Jump directly to page content

Grenzschutz, Migration und Asyl

Wege der Europäischen Union aus der Politikverflechtungsfalle

SWP-Studie 2020/S 23, 12.11.2020, 45 Pages

doi:10.18449/2020S23

Research Areas

Prof. Dr. habil. Sabine Riedel ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und außerplanmäßige Professorin für Politikwissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

  • In dieser Studie wird der Konflikt innerhalb der Europäischen Union um Grenzschutz, Migration und Asyl als Auseinandersetzung über Zuständig­keiten zwischen der Unionsebene und den Mitgliedstaaten betrachtet. Ausgangspunkt dafür ist, dass im Zuge der europäischen Integration die meisten Politikfelder heute in geteilter Zuständigkeit liegen.

  • Diese Verflechtung des EU-Mehrebenensystems hat zur Entstehung der Flüchtlingskrise vom Herbst 2015 beigetragen. Das liegt daran, dass der bislang bewährte Weg einer weiteren Aufteilung von Zuständigkeiten kaum noch in Frage kommt und deshalb auf beiden Entscheidungs­ebenen immer häufiger die Kompetenzfrage gestellt wird.

  • Die Unionsebene hat schon vor der Flüchtlingskrise in allen drei hier analysierten Politikbereichen Initia­tiven für eine Entflechtung ergriffen. Dabei nahm sie stets eine Erweiterung oder gar Übertragung von Zuständigkeiten zu ihren Gunsten in den Blick. Allerdings blieben die Erfolge bescheiden, weil sämtliche Groß­projekte an fehlender Zustimmung der nationalen und der regionalen Ebene scheiterten.

  • Bis heute lehnen die Mitgliedstaaten Vorschläge für eine weitere Kom­petenzübertragung ab, weil sie Steuerungsverluste und unkalkulierbare Folgewirkungen für ihre Sozialsysteme befürchten. Seit Herbst 2015 grei­fen sie auf Maßnahmen zur Grenzsicherung zurück, die vom Schengen-Vertrag gedeckt sind. Brüssel antwortete 2016 per Verordnung mit einer Vertragsreform, die der Unionsebene zwar einige Mitspracherechte gab, jedoch für neue Spannungen sorgt.

  • Um das wachsende Konfliktpotential zu entschärfen, empfiehlt sich statt Kompetenzübertragung oder Rückverlagerung eine dritte Option, nämlich die Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten. Danach müssen sich Organe und Agenturen der EU an die geltenden Verträge halten und auf neue Kontrollrechte verzichten, die ihre Kompetenzen überschreiten würden. Ihre Unterstützungsleistungen sollten sich darauf konzentrieren, die zwischenstaatliche Zusammen­arbeit zu stärken.

Problemstellung und Empfehlungen

Die Europäische Union (EU) ist durch die Flüchtlingskrise in eine Situation geraten, in der Grundsatzfragen der Europapolitik aufgeworfen werden. Während die einen »mehr Europa« fordern, machen die anderen Brüssel für die entstandenen Probleme verantwortlich. Diese Konfrontation schadet, da sie nicht auf Lösungen hin orientiert ist, sondern einen politischen Richtungs­streit entfacht. Um diesen Konflikt zu analysieren, bieten sich zwei Ansätze an, das Modell der EU als Mehrebenensystem und das Phänomen der Politik­verflechtungsfalle.

Auf dieser Basis lässt sich der Streit über einen gemeinsamen Kurs bei Grenzschutz, Migration und Asyl als Konflikt zwischen der nationalen Ebene und der Unionsebene über politische Zuständigkeiten fas­sen. Damit verläuft er nicht entlang den Schlagwörtern »proeuropäisch« und »antieuropäisch«. Vielmehr ge­hört das Ringen um diese Kompetenzen zum politi­schen System der EU. Es wurde ihm in die Wiege ge­legt, weil die europäische Integration als Pro­zess kon­zipiert wurde, in dessen Verlauf viele Kompe­tenzen zwischen den beiden Ebenen geteilt worden sind. In der Handels- und der Währungspolitik da­gegen haben die EU-Mitglieder weitgehend auf ihre Souveränitätsrechte verzichtet, während sie diese unter anderem in der Außen- und Sicherheitspolitik verteidigt haben.

