Jump directly to page content

Mehr europäisches Selbstbewusstsein für das Nato-Treffen

Wenn sich am 25. Mai die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten treffen, ist zum ersten Mal US-Präsident Trump dabei. Die Europäer sollten diesen Anlass nutzen, den USA selbstbewusst den Wert der Allianz vor Augen zu führen, meint Claudia Major.

Kurz gesagt, 18.05.2017 Research Areas

Wenn sich am 25. Mai die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten treffen, ist zum ersten Mal US-Präsident Trump dabei. Die Europäer sollten diesen Anlass nutzen, den USA selbstbewusst den Wert der Allianz vor Augen zu führen, meint Claudia Major.

Ein Abendessen – so viel ist vom ursprünglich geplanten Willkommensgipfel für den neuen US-Präsidenten übriggeblieben, der mit Blick auf Hillary Clinton geplant wurde, die die Nato schätzt. Nach der Wahl von Donald Trump wurde der Gipfel auf ein kurzes Treffen geschrumpft, das wenig Raum für Dissens bietet – so die Hoffnung der europäischen Alliierten. Sie sind verunsichert, weil der neue US-Präsident die Nato abwechselnd abschaffen will oder lobt, die Verteidigung Europas aber ohne die militärischen Fähigkeiten der USA auf verlorenem Posten stünde.

Trump war es auch, der die Themen für das NATO-Treffens setzte: Es wird hauptsächlich um transatlantische Lastenteilung und die Rolle der NATO bei der Terrorismusbekämpfung gehen. Nun ist die Sorge der Europäer groß, dass sich der US-Präsident während des Treffens zu einer irritierenden Aussage zur NATO, zum Beispiel auf Twitter, hinreißen lassen und mit der Allianz und den Europäern nicht zufrieden sein könnte. Zwar ist Trump von seiner anfänglichen Nato-Fundamentalkritik abgerückt und steht zum US-Beitrag – aber nur unter der Bedingung, dass die Europäer sich endlich mehr beteiligen, also mehr Material und Geld für die Verteidigung bereitstellen. Außerdem soll sich die Nato stärker im Kampf gegen den Terror engagieren, aus Sicht Trumps das vordringliche sicherheitspolitische Problem.

Die Nato-Staaten haben 2014 beschlossen, dass sie bis 2024 zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben wollen. Sollte das nicht glaubwürdig erkennbar sein, so heißt es aus Washington, werden die USA ihr Nato-Engagement überdenken. Um dies abzuwenden, bemühen sich die Europäer nun noch mehr, ihre Verteidigungsausgaben zu steigern oder durch kreatives Rechnen zumindest den Eindruck zu erwecken. Die Nato strengt sich an, ihre Aktivitäten bei der Terrorbekämpfung sichtbarer zu machen und möglichst viel von dem, was sie ohnehin schon tut, als Anti-Terrormaßnahmen darzustellen.

Die Europäer müssen sich von ihrer Rechtfertigungslogik verabschieden

So entsteht der Eindruck, dass das Nato-Treffen ein Schaulaufen der Europäer zum Gefallen des US-Präsidenten werden könnte, bei dem sie ihm beflissen beizubringen versuchen, dass er nicht weiter an der Nato zweifeln oder die US-Beiträge zur europäischen Verteidigung infrage stellen möge. Damit machen sie sich kleiner, als sie sind. Statt sich zu rechtfertigen, sollten sie den USA selbstbewusst vor Augen führen, welch großen Beitrag sie zur Sicherheit und Stabilität in Europa und dessen Nachbarschaft leisten, auch über die Nato hinaus, und warum die Allianz auch für die USA wichtig ist.

Denn es ging schon bergauf mit den Verteidigungsausgaben in Europa, bevor Donald Trump Präsident wurde. Noch nicht überall, und natürlich könnte es schneller gehen. Aber es gibt einen Aufwärtstrend, auch in Deutschland. Und noch wichtiger: Es gibt einen politischen Konsens, dass Verteidigung wieder wichtig ist und materiell und finanziell unterfüttert werden muss.

