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US-Präsident Donald Trump: Das große Experiment

Die Präsidentschaft Trumps wird zur Belastungsprobe für amerikanische Demokratie und Weltordnung. Hanns W. Maull sieht drei Faktoren, die beim Verlauf dieses Experiments eine Rolle spielen könnten.

Kurz gesagt, 20.01.2017 Research Areas

Die Präsidentschaft Trumps wird zur Belastungsprobe für amerikanische Demokratie und Weltordnung. Hanns W. Maull sieht drei Faktoren, die beim Verlauf dieses Experiments eine Rolle spielen könnten.

Mit dem Amtsantritt des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten beginnt ein gewaltiges sozialwissenschaftliches Experiment, das bislang größte dieses noch jungen Jahrhunderts. Geprüft wird die Belastbarkeit politischer Ordnungen. Auf dem Spiel steht, unter anderem, die Zukunft der Politik. Bei diesem Experiment gibt es zwei große Versuchsanordnungen. Die erste betrifft die Belastbarkeit der amerikanischen Demokratie unter den Bedingungen großer Machtkonzentration in unzuverlässigen Händen. Nur selten herrschten in den USA in den letzten Jahrzehnten so klare Mehrheitsverhältnisse wie derzeit, mit Donald Trump im Weißen Haus, mit klaren Mehrheiten der republikanischen Partei in beiden Kammern des Kongresses und mit der Chance, den Obersten Gerichtshof durch neue Berufungen auf lange Zeit auf eine konservative Linie zu trimmen. Zudem dürfte der neue Präsident alle Hebel in Bewegung setzen, um seine Machtbefugnisse weiter auszuweiten. Seinen Konzern führt Donald Trump nicht wie ein modernes, börsennotiertes Unternehmen, sondern als Familienbetrieb mit einem unangefochtenen Pater familias, der vor allem Loyalität einfordert. Man kann davon ausgehen, dass er so auch die Vereinigten Staaten von Amerika regieren will. Und man darf bezweifeln, dass der Eid auf die amerikanische Verfassung seine politischen Motivationen und seinen moralischen Kompass wesentlich verändern wird.

USA, Russland, China: Drei Machtmenschen bestimmen die internationale Ordnung

Die zweite Versuchsanordnung betrifft die Belastbarkeit der gegenwärtigen Weltordnung. Neben den USA sind dabei Russland und China die wichtigsten Akteure, und auch an der Spitze dieser Weltmächte stehen derzeit Männer, die nach Kräften versuchen, sich als Alleinherrscher zu präsentieren: Wladimir Putin und Xi Jinping, der gerade intensiv damit beschäftigt ist, seine Gefolgsleute im Zuge der anstehenden Neubesetzungen von Schlüsselpositionen im innersten Zirkel der chinesischen Kommunistischen Partei zu platzieren. Über die Zukunft der internationalen Ordnung entscheidet vor allem das Mit- und Gegeneinander dieser drei großen Mächte und damit auch dieser drei Machtmenschen. Alle drei haben bereits klar gemacht, dass sie die Werte und Regeln der gegenwärtigen Weltordnung, dass sie das internationale Recht und die Interessen anderer Staaten bedenkenlos beiseiteschieben, wenn diese ihren eigenen Interessen im Weg stehen: Präsident Putin tat dies mit der Annexion der Krim und seinem Eingreifen in der Ostukraine; Präsident Xi mit Chinas völkerrechtswidrigen Gebietsforderungen und seinen militärischen Übergriffen im südchinesischen Meer; und Präsident Trump mit seinen Ankündigungen, die vertraglichen Verpflichtungen, die Amerika in der Vergangenheit eingegangen ist, aufzukündigen.