Grenzschutz, Migration und Asyl können als Querschnittsaufgaben betrachtet werden, die mehrere Politikfelder umfassen. Sie berühren außen- und sicherheitspolitische Themen ebenso wie Fragen der Sozial- und der Wirtschaftspolitik oder Aufgaben im Bildungs- und im Gesund­heitsbereich. Somit sind alle Entscheidungsebenen tangiert, die supranatio­nale, die natio­nale und die regionale Ebene. Wie der Sozial­wissenschaftler Fritz W. Scharpf schon vor über 30 Jahren zeigte, können solche verknüpften Mehr­ebenensysteme in eine »Verflechtungsfalle« geraten, die sie in Krisen handlungsunfähig macht.

Wie haben die einzelnen Entscheidungsinstanzen im EU-Mehrebenensystem auf die Flüchtlings­krise reagiert? Haben sie die Zuständigkeiten weiter auf­geteilt oder beschlossen, bereits geteilte Kompetenzen zu entflechten? Für eine Entflechtung stehen im Wesentlichen drei Optionen zur Verfügung: Die ersten beiden umfassen entweder eine Übertragung natio­naler Zuständigkeiten auf EU-Institutionen oder eine Rückverlagerung von Kompetenzen der Union auf die Mitgliedstaaten. Eine dritte Option besteht in einer Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten. Darin wird der Status quo beibehalten, so dass keine Vertrags­änderung not­wendig wird.

Die Unionsebene hat für alle drei Bereiche – Grenz­schutz, Migration und Asyl – Initiativen für eine Kom­petenzübertragung zu ihren Gunsten ergriffen. Hierzu gehört die Gründung der Europäischen Agentur für IT-Groß­systeme (eu-LISA) im Jahre 2011 zur elektronischen Erfassung sämtlicher Ein- und Ausreisen an den EU-Außen­grenzen. Auch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, als Frontex bekannt, soll künftig eigenmächtig die EU-Außengrenzen über­wachen können. Schließlich plant Brüssel schon seit der Migrationsagenda vom 13. Mai 2015 die Gründung einer supranationalen Asylagentur mit weitreichenden Kontrollrechten. An diesem Vor­schlag wird im neuen Migrations- und Asylpaket vom 23. September 2020 festgehalten.

Alle Großprojekte scheiter­ten bisher daran, dass die nationalen Regierungen ihnen die notwendige Zustim­mung versagten. So wehrte sich eine Mehrheit im Europäischen Rat der Staats- und Regierungs­chefs da­gegen, dass Asylsuchende nach einem festen Schlüs­sel umverteilt werden. Deshalb schlägt die Kom­mis­sion in ihrem neuen Migrations- und Asyl­paket eine Flexi­bilisierung vor, nicht ohne sich ent­sprechende Zu­ständigkeiten zu sichern. Doch die meisten Mit­gliedstaaten befürchten Steuerungsverluste und un­kalkulierbare Folgewirkungen für ihre Sozialsyste­me. Erfolg­reich war Brüssel bislang nur mit einer Mehr­heits­entscheidung im Rat am 22. Sep­tember 2015, 120 000 Asylsuchende aus Griechenland und Italien umzuverteilen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) musste sich auch die Visegrád-Gruppe diesem Beschluss beugen.

Die nationale Ebene wurde erst mit Beginn der Migrationskrise initiativ. Einige Mitgliedstaaten führ­ten Grenzkontrollen an den EU-Binnen­grenzen ein, so etwa Frankreich, Deutschland, Öster­reich, Schweden, Norwegen und Dänemark. Diese Maßnahmen sind vom Schengener Grenzkodex ge­deckt, weil der Grenzschutz in nationalstaatlicher Ver­antwortung liegt. Erst 2016 hat die Unionsebene per Verordnung die Wiedereinführung von Grenz­kontrollen auf zwei Jahre begrenzt. Soll diese Frist verlängert werden, muss Brüssel formal zustimmen, so dass hierdurch ein neues Spannungsfeld entstanden ist.

Es gibt noch eine dritte Option für die Entflechtung geteilter Zuständigkeiten, nämlich die Entkoppelung. Auf der Basis der vertraglich festgelegten Arbeitsteilung könnte die Zusammenarbeit besser koordiniert werden. Da diese Option am Status quo orientiert ist, schafft sie kein neues Konfliktpotential. Dieser Weg wurde bisher kaum beschritten. Man könnte aller­dings das EU-Türkei-Abkommen vom 18. März 2016 als einen solchen Versuch betrachten, obwohl Rat und Kommission damit beabsichtigten, außenpolitische Kompetenzen an sich zu ziehen. Doch der EuGH stellte am 28. Februar 2017 anlässlich einer Klage von Asylsuchenden fest, dass er in diesem Fall nicht zustän­dig ist, weil nicht die EU-Organe, sondern die Mitgliedstaaten den Vertrag mit der Türkei geschlossen haben.

