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Indonesien: Wiederwahl Jokowis kein Sieg für die Demokratie

Das erfolgreiche Abschneiden des amtierenden Staatspräsidenten Jokowi bei den Präsidentschaftswahlen in Indonesien wird vielfach als Sieg moderater, demokratischer Kräfte interpretiert. Dies ist ein Trugschluss, meint Felix Heiduk.

Kurz gesagt, 21.05.2019 Research Areas

Das erfolgreiche Abschneiden des amtierenden Staatspräsidenten Jokowi bei den Präsidentschaftswahlen in Indonesien wird vielfach als Sieg moderater, demokratischer Kräfte interpretiert. Dies ist ein Trugschluss, meint Felix Heiduk.

Das als Musterbeispiel für die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie geltende Indonesien sah sich in den letzten Jahren zunehmend durch autoritäre, islamistische Kräfte herausgefordert. Seit 2016 hatte ein Zusammenschluss islamistischer Kräfte zunächst die Inhaftierung des Gouverneurs von Jakarta – eines engen Vertrauten von Staatspräsident Joko Widodo (genannt »Jokowi«) – aufgrund von Blasphemievorwürfen durchgesetzt und danach Jokowi als »anti-muslimisch« angegriffen. Unterstützt wurden sie dabei unter anderem von Prabowo Subianto, dem Herausforderer Jokowis. Unter dem Slogan »2019GantiPresiden« (Abwahl des Präsidenten 2019) lancierte eine Allianz aus konservativen Muslimen, Islamisten und Ultra-Nationalisten unter der Führung Prabowos 2018 eine Kampagne, die den innenpolitischen Druck auf Jokowi merklich erhöhte. Viele Beobachter äußerten die Sorge, dass dieses Bündnis die Präsidentschaftswahlen gewinnen und Indonesien in diesem Zuge eine autoritär-islamistische Wende erfahren könnte. Entgegen dieser Befürchtung gelang es Jokowi jedoch, einen komfortablen Wahlsieg einzufahren.

 

Einbindung konservativ-muslimischer Kräfte

Im Unterschied zu den Wahlen 2014, bei denen ebenfalls Prabowo und Jokowi um das Präsidentenamt konkurriert hatten und Jokowi gewann, gelang es Jokowi dieses Mal, seine Wählerbasis in den konservativen ländlichen Regionen Javas zu erweitern; 2014 hatte die dortige Bevölkerung noch mehrheitlich für Prabowo gestimmt. Möglich wurde dies, weil Jokowi seit 2018 mit der Nominierung des islamischen Klerikers Ma´ruf Amin zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten einen der entscheidenden konservativ-muslimischen Akteure in sein Lager holte. Ma’ruf hatte 2016 die Proteste gegen den Gouverneur Jakartas durch eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, eingeleitet und war bis dato vor allem durch politische Forderungen wie die Kriminalisierung von Homosexualität und die Beschneidung der Rechte religiöser Minderheiten in Erscheinung getreten. Er stand bis zu seiner Nominierung Indonesiens größter muslimischer Organisation Nahdlatul Ulama (NU) vor, ist Mitglied des nationalen Rates der Islamgelehrten und genießt bis ins islamistische Lager hinein großes Ansehen.

Mit der Nominierung Ma’rufs verfolgte Jokowi das Ziel, den von ihm repräsentierten Nationalismus mit dem Islam zu verbinden und damit besser in der Lage zu sein, sich gegen Angriffe aus dem religiösen Lager zu verteidigen. Mit der Einbindung von Teilen des religiösen Lagers gelang ihm zugleich dessen Spaltung. Ma’ruf und die NU hatten ihrerseits ein Interesse an der Allianz mit dem Präsidentenpalast, da sie sich darüber zum einen stärkeren Einfluss auf die staatliche Politik und Zugriff auf staatliche Ressourcen, zum anderen eine Marginalisierung konkurrierender islamischer Akteure erhofften. Die NU, der nach eigenen Angaben 40 Millionen Indonesier angehören, wird mit einer lokalen Islam-Interpretation (»Islam Nusantara« – Islam des Archipels) in Verbindung gebracht, die Islam sowie nicht-islamische kulturelle und religiöse Traditionen integriert. Sie versteht sich damit als pluralistischer und toleranter als die in der arabischen Welt derzeit vorherrschenden puristischen Islam-Interpretationen. Ma’ruf stand somit zwar einerseits dem konservativen Flügel der NU vor, sah sich aber andererseits mit einer die Machtstellung der NU bedrohenden zunehmenden »Arabisierung« des indonesischen Islam konfrontiert. Die Allianz zwischen Jokowi und Ma’ruf trägt bereits erste Früchte: So wird derzeit eine den Islam Nusantara lehrende islamische Universität gebaut. Zudem legte die Regierung ein Subventionsprogramm auf, mit dem Sharia-konforme Wirtschaftsvorhaben gefördert werden (Sharia Economic Masterplan). Zu dessen Umsetzung wurde zum Beispiel eine Sharia-Bank für Mikrokredite gegründet. Parallel dazu schwieg Jokowi unter anderem zu steigenden Übergriffen auf Homosexuelle oder der Beschneidung der Rechte religiöser Minderheiten.

 

Unterdrückung und Kriminalisierung der Opposition

Während Jokowi Teile des konservativen muslimischen Lagers in seinen Wahlkampf einband, erfuhr die islamistische Opposition verstärkte staatliche Repression oder gar Kriminalisierung. Im Juli 2017 verbot Jokowi zum Beispiel per Dekret Hizbut Tahrir Indonesia (HTI), eine Organisation, die die Errichtung eines »globalen Kalifates« forderte. Der Anführer der »Front zur Verteidigung des Islams« und Unterstützer Prabowos, Rizieq, wurde der Verbreitung von Pornographie angeklagt und floh ins saudische Exil. Andere prominente Prediger, die Prabowo unterstützten, wurden für Diffamierung und Hassreden angeklagt. Anti-Jokowi Demonstrationen wurden wiederholt von der Polizei aufgelöst oder bereits im Vorfeld untersagt. Kritiker nicht nur aus dem islamistischen Lager werfen dem Präsidenten vor, Polizei und Justiz gezielt gegen die Opposition einzusetzen und dabei rechtsstaatliche Grundsätze zu missachten sowie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu beschränken.

Die Beurteilung der Wahlen 2019 als Wettstreit zwischen islamistischen Hardlinern und moderaten, demokratischen Reformern ist daher unzutreffend. Unter Jokowi konnte sich der politische Islam als Machtfaktor in der nationalen Politik weiter etablieren, auch weil der Präsident konservativ-muslimische Kräfte bewusst mit Macht ausstattete. Mehr noch, die demokratischen Institutionen des Landes, die Jokowi für seine Zwecke instrumentalisiert hat, haben nachhaltigen Schaden erlitten. Und so sind Wahlkampf und Wahlergebnis 2019 auch Ausdruck einer fortschreitenden demokratischen Regression im Land. Der politische Preis für die Wiederwahl Jokowis ist hoch.