Am 1. Januar 2023 hat Deutschland den G7-Vorsitz an Japan übergeben. Für ihr Präsidentschaftsjahr hatte sich die Bundesregierung eine progressive Agenda vorgenommen, die jedoch früh vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine überlagert wurde. Dennoch sind einige materielle Erträge zu verzeichnen, darunter der Klimaclub. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen lässt sich zwar noch nicht prüfen; sehr wohl kann aber die Kriseneffektivität der G7 beurteilt werden, ebenso wie die Frage, wie legitim sie regiert. Die Kritik an mangelnder Legitimität des globalen Regierens durch informelle Foren (Club Governance) ist nicht neu. Sie macht sich daran fest, dass die von wenigen Regierungen initiierten Vorhaben sich auf eine Vielzahl von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren auswirken, die auf den Politikprozess kaum Einfluss nehmen können. Selektive Partizipation, mangelnde Transparenz und fehlende Rechenschaft sind Kritikpunkte, die häufig gegen Club Governance vorgebracht werden. In diesen drei Dimensionen wie auch mit Blick auf die Kriseneffektivität schneidet die G7 recht gut ab.
Die Übernahme der G7-Präsidentschaft am 1. Januar 2022 markierte den ersten großen Auftritt der neuen Bundesregierung, die Anfang Dezember 2021 die Arbeit aufgenommen hatte, auf der internationalen Bühne. Anlassgerecht hatten die Koalitionsparteien ein ambitioniertes Programm für das Präsidentschaftsjahr vereinbart. Unter dem Motto »Fortschritt für eine gerechte Welt« war geplant, drei thematische Schwerpunkte zu entfalten: (inter-)nationale Solidarität, Schutz der globalen Gemeingüter und nachhaltiges Wirtschaften. Soziale, ökologische und ökonomische Aspekte der globalen Transformation hin zu einer nachhaltigen Zukunft sollten damit gleichermaßen adressiert werden. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 dominierten allerdings andere Themen einen großen Teil des internationalen Handelns der Bundesregierung: Es ging darum, sich außen- und sicherheitspolitisch mit ihren Partnern und Verbündeten abzustimmen und zu koordinieren. Darunter litt auch das vorgesehene G7-Arbeitsprogramm.
Effektive Politikkoordinierung
Dessen ungeachtet hat die G7 ihre Fähigkeit zur effektiven Politikkoordinierung unter Krisenbedingungen bewiesen. In mehreren Sondersitzungen trafen sich die Regierungsspitzen, um gemeinsame Antworten auf die komplexen Herausforderungen zu finden, die aus den weltweiten Auswirkungen der russischen Aggression resultieren. Demonstrativ lud die G7 – ebenso wie EU und Nato – den ukrainischen Präsidenten Selenskyj mehrfach dazu ein, virtuell an diesen Treffen teilzunehmen. Wenn der japanische Premier Kishida wie angekündigt im Februar Kyjiw besuchen sollte, werden Staats- und Regierungschefs aller G7-Mitglieder Selenskyj seit Beginn der Invasion auch persönlich getroffen haben.
Zusammen mit EU und Nato bildet die G7 so etwas wie eine »Unterstützungs-Troika« für die Ukraine, die nicht nur akute Hilfsleistungen konzipiert, sondern sich darüber hinaus vorausschauend für den Wiederaufbau des Landes engagiert. Im Vergleich zu EU und Nato fielen die Differenzen über Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine und über die geopolitischen Konsequenzen des Konflikts in der G7 jedoch deutlich geringer aus. Vor allem Ungarn verzögerte in der EU mehrfach die Entscheidungsfindung über Sanktionsmaßnahmen, während die Türkei die Erweiterung der Nato um Finnland und Schweden gleichzeitig bislang blockiert. Gemessen daran hat sich die G7 bei der reaktiven Krisenkoordinierung wie auch der perspektivischen Krisenbewältigung als überdurchschnittlich effektiv erwiesen.
Die Koordination politischer Maßnahmen zur Krisenreaktion und ‑bewältigung ist zwar eine Aufgabe, die in die DNA informeller Governance-Foren wie der G7 oder der G20 eingeschrieben sein sollte – schließlich ist die G7 als Reaktion auf die ökonomischen Verwerfungen entstanden, die der erste Ölpreisschock 1973 ausgelöst hatte und denen durch ein makroökonomisch abgestimmtes Vorgehen zwischen den damals wichtigsten Industrienationen begegnet werden sollte. Und 2008 wurde die G20 während der sich ausbreitenden globalen Finanzkrise auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs gehoben, um die internationale Reaktion auf den weltweiten Wirtschaftseinbruch auf höchster Ebene zu managen.