Ähnliches gilt für die Politikbereiche Grenzschutz, Migration und Asyl. Zwar darf Brüssel im Rahmen des Europarechts initiativ werden, doch müssen die EU-Verordnungen stets die Kompetenzen der nationalen Ebene respektieren und das Subsidiaritätsprinzip be­achten, das auch der regionalen und der kommunalen Ebene eine politische Mitsprache sichert. Dem­nach müsste die Unionsebene vertragsgemäß so lange Grenzkontrollen inner­halb der EU akzeptieren, bis die Außengrenzen des Schengen-Raums sicher sind. Diese Aufgabe sollte in der Hand nationaler Sicherheitsorgane bleiben, weil Frontex trotz Aufstockung seiner materiellen und personellen Ressourcen niemals den Herausforderungen an den Schengen-Außengrenzen gewachsen wäre.

Die Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten könnte auch die Politikbereiche Migration und Asyl aus der aktuellen Krise führen. Dabei muss sich die Kommission eingestehen, dass es nicht ihre Aufgabe sein kann, neue Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu rekrutie­ren und Asylsuchende als stille Arbeitsreserve zu be­trachten. Diese Ziele werden im neuen Migrations- und Asylpaket fortgeschrieben. Die Suche nach Arbeitskräften sollte in der Hand nationaler Arbeitsmärkte bleiben, weil die EU-Mit­gliedstaaten durch unterschiedliche Wirtschafts- und Sozialsysteme geprägt sind. Deren Prioritäten liegen derzeit in der Lösung immer größer werdender sozialer Probleme wie Wohnungsnot, Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit. Brüssel müsste deshalb die Flüchtlings­politik als Bestandteil nationaler Sozialpolitiken begreifen und die EU-Mitglieder bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unterstützen.

Die Verflechtungsfalle im politischen System der EU

Die Europaforschung hat die Verflechtungsfalle bereits Ende der 1980er Jahre als ein Problem der Europapolitik erkannt, also noch bevor die Europäische Union (EU) im Jahre 1992 geschaffen wurde. Deren Gründungsvertrag von Maastricht (1993) wie auch die Reformverträge von Amsterdam (1999), Nizza (2003) und Lissabon (2009) können als Versuche gelten, einer solchen Verflechtungsfalle zu entgehen.1 Sie zielten nämlich alle auf eine Neuordnung von Zuständigkeiten zwischen der nationalen und der supranationalen Entscheidungsebene. So stellt sich heute die Frage, ob die Gefahr einer Verflechtungs­falle gebannt ist oder ob diese nach wie vor besteht und das EU-Mehr­ebenensystem in Krisensituationen handlungsunfähig macht.

Die Verflechtungsfalle als analytisches Konzept

In Deutschland werden Diskussionen über Kompetenzverteilungen schon seit Jahrzehnten geführt,2 denn die Bundesrepublik ist ein föderales System, in dem die Entscheidungskompetenzen nicht eindeutig zwischen Landes- und Bundesebene getrennt sind. Aufgrund verschiedener Kompetenzverschränkungen sind die beiden Entscheidungsebenen auf ständige Kooperation angewiesen. Schon in den 1970er Jahren hat der deutsche Sozialwissenschaftler Fritz W. Scharpf festgestellt, dass diese Zusammenarbeit nicht nur Vorteile bietet, sondern auch Probleme ver­ursacht. Sie reichen von einer möglichen »Über­bietungskonkurrenz« zwischen den Ländern etwa in der Steuer- und Investitionspolitik über wachsende Intransparenz von Absprachen zwischen Bund und Ländern ohne Einbezug der Parlamente bis hin zu »Politikblockaden«, die Problemlösungen verhindern.3 Besonders in Krisensituationen drohe ein »Immobilismus«, durch den das föderale Mehrebenensystem in eine »Politikverflechtungs-Falle« geraten könne:

