf eine Trendwende im Bereich maritimer Sicherheit hinweisen können; gesichert ist das aber noch nicht. Der Yaoundé-Prozess greift – wenn auch nur langsam. Trotzdem ist hier ein Prozess im Gange, in dem eine Vielzahl afrikanischer Staaten mit internationaler Hilfe ein regionales Sicherheitsproblem angeht, wie die internationale Gemeinschaft es einfordert. Innerhalb von bald sechs Jahren haben sich durchaus vorzeigbare Erfolge entwickelt, die An­erkennung verdienen und daher auch zukünftig ge­fördert werden sollten; vor allem sollten die in dieser Studie aufgezeigten Mängel abgestellt werden. Das drängendste Problem, die Zunahme an Geiselnahmen auf offener See, muss als Erstes bekämpft werden, aber auch andere Aspekte sind wichtig: Mittelfristig wird man zusätzliche OPVs benötigen, mit denen die jeweiligen Marinen das Seegebiet bis 200 Seemeilen vor der Küste befahren können, der Mangel an sol­chen schwimmenden Einheiten ist signifikant. Doch es geht nicht ohne begleitende Maßnahmen in der Ausbildung, Wartung, Logistik, Organisation und Kommunikation. Die jeweiligen Anrainerstaaten sind diesbezüglich selbst am meisten gefordert. Ihre gemein­samen Anstrengungen und die Hilfe internationaler Geber müssen über Jahre hinweg verstetigt werden. Es sollte das klare Signal vermittelt werden, dass Er­folge und Engagement einer afrikanischen Initiative durch zusätzliche internationale Unterstützung be­lohnt und nicht durch Verringerung oder Absetzung von Hilfen bestraft werden. Der Yaoundé-Prozess muss weiterentwickelt und erweitert werden. Wie am Horn von Afrika wird erst die Kooperation zwischen Akteu­ren auf der staatlichen, wirtschaftlichen, mili­täri­schen, polizeilichen und zivilen Ebene ein Schlüssel zum Erfolg im Kampf gegen Piraterie sein.105

Letztendlich muss zur Bekämpfung von Piraterie der Schwerpunkt auf Nigeria liegen, vor allem, wenn die Ursachen von Piraterie wirksam angegangen wer­den sollen. Dazu gehört auch, dass die Ölförder­indus­t­rie, die einerseits hauptverantwortlich für die Umwelt­verschmutzungen im Nigerdelta und anderer­seits besonders von den Sicherheitsvorfällen betroffen ist, in den Prozess integriert wird. Zum Beispiel müssen Verschmutzungen und Sicherheitsvorfälle (die häufig gemeinsam auftreten) besser dokumentiert und Schä­den schneller und gründlicher beseitigt werden. Ein koordinierter Ansatz der Ölförderindustrie, der Um­welt­behörden, der Sicherheitskräfte (Polizei und Militär, aber auch der NIMASA) und der Gemeinden in den betroffenen Regionen über ein gemeinsames Meldezentrum, angebunden an das National Maritime Operations Centre (NMOC) Nigeria, wäre eine Option. Allerdings muss es dann auch einen Unterbau geben, der Folgeaktionen überwacht, in konsequente Aktivi­täten überführt und koordiniert. Das erfordert eine Kooperation vieler verschiedener Stellen, wobei große Widerstände im Hinblick auf Kompetenzen, Finanzmittel und Verantwortlichkeiten zu erwarten sind. Es wäre dennoch ein wichtiger Schritt weg von einer kleinteiligen oder gar nur militärischen Vorgehensweise auf See zu einer Mitberücksichtigung der Ursachenbekämpfung an Land.

Unterstützung auf bilateraler Ebene

Seit 2016 unterstützt Deutschland im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative auch afrikanische Staaten.106 Im ersten Jahr wurden insgesamt 100 Millionen Euro für Hilfe zur Selbsthilfe bereitgestellt, 2017 wurde die Summe auf 130 Millionen Euro aufgestockt. Dabei gibt es fünf Schwerpunktländer (Irak, Jordanien, Tunesien, Mali und Nigeria), es werden aber auch andere Länder oder Organisationen (wie die VN oder ECOWAS) gefördert. Die Initiative beinhaltet Ausbil­dungs- und Beratungsangebote, den Aufbau von Infrastruktur, die Bereitstellung von technischem Gerät und sogar von Rüstungsgütern. Neu an dieser Initiative ist die gemeinsame Steuerung und Finan­zierung durch das Auswärtige Amt (AA) und das Ver­teidigungsministerium (BMVg). Die Schnelligkeit der Umsetzung – im Regelfall noch im gleichen Jahr – und die direkte Nähe vor Ort mit begleitenden Maß­nahmen durch die deutsche Botschaft, durch Einsatz­kontingente der Bundeswehr, militärische Berater oder Verbindungsoffiziere vor Ort, durch die Gesell­schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind äußerst wertvolle Vorteile. Entgegen der sonst langen Vorlauf­zeiten (häufig über ein Jahr) kann hier flexibel und schnell dringender Sofortbedarf bedient werden. Die beteiligten Nationen, Organisationen und Personen finden sich als Ansprechpartner auf Augenhöhe wahrgenommen.

Der nigerianischen Marine wurde im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative ermöglicht, Boote der nigeria­nischen Werft »Epinal« in Port Harcourt zu erwerben. Diese Boote werden in der Tschadsee-Region beim Kampf gegen Boko Haram benötigt, da die Sicherheitskräfte die Vielzahl von Inseln und Rückzugs­orten der Kämpfer auf dem Landweg nicht erreichen können. Dieser Typ Boot wird bereits von den Streit­kräften genutzt und kann aufgrund seines niedrigen Tiefganges sowohl im Nordosten des Landes als auch in der Küstenregion in den Sümpfen eingesetzt werden. Die nigerianische Marine erweitert damit ihre bereits vorhandene Flotte mit Booten, mit deren Handhabung und Wartung sie vertraut ist, die logis­tische Versorgungskette wird erheblich vereinfacht und die lokale Wirtschaft gestärkt. Da diese Boote auch in der unmittelbaren Küstenüberwachung (einschließlich der inneren Bereiche im Nigerdelta) zum Einsatz kommen, kann ein insgesamt höherer Gesamtbestand die Sicherheit im Golf von Guinea verbessern.107 Da ein Großteil der Überfälle auf Schiffe im Hafen oder auf Reede liegend erfolgt, sind diese kleinen schnellen Boote das richtige Instrument. Ständige Patrouillenfahrten, möglicherweise durch eine kombinierte militärische / polizeiliche Crew, kann die Sicherheit in den Häfen erhöhen. Zusammen mit einer konsequenten Zutrittskontrolle des Hafens von der Landseite könnte das Problem mangelhafter Hafensicherheit gelöst werden. Das ist allerdings eine polizeiliche Aufgabe und gehört bislang nicht unmittelbar zum Yaoundé-Prozess.

Ebenfalls im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative wurden in Zusammenarbeit mit der GIZ mehrere nationale maritime Organisationszentralen (NMOC) mit Funkgeräten, Kommunikationsmitteln und anderem Gerät ausgestattet, wie auch das Centre Régional de Surveillance Maritime de l’Afrique de l’Ouest (CRESMAO) in Abidjan, Côte d’Ivoire.