Bei diesem Großversuch zur Resilienz politischer Ordnungen spielt offenkundig Macht die Schlüsselrolle. Doch Macht wozu? Donald Trump geht es vorgeblich darum, Amerika wieder groß zu machen. »Make America great again« lautete sein wichtigster Wahlkampf-Slogan. Zudem geht es bei Donald Trump offenkundig immer auch und vor allem um Donald Trump – und um seine unternehmerischen Erfolge. Wie und wozu Donald Trump seine neue Machtfülle in Zukunft nutzen will, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten herausstellen. Bei Wladimir Putin scheint es so, als sei Macht ihm einerseits Selbstzweck, vielleicht auch eine Überlebensnotwendigkeit in einer Ordnung, in der politische Morde nicht ungewöhnlich sind; zum anderen will er sich offenbar für die Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg und die Demütigung Russlands am Westen danach rächen. Xi Jinping schließlich geht es um den Machterhalt der Kommunistischen Partei und um den »chinesischen Traum« – ein techno-materialistischer Traum, in dem jeder Chinese ein Smartphone besitzen und China in das Zentrum der Weltordnung zurückgekehrt sein wird: Eine schöne neue Welt, selbstverständlich noch immer und nach wie vor unter der Führung der KP Chinas.

In Zeiten der Machtdiffusion können die Mächtigen besser zerstören als gestalten

Wie wird das Experiment ablaufen? Wir wissen es nicht, können nur hoffen, nicht nach der Methode von Versuch und Irrtum. Drei Prognosen allerdings kann man mit einiger Zuversicht wagen. Erstens ist dies keine Zeit für starke Männer, auch wenn das so scheinen mag. Um große Projekte wie den chinesischen Traum Xis oder die Wiederbelebung amerikanischer Größe zu verwirklichen, bedarf es einer Machtfülle, über die selbst Putin, Xi oder Trump nicht gebieten. Denn das wichtigste Machtphänomen ist gegenwärtig Machtdiffusion, nicht Machtkonzentration: Immer mehr Akteure mischen mit im Spiel der Politik, immer mehr verfügen über Veto- und Blockadeoptionen – und damit hat jeder Einzelne, haben selbst die größten Machtakteure tendenziell immer weniger Macht. Zweitens: Immer bedeutsamer wird die Unterscheidung von Gestaltungs- und Zerstörungsmacht, immer gewichtiger auch das Gefälle zwischen diesen beiden Formen der Macht: Es ist ziemlich einfach zu zerstören, aber sehr schwierig zu gestalten. Diese Beobachtung relativiert die erste: Die Machtkonzentration an der Spitze der drei größten Mächte der Weltpolitik reicht zwar nicht, um jeweils alleine dauerhaft zu ordnen und zu gestalten, sie kann aber erheblichen Schaden anrichten und ist deshalb so bedenklich. Nachhaltiges Gestalten dagegen bedarf des Zusammenwirkens auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen und einer geteilten Vision. Die dritte Beobachtung schließlich betrifft, was man die Dialektik der Politik nennen könnte: Eine ihr innewohnende Tendenz zu Umschwüngen, die aus Zerstörung, aus dem Scheitern neue Impulse gewinnen und so Neuansätze ermöglichen kann. Darin steckt ein Hoffnungsschimmer für das große Experiment. Bis dahin allerdings sollten wir uns auf einige Turbulenzen gefasst machen, wenn sich die machtpolitischen Hauruck-Methoden des Durchregierens in den komplexen Geflechten diffundierter Macht, unübersichtlicher Kausalzusammenhänge und unerwarteter Nebenwirkungen verheddern. Das gilt nicht nur für die amerikanische Demokratie, sondern auch für die chinesische Autokratie und die russische Plutokratie. Vor allem aber gilt es für die Weltpolitik: Es ist noch nicht lange her, dass ein amerikanischer Präsident viel Lehrgeld für seine überheblichen Versuche bezahlen musste, den Nahen und Mittleren Osten nach eigenen Vorstellungen umzubauen.

Der Text ist auch bei Handelsblatt.com und Zeit.de erschienen.