Hinzu kommt, dass die Europäer ein breites Verständnis von Sicherheit haben: Nicht nur Verteidigung, sondern auch Stabilisierung und Entwicklungszusammenarbeit tragen zur Sicherheit bei, tauchen aber in den Verteidigungsausgaben nicht auf. Immerhin verweisen selbst Trumps Militärberater darauf und kritisierten die von Trump vorgeschlagene Kürzung der Entwicklungsgelder. Rechnet man die Ausgaben zusammen, die viele Europäer in diesem weiteren Sinne in Sicherheit investieren, steht Europa gut da. Dies sollten sie selbstsicher vertreten.

Auch beim Kampf gegen den Terrorismus ist die Nato bereits aktiv. Und auch hier geht es nicht nur um den militärischen Kampf gegen die Symptome, sondern auch darum, den Ursachen auf anderen Wegen beizukommen. So engagierte sich die Nato in Afghanistan mehrere Jahre lang militärisch und setzte zugleich auch auf Stabilisierung durch Training und Ausbildung, den sogenannten Kapazitätsaufbau. Dahinter steht die Idee, langfristig die Grundlagen dafür zu schaffen, dass vor Ort selbst für Sicherheit und Stabilität gesorgt werden kann. In diesem Sinne bildet die Nato auch irakische Sicherheitskräfte aus. Viele Nato-Staaten engagieren sich zudem auch außerhalb der Nato gegen den Terror, etwa in der Allianz gegen den »Islamischen Staat«, an der Deutschland und Frankreich beteiligt sind. Nicht immer ist das Nato-Label sinnvoll: Was letztlich zählt, ist das Ergebnis – auch das gilt es Trump zu vermitteln.

Auch ein großes Land wie die USA ist auf Partner angewiesen

Schließlich sollte es beim Nato-Treffen darum gehen zu verdeutlichen, dass – bei aller berechtigter Kritik an der Allianz, die in vielerlei Hinsicht Reformbedarf hat – selbst ein so großes Land wie die USA nicht alles alleine stemmen kann, sondern politisch und militärisch verlässliche Partner braucht. Nicht zuletzt, weil die politische Legitimität mit der Zahl der Partner wächst – und die militärische Kraft auch.

Aber auch ganz praktisch profitieren die USA von der Nato: Es ist die weltweit größte stehende multilaterale Militärorganisation mit starken und flexiblen Fähigkeiten, die an eine große Bandbreite von Sicherheitsbedrohungen angepasst werden können, vom Kampf gegen den IS bis hin zur Abschreckung Russlands. Die USA können auf bestehende Abläufe vertrauen, auf geübte Zusammenarbeit und auf funktionierende Unterstützungsstrukturen. So hat die Nato zwar 1991 nicht am Krieg gegen Saddam Hussein teilgenommen, aber den USA Nato-Logistik zur Verfügung gestellt. Europa bietet auch einen sicheren Umschlagplatz, wenn die USA ihr Militär weltweit verlegt: Europa liegt auf halbem Weg von den USA in viele Krisengebiete. Nicht ohne Grund entsteht in Deutschland gerade eines der größten US-Militärkrankenhäuser. Und trotz großer Lücken in ihrer Ausrüstung haben die Europäer einige Fähigkeiten wie Haubitzen oder Minenräumboote, die die USA nicht haben, aber gut gebrauchen können. Schließlich profitieren die Amerikaner auch außerhalb des Rahmens der Nato von der Unterstützung ihrer europäischen Partner, etwa wenn es um diplomatische Verhandlungen geht. So konnten Europäer und USA das Iran-Abkommen zum Erfolg führen, weil sie an einem Strang zogen.

Die Nato und die europäischen Alliierten haben zweifelsohne noch Hausaufgaben zu erledigen, aber verstecken müssen sie sich nicht.