Die Wirksamkeit der Krisenpolitik eines plurilateralen Government Clubs wie der G7 hängt indes stark vom Engagement der Mitgliedstaaten ab. Unter ihnen spielt die Regierung, die turnusgemäß an der Spitze der jeweiligen Formation steht, eine maßgebliche Rolle, weil sie die Agenda setzen und den Club einberufen kann (convening power). Das erfordert allerdings die Bereitschaft, die Initiative zu ergreifen: Im Jahr 2020 hatten die USA die G7-Präsidentschaft inne. Da die Trump-Administration aus programmatischen Gründen (America first) internationaler Kooperation gegenüber äußerst skeptisch eingestellt war, wurde dieses Governance-Forum aber kaum genutzt. Ein öffentlichkeitswirksames und reputationsträchtiges Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs kam nicht zustande. Dies hatte zur Folge, dass inmitten der Covid‑19-Pandemie ein verfügbares Instrument zur Abstimmung in der globalen Krisenpolitik faktisch weitgehend ignoriert wurde – im Gegensatz zu heute.
Effektiv, aber auch legitim?
Die politische Gleichgesinntheit der Staats- und Regierungschefs ist auch deshalb so wirkmächtig, weil die G7 nur schwach institutionalisiert ist. Anders als EU und Nato ist die G7 keine Vertragsorganisation. Vielmehr handelt es sich um einen informellen Zusammenschluss demokratischer Regierungen, die entwickelte Industrienationen repräsentieren. Die G7 unterliegt somit keinen verbindlichen Regeln oder Verfahren, deren Verletzung formell geprüft und gegebenenfalls sanktioniert werden könnte. Sie unterhält keine gesonderten administrativen Einrichtungen, stattdessen übernimmt der Regierungsapparat der jeweiligen Präsidentschaft die Organisationsaufgaben. Das macht die G7 zu einem vergleichsweise agilen und effektiven Forum für Global Governance, sofern die Regierungen in ihren Einschätzungen übereinstimmen.
Die strategische Konvergenz, die in Hinsicht auf den russischen Aggressionskrieg zwischen den G7-Regierungen besteht, erklärt denn auch die Effektivität, mit der die deutsche Präsidentschaft die Ukraine-Unterstützung koordiniert hat bzw. koordinieren konnte. Anfängliche Befürchtungen, dass der Regierungswechsel in Italien im Oktober 2022 den Zusammenhalt schwächen könnte, sind nicht eingetreten.
Die Kehrseite der Handlungswirksamkeit von exekutiver Gleichgesinntheit findet ihren Ausdruck in der Kritik an der Legitimität des Regierens durch Government Clubs. Diese Kritik macht auf den inhärenten Widerspruch zwischen Informalität einerseits und einem geordneten, repräsentativen Politikprozess andererseits aufmerksam. Legitime Herrschaftsausübung bedarf der Kontrolle und Rechtfertigung. In einer Demokratie decken öffentliche Institutionen wie Parlamente und Justiz, aber auch private Einrichtungen wie Medien oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unterschiedliche Aspekte dieser beiden Anforderungen ab. Ultimativ bewertet wird das politische Handeln der Regierenden in Wahlen, in denen ihre Herrschaftsausübung bestätigt oder verworfen wird.
Das geringe Ausmaß an Institutionalisierung beeinträchtigt die Legitimität von Club Governance, wie sie durch die G7 erfolgt. Denn in Institutionen abgelagerte Legitimität steht ihr nur mittelbar zur Verfügung. Im Unterschied zu EU und Nato hat sie keine eigene parlamentarische Komponente, sei es wie im Fall der Nato eine parlamentarische Versammlung, die sich aus Delegierten der Mitgliedstaaten zusammensetzt, oder gar eine grundständige Völkervertretung wie das Europäische Parlament, das in allen Mitgliedstaaten der Union direkt gewählt wird.
