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Serbien nach der Ermordung von Zoran Đinđić

Arbeitspapier FG 2 2003/02, 15.03.2003, 4 Pages

2. Der Ausnahmezustand

Vor einem solchen Hintergrund sind die zuversichtlichen Erklärungen der stellvertretenden Regierungs-Chefs Korac und Covic über die Entschlossenheit der "neuen Leute" in der Polizei und Staatssicherheit, "bis zum Ende zu gehen", vor allem als Zweckoptimismus zu verstehen. Ob, wie Korac meint, die Entwicklung trotz des Todes von Đindic "unumkehrbar" ist, erscheint zweifelhaft. Korac selbst nennt als Grund für die Einführung des Ausnahmezustands die Tatsache, daß der Staat unter normalen Bedingungen nicht in der Lage wäre, mit den kriminellen Strukturen in der Staatssicherheit und anderen Sicherheitsorganen fertig zu werden.

Auch die Einbeziehung des Militärs in die Bekämpfung der organisierten Kriminalität kann kaum als Absicherung für die Regierung Serbiens wirken, da insbesondere der Militärische Geheimdienst bisher keiner zivilen Kontrolle unterliegt. Sein Leiter, General Aca Tomic, wurde schlagartig bekannt, als er am 14. März 2002 den stellvertretenden serbischen Ministerpräsidenten (und ehemaligen Generalstabschef) Momcilo Perišic und den US-amerikanischen Botschaftsangehörigen John David Neighbor bei einem Treffen in einem Motel außerhalb Belgrads filmte und verhaften ließ - ungeachtet der diplomatischen Immunität des Amerikaners und der parlamentarischen Immunität des Vizeregierungs-Chefs. Die Affäre wurde als Versuch der noch aus der Zeit Miloševics stammenden militärischen Sicherheitsstrukturen gedeutet, die Regierung Đindic zu diskreditieren. Der in der Zwischenzeit entlassene damalige Generalstabschef Nebojša Pavkovic, seit langer Zeit unter Korruptionsverdacht, verfügt offenbar über gute Beziehungen zumindest zum Surcin-Clan: Pavkovic sorgte im letzten Sommer für die Einlieferung des Clan-Chefs Buha in das Militärkrankenhaus, als ihn angeblich seine Frau vergiften wollte.

Sollte die Aktion der Behörden gegen die kriminellen Clans nicht in kurzer Zeit Erfolge bringen und der Ausnahmezustand wieder aufgehoben werden, besteht die Gefahr, daß ihn die Bevölkerung zunehmend als Mittel zur Machtsicherung der nach dem Tod Đindics schwer angeschlagenen Regierungskoalition DOS (Demokratska Opozicija Srbije) erlebt. Vor allem die eingeführten Einschränkungen der Bürgerrechte, z. B. der Forderung an die Medien, nichtamtliche Stimmen über den Ausnahmezustand zu zensieren, sind von Anfang auf Widerstand gestoßen. Im Regierungslager selbst haben sich Wirtschaftsreformer um den Finanzminister Božidar Đelic für eine möglichst schnelle Aufhebung des Ausnahmezustands ausgesprochen, weil sie eine weitere Verschlechterung des wirtschaftlichen Ansehens des Landes befürchten.