Bei der Frage, welche Länder aus deutscher Sicht unterstützt werden sollten und können, stehen Ghana und Nigeria an erster Stelle. Die ghanaische Marine hat in der Vergangenheit mehrere Boote aus deutschem Bestand gekauft, die zum Großteil noch in Betrieb sind. Nigeria ist zwar aufgrund seiner Größe, der vielen verschiedenen sicherheitspolitischen Heraus­forderungen, der Korruption und seines ausgeprägten Selbstbewusstseins ein schwieriger, wenn nicht sogar der schwierigste Partner in der Region und viele Natio­nen versuchen mit eher geringem Erfolg seit Jahren, die nigerianischen Streitkräfte zu unterstützen. Ande­rer­seits finden die weitaus meisten Piraterie-Vorfälle in den Gewässern an und vor der nigerianischen Küste statt. Wenn sich an dieser Situation generell etwas ändern soll, muss genau dort angesetzt werden. Unterstützung für andere Länder mag einfacher sein, wird aber das Problem Piraterie nicht lösen können. Deutschland hat hier einen besonderen Anknüpfungs­punkt, weil die Motoren- und Getriebeausstattung der nigerianischen Marine seit Jahrzehnten überwiegend aus deutscher Produktion stammt. Selbst in den von China kürzlich gelieferten Patrouillenbooten befinden sich MTU-Motoren mit ZF-Getriebe,108 entwickelt und gebaut in Friedrichshafen. Die nigerianische Marine betreibt in Sapele im Nigerdelta eine in den 1980er-Jahren mit deutscher Hilfe aufgebaute Marineschule, die immer noch in gutem Zustand ist. Selbst alte Messgeräte und Werkzeugmaschinen sind zumindest teilweise noch in Betrieb und werden bei der Aus­bildung von technischem Personal weiterhin genutzt. Die nigerianische Marine hat einen MTU-Schiffsmotor älterer Bauweise zu Schulungszwecken gekauft und nach Sapele gebracht. Damit möchte sie die Techniker­schulung im eigenen Land wiederaufnehmen, um die in den Booten älterer Bauart weit verbreiteten Moto­ren wieder in Betrieb zu nehmen bzw. um die noch funktionierenden Motoren warten zu können. Diese Maßnahme, von der nigerianischen Marine initiiert und anfangs allein durch sie finanziert, wird flankiert durch weitere Unterstützungsangebote im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative: Inzwischen werden eine weitere Technikerausbildung in Friedrichshafen und ein Schulungsmotor neuerer Bauart finanziert. Aus deutscher Sicht ist dieses Vorgehen aus unterschied­lichen Gründen vorteilhaft: Zum Ersten ist die Mittel­verwendung transparent und nachvollziehbar. Zweitens wird eine afrikanische Initiative gestärkt, die »African Ownership«109 bleibt erhalten. Und drittens hat diese Vorgehensweise langfristigen Cha­rakter, es werden Schulungsmittel zur Verfügung gestellt und spätere Ausbilder auf ihren Beruf vor­bereitet. Wenn dann noch die (nigerianische) Idee einer internationalen Schule zur Ausbildung von zivilen und militärischen Technikern über die eigene Landesgrenze hinaus umgesetzt werden könnte, würde ein echtes »Center of Excellency« in der Region entstehen, wie es im Übrigen auch in der AIM-Stra­tegie der AU eingefordert wird. Ein solches Projekt wäre mit relativ geringen Mitteln umzusetzen und hätte durchaus Strahlkraft in die ganze Region. Ohne in Konkurrenz mit den Maßnahmen anderer Natio­nen zu stehen, trüge dieses Projekt einen deutlich sichtbaren deutschen Fingerabdruck, entstanden aus einer afrikanischen Initiative.

Angesichts der in ganz Westafrika oft unsicheren Stromversorgung verwundert es nicht, dass die Küsten­anrainer große Schwierigkeiten haben, ihre natio­nalen maritimen Operationszentralen und Radar­stationen durchgängig mit ausreichend Energie zu ver­sorgen. Die jeweiligen Zentren behelfen sich bei Stromausfall mit Notstromaggregaten, wo­durch die Radarstationen meist ausfallen und nur das AIS noch funktioniert. Für die Wartung der Notstrom­aggregate und die Bereitstellung von Treibstoff ist die jeweilige Gastgebernation verantwortlich. Durch finan­zielle Engpässe führt das immer wieder dazu, dass bei einem Stromausfall das gesamte Überwachungs­system wegen Treibstoffmangel ausfällt. Aufgrund der ohnehin knapp ausgestatteten nationalen Haus­halte fällt den Marinen die Bereitstellung des Treib­stoffbedarfs für diese Zentren ausgesprochen schwer. Hier könnte eine deutsche Unterstützung in Form von dezentraler Energieversorgung mittels erneuer­barer Energien bedeutend helfen.

Es wurde bereits angesprochen, dass es schwierig sein kann, örtliche Firmen und Arbeitskräfte mit einzubeziehen, wenn es um die Qualität oder die Mittelverwendung geht (vgl. S. 35, letzter Absatz). Die Ausbildung von Technikern der nigerianischen Marine bei MTU in Deutschland inklusive der Kosten­übernahme vermeidet Geldflüsse in schwer überprüfbare Haushalte. Allerdings ist eine zumindest geringe Beteiligung der jeweiligen Nation an den Kosten der Ausbildung sinnvoll, um das dortige Enga­gement und die »African Ownership« zu gewährleisten. Werden die Partnerländer vorab gebeten ihren Beitrag zu leisten, erhöht das die Verlässlichkeit.

Unterstützung auf regionaler Ebene

Eine Möglichkeit, den Ausbildungsstand anzuheben und die angewendeten Verfahren zu vereinheit­lichen, wäre die engere Verknüpfung mit regionalen Ausbildungszentren. Das KAIPTC in Accra, Ghana, könnte stärker einbezogen werden. Zwar agiert es eher auf strategischer Ebene, führt aber bereits seit einigen Jahren auch Lehrgänge zur maritimen Sicher­heit durch. Denkbar wäre auch die Einrichtung einer maritimen Expertengruppe durch die internationale Gemeinschaft, in enger Absprache mit der Leitung des KAIPTC. Außerdem könnten dort durch entsprechende Kursangebote an die Anrainerstaaten der länderübergreifende Ansatz stärker vermittelt und viele vertrauensbildende Maßnahmen durchgeführt werden. Lehrgänge ohne maritime Themen könnten das Verständnis, die Bedeutung und die Zusammenhänge von Vorfällen in der Küstenregion im Sinne der Verringerung von »sea-blindness« erörtern. Die Kooperation verschiedener Überwachungszentren könnte regelmäßig simuliert und trainiert werden. Genau hier liegt möglicherweise eine Chance, das ICC bei seiner Tätigkeit erheblich zu unterstützen: Das KAIPTC könnte zum Beispiel bei der Erarbeitung standardisierter Einsatz- und Spruchverfahren, in der Strategieentwicklung oder in der Evaluierung ein­springen. Falls eine Realisierung beim KAIPTC nicht möglich ist, sollte eine andere Ausbildungsstätte aus­findig gemacht werden, die diese wichtige Funktion in Hinblick auf maritime Sicherheit übernehmen kann. Alternativ wäre dies auch in der Marineschule in Sapele, Nigeria, denkbar.

Eine Erweiterung des Yaoundé-Prozesses nach Süden (unter Einbeziehung der Southern African Development Community, SADC) wäre eine weitere Möglichkeit. Selbst wenn das Problem Piraterie dort kaum vorhanden ist – illegale Fischerei spielt auch in diesem Gebiet eine Rolle. Ein gemeinsames und abgestimmtes Rahmenwerk zur Regelung und Über­wachung von nachhaltiger Fischerei in der gesamten AWZ unter Einbeziehung des südlichen Afrikas wäre sicherlich nicht von Nachteil.

Internationale Zusammenarbeit

Auf den Mangel an einfachen (Wartungsaufwand, Handhabung), preiswerten (Kauf und Unterhalt) und modernen (Ersatzteilbeschaffung) schwimmenden Einheiten in der Größe eines OPV wurde bereits hin­gewiesen. Nur mit deutscher Unterstützung lassen sich solche Projekte aufgrund des finanziellen Auf­wandes kaum bewältigen, vielleicht aber mit inter­nationalen Partnern gemeinsam. Viele westafrikanische Marinen würden beispielsweise gerne Boote aus deutscher Produktion kaufen; allerdings übersteigen diese ihre finanziellen Möglichkeiten. Da China groß­zügig Kredite gewährt, werden deshalb häufig OPVs aus chinesischer Produktion angeschafft, auch wenn man mit der Qualität nicht immer zufrieden ist. Vielleicht könnte man Boote aus westlicher Produk­tion zu einem vergleichbaren Preis anbieten und die Differenz als Unterstützung des Yaoundé-Prozesses verbuchen.

Denkbar ist aber auch die punktuelle Zusammenarbeit mit China. Ein konkretes Beispiel wären die von China an Nigeria und Ghana ausgelieferten Boote: Die in ihnen eingebauten MTU-Motoren hatten Probleme bei der Treibstoffversorgung. Hier könnte man westliches Know-how anbieten, um die Boote voll einsatzfähig zu machen. Das Engagement Chinas übersteigt in vielen Aspekten das der westlichen Geber. Daher sollte man lieber miteinander als gegen­einander in die Verbesserung der Sicherheitsstrukturen rund um den Golf von Guinea investieren.

