Der Fall Chodorkowskij
SWP-Aktuell 2003/A 45, 15.11.2003, 8 Pages Research AreasWas bedeutet die Verhaftung des Ölmagnaten Michail Chodorkowskij, die Beschlagnahmung seines Aktienanteils an der Ölgesellschaft Jukos und der damit in Zusammenhang stehende Rücktritt von Putins Stabschef Alexander Woloschin? Will man in Rußland nun die Phase des »wilden Kapitalismus« der neunziger Jahre rechtlich aufarbeiten? Oder ist ein Machtkampf zwischen den »Oligarchen« und den aus dem KGB stammenden Beratern des Präsidenten entbrannt? Haben Konkurrenten von Jukos das Vorgehen der Exekutive eingefädelt? Geht es um populistischen Stimmenfang im Vorfeld der Dumawahl im Dezember? Vermutlich erfassen diese und weitere Erklärungen Bruchstücke der Wahrheit, aber in der Summe unterstellen sie der Entwicklung womöglich fälschlich einen »Masterplan«. Es könnte sich bei den nun schon seit Monaten zu beobachtenden Aktionen auch um Prozesse handeln, die keiner der Beteiligten insgesamt geplant und bei denen niemand vorausgesehen hat, daß sie eine Veränderung des innenpolitischen Klimas in Rußland mit außenpolitischen Konsequenzen bewirken könnten.