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G7 in Kanada: Klimadiplomatie ohne die USA

Mit Kanada stellt 2018 ein Land die G7-Präsidentschaft, das den Klimaschutz international maßgeblich vorantreiben möchte. Die G6 sollten diese Chance nutzen, auch als Signal an den abtrünnigen Partner USA, meinen Susanne Dröge und Felix Schenuit.

Kurz gesagt, 05.06.2018 Research Areas

Mit Kanada stellt 2018 ein Land die G7-Präsidentschaft, das den Klimaschutz international maßgeblich vorantreiben möchte. Die G6 sollten diese Chance nutzen, auch als Signal an den abtrünnigen Partner USA, meinen Susanne Dröge und Felix Schenuit.

Wenn sich die Gruppe der Sieben (G7) am kommenden Wochenende im kanadischen La Malbaie trifft, wird es auch um die Klimapolitik gehen. Premier Justin Trudeau hatte es bei seinem Amtsantritt 2015 zu seinem Ziel erklärt, die internationale Reputation Kanadas als Klimavorreiter wiederherzustellen. Das informelle G7-Format ist hierfür ein gutes Forum. 2015 beispielsweise nutzte die deutsche Bundesregierung ihre G7-Präsidentschaft, um mit der Einigung auf das Ziel »Dekarbonisierung der Weltwirtschaft« wichtige Vorarbeit für die Verhandlungen in Paris zu leisten. Auch das G20-Treffen in Hamburg im letzten Jahr hatte gezeigt, dass gerade nach der Abkehr der USA vom Pariser Klimaabkommen informelle Gespräche eine wichtige Ergänzung zu den Bemühungen der Vereinten Nationen (VN) sind. Wenn es nach der kanadischen G7-Präsidentschaft geht, werden sich die G6 ohne die USA in La Malbaie dazu bekennen, dass der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Zukunft schneller vonstattengehen muss als bisher.

 

Nationale Beiträge zum Klimaschutz in Kanada und EU unzureichend

Für Kanada ist es keineswegs selbstverständlich, auf internationaler Bühne zu der Gruppe der Klimavorreiter zu zählen. Während der Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll hatte es zwar noch eine wichtige Rolle beim Erreichen eines Konsenses zwischen den USA und der EU gespielt. 2011 aber schloss die kanadische Regierung von Stephen Harper eine weitere Beteiligung an den Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls aus. Justin Trudeau verfolgt nun seit Beginn seiner Amtszeit das Ziel, die verlorene internationale Reputation Kanadas im Kampf gegen den Klimawandel wiederherzustellen. Während der Pariser Klimaverhandlungen war Kanada Teil der »High Ambition Coalition«, und auch im Nachgang erhielt die Regierung diesen Anspruch aufrecht und brachte ihn in bilaterale Kooperationen ein. Wichtige Partner sind hier unter anderem China und die EU, die mit Kanada im Zuge der VN-Verhandlungen kooperieren und im September 2017 gemeinsam über 30 Regierungen zu einem internationalen Klimagipfel einluden; im Juni 2018 wird es eine erneute Zusammenkunft geben. Zuletzt war Kanada maßgeblich daran beteiligt, als Teil der »Powering Past Coal Alliance« mit über 20 weiteren Staaten bei den VN-Verhandlungen in Bonn den Kohleausstieg zu verkünden.