Die Zusammenarbeit mit den USA im Rahmen der Übung »Obangame Express« eröffnet vielfältige Mög­lich­keiten für Deutschland, mit den USA, afrikanischen und anderen Marinen zu kooperieren. Schon in der Vergangenheit wurde beispielsweise das deutsche MIO-Team durch eine US-Soldatin verstärkt, die die Ausbildung in Erster Hilfe durchführte. Es sind noch viele andere Formen denkbar, kleine Maßnahmen bieten sich dabei wahrscheinlich eher an. Große Ko­operationen erschweren die Abstimmung und schnell gibt es Senior- und Juniorpartner in einer solchen Zusammenarbeit. Das sollte vermieden werden. Zusätz­liche Übungen sind auch keine Option, da sie nicht nur die örtlichen Marinen überfordern würden. Eine Intensivierung der vorhandenen Aktivitäten zum Beispiel durch mehrmalige kurze Ausbildungsangebote in den Boarding Operations (MIO) in verschiedenen Ländern Westafrikas könnte hingegen die Fähig­keiten verstetigen und damit kontinuierlich und nachhaltig verbessern.

Es geht hier keinesfalls um eine mögliche stärkere Militarisierung in Westafrika, OPVs sind keine geeig­neten Mittel zur Kriegsführung. Sie sind gerade genug bewaffnet, um gegen Piraten oder Drogenschmuggler eingesetzt zu werden, entsprechen also eher unserem Verständnis einer Küstenwache im Rahmen polizei­licher Maßnahmen.

Bei der Unterstützung des Yaoundé-Prozesses handelt es sich nicht um eine Entlassung der afrikani­schen Staaten aus der Verantwortung für ihre eigene Sicherheit. Vielmehr geht es für Deutschland und die internationale Gemeinschaft darum, ein klares Signal zu setzen, dass die bisher geleisteten Fortschritte und Bemühungen seitens einer gesamten Region unsere besondere Anerkennung finden und weiterhin durch internationale Geber gefördert werden. Schließlich dient die Verbesserung der mari­timen Sicherheit auch der staatlichen Konsolidierung an der Westküste Afrikas.110 Die Sicherheit im Rahmen des Yaoundé-Prozesses lässt sich nicht nur durch inter­nationale Unterstützung erhöhen, sondern vor allem durch die Anstrengungen der Anrainerstaaten. Letzt­lich gilt aber nach wie vor, dass dies ohne erheb­liche und langfristige internationale Hilfe nicht mög­lich ist.

Abkürzungen

AIS

Automated Identification System (Automatisches Identifikationssystem)

AMD

African Maritime Domain

ASF

African Standby Force

AU

Afrikanische Union

AWZ

Ausschließliche Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone, EEZ), 200 Seemeilen

BICC

Bonn International Center for Conversion

BMVg

Bundesministerium der Verteidigung

CIMSEC

Center for International Maritime Security

CRESMAC

Centre Régional de Surveillance Maritime de l’Afrique Centrale

CRESMAO

Centre Régional de Surveillance Maritime de l’Afrique de l’Ouest

CRIMGO

Critical Maritime Routes in the Gulf of Guinea Programme

CRIMSON

Critical Maritime Routes Monitoring, Support and Evaluation Mechanism

DIA

Defence Intelligence Agency (Nigeria)

DIIS

Danish Institute for International Studies (Kopenhagen)

ECCAS

Economic Community of Central African States

ECOWAS

Economic Community of West African States

EEAS

European External Action Service

EU

Europäische Union

EUNAVFOR

European Union Naval Force Somalia – Operation Atalanta

EUMC

Militärausschuss der Europäischen Union (European Union Military Committee)

GGC

Gulf of Guinea Commission

GIGA

German Institute of Global and Area Studies (Hamburg)

GIZ

Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

GoGIN

Gulf of Guinea Inter-Regional Network

GTAI

Germany Trade and Invest

ICC

International Chamber of Commerce

ICC

Inter-Regional Coordination Centre

ICPO-INTERPOL

International Criminal Police Organisation

IISS

International Institute for Strategic Studies

IMB

International Maritime Bureau

IMO

International Maritime Organization

IUU

Illegal, Unreported and Unregulated Fishing (IUU-Fischerei: illegal, undokumentiert und unreguliert)

JIV

Joint Investigation Visit

KAIPTC

Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre

KfW

Kreditanstalt für Wiederaufbau

MDA

Maritime Domain Awareness

MEND

Movement for the Emancipation of the Niger Delta

MIO

Maritime Interdiction Operations (Boarding Operations)

MMCC

Multinational Maritime Coordination Centre

MoU

Memorandum of Understanding

MRAG

Marine Resources Assessment Group Ltd

NIA

National Intelligence Agency (Nigeria)

NIMASA

Nigerian Maritime Administration and Safety Agency

NMA

National Maritime Organization (Nigeria)

NMOC

National Maritime Operations Centre

NSO

National Security Organization (Nigeria)

OE

Obangame Express

OK

Organisierte Kriminalität

OOW

Officer Of Watch (Wachoffizier)

OPV

Offshore Patrol Vessel (Hochsee-Patrouillenboot)

PASSMAR

Support Programme to the Maritime Security Strategy

SADC

Southern African Development Community

SEACOP

Seaport Cooperation Project

SRÜ

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen

SSS

State Security Service (Nigeria)

SWAIMS

Support to the West Africa Integrated Maritime Security

USNI

U. S. Naval Institute

VN

Vereinte Nationen

Literaturhinweise

Stefan Mair (Hg.)

Piraterie und maritime Sicherheit. Fallstudien zu Afrika, Südostasien und Lateinamerika sowie Beiträge zu politischen, militärischen, rechtlichen und ökonomischen Aspekten

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2010 (SWP-Studie18/2010)

Endnoten

1

Vgl. Stefan Mair (Hg.), Piraterie und maritime Sicherheit. Fallstudien zu Afrika, Südostasien und Lateinamerika sowie Beiträge zu politischen, militärischen, rechtlichen und ökonomischen Aspekten, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2010 (SWP-Studie18/2010), <https://www.swp-berlin.org/fileadmin/ contents/products/studien/2010_S18_mrs_ks.pdf> (Zugriff am 5.2.2019).

2

 Vgl. Marinekommando (Hg.), Jahresbericht 2017. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland, S. 16, <https://deutsche-maritime-akademie.de/wp-content/ uploads/2018/07/Jahresbericht_2017_WebversionTeil1.pdf> (Zugriff am 5.2.2019).

3

 Roderich Kiesewetter, »Vorwort: Deutschland hat klare maritime Interessen. Hieraus müssen Fähigkeiten zu deren Schutz abgeleitet werden«, in: Heinz Dieter Jopp (Hg.), Maritime Sicherheit im 21. Jahrhundert, Baden-Baden: Nomos, 2014, S. 7–8 (7).

4

 Auswärtiges Amt (Hg.), Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern. Leitlinien der Bundesregierung, Berlin, September 2017, S. 28, <https://www.auswaertiges-amt.de/blob/1213498/d98437ca3ba49c0ec6a461570f56211f/krisen-verhindern-data.pdf> (Zugriff am 28.5.2018).

5

 Vgl.: »Über 95 % des weltweiten Ferngüterhandels werden über den Seeweg abgewickelt. Daraus folgt, dass der Welthandel von sicheren Seewegen abhängig ist.« Zitiert in: Marinekommando (Hg.), Jahresbericht 2016. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland, S. 95, <http://bit.ly/Marinekommando_Jahresbericht_2016> (Zugriff am 20.3.2019).

6

 Sabine Allafi/Julia Koch, »Außenhandel mit Afrika«, in: Wirtschaft und Statistik, (Juni 2015) 3, S. 9–24 (11), Tabelle 1, <https://www.destatis.de/DE/Methoden/WISTA-Wirtschaft-und-Statistik/2015/03/aussenhandel-afrika-032015. pdf?__blob=publicationFile&v=3> (Zugriff am 28.3.2019).