Demgegenüber spielt die Legislative in der G7 bislang eine eher begleitende Rolle. Dem Bundestag legt die Bundesregierung nach den Gipfeln einen kurzen Bericht vor und zu den »Heimgipfeln« werden Regierungserklärungen abgegeben. Zudem treffen sich traditionell Vertretungen der Parlamentspräsidien der Mitgliedstaaten reihum in der jeweils gastgebenden Nation. All dies findet jedoch nur geringen politischen und öffentlichen Widerhall. Das letztjährige Treffen der Parlamentspräsidien erzielte allerdings vergleichsweise viel Aufmerksamkeit, da der Sprecher der ukrainischen Rada eingeladen war, womit die G7-Parlamente ihre Unterstützung für das Aggressionsopfer ausgedrückt haben.
Als informelles Governance-Forum kann die G7 für ihr Regieren auf internationaler Ebene nur indirekt zur Rechenschaft gezogen werden, nämlich durch in den Nationalstaaten angestammte Institutionen wie Parlamente und Gerichte. Dieser Umstand wäre relativ unproblematisch, wenn die G7 keine relevanten Governance-Leistungen erbringen würde. Dass sie jedoch ein effektives Forum internationalen Regierens sein kann, wird offensichtlich, wenn man sich die Bedeutung vergegenwärtigt, die ihr bei der Konzipierung politischer Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine zukommt. Die direkten und indirekten Auswirkungen von Handelssanktionen oder Wirtschaftsembargos auf die Mitgliedstaaten der G7 sowie darüber hinaus für die internationale Staatengemeinschaft im Ganzen sind nicht unerheblich, wie etwa Energieverteuerungen oder die Inflationssteigerung zeigen.
Dimensionen von Legitimität
Aufgrund ihrer schwachen Institutionalisierung stellt sich für die G7 die Frage, wie sich ihr Regieren gegenüber staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verantworten lässt, somit in besonderer Weise. Relevante Dimensionen von Legitimität sind in diesem Zusammenhang vor allem die Möglichkeiten der Teilhabe (auf nationaler, trans- und internationaler Ebene) sowie Transparenz und Rechenschaft. Die deutsche Präsidentschaft hat sich für Verbesserungen in allen drei Bereichen eingesetzt.
Dialog mit nichtstaatlichen Akteuren
Neben dem policymaking auf Regierungsebene umfasst der G7-Prozess zahlreiche Seitenstränge, die verschiedene Interessengruppen zusammenbringen, die sogenannten Engagementgruppen. Diese repräsentieren zentrale Segmente der organisierten Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft der Mitgliedstaaten. Während der deutschen Präsidentschaft gehörten dazu Business7, Civil7, Labour7, Science7, Think7, Women7 und Youth7. Ihr Mandat erstreckt sich darauf, die Positionen und Interessen der repräsentierten Gruppen in den zwischenstaatlichen Arbeitsprozess einzuspeisen. So werden etwa Stellungnahmen und Beratungspapiere zu den inhaltlichen Schwerpunkten der jeweiligen Präsidentschaft erarbeitet, die diverse nationale, transnationale und thematische Perspektiven abbilden.
Die Wirksamkeit der Arbeit der Engagementgruppen wird davon beeinflusst, ob und in welchem Ausmaß die jeweilige G7-Präsidentschaft materielle und immaterielle Unterstützungsleistungen zur Verfügung stellt. Geldmittel ermöglichen etwa eine bessere internationale Vernetzung, während die Teilnahme hochrangiger Regierungsmitglieder an Veranstaltungen der Engagementgruppen dazu beiträgt, dass diese für ihre Anliegen öffentliche Aufmerksamkeit erzielen. Beispielsweise waren 2022 bei der Spitzenveranstaltung von Science7 sowohl die indonesische als auch die ukrainische Akademie der Wissenschaften vertreten. Damit wurde eine Brücke zur G20 geschlagen, deren Vorsitz Indonesien innehatte, und die Solidarität mit der Ukraine unterstrichen.
Die Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Bundesregierung für die Engagementgruppen zeigte sich darin, dass hochrangige Regierungsmitglieder am inhaltlichen Austausch teilgenommen haben. Ausdrücklich bedankte sich Bundeskanzler Scholz am Ende der G7-Präsidentschaft im Dezember 2022 für die geleistete Arbeit.
Mit Blick auf die Zukunft stellt sich die Frage nach weiteren Engagementgruppen, die von der G7 mandatiert werden könnten, sodass ihre Interessen Eingang in den Politikprozess fänden. Mit Urban7, einem weltweiten Zusammenschluss von Städten und Kommunen, steht ein Aspirant bereit. 2022 fand erstmals im Rahmen der G7 ein Spitzentreffen der für nachhaltige Stadtentwicklung zuständigen Ministerien statt, um über Chancen und Herausforderungen der transformativen Entwicklung urbaner Räume zu beraten. Die japanische Präsidentschaft beabsichtigt, diesen Austausch fortzusetzen.