Auf nationaler Ebene ergibt sich ein widersprüchliches Bild von Kanadas Klimapolitik. Zum einen plant die Regierung für das Jahr 2018 die landesweite Einführung eines Preises für Kohlenstoff-Emissionen (CO2-Preis). Dabei steht es den Provinzen frei, ob sie eine Steuer oder ein Emissionshandelssystem wählen. Sollten sie die CO2-Preise jedoch nicht rechtzeitig einführen, greift ab September 2018 eine bundesweite Maßnahme, die eine Preisuntergrenze für CO2-Emissionen sicherstellt. Die Reform ist jedoch politisch umstritten und könnte ein zentrales Wahlkampfthema im Vorfeld der Wahlen zum Unterhaus im kommenden Jahr werden. Sollte anschließend eine konservative Mehrheit die Regierung stellen, wären Änderungen an dem Gesetz zu erwarten. Kritisiert wird Trudeau aber auch von Befürwortern eines starken Klimaschutzes: Zunächst, weil die neue Regierung den unambitionierten nationalen Klimabeitrag (NDC) zum Paris-Abkommen von seinem Vorgänger übernommen hatte. Aktuell aber auch, weil Trudeau sich in der Auseinandersetzung um Pipelines und andere Infrastrukturprojekte für die Öl- und Gas-Industrie Kanadas nicht genügend für den Klimaschutz einsetzt. Global gesehen ist der Beitrag Kanadas bisher unzureichend, um die in Paris vereinbarten Ziele zu erreichen.

Auch in der EU bleiben die tatsächlichen Anstrengungen deutlich hinter den international formulierten klimapolitischen Zielen zurück. Ein zentrales Beispiel dafür ist Deutschland, das in der Energieproduktion weiterhin auf Kohle setzt. Global besteht die zentrale Herausforderung darin, dass dem im Paris-Abkommen vereinbarten Temperaturziel, die Erderwärmung auf 2 °C bzw. 1,5 °C gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung zu begrenzen, nationale Klimabeiträge der beteiligten Staaten gegenüberstehen, die noch immer zu einer Erderwärmung von mindestens 3,2 °C führen würden.

Das Paris-Abkommen setzt darauf, diese Lücke durch bestmögliche Transparenz der nationalen Anstrengungen zu schließen. Um diese Transparenz zu erreichen, sind Kooperationen und Absprachen zwischen den wichtigsten Emittenten unausweichlich. Gerade hier kommt Formaten wie der G7 eine wichtige Rolle zu. Dabei ist die Präsidentschaft Kanadas von besonderer Bedeutung, weil die diesjährige argentinische G20-Präsidentschaft sich nicht weiter für den Klimaschutz engagiert und eine Konfrontation mit den USA generell meidet.

 

Potential für Klimakooperation der G6 in drei Bereichen

Kanada, Italien, Deutschland, Großbritannien, Japan und Frankreich sollten ihre klimapolitische Agenda im Rahmen des G7-Treffens erneut betonen und damit zeigen, dass ambitionierte Klimapolitik nicht mehr verhandelbar ist. Allerdings kann diese Strategie nur aufgehen, wenn auch die nationale Umsetzung der Klimapolitik vorankommt. Potential für konkrete Absprachen und Kooperationen zwischen den G6 liegen in drei Bereichen: Erstens könnten sie sich auf eine deutliche Ambitionssteigerung in ihren nationalen Klimaschutzbeiträgen (NDCs) für die nächste Verhandlungsrunde im Rahmen des Paris-Abkommens einigen. Zweitens könnten sie eine konkrete Diskussion darüber anstoßen, wie ihre klimapolitischen Zielsetzungen international auf andere Politikbereiche auszuweiten wären. In der Handelspolitik gibt es verschiedene Ansatzpunkte, die von besserem Marktzugang für klimafreundliche Technik über regulatorische Absprachen (z.B. Emissionsstandards) bis hin zur systematischen Integration des Klimaschutzes in Handelsabkommen reichen. Das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada zeigt hier mit dem Kapitel zu nachhaltiger Entwicklung bereits erste Ansätze einer solchen Politik. Drittens können Fortschritte erzielt werden, indem Subventionen auf fossile Energien reduziert werden. Bereits 2009 einigte sich die G20 darauf, entsprechende Subventionen stufenweise abzuschaffen. Die G7 beschloss 2016 ihr Auslaufen im Jahr 2025, ein Ziel, das es 2017 nicht in das Abschlussdokument der G20 schaffte. Diese Zielsetzung könnte in La Malbaie am kommenden Wochenende erneut aufgegriffen werden.

Dieser Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.