7

 GTAI Germany Trade & Invest, Deutscher Afrikahandel legt 2017 überproportional zu, Berlin, 8.3.2018, <https://www. gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/suche,t=deutscher-afrikahandel-legt-2017-ueberproportional-zu,did=1881066. html> (Zugriff am 16.10.2018).

8

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen [SRÜ], Artikel 101 – Definition der Seeräuberei, <https://www.admin.ch/ opc/de/classified-compilation/20040579/index.html#a101> (Zugriff am 28.5.2018).

9

 »Auf Hoher See« bedeutet in internationalen Gewässern und damit außerhalb der Hoheitsgewässer.

10

SRÜ, Artikel 101 [wie Fn. 8]. Rechtliche Schwierigkeiten, die sich aus dieser Definition von »Piraterie« ergeben, erläutern Günther Maihold und Kerstin Petretto in Mair (Hg.), Piraterie und maritime Sicherheit [wie Fn. 1], »Piraterie und maritime (Un‑)Sicherheit«, S. 6.

11

 Vgl.: »Werden Seeräuber hingegen innerhalb des Küstenmeeres, der Archipelgewässer oder der inneren Gewässer eines Staates aktiv oder ziehen sie sich in Häfen zurück, findet Artikel 105 SRÜ keine Anwendung.« Zitiert in: Christian Schaller, »Völkerrechtliche Implikationen«, in: Mair (Hg.), Piraterie und maritime Sicherheit [wie Fn. 1], S. 62–69 (66).

Das bedeutet, es handelt sich bei Vorfällen in Häfen, auf Reede oder innerhalb der Hoheitsgewässer nicht um Seeräu­berei. Artikel 105 SRÜ besagt, dass im Falle von Seeräuberei (also bei Vorfällen außerhalb der Hoheitsgewässer) jeder beliebige Staat mit einem seiner Schiffe eingreifen kann.

12

 Vgl. United Nations, Chronological Lists of, Ratifications of Accessions and Successions to the Convention and the Related Agreements, New York, 3.4.2018, <http://www.un.org/depts/ los/reference_files/chronological_lists_of_ratifications.htm> (Zugriff am 14.6.2018).

13

 Vorangegangen war die mehrfache Beschäftigung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) mit der maritimen Sicherheit im Golf von Guinea, zum Beispiel am 30. August 2011. In der daraus hervorgegangenen Resolution Nr. 2018 forderte er die Staatschefs der Anrainerstaaten sowie Vertreter der Economic Community of West African States (ECOWAS), der Economic Community of Central African States (ECCAS) und der Gulf of Guinea Commission (GGC) auf, eine gemeinsame Strategie im Kampf gegen Piraterie und bewaffnete Raubüberfälle auf See zu ent­wickeln. Des Weiteren wurde eine Untersuchungskommis­sion eingesetzt, um die Lage im Golf von Guinea zu eruieren und Empfehlungen auszusprechen. Der Generalsekretär übermittelte dem Sicherheitsrat am 18.1.2012 die Ergebnisse der Kommission in einem Brief: Darin wird nicht nur die Lage analysiert, sondern auch die Grundlage eines gemeinsamen Vorgehens skizziert.

Wiederholt wurde an die ECOWAS, ECCAS und GGC appel­liert, in Koordination mit der Afrikanischen Union (AU) den Kampf gegen Piraterie aufzunehmen. Eine enge Zusammen­arbeit mit der International Maritime Organization (IMO) wurde empfohlen. In die VN-Resolution Nr. 2039 wurde Ende Februar 2013 der Bericht der Kommission aufge­nom­men und die Umsetzung der Empfehlungen eingefordert.

14

 Die Gulf of Guinea Commission (GGC) wurde am 3. Juli 2003 in Libreville, Gabun, von Angola, Kongo, Gabun, Nigeria und São Tomé und Príncipe gegründet. Kamerun und die Demokratische Republik Kongo stießen 2008 hinzu. Der Zweck dieser Kommission ist die Bereitstellung eines institutionellen Rahmens der am Golf von Guinea gelegenen Staaten, um gemeinsame Interessen in Bezug auf Frieden und Sicherheit sowie sozio-ökonomische Interessen gemeinschaftlich zu koordinieren.

15

 Vgl. Memorandum of Understanding among ECCAS, ECOWAS and the GGC on Maritime Safety and Security in Central and West Africa, Adopted in Yaoundé, Republic of Cameroon on 25 June, 2013, Yaoundé, 25.6.2013, <http://cicyaounde.org/ wp-content/uploads/2015/04/Yaoundé-MoU_EN.pdf> (Zugriff am 1.10.2018).

16

Vgl. Code of Conduct Concerning the Repression of Piracy, Armed Robbery against Ships, and Illicit Maritime Activity in West and Central Africa,Yaoundé, 25.6.2013, <http://cicyaounde. org/wp-content/uploads/2015/04/CodeofConduct-EN.pdf> (Zugriff am 28.5.2018).

17

 Das automatische Identifikationssystem (AIS) wird zur Übermittlung von Navigations- und Schiffsdaten verwendet (z. B. Position, Kurs, Geschwindigkeit, Schiffsname, Funkrufzeichen etc.).

18

 Vgl. VN-Sicherheitsrat, Statement by the President of the Security Council, S/PRST/2013/13, New York, 14.8.2013, <http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_prst_2013_13.pdf> (Zugriff am 28.5.2018).

19

 Vgl. VN-Sicherheitsrat, Statement by the President of the Security Council, S/PRST/2016/4, New York, 25.4.2016, <http://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/s_prst_2016_4.pdf> (Zugriff am 28.5.2018).

20

 Die Resolution 1816 vom 2.6.2008 »7. beschließt, dass die Staaten, die mit der Übergangs-Bundesregierung [Somalias] bei der Bekämpfung der Seeräuberei und bewaffneter Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias zusammenarbeiten, nach vorheriger Unterrichtung des Generalsekretärs durch die Übergangs-Bundesregierung, für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Datum dieser Resolution ermächtigt sind, a) in die Hoheitsgewässer Somalias einzulaufen, um seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf See im Einklang mit den nach dem einschlägigen Völkerrecht auf Hoher See zulässigen Maßnahmen gegen Seeräuberei zu bekämpfen; b) innerhalb der Hoheitsgewässer Somalias im Einklang mit den nach dem einschlägigen Völkerrecht auf Hoher See zulässigen Maßnahmen gegen Seeräuberei alle notwendigen Mittel zur Bekämpfung seeräuberischer Handlungen und bewaffneter Raubüberfälle anzuwenden«. Zitiert in: VN-Sicherheitsrat, »Resolution 1816 (2008) vom 2. Juni 2008«, in: Vereinte Nationen, Resolutionen und Beschlüsse des Sicherheitsrats vom 1.8.2007 bis 31.7.2008, S/INF/63, New York 2008, S. 65, <https://digitallibrary.un.org/ record/647406/files/S_INF_63-DE.pdf?version=1> (Zugriff am 7.3.2019).

21

 ICC [International Chamber of Commerce] International Maritime Bureau (IMB), Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2017, London, Januar 2018, Table 1, S. 7, <https://www.icc-ccs.org/reports/ 2017-Annual-IMB-Piracy-Report.pdf> (Zugriff am 7.3.2019).

22

 Ebd., S. 30.

23

 Ebd., Table 1, S. 6.

24

 ICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships, Report for the Period 1 January–31 December 2018, London, Januar 2019, Table 1, S. 6, <https://www.icc-ccs.org/reports/2018_ Annual_IMB_Piracy_Report.pdf> (Zugriff am 7.3.2019).

25

 Vgl.: »The number of attacks in the Gulf of Guinea could be even higher than our figures as many incidents continue to be unreported.‹ [Aussage von Herrn Pottengal Mukundan, Direktor des IMB]« Zitiert in: »4 Takeaways from the IMB’s Latest Global Piracy Report«, ICC [International Chamber of Commerce] Commercial Crime Services, London, 17.10.2017, <https://www.icc-ccs.org/index.php/1237-4-takeaways-from-the-imb-s-latest-global-piracy-report> (Zugriff am 28.5.2018).