Wie stark die G7-Präsidentschaft die Engagementgruppen unterstützt, variiert jedoch je nach G7-Vorsitzland. Aktuell beklagen sich einige Gruppen darüber, dass die japanische Regierung deutlich weniger Unterstützung anbietet, als es 2022 der Fall war. Dies könnte Auswirkungen darauf haben, in welchem Umfang sich zum Beispiel die ukrainische Zivilgesellschaft im laufenden Jahr beteiligen kann; letztes Jahr konnte sie in viele Arbeitsprozesse einbezogen werden.
Austausch mit Gastländern
Der Dialog mit Drittstaaten kann dazu dienen, die internationale Akzeptanz von Club Governance zu steigern. Daher lädt die G7 regelmäßig Gastländer zu ihren Gipfeltreffen ein. 2022 waren dies Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika. Hochrangige Besuche während der Präsidentschaft demonstrieren die Verbundenheit zwischen der G7 und diesen ausgewählten Staaten. So reiste der Bundeskanzler nach Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika und empfing den argentinischen Präsidenten in Berlin.
Der russische Angriff auf die Ukraine belastete indes auch den Austausch mit den Gastländern, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven auf diesen Konflikt blicken. Argentinien steht der G7-Position dabei am nächsten, wie bei denjenigen Abstimmungen über Resolutionen der Vereinten Nationen (VN) deutlich wurde, die Russland verurteilen. Hingegen bilden Indien und Südafrika zusammen mit Brasilien, China und Russland das informelle Governance-Forum BRICS, das sich als eine Art Gegengewicht aufstrebender Wirtschaftsmächte zu den etablierten Industriestaaten der G7 versteht. Indonesien als Gastgeber der G20, die Russland einschließt, stand vor der Herausforderung, diesen äußerst heterogenen Government Club zusammenzuhalten. Schließlich bezog Senegal als Vorsitz der Afrikanischen Union eine neutrale Position.
Die Tagesordnung des G7-Gipfels im Juni auf Schloss Elmau berücksichtigte diese unterschiedlichen Standpunkte insofern, als sie keinen direkten Austausch zwischen dem virtuell teilnehmenden ukrainischen Präsidenten Selenskyj und den vor Ort anwesenden Regierungsspitzen der Gastländer vorsah. Dennoch hatte deren Einbindung in den G7-Prozess durchaus Wirkung, wie beim G20-Gipfel im November in Indonesien sichtbar wurde: Der russische Präsident Putin reiste erst gar nicht zum Gipfel nach Bali an, Argentinien und Indien kritisierten Russland dort schärfer als zuvor.
Transparenz und Rechenschaft
Seit 2010 publiziert die G7 alle drei Jahre einen umfassenden Bericht, aus dem hervorgeht, inwieweit die selbst eingegangenen Verpflichtungen eingehalten werden. Der Bericht deckt alle Themen mit entwicklungsorientiertem Bezug ab; damit wird der Großteil der politischen Arbeit der G7 erfasst. Bewertet wird der Stand der Umsetzung von Maßnahmen, die im Lauf der Zeit vereinbart worden sind. Es fällt in den Aufgabenbereich der jeweiligen G7-Präsidentschaft, diesen sogenannten Fortschrittsbericht auszuarbeiten. Zuständig für das Vorhaben ist die Accountability Working Group (AWG), die bei ihrer Arbeit von internationalen Organisationen, Forschungsinstituten und NGOs unterstützt wird.
Potentiell ist diese transparente Rechenschaftslegung gegenüber der Öffentlichkeit ein relevanter Beitrag, um die Legitimität der G7 zu vergrößern. Allerdings regt sich Kritik daran, dass es sich um ein self reporting handelt, das die Regierungen selbst vornehmen. Auch wird die unzureichende Reflexion der G7 über die Ergebnisse der Selbstberichterstattung bemängelt und darauf hingewiesen, dass die Arbeit am jeweils aktuellen Fortschrittsbericht wichtiger genommen werde als die Auseinandersetzung mit den Befunden früherer Berichte. Zudem ist die Rückkopplung der Ergebnisse zwischen den Präsidentschaften nur schwach ausgeprägt, sodass Lerneffekte kaum zur Geltung kommen können.