»Die ›Politikverflechtungs-Falle‹ kann also zusammenfassend beschrieben werden als eine zwei oder mehr Ebenen verbindende Entscheidungsstruktur, die aus ihrer institutionellen Logik heraus systematisch […] ineffiziente und problem-unangemessene Entscheidungen erzeugt, und die zugleich unfähig ist, die institutionellen Bedingungen ihrer Entscheidungslogik zu verändern – weder in Richtung auf mehr Integration noch in Richtung auf Desintegration.«4

Bereits 1985 prognostizierte Scharpf, dass auch die Europäische Gemeinschaft (EG) Gefahr laufe, sich in einer solchen »Politikverflechtungs-Falle« zu ver­stricken. Dieses Konzept bot sich damals als Erklärungsansatz an, um das Phänomen »Eurosklerose« zu beschreiben. Damit drückten die Befürworter der europäischen Integration ihre Kritik an der geringen Reformbereitschaft der zehn EG-Mitgliedstaaten aus. Dem­nach stagniere der Integrationsprozess nicht nur infolge von Wirtschaftskrisen, sondern auch wegen des geringen Engagements. Mit seinem Ansatz lieferte Scharpf nun eine wissenschaftliche Erklärung, die nicht vom mangelnden Willen der Mitglied­staaten ausgeht, sondern auf strukturelle Ursachen hin­weist, nämlich auf die Verflechtung von Ent­scheidungs­ebenen.

Der Vergleich zwischen dem deutschen Föderalismus und dem Mehrebenensystem der EG förderte auch Unterschiede zutage: Die EG besaß – wie die EU heute – keine Staatsqualität und daher auch keine gewählte Regierung. Diese Schwäche der Unions- bzw. supranationalen Ebene wird im Euro­päischen Rat der Staats- und Regierungschefs erkenn­bar, wo nationale Eigeninteressen vertreten werden. Die er­forderliche Konsensbildung in diesem Organ der EU, monierte Scharpf, mache das Mehrebenen­system verwundbar und erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer Verflechtungsfalle.5 Auf der Suche nach Auswegen stieß Scharpf auf zwei Bedingungsfaktoren oder Dimensionen, nämlich die »Entscheidungs­regeln« und die »dominante Interessenlage« der natio­nalen Regierungen. Chancen für eine Weiterentwicklung entständen seiner Meinung nach dann, wenn sich die Verhandlungen entweder auf Sachfragen, also Problemlösungen konzentrierten oder ein Bargaining unterschiedlicher Interessen zuließen.6

Der Ansatz der Politikverflechtung weckte in der deutschen Politikwissenschaft Interesse, doch teilten viele Wissenschaftler Scharpfs Warnung vor einer Verflechtungsfalle nicht. Manche sahen in der Ver­flechtung gar einen Weg hin zu einer europäischen Staatlichkeit jenseits des Nationalstaats.7 Andere wie etwa Arthur Benz prüften die These der Verwundbarkeit des EU-Mehrebenen­system und stellten fest, dass die Voraussetzungen für eine Verflechtungsfalle in der EU nicht erfüllt seien. Zudem habe Scharpf die »Eigendynamik von Mehr­ebenenstrukturen« unter­schätzt.8 Benz zufolge sei die EU ein »differenziertes und lose gekoppeltes Mehr­ebenensystem«, in das hierarchische Steuerungselemente eingebaut worden seien, mit deren Hilfe die Blockaden frühzeitig auf­gelöst werden können. Diese Einschätzung setzte sich weitgehend durch und wird von den meisten Autoren geteilt: »Nach Ende der 1980er Jahre kann von grund­sätzlicher Blockade in der EU-Politik nicht mehr die Rede sein. Im Gegenteil, es folgte eine Periode schnel­ler Inte­grationsfortschritte.«9

Das Konzept der Politikverflechtung ist nicht obsolet, die Frage nach einer Verflechtungsfalle weiterhin angebracht.

In der Tat belegen diese Reformen, dass die EG nicht in einer Verflechtungsfalle steckengeblieben ist. So hat sich die supranationale EU-Ebene zu einem »politischen Machtzentrum« entwickelt, das Scharpf noch Mitte der 1980er vermisste. Sie kann über Ver­ordnungen und deshalb über die nationalen und regionalen Parlamente hinweg weitere Kompetenzen an sich ziehen. Zwar stärkten der Maastrichter Grün­dungsvertrag (1993) und die Verträge von Amsterdam (1999) und Nizza (2003) die Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments, doch fehlen ihm bis heute entscheidende Kontrollrechte und die Budget­hoheit. Gleichzeitig wurden zwei andere Organe der EU, die Kommission und der Rat, aufgewertet, zum Beispiel durch eine qualifizierte Mehrheit bei einer Reihe von Abstimmungsverfahren.