26

 Vgl. Dirk Steffen, »Essay: Quantifiying Piracy Trends in the Gulf of Guinea – Who’s Right and Who’s Wrong?«, USNI [U. S. Naval Institute] News, Annapolis, 19.6.2015, aktualisiert am 22.6.2015, <https://news.usni.org/2015/06/19/essay-quantifying-piracy-trends-in-the-gulf-of-guinea-whos-right-and-whos-wrong> (Zugriff am 28.5.2018). Der Autor geht von einer mehrfach höheren Anzahl an Vorfällen aus. Damit ist das Problem an sich eher größer, als es laut Statistik zu sein scheint.

27

 Vgl.: »Acknowledgement. The IMB PRC appreciates the strong cooperation from the West African Authorities in the Gulf of Guinea. A special thanks to the Nigerian Authorities who have continued to provide prompt information, actions and valuable cooperation between Agencies.« Zitiert in: ICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships [wie Fn. 24], S. 28.

28

 The Fund for Peace, Fragile States Index 2018, Washington, D. C. 2018, S. 6–7, <http://fundforpeace.org/ fsi/wp-content/uploads/2018/04/951181805-Fragile-States-Index-Annual-Report-2018.pdf> (Zugriff am 24.7.2018).

29

 Vgl.: »[…] Piraterie ist eine Form geworden, den Lebensunterhalt zu bestreiten.« Zitiert in: BICC [Bonn International Center for Conversion], Länderinformation Nigeria. Informationsdienst Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte, Bonn, Dezember 2018, S. 28, <http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/nigeria/2018_nigeria.pdf> (Zugriff am 13.3.2019).

30

 Vgl. ebd., S. 33: »Eine Schwerpunktregion für die organi­sierte Kriminalität ist der Golf von Guinea mit seinen schwer zu sichernden Gewässern – er bietet einen idealen Nähr­boden für Piraterie, illegalen Waffenhandel und Öldiebstahl. Im Golf von Guinea und besonders im Niger Delta operieren stark bewaffnete Gruppen, die oft auch über gute Beziehungen zu ausländischen Schiffseignern und dadurch über ideale Voraussetzungen für den Öldiebstahl verfügen.«

31

 Vgl.: »Its endemic corruption and poor governance have failed to stabilize the region of the Niger Delta and today it exports its own problem.« Zitiert in: Serge Rinkel, Piracy and Maritime Crime in the Gulf of Guinea: Experience-based Analyses of the Situation and Policy Recommendations, Kiel: Institut für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, August 2015 (Kieler Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 41), S. 3, <http://www.ispk.uni-kiel.de/de/publikationen/ arbeitspapiere/serge-rinkel-piracy-and-maritime-crime-in-the-gulf-of-guinea-experience-based-analyses-of-the-situation-and-policy-recommendations> (Zugriff am 7.3.2019).

32

 Vgl.: »Dieser Staat ist die Domäne von Schurken, Dieben und offensichtlichen Banditen geblieben, die beständig das Vermögen des Staates geplündert haben und die, in Kolla­boration mit multinationalen Ölgesellschaften und eng vernetzten ausländischen Baufirmen, auch weiterhin die Ressourcen der Nation weggeben.« Zitiert in: Matthew Hassan Kukah [Bischof der Diözese Sokoto], »Boko Haram – eine Krankheit oder ein Symptom? Hintergründe der Gewalt in Nigeria«, in: Forum Weltkirche, 131 (2012) 3, S. 8–12, <http://www.forum-weltkirche.de/de/artikel/13575.boko-haram-eine-krankheit-oder-ein-symptom.html> (Zugriff am 2.10.2018).

33

»International Maritime Bureau (IMB)«, ICC [International Chamber of Commerce] Germany, <https://www.iccgermany.de/ ueber-icc-germany/haeufige-fragen-faqs/imb-seepiraterie/> (Zugriff am 4.10.2018).

34

 Vgl.: »Die Bekämpfung der Piraterie und die Sicherung der eigenen Küstengewässer ist dabei oftmals nicht die vordringlichste Aufgabe der jeweiligen staatlichen Akteure: Angesichts der Herausforderungen, denen sich ein schwacher Staat gegenüber sieht – etwa die Bewältigung sozialer und politischer Konflikte im Land – erscheint die Piraterie eher als Randaspekt denn als Priorität auf den Agenden der jeweiligen Regierungen.« Zitiert in: David Petrovic, »Moderne Piraterie: Hintergründe, Dynamiken und aktuelle Entwicklungen«, in: Sebastian Bruns/Kerstin Petretto/David Petrovic (Hg.), Maritime Sicherheit, Wiesbaden: Springer VS, 2013, S. 99–113 (111f).

35

 Vgl.: »Blockadeallianz des Militärs: In den Jahren 1966, 1975, 1983, 1985 und 1993 hatte das Militär in Nigeria geputscht.« Zitiert in: Robert Kappel, Ausweitung der Kampf­zone: Boko Haram und die Krise in Nigeria, Hamburg: German Institute of Global and Area Studies (GIGA), 2015 (GIGA Focus Nr. 3/2015), S. 5, <https://www.giga-hamburg.de/ de/system/files/publications/gf_afrika_1503.pdf> (Zugriff am 4.10.2018).

36

 Vgl. ebd., S. 4: »Viele Generäle und hohen [sic] Offiziere der nigerianischen Truppe sind vor allem an zusätzlichen Mitteln für die Ausstattung der Armee interessiert. Diese Mittel werden teilweise ›privatisiert‹ und dienen der Bereicherung der Offiziere. Im Grunde genommen hat das Militär nicht wirklich ein Interesse an einer vollständigen Vernichtung von Boko Haram: Solange die Terrororganisation agiert, fließen zusätzliche öffentliche Gelder in den Sicherheitssektor.«

37

 Vgl.: »Die Tatsache, dass die Polizei unfähig ist, die Ordnung in dem Land aufrechtzuerhalten und die Bevölkerung vor bewaffneten Übergriffen sowie Gewalt zu schützen, hängt auch mit ihrer schlechten Ausbildung und mangelhaften Ausrüstung sowie ihrer unzureichenden institutionellen Kontrolle zusammen. Unzureichende und unregelmäßige Bezahlung führen zu Korruption und zur Unterwürfigkeit gegenüber wirtschaftlichen und politischen Eliten.« Zitiert in: BICC, Länderinformation Nigeria [wie Fn. 29], S. 19.

38

 Vgl. ebd., S. 19f: »Zusätzlich gibt es drei verschiedene Geheimdienste, die nach einer Geheimdienstreform von 1986 entstanden sind, als die bis dahin tätige National Security Organization (NSO) aufgelöst wurde: State Security Service (SSS), National Intelligence Agency (NIA) und Defence Intelligence Agency (DIA).«

39

 Vgl. ebd., S. 13: »Die 118.000 Soldaten teilen sich in Heer (100.000), Marine (8.000) und Luftwaffe (10.000) auf. Hinzu kommen noch 82.000 paramilitärische Soldaten.«

40

 Beispielsweise seien genannt: Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND), Niger Delta Avengers, Niger Delta Volunteers, Bakassi Strike Force, Niger Delta Warriors, Niger Delta Peoples Fighters, Bakassi Freedom Fighters, Niger Delta Movement for Justice und Niger Delta Fighters.

41

 Vgl.: »A desire to control oil or gas facilities along disputed internal borders has been instrumental in causing conflict across the entire region, so the Niger Delta has been a crossroad of armed groups fighting the government or fighting each other. The first reported case was in February 1966, when Isaac Adaka Boro, a student’s union president decided with a group of young law students and Delta residents to create the first armed militia called the ›Niger Delta Volunteer Force‹.« Zitiert in: Rinkel, Piracy and Maritime Crime in the Gulf of Guinea [wie Fn. 31], S. 5f.

42

 Mehrere Admirale der nigerianischen Marine wiesen in Gesprächen 2014 und 2015 auf diesen Zusammenhang hin.

43

 Mehrere Offiziere der Marine-Spezialkräfte äußerten im Herbst 2015 ungefragt diese Einschätzung.

44

 Vgl. Dirk Steffen, Obangame Express 2015: Two Steps forward. One Step Back, Washington, D. C.: Center for International Maritime Security (CIMSEC), 23.4.2015, <http://cimsec. org/obangame-express-2015-two-steps-forward-one-step-back/> (Zugriff am 28.5.2018).

