Nach der Volksbefragung zum Wehrpflichterhalt lastet ein großer Modernisierungsdruck auf dem österreichischen Bundesheer, der angesichts deutlicher Sparvorgaben noch verstärkt wird. Eine Analyse von Detlef Buch.
Kurz gesagt, 19.02.2013 ForschungsgebieteNach der Volksbefragung zum Wehrpflichterhalt lastet ein großer Modernisierungsdruck auf dem österreichischen Bundesheer, der angesichts deutlicher Sparvorgaben noch verstärkt wird. Eine Analyse von Detlef Buch.
Österreich hat entschieden: Bei der Volksbefragung zum Erhalt der Wehrpflicht am 20. Januar haben 59,7 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für den Erhalt der Wehrpflicht gestimmt und damit gegen die Umstellung auf ein reines Berufsheer. Eine tiefergehende sicherheitspolitische Diskussion über den Sinn und Zweck der Wehrpflicht hat im Vorfeld der Volksbefragung nicht stattgefunden. Dies verwundert angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Wehrdienstverweigerer stetig zugenommen hat, die Wehrpflicht also offenbar als wenig attraktiv empfunden wird. Nun sind sowohl die Militärs als auch die Politiker aller im Nationalrat vertretenen Parteien aufgefordert, ein Konzept für ein Bundesheer mit andauernder Wehrpflicht zu entwerfen. Ein Konzept, das den Wehrdienst reformiert, ihn auf diese Weise attraktiver gestaltet, dabei Kosten spart und gleichzeitig die Erfüllung der anspruchsvollen Aufgaben des Bundesheeres gewährleistet.
Die Prämissen der Reform
In den vergangenen zwanzig Jahren hat das Bundesheer bereits eine Reihe von Reformen und Strukturanpassungen durchlaufen, die längst noch nicht am Ende sind. Es hat sich seit Ende des Kalten Krieges von einem 300.000 Soldaten starken Ausbildungs- und Milizheer nach Schweizer Vorbild zu einer Einsatzarmee mit knapp 55.000 Mann entwickelt. Dabei ist das Wehrbudget stetig gesunken und liegt aktuell bei ca. 2,1 Milliarden Euro, was einem Anteil von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht. Damit ist es weit vom europäischen Durchschnitt von ca. 1,7 Prozent entfernt. Bis zum Jahr 2016 sollen weitere 600 Millionen Euro eingespart werden.
Nun hat Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) eine parteienübergreifende Kommission eingesetzt, die bis zum Herbst Vorschläge zur Neugestaltung der Wehrpflicht unter den Vorzeichen des Spardiktats erarbeiten soll.
Die größte Herausforderung dabei wird es sein, die über 20.000 Grundwehrdiener, die jedes Jahr im Bundesheer ihren Dienst leisten, aus den tradierten Strukturen herauszulösen und in eine sinnvolle und attraktive Beschäftigung beim Bundesheer zu überführen. Bisher sind 60 Prozent der Grundwehrdiener als sogenannte "Systemerhalter" in den unterschiedlichsten Dienstleistungsbereichen des Bundesheeres tätig: Sie waschen Fahrzeuge, bedienen im Offizierskasino oder kochen in den Truppenküchen. Diesen Luxus konnte sich das Heer lange leisten. Der Spardruck aber macht es notwendig, die Grundwehrdiener stärker in die Kernaufgaben des Heeres einzubeziehen. Zieht man die Systemerhalter nun aus ihren systemerhaltenden Funktionen ab, so entstehen Lücken, die den regulären Dienstbetrieb gefährden. Es gilt also, eine gesunde Balance zu finden zwischen Grundwehrdienern, die Kernaufgaben erfüllen, und solchen, die den Dienstbetrieb als Systemerhalter aufrechterhalten.
Die Wehrpflichtigen müssen stärker in konstruktive Aufgaben eingebunden werden
Zu den verfassungsmäßigen Aufgaben des Heeres, die es mit reformierter Wehrpflicht und Sparauflagen erfüllen muss, gehören die militärische Landesverteidigung, der Einsatz im Innern zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit sowie die Hilfeleistung des Bundesheeres bei Elementarereignissen wie Naturkatastrophen und größeren Unglücksfällen. Zusätzlich zählt seit 1965 die Beteiligung an internationalen friedenserhaltenden und humanitären Einsätzen im Rahmen von Europäischer Union und Vereinten Nationen zu seinen Aufgaben. So haben über 90.000 Österreicher bereits in über 50 Einsätzen weltweit mitgewirkt. Österreichs internationales Engagement hat in der Vergangenheit zu wesentlichen Truppenstellungen im Rahmen der EU-Battlegroups geführt. Gleichzeitig waren die Österreicher bei der EUFOR/Tschad Mission stark vertreten, und derzeit ist die Alpenrepublik der größte Truppensteller in Bosnien-Herzegowina. Zusätzlich stellt es Kontingente mit insgesamt bis zu 1.600 Soldaten im Libanon, auf den Golanhöhen und im Kosovo.
Die Aufgabe, vor der die Politik in Österreich nun steht, erscheint wie die Qudratur des Kreises. Eine Reform des Wehrdienstes verläuft in der Regel nicht kostenneutral, wie die Erfahrungen anderer europäischer Staaten nahelegen. Angesichts der Sparvorgaben aber müssen Kosten gesenkt werden. Abstriche bei den verfassungsgemäßen Aufträgen des Heeres aber soll es nicht geben. Dies ist unrealistisch und wird sich so wohl nicht umsetzen lassen. Nur eines scheint in Stein gemeißelt: die österreichische Neutralität. Sie ist - obwohl seit dem EU-Beitritt von 1995 etwas aufgeweicht - ein unantastbares Gut für die Bevölkerung. Österreich wird dies auf absehbare Zeit nicht in Frage stellen und muss entsprechend seine Fähigkeit zur militärischen Landesverteidigung uneingeschränkt aufrecht erhalten. Sie wird der Schwerpunkt im Aufgabenkanon des Bundesheeres bleiben.
Im Zweifel muss Österreich sein internationales Engagement zurückfahren
Wie gut das österreichische Heer unter Beibehaltung dieses Schwerpunktes künftig in der Lage sein wird, auch die anderen Aufgabenfelder abzudecken, wird in erster Linie davon abhängen, wie gut es den Reformern gelingt, die Grundwehrdiener in die Kernaufgaben der Streitkräfte einzubinden. So sollten sie sinnvollerweise verstärkt in Truppenverbänden eingesetzt oder zu Helfern bei Naturkatastrophen ausgebildet werden. Auf diese Weise würde der sechsmonatige Grundwehrdienst zugleich attraktiver für junge Menschen. Gelingt dies, so könnten neue Freiräume für die Einsatzverbände des Bundesheeres entstehen. Gelingt dies jedoch nicht, so dürfte Österreich den Weg gehen, den zuvor fast alle europäischen Armeen nach ihren Streitkräfte- und Wehrreformen gegangen sind: Es wird sich auf die verfassungsmäßigen Kernaufträge der Streitkräfte zurückbesinnen und gleichzeitig seine militärischen Beiträge zu internationalen Einsätzen reduzieren.
Der Text ist auch auf EurActiv.de erschienen.