Gerade deshalb sind das Konzept der Politikverflech­tung und die Frage nach einer Verflechtungsfalle bis heute nicht obsolet. Folgerichtig hat Scharpf seinen Ansatz nicht aufgegeben, sondern seine Forschungen zu Entscheidungsregeln und deren Rahmenbedingun­gen fortgesetzt. Dabei nahm er auch Stellung zur all­mählichen Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat, wodurch Blockadehaltungen ver­hindert werden sollen. Gerade weil die supranationalen Institutionen nur unzureichend demokratisch legitimiert sind, steuere das EU-System auf eine weite­re Krise zu:

»Die europäische Fähigkeit zur Problemlösung könnte durch einen Wechsel von einstimmiger oder qualifizierter Mehrheit zu einfacher Mehrheit im Rat erhöht werden. Wie ich jedoch bereits an anderer Stelle dargelegt habe (Scharpf, 1999, 2003), würden Mehrheitsentscheidungen, die gegen poli­tisch wichtige Präferenzen in den Mitgliedstaaten verstoßen, die Legitimität der EU-Institutionen zerstören.«10

Entscheidungsebenen und deren Kompetenzen

In der vorliegenden Studie wird das Konzept der Verflechtungs­falle in Mehrebenensystemen als theo­retisches Modell verwendet. Dabei liegt der Schwerpunkt aber nicht auf Entscheidungsregeln innerhalb der EU-Organe. Stattdessen wird die gesamte EU-Mehrebenenstruktur in den Blick genommen. Aus­gangspunkt hierfür ist das Argument der Kritiker Scharpfs, die Eigendynamik des Gesamtsystems ver­hindere die befürchteten Blockaden. Diese Dynamik zeige sich in der Tendenz zur »Aufteilung von Herr­schaftskompetenzen und ‑ressour­cen auf mehrere Ebenen«.11 Folgt man diesem Argument, liegt der Schlüssel zur Vermeidung von Verflechtungsfallen in der Frage, wie die Zuständigkeiten der Entscheidungs­ebenen für die einzelnen Politikbereiche ver­teilt sind.

Die Kompetenzaufteilung innerhalb des politischen Systems der EU ist durch zwei völkerrechtliche Ver­träge geregelt, die zwischen den EU-Mitglied­staaten geschlossen wurden und zusammen die Grundlage des Europarechts bilden. Im Vertrag über die Euro­päische Union (EUV) werden zunächst die Grundsätze festgelegt, wozu die »Subsidiarität und die Verhältnis­mäßigkeit« gehören (Artikel 5).12 Sie schränken den Aktionsradius der Organe der supranationalen Ebene ein, was juristisch als »begrenzte Einzelermächtigung« bezeichnet wird. Danach darf jedes Organ der EU – also Europäisches Parlament, Europäischer Rat, Rat der Fachminister, Europäische Kommission, Euro­päischer Gerichtshof (EuGH), Europäische Zentralbank (EZB) und Europäischer Rechnungshof – nur »nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse« handeln (Artikel 13).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, dass Maßnahmen eines Organs der Unionsebene »in­haltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus[gehen]«. Demnach müssen Kommission, Parlament und Rat mit ihren Initiativen stets innerhalb der geltenden Verträge bleiben und dürfen dabei nicht eigenmächtig Kompetenzen an sich ziehen. Eine Kompetenzübertragung gegen den Willen der Mitgliedstaaten ist demgemäß ausgeschlossen und würde eine Änderung des EUV voraussetzen. Daraus folgt, dass der Wider­stand nationaler Regierungen und Parlamente gegen derartige Versuche vertragskonform ist und nicht als europafeindliche, populistische oder gar nationalistische Position bezeichnet werden darf.

Auch der Grundsatz der Subsidiarität ist außer­ordentlich wichtig, weil er sich auf geteilte Zuständig­keiten bezieht, das heißt auf Kompetenzen, die im Zuge der Politikverflechtung auf mehrere Entscheidungsebenen verteilt wurden.