45

 Offiziere der nigerianischen Streitkräfte, die wiederholt nach der Truppenzusammensetzung und nach gemeinsamen vorbereitenden Übungen der Soldaten befragt wurden, gaben an, dass die Soldaten überwiegend aus den unterschiedlichsten Einheiten stammten. Außerdem seien sie mit keiner oder kaum vorhandener gemeinsamer Vorbereitungszeit in den Einsatz gegangen. Teilweise fand auch eine Ausbildung der Soldaten in Abwesenheit ihrer vorgesetzten Offiziere statt.

46

 Catharina Lewerenz/Judith Vorrath, Illegale Fischerei und maritime Sicherheit, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Dezember 2014 (SWP-Aktuell 76/2014), S. 1, <https://www. swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/ 2014A76_lwz_vrr.pdf> (Zugriff am 9.8.2018).

47

 Vgl.: »Over the whole of the sub-Saharan region, the model estimated the value of IUU catch to be 16 % of the total catch value for these countries: or 19 % of the declared catch.« Zitiert in: MRAG (Marine Resources Assessment Group Ltd), Review of Impacts of Illegal, Unreported and Unregulated Fishing on Developing Countries – Final Report, London, Juli 2005, S. 52, <https://webarchive.nationalarchives.gov.uk/ 20090422181306/http://www.dfid.gov.uk/pubs/files/illegal-fishing-mrag-report.pdf> (Zugriff am 13.3.2019).

48

 Vgl.: »The main sphere of Boko Haram’s activity is the region of Lake Chad and in the northeastern part of Nigeria where main trafficking routes are localized. The group is able to get revenue from providing logistical support to drug lords transporting heroin and cocaine to Europe through Port Harcourt and Port of Calabar in Nigeria. Any attempts to push militants from this region face a tough response of Boko Haram defending its financing sources.« Zitiert in: »Foreign Policy Diary – Arms and Drug Trafficking in Africa«, Southfront, 14.3.2016, <https://southfront.org/foreign-policy-diary-arms-and-drug-trafficking-in-africa/> (Zugriff am 4.10.2018).

49

 Diese Einschätzung wurde mehrfach im Rahmen von Gesprächen von internationalen Sicherheitsexperten in der Region geäußert.

50

 Vgl.: »It must be remembered, that the drug trade is coalescing with the arms trade and that the Gulf of Guinea pirates are well involved in the local drug trade. […] Armed groups in the Delta would not let drug smuggling pass through their domain without their knowledge and agreement. […] These very flexible networks are changing constantly.« Zitiert in: Rinkel, Piracy and Maritime Crime in the Gulf of Guinea [wie Fn. 31], S. 13.

51

 Mehrere Kommandeure nigerianischer Einheiten im Nigerdelta berichteten in Gesprächen über diese jährlichen Personalwechsel und beteuerten, damit die Beteiligung der Marine am Drogenschmuggel ausschließen zu können; sie beklagten aber auch die Nachteile.

52

 Vgl. Wolf Kinzel, Nigeria wankt – nicht nur wegen Boko Haram, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Dezember 2016 (SWP-Aktuell 80/2016), <https://www.swp-berlin.org/ fileadmin/contents/products/aktuell/2016A80_kzl.pdf> (Zugriff am 9.8.2018).

53

 Vgl.: »Nigeria is a particularly religious country where both Christianity and Islam confirm the identity of many Nigerian citizens, often on ethnic grounds.« Zitiert in: Anneli Botha/Mahdi Abdile, »Reality versus Perception: Toward Understanding Boko Haram in Nigeria«, in: Studies in Conflict & Terrorism, online veröffentlicht am 6.12.2017, <https://doi.org/10.1080/1057610X.2018.1403152> (Zugriff am 2.10.2018).

54

 »From 2011, Shell reported 1,010 spills, with 110,535 barrels or 17.5 million litres lost along the network of pipelines and wells that it operates. From 2014, Eni reported 820 spills, with 26,286 barrels or 4.1 million litres lost along the network of pipelines and wells that it operates.« Zitiert in: Amnesty International, Negligence in the Niger Delta. Decoding Shell and Eni’s Poor Record on Oil Spills, London, 16.3.2018, S. 5, <https://www.amnesty.org/download/ Documents/AFR4479702018ENGLISH.PDF> (Zugriff am 29.1.2019).

55

 Ebd., S. 5: »For example, since 2014, Eni reported 262 spills along its 92 km-long, 18'' Tebidaba/Brass Pipeline,‹ in Bayelsa state. […] Eni blamed all but two of the spills on ›third party interference‹.«

56

 Ebd., S. 24: »For example, it took Shell 252 days to visit one spill, reported on 23 February 2016, even though it was just outside the fence of a large facility operated by the Chevron oil company.«

57

 Vgl. ebd., S. 7: »The reported volume of lost oil is likely to be a major understatement. This results in companies not paying the correct amount of compensation to affected communities. Regarding the cause of the spill, the companies assess this visually at the time of the JIV [›Joint Investigation Visit‹] and then take photographs to support their assertions. Yet many photographs of the spill point do not appear to support them. Using observations initially made by the Decoders, and following expert advice from Accufacts, an oil pipelines consultancy, Amnesty International researchers have identified that at least 89 spills may have been wrongly labelled as theft or sabotage when in fact they were caused by ›operational‹ faults. Of these, 46 are from Shell and 43 are from Eni. If confirmed, this would mean that dozens of affected communities have not received the compensation that they deserve.«

58

 Diese Zahl nannte im Frühjahr 2016 der Kommandeur einer der im Delta gelegenen militärischen Stützpunkte, der in die Bekämpfung und Zerstörung der illegalen Raffinerien involviert war.

59

 Vgl. Yinka Ibukun, »Military Crackdown Worsens Pollution in Nigeria’s Oil Region«, Bloomberg, ‎New York, 16.8.2013, <https://www.bloomberg.com/news/articles/2013-08-16/military-crackdown-worsens-pollution-in-nigeria-s-oil-region> (Zugriff am 20.3.2019).

60

 Vgl.: »Diese verteidigungspolitische und militärische Engführung verkennt die politischen und ökonomischen Ursachen von Piraterie, die einer Politik der verantwortungs­losen und ungerechten Ausbeutung und Verteilung des Ressourcenreichtums, Korruption und gesellschaftlicher Exklusion einer meist jugendlichen Bevölkerung entspringt.« Zitiert in: Denis Tull, Golf von Guinea: ein Gipfeltreffen für mehr maritime Sicherheit?, Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Juli 2013, S. 4, <http://library.fes.de/pdf-files/iez/10143-20130711.pdf> (Zugriff am 9.8.2018).

61

 Bei mehreren Fahrten im Frühjahr 2016 mit einer nige­rianischen Patrouille durch das Nigerdelta konnte sich der Autor selbst einen Eindruck von der Lage vor Ort machen: Alle Insassen von entgegenkommenden Booten streckten gemäß geltender Anordnung durch das Militär beide Hände in die Luft (mit Ausnahme des Steuermannes). Die zwei­köpfige Besatzung eines Treibstoffschmugglers, auf den wir unvorhergesehen trafen, wurde sehr ruhig, aber bestimmt, ohne mit der Waffe zu hantieren und ohne laut zu werden, festgenommen und zur weiteren Untersuchung in den Stützpunkt gebracht. Möglicherweise lag das an unserer Anwesenheit; die sichere und beherrschte Vorgehensweise des Patrouillenführers und der anderen Soldaten spricht aber dafür, dass dieses Vorgehen der Routine entsprach.

62

 Links zu den Monats-, Quartals- und Jahresberichten (»Piracy Incident Reports«) der IMO bietet folgende Internetseite: International Maritime Organization (IMO), Piracy Reports, <http://www.imo.org/en/OurWork/Security/ PiracyArmedRobbery/Reports/Pages/Default.aspx> (Zugriff am 28.5.2018).

63

 Hierbei handelt es sich sozusagen um ein Stillhalte­abkommen: Die Rebellen bekommen monatliche Zahlungen von der Regierung und erhalten Straffreiheit. Im Gegenzug verüben sie keine Angriffe auf die Ölförderindustrie oder die Sicherheitskräfte.