Begegnen könnte die G7 dieser Kritik, indem sie Schattenberichte mandatiert, die unabhängig erstellt werden und den Umsetzungsstand der Selbstverpflichtungen tiefergehend überprüfen. Diese Aufgabe könnten NGOs in den einzelnen Mitgliedstaaten übernehmen, die sich auf transnationaler Ebene zu einer Koalition zusammenfinden. Parallel dazu könnten internationale Organisationen die sektoralen Verpflichtungen in den Blick nehmen. So würde die Performanz der G7 gleichzeitig von subnationaler und supranationaler Ebene aus betrachtet.
Größere Transparenz verspricht auch eine Datenbank herzustellen, die im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft eingerichtet wurde. Sie bietet eine Plattform mit Dokumenten aus den G7- sowie den G20-Prozessen, die man nach Begriffen durchsuchen und anhand verschiedener Kriterien wie der politischen Ebene (Staats- und Regierungschefs, Ministertreffen usw.) oder der zuständigen Präsidentschaft filtern kann. Visualisierungsmöglichkeiten stehen ebenfalls zur Verfügung.
Eine sinnvolle Ergänzung dazu wäre eine Datenbank, in der die Selbstverpflichtungen der G7-Mitglieder aufgeführt und Informationen über den jeweiligen Umsetzungsstand erhältlich sind. Idealerweise sollte sie von einer unabhängigen Institution – oder einem transnationalen Zusammenschluss solcher Einrichtungen – betrieben werden. Das wäre nicht zuletzt eine wichtige Hilfe für die nationalen Parlamente, die sich auf diese Weise unabhängig von Regierungsberichten schnell orientieren könnten über Fortschritte (und Hürden) auf dem Weg zu einer gerechteren Welt.
Gemischtes Fazit
Am Ende muss das Fazit der deutschen G7-Präsidentschaft gemischt ausfallen. Positiv zu vermerken sind hier zwei Dinge: Ungeachtet dessen, dass die G7 stark von den Anforderungen des Krisenmanagements beansprucht war, kann sie erstens klare Fortschritte hinsichtlich der Legitimität ihres Regierens verzeichnen, gemessen an den Kriterien Partizipation, Transparenz und Rechenschaft. Diese Fortschritte gilt es nun, auch unter nachfolgenden Präsidentschaften zu sichern. Zweitens hat sich die Wirksamkeit der G7 in der Krise gezeigt, gemessen an der vergleichsweise effektiven Koordinierung der Unterstützung für die Ukraine.
Parallel dazu verschlechtern sich indes die globalen Rahmenbedingungen für progressive Transformationspolitik, das eigentliche Ziel der Präsidentschaftsagenda. Zum einen bindet der Krieg Zeit, Aufmerksamkeit und materielle Ressourcen insbesondere der die Ukraine unterstützenden Staaten. Zum anderen verschärft sich als Folge der russischen Militärintervention die ökonomische Instabilität ebenso wie die Versorgungs- und Ernährungsunsicherheit beträchtlich, gerade in ohnehin benachteiligten Weltregionen.
Unter diesen Vorzeichen ist es vielleicht nicht überraschend, aber dennoch ernüchternd, dass die internationale Staatengemeinschaft sich nicht auf eine umfassende Sanktionierung des Aggressors verständigen konnte. Zwar haben sich Befürchtungen nicht bestätigt, dass sich etwa die G20 im Streit über die Isolierung Russlands beim Gipfeltreffen auf Bali spalten könnte. Und den Verstoß gegen Grundsätze der VN-Charta – wie die Erhaltung der territorialen Integrität und politischen Selbstbestimmung der Ukraine –, den der völkerrechtswidrige Angriffskrieg darstellt, hat die große Mehrheit der VN-Mitglieder mehrfach auf das Schärfste missbilligt. Konkrete Maßnahmen gegen Russland ergreift jedoch nur etwa ein Viertel von ihnen. Wichtige Partner Russlands, aber auch der G7, wie China, Brasilien, Indien und Südafrika, nehmen eine neutrale Position ein oder sympathisieren gar mit der russischen Sichtweise. Gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um die Herausforderungen der globalen Transformation zu bewältigen, wird schwieriger.
Dr. Lars Brozus ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Globale Fragen.
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DOI: 10.18449/2023A12