Die Regulierung letaler autonomer Waffensysteme bei den Vereinten Nationen kommt nicht voran. Deutschland muss eine Vermittlerrolle einnehmen und sich dafür stärker engagieren, meinen Elisabeth Hoffberger-Pippan, Vanessa Vohs und Paula Köhler.
Seit mehr als acht Jahren versucht die internationale Staatengemeinschaft, über ein Verbot letaler autonomer Waffensysteme (LAWS) zu verhandeln. Im Dezember fanden in Genf einerseits das Treffen der UN Group of Governmental Experts (GGE) zu LAWS und andererseits die sechste Überprüfungskonferenz der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (CCW) statt. Die Erwartungen, die Regulierung derartiger Waffensysteme voranzutreiben, waren trotz bestehender weltpolitischer Spannungen groß. Umso enttäuschender ist es, dass sich die Vertragsstaaten lediglich auf eine Verlängerung des Mandats der GGE geeinigt haben. Eine zentrale Rolle spielten dabei auch die starke Zurückhaltung Deutschlands und das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Linie.
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, LAWS zu regulieren: »Letale Autonome Waffensysteme, die vollständig der Verfügung des Menschen entzogen sind, lehnen wir ab. Deren internationale Ächtung treiben wir aktiv voran.« Dieses Bekenntnis unterstreicht, dass Deutschland in Bezug auf die Regulierung von LAWS eine führende Rolle einnehmen muss.
Die Einigung auf ein stärkeres Mandat, wie die Eröffnung offizieller Vertragsverhandlungen, scheiterte in Genf nicht nur am Widerstand Russlands, das nahezu jeden Vorschlag zu einer Regulierung ablehnt. Auch Indien, Israel und die USA sind gegen eine bindende Regulierung letaler autonomer Waffensysteme. Der bestehende Rechtsrahmen, insbesondere das humanitäre Völkerrecht, reiche für den verantwortungsvollen Umgang mit LAWS aus, so das Argument. Außerdem seien autonome Waffen nicht von vornherein abzulehnen. Durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen könnten Waffensysteme genauer und damit treffsicherer werden; das Unterscheidungsgebot und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ließen sich besser einhalten, die Zahl ziviler Opfer minimieren.
Demgegenüber steht der Block der »G 13«, einer überregionalen Gruppe aus dem globalen Süden, die sich wortstark für einen völkerrechtlichen Vertrag einsetzt, zum Beispiel in Form eines CCW-Protokolls. Diese Staaten warnen vehement vor den verheerenden Folgen des Einsatzes letaler autonomer Waffensysteme, zumal die menschliche Fähigkeit, komplexe Situationen in einer Kampfzone zu verstehen, in den Hintergrund gerate.
Deutschland hat stets versucht, zwischen diesen beiden Positionen zu vermitteln. Es ist nicht grundsätzlich gegen die militärische Nutzung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in Waffensystemen. Der verantwortungsvolle Umgang ist für die Bundesregierung aber ein zentraler Grundsatz, der sich auch in einer etwaigen Regulierung niederschlagen sollte.
Allerdings hat sich Deutschland während des Treffens in Genf im Unterschied zu vorherigen Gesprächen stark zurückgehalten. Grund dafür könnte der Regierungswechsel in Berlin gewesen sein. Stattdessen trieben abgesehen vom Block der »G13« vor allem Österreich, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen und die Schweiz eine Regulierung von LAWS voran. Deutschland teilt zwar nicht zur Gänze die inhaltlichen Ansätze dieser Staaten. Einigkeit besteht aber darin, dass der potenzielle Einsatz letaler autonomer Waffensysteme ausreichender menschlicher Kontrolle zu unterliegen hat. Mit einem aktiveren Auftreten hätte Deutschland als europäisches Schwergewicht seine Partner unterstützen können, den Druck innerhalb der GGE auf Staaten wie Russland, Indien und Israel zu erhöhen, um sich zumindest auf eine politisch, wenn auch nicht rechtlich bindende Regulierung zu einigen. Diese könnten auch die USA mittragen. In Anbetracht der ernüchternden Ergebnisse des jüngsten GGE-Treffens schwindet die Hoffnung auf eine politische Einigung jedoch.
Auf der anderen Seite macht der Ausgang des Treffens eine Auslagerung auf andere Institutionen wahrscheinlicher. Denn die CCW ist nicht zwingend das einzige Forum im Rahmen dessen über LAWS debattiert werden kann. Der Prozess könnte beispielsweise in den Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit der UN-Generalversammlung ausgegliedert werden. Auch ein Parallelverfahren in regionalen Organisationen wie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder der Nato wäre zumindest denkbar. Wie im Falle der völkerrechtlichen Verträge zu Antipersonenminen oder Streumunition wäre auch ein institutionell unabhängiger Prozess durch Initiativstaaten möglich.
Deutschland könnte sich einerseits durch mehr Wortbeiträge und einer stärkeren Positionierung vor allem gegenüber Russland aktiver in der nächsten GGE einbringen, um auch den Druck auf Indien, Israel und die USA zu erhöhen. So würde die Bundesregierung auch zeigen, dass das Thema nach wie vor Priorität hat. Zugleich würde sie die Position europäischer Bündnispartner stärken. Sollte es zu einer Auslagerung auf andere Institutionen oder einem Parallelverfahren innerhalb anderer Organisationen kommen, müsste sich Deutschland entscheiden, ob es diesen Prozess mitträgt oder ob es lediglich im Rahmen der GGE weiter debattiert. Die Anstrengung eines Parallelverfahrens, beispielsweise im Rahmen der OSZE, hätte Vor- aber auch Nachteile. Ein klarer Vorteil wäre, dass die Zahl der 57 Mitglieder der OSZE deutlich kleiner ist als jene der 125 Vertragsstaaten der CCW. Kompromisse und Lösungsansätze ließen sich so eher finden. Ein entscheidender Nachteil wäre jedoch, dass diese durch ein Parallelverfahren nicht mehr zentral verhandelt würden und gegebenenfalls auch unterschiedliche regulative Mechanismen entstehen. Mit Blick hierauf wäre es besser, den Prozess vollständig in die UN-Generalversammlung auszulagern. Denn das Forum ist inklusiv und nicht auf eine spezielle Region begrenzt. Dies könnte aber wiederum die Entscheidungsfindung erschweren. Es bleibt abzuwarten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Parallelverfahren angestrengt oder der Prozess ausgelagert wird. In jedem Fall bedarf es eines stärkeren Engagements Deutschlands, das sich aktiv für die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Werte einsetzen sollte. Nur so kann Deutschland verlässlicher und glaubwürdiger Partner in der Rüstungskontrolle bleiben.
Konsens über das Konzept, Unklarheit über die Operationalisierung
doi:10.18449/2021A31
Die internationalen Gespräche über die Regulierung autonomer Waffen drohen zu scheitern. Als glaubwürdiger Befürworter der Rüstungskontrolle sollte sich Deutschland nun für das Prinzip der menschlichen Kontrolle des Waffeneinsatzes einsetzen, meinen Anja Dahlmann und Marcel Dickow.
Handlungsbedarf für Deutschland auf verschiedenen Ebenen
doi:10.18449/2019S01