64

 So erfolgten beispielsweise zwei Überfälle in unmittel­barer räumlicher und zeitlicher Nähe am 11.3.2016 vor der Küste Nigerias gegen die »Brightway« und die »Glyfada«. Vgl. IMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Piracy Incident Report 235 (March 2016), London, 9.5.2016, Annex II, S. 1, <http://www.imo.org/en/OurWork/Security/ PiracyArmedRobbery/Reports/Documents/235-Mar-2016.pdf> (Zugriff am 11.3.2019).

65

 Einem erfolglosen Übergriff auf die »Bouboulina« am 7.7.2016 folgte ein weiterer Angriff auf die »Prince Joseph I« am selben Tag. Der nächste Angriff fand erst Mitte August statt. Vgl. IMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Piracy Incident Report 239 (July 2016), London, 5.10.2016, Annex I, S. 1, und Piracy Incident Report 240 (August 2016), London, 19.10.2016, Annex I, S. 2, <http:// www.imo.org/en/OurWork/Security/PiracyArmedRobbery/Reports/Documents/239-July-2016.pdf> (Zugriff am 11.3.2019) bzw. <http://www.imo.org/en/OurWork/Security/Piracy ArmedRobbery/Reports/Documents/240-Aug-2016.pdf> (Zugriff am 11.3.2019).

66

 Vgl. Kerstin Petretto/David Petrovic, »Fernab jeder Romantik – Piraterie vor der Küste Somalias«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 62 (November 2012) 48, S. 10–16, <http://www.bpb.de/apuz/149609/fernab-jeder-romantik-piraterie-vor-der-kueste-somalias> (Zugriff am 11.3.2019).

67

 Im April 2016 kam es beispielsweise zu sechs erfolg­losen Angriffen auf Schiffe kurz hintereinander, teilweise mehrfach auf dasselbe Schiff, im selben Seegebiet: »Madonna« am 1.4.2016, »Nordic Freedom« am 7.4.2016, »Ottoman Equity« am 10.4.2016, erneut »Madonna« am 18.4.2016, »African Beauty« am 19.4.2016 und »Olivia I« am 28.4.2016. Vgl. IMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Piracy Incident Report 236 (April 2016), London, 7.6.2016, Annex II, S. 1–2, <http://www.imo.org/en/Our Work/Security/PiracyArmedRobbery/Reports/Documents/236-Apr-2016.pdf> (Zugriff am 11.3.2019).

68

 »Pirates hijacked a fishing vessel, took hostage all the 41 crew and tied their hands. The pirates then cut off all power supply to communication equipment and forced the OOW [Officer Of Watch, dt. Wachoffizier] to sail the vessel towards Nigeria in an attempt to hijack other vessels. However, fearing that the Nigerian Navy were in pursuit, the pirates disembarked and escaped within 24 hours. The crew and fishing vessel arrived at a safe port.« Zitiert in: IMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Piracy Incident Report 212 (June 2014), London, 12.11.2014, Annex I, S. 4, <http://www.imo.org/en/OurWork/Security/PiracyArmedRobbery/Reports/Documents/212-June2014.pdf> (Zugriff am 11.3.2019).

69

 Vgl. IMO-Monatsberichte von Mai bis Oktober 2015 (Piracy Incident Reports 224 bis 229), London, zwischen 17.7.2015 und 20.11.2015, <http://www.imo.org/en/OurWork/ Security/PiracyArmedRobbery/Reports/Pages/Default.aspx> (Zugriff am 28.5.2018).

70

 Einen Überblick über Literatur zum Zusammenhang von Piraterie und Kriminalität an Land gibt Brigitte Roh­werder in: Dies., Piracy in the Horn of Africa, West Africa and the Strait of Malacca, Birmingham: University of Birmingham, September 2016 (GSDRC Rapid Literature Review), S. 18f, <https://gsdrc.org/wp-content/uploads/2016/09/piracy_ rohwerder.pdf> (Zugriff am 11.3.2019).

71

 ICC-IMB, Piracy and Armed Robbery against Ships [wie Fn. 24], S. 44–54.

72

 Ebd.: Aufgelistet sind tatsächlich 60 Vorfälle; Vorfall Nr. 38 hat sich aber vor Mosambik ereignet und gehört damit nicht in diese Aufstellung.

73

 Ebd., S. 45, Vorfall Nr. 10.

74

 Ebd., S. 54, Vorfälle Nr. 54–58.

75

 Ebd., S. 44–54, Vorfälle Nigeria: Nr. 9, 15, 16, 19, 22, 24, 42, 48, 59; Demokratische Republik Kongo: Nr. 50, 51; Ghana: Nr. 20.

76

 Unter »Maritime Domain Awareness« (MDA) versteht man ein umfassendes Lagebild der Schiffsbewegungen und damit der Geschehnisse in Bezug auf Sicherheit, Fischerei, Erdölförderung, Transport und Umwelt im zuständigen Seegebiet.

77

Vgl. Code of Conduct Concerning the Repression of Piracy [wie Fn. 16].

78

Vgl. Additional Protocol to the Memorandum of Understanding among ECCAS, ECOWAS, and GGC on Safety and Security in the Central and West Africa Maritime Space, relating to the Organization and Functioning of the Inter-Regional Coordination Center for the Implementation of Regional Strategy for Maritime Safety and Security in Central and West Africa, Yaoundé, 5.6.2014, <http://cicyaounde.org/wp-content/ uploads/2015/04/AdditionalProtocoltoMoU_EN.pdf> (Zugriff am 5.2.2019).

79

 Unter »Maritime Law Enforcement« versteht man die verschiedenen Komponenten der Strafverfolgung und Ausübung von Sicherheitsaufgaben im Küstenvorfeld durch die jeweilige Marine oder Küstenwache.

80

 Vgl. African Union, 2050 Africa’s Integrated Maritime Strategy (2050 AIM Strategy), Addis Abeba 2012, <http://cggrps. org/wp-content/uploads/2050-AIM-Strategy_EN.pdf> (Zugriff am 28.5.2018).

81

 Als strategisches Ziel wird Folgendes angegeben: »Increased wealth creation from AMD [African Maritime Domain] that positively contributes to socio-economic development, as well as increased national, regional and continental stability, through collaborative, concerted, cooperative, coordinated, coherent and trust-building multilayered efforts to build blocks of maritime sector activities in concert with improving elements of maritime governance«. Zitiert in: African Union, 2050 Africa’s Integrated Maritime Strategy [wie Fn. 80], S. 11.

82

 Vgl.: »Ein möglicher Konstruktionsfehler der ASF [African Standby Force] liegt darin, dass keine maritime Komponente vorgesehen ist.« Zitiert in: Wolf Kinzel, Die African Standby Force der Afrikanischen Union. Ehrgeizige Pläne, große regionale Disparitäten: eine Zwischenbilanz, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2008 (SWP-Studie 21/2008), S. 28, <https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/ products/studien/2008_S21_kzl_ks.pdf> (Zugriff am 9.8.2018).

83

 Lutz Feldt beschreibt »sea-blindness« folgendermaßen: »Es geht um das Wissen und das Verständnis für die See, die Ozeane und Meere, es geht darum, wie Menschen mit der maritimen Lebenswelt umgehen. Was weiß der Bürger eines Landes von der See? Nimmt er sie und ihre Bedeutung überhaupt wahr? Und wenn er sie wahrnehmen sollte, verfällt er eventuell dabei immer noch der Kraft der selektiven Wahrnehmung mit der See als Erholungsort, als gefährlicher Naturgewalt, als Abenteuerraum, als Transportweg – aber eben kaum als Lebensraum, als wichtige Ressource und als Quelle für Energieträger und Bodenschätze, ohne die die 7 Milliarden Menschen auf den 30 % Land überhaupt nicht überlebensfähig wären.« Zitiert in: Lutz Feldt, »Sea Blindness – ein Faktor der Maritimen Sicherheit«, in: Sebastian Bruns/Kerstin Petretto/David Petrovic (Hg.), Maritime Sicherheit, Wiesbaden: Springer VS, 2013, S. 17–21 (17).

84

 Die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), auch 200-Meilen-Zone genannt, ist das Seegebiet vor der Küste mit einem Maximalabstand zur Basislinie von 200 Seemeilen (etwa 370 km). Die Basislinie ist dabei sozusagen der geglättete Küstenverlauf.

85

 Vgl.: »In diesen neuen Einsätzen ist vor allem physische Präsenz wesentlich, die dazu beitragen kann, Angriffe von Piraten abzuschrecken.« Zitiert in: Dustin Dehez, »Hochseetauglich? – Die Marinestrategie der NATO im Wandel der Zeit«, in: Sebastian Bruns/Kerstin Petretto/David Petrovic (Hg.), Maritime Sicherheit, Wiesbaden: Springer VS, 2013, S. 241–251 (247).

86

 Vgl. Leon Engelbrecht, »Nigeria Receives First ATR 42MP«, Defenceweb, Johannesburg, 13.1.2010, <http://www. defenceweb.co.za/index.php?option=com_content&view=article&id=6106:nigeria-receives-first-atr-42mp-&catid=35: Aerospace&Itemid=107> (Zugriff am 28.5.2018).

87

 Die NIMASA ist die Nachfolgeorganisation der 1987 gegründeten National Maritime Organization (NMA).

88

 Vgl. Dirk Steffen, Gulf of Guinea. Maritime Security in 2016, Washington, D. C.: Center for International Maritime Security (CIMSEC), 11.4.2017, <http://cimsec.org/gulf-guinea-maritime-security-2016/31716> (Zugriff am 28.5.2018).

89

 Vgl. Oceans Beyond Piracy (Hg.), The State Of Maritime Piracy 2017, Broomfield: One Earth Future 2018, S. 13, <http://oceansbeyondpiracy.org/sites/default/files/one_earth_future_state_of_piracy_report_2017.pdf> (Zugriff am 27.2.2019).

90

 Ebd., S. 13.

91

 Beispiele dafür sind die Überfälle auf den Tanker »La Mancha Knutsen« am 10.3.2017 und auf den Schlepper »Atlantic Mann« am 19.4.2017. Vgl. IMO, Reports on Acts of Piracy and Armed Robbery against Ships, Piracy Incident Report 248 (March 2017), London, 5.5.2017, Annex II, S. 1, und Piracy Incident Report 249 (April 2017), London, 19.6.2016, Annex I, S. 1, <http://www.imo.org/en/OurWork/Security/ PiracyArmedRobbery/Reports/Documents/248%20Mar%202017.pdf> (Zugriff am 12.3.2019) bzw. <http://www.imo.org/en/ OurWork/ Security/PiracyArmedRobbery/Reports/ Documents/249%20Apr%202017.pdf> (Zugriff am 12.3.2019).

92

 An der Übung »Obangame Express 2017« (OE 17) haben folgende afrikanische Länder teilgenommen: Angola, Äquatorialguinea, Benin, Côte d’Ivoire, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kap Verde, Kongo, Liberia, Marokko, Namibia, Nigeria, São Tomé und Príncipe, Senegal, Sierra Leone und Togo. Dazu kamen Sicherheitskräfte, Ausbilder und Berater aus Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Spanien, der Türkei und den USA.

93

 Maritime Interdiction Operations (MIO) sind Unter­suchungen (Boarding) von Schiffen auf See durch dafür speziell ausgebildete Teams. Das Spektrum reicht von der Untersuchung aufgrund der freundlichen Genehmigung durch die Schiffsbesatzung bis hin zur erzwungenen Enterung unter Einsatz von Waffengewalt.

94

 Das Seebataillon Eckernförde unterstützte die Ausbil­dung in Boarding-Taktiken, waffenloser Selbstverteidigung und Erster Hilfe. Im Jahr 2014 fungierten die deutschen Soldaten noch als Mentoren, in den Folgejahren als Aus­bilder.

95

 Vgl. Steffen, Obangame Express 2015 [wie Fn. 44].

96

 Das EU-Projekt CRIMGO unterstützt den Yaoundé-Prozess und seine Umsetzung seit 2013 durch Stärkung der operationalen Fähigkeiten der regionalen und nationalen maritimen Organisationen in Westafrika. Siehe auch: EU, Critical Maritime Routes Programme, <https://criticalmaritime routes.eu/projects/crimgo> (Zugriff am 30.7.2018).

97

 Die Operation »Corymbre« ist eine permanente franzö­sische Präsenz in der Region, mit Trainingseinheiten auch für afrikanische Marinen und zur Ad-hoc-Bereitstellung von Streitkräften im Falle von Naturkatastrophen oder Krisen bis hin zur Evakuierung von französischen Staatsbürgern.

98

 »The road ahead is still long. And as this year’s exercise showed: it also is not straight.« Zitiert in: Steffen, Obangame Express 2015 [wie Fn. 44].

99

 Der Begriff »Comprehensive Approach« lässt sich am ehesten als erweitertes Verständnis von Sicherheit begreifen: Dabei werden innere und äußere, zivile und militärische Aspekte, die die Sicherheit betreffen, betrachtet. Dazu gehören staatliche und nichtstaatliche, gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und militärische Akteure, die in einer Krise oder einem Konflikt mehr oder weniger koordiniert miteinander agieren.

100

 Jürgen Ehle [Flottillenadmiral und Vorsitzender der Arbeitsgruppe des Militärausschusses der EU], »Der Golf von Guinea. Gegenwärtiges und zukünftiges Engagement der Europäischen Union«, in: Marine Forum, 90 (2015) 9, S. 12–15 (15), <http://www.dmkn.de/wp-content/uploads/2015/ 08/Seiten-aus-MF-15-09-2.pdf> (Zugriff am 28.5.2018).

101

 Mit »Nacheile« ist die Verfolgung eines unter dem unmittelbaren Verdacht der Seeräuberei stehenden Schiffes / Bootes über Hoheitsgebietsgrenzen hinweg gemeint.

102

 Vgl. Steffen, Gulf of Guinea [wie Fn. 88].

103

 Vgl. European External Action Service (EEAS), EU Maritime Security Factsheet: The Gulf of Guinea, Brüssel, 29.10.2018, <https://eeas.europa.eu/headquarters/ headquarters-homepage/52490/eu-maritime-security-factsheet-gulf-guinea_en> (Zugriff am 31.10.2018).

104

 Vgl.: »States in the Gulf of Guinea do have the necessary public institutions to deal with maritime crime, but they are generally considered to be based on limitations to the rule of law.« Zitiert in: Jessica Larsen/Christine Nissen, Denmark as a New Security Actor in the Gulf of Guinea, Kopenhagen: Danish Institute for International Studies (DIIS), 2018 (DIIS Report 2018: 08), S. 13, <http://pure.diis.dk/ws/files/ 2614111/Report_08_Golf_of_Guinea_WEB.pdf> (Zugriff am 12.3.2019).

105

 Vgl. Kerstin Petretto, »Meeressicherheitspolitik als Herausforderung für die UN«, in: Vereinte Nationen, 66 (2018) 4, S. 161–166 (164).

106

 Vgl. Heike Pauli, »Kontinent mit Kraft«, in: Bundeswehr Aktuell, 53 (März 2017) 11, S. 4–5, <http://bit.ly/Bundeswehr_ aktuell_27_März_2017> (Zugriff am 20.3.2019).

107

 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung, Mehr Sicherheit für Nigeria, <https://www.bmvg.de/de/themen/ dossiers/engagement-in-afrika/das-engagement/ertuechti gung-in-afrika/mehr-sicherheit-fuer-nigeria> (Zugriff am 28.5.2018).

108

 Die »Motoren- und Turbinen-Union Friedrichshafen« (MTU) ist eine Marke der Rolls-Royce Power Systems AG mit Sitz in Friedrichshafen, die »Zahnradfabrik Friedrichshafen« (ZF) Friedrichshafen AG hat ihren Firmensitz am gleichen Ort.

109

 »African Ownership« bezeichnet die Eigenverantwortlichkeit für Probleme und ihre Lösung in Afrika, mit eigenen Lösungswegen und aus eigener Initiative heraus.

110

 Vgl.: »Ist Piraterie folglich als Ausdruck von fragiler Staatlichkeit zu sehen, so wirkt sie auch in die entgegengesetzte Richtung und kann einer staatlichen Konsolidierung entgegenwirken, etwa indem sie dazu beiträgt[,] die Korruptionsanfälligkeit von Sicherheitsorganen und des Justizwesens zu befördern oder zu erhalten.« Zitiert in: Petrovic, »Moderne Piraterie« [wie Fn. 34], S. 102.

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