»(3) Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend ver­wirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.«13

Dieser Absatz enthält die entscheidende Regel, dass die geteilten Zuständigkeiten nicht gleichberechtigt auf die Entscheidungsebenen verteilt sind. Zwar haben EU-Reformen einige ausschließliche Kompetenzen der nationalen Ebene für bestimmte Politik­bereiche in geteilte Zuständigkeiten umgewandelt, so dass die Brüsseler Institutionen fortan mitsprechen können. Doch darf die Kommission nach dem Sub­sidiaritätsprinzip eigentlich nur dann initiativ werden, wenn die nationalen, regionalen oder lokalen Akteure mit den jeweiligen politischen Aufgaben überfordert sind.

Es ist jedoch zur gängigen Praxis geworden, dass die Europäische Kommission zunächst Entwürfe für neue Rechtsvorschriften vorlegt und erst dann die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten von ihrem Kontrollrecht Gebrauch machen und prüfen, ob das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung beachtet wurde.14 Dies wird in einem jährlichen »Bericht über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit« dargelegt. Da er von der Europäischen Kommission veröffentlicht wird, ent­hält er über die Sachverhalte hinaus Stellungnahmen und Erklärungen aus Sicht der Unionsebene. Aus dem Jahresbericht 2018 geht hervor, dass es in diesem Zeitraum 37 »begründete Stellungnahmen« gab, also Beschwerden seitens der nationalen Parlamente über Verstöße gegen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Die übrigen 532 Stellungnahmen waren lediglich Vorschläge zu laufenden Gesetzesvorhaben.15

Diese Jahresberichte dokumentieren, dass die Europäische Kommission immer wieder Initiativen startet, die den Vertragsrahmen überschreiten, und den Mitgliedstaaten in weiteren Politikfeldern Kom­petenzen abzuringen versucht. So schlug Brüssel am 13. März 2018 eine Verordnung zur Errichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde vor. Mehrere nationale Parlamente stellten jedoch »den Mehrwert« einer solchen Behörde in Frage und waren nicht bereit, ihre Zu­ständigkeiten mit einer europäischen Agentur zu teilen.16 Auch der »Fahrplan für die Vertiefung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion« vom 6. Dezember 2017 hätte eine Änderung des EUV erforderlich gemacht. Darauf wiesen einige nationale Parlamente hin und lehnten deshalb diesen Vorschlag der Kommission ab. Sie befürchteten, »dass Befugnisse, insbesondere im Steuerbereich und bei der Auf­sicht über den Bankensektor, von der nationalen Ebene auf die Europäische Union übertragen werden«.17

Während der EUV die Grundsätze zur Kompetenzverteilung festlegt, regelt der Vertrag über die Arbeits­weise der Europäischen Union (AEUV) die »Arten und Bereiche der Zuständigkeit der Union«.18 Dabei werden drei Kategorien unterschieden: Bei Kompetenzen, die in vollständiger Zuständigkeit der Unionsebene liegen (Artikel 3), haben die nationalen Regierungen und Parlamente kaum noch Mitwirkungsrechte, wie beim Außenhandel und bei der Währungspolitik in der Euro­zone. Daneben gibt es Zuständigkeiten, für die noch immer die Nationalstaaten verantwortlich sind und die Unionsebene nur Unterstützungsleistungen an­bieten darf (Artikel 6), so die Gesundheits- und die Kulturpolitik. Zur dritten Kategorie gehören die geteil­ten Zuständig­keiten. In Artikel 4 heißt es: »Die Union teilt ihre Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, wenn ihr die Verträge außerhalb der in den Artikeln 3 und 6 ge­nannten Bereiche eine Zu­ständigkeit über­tragen.« Infolge der Verflechtung des EU-Systems fallen viele Politikbereiche in diese Kategorie, so zum Beispiel der Binnenmarkt, die Wirtschafts- und die Sozialpolitik, die Land­wirtschaft sowie die Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Grafik 1, S. 12).

Für föderale politische Systeme, zu denen innerhalb der EU nur die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Belgien gehören, erhöht sich die Kom­plexität des europäischen Mehrebenensystems um eine dritte Entscheidungsebene, nämlich um die der Regionen bzw. Bundesländer. So haben die deutschen Landesparlamente Gesetzgebungskompetenzen und ausschließliche Zuständigkeiten beispielsweise auf dem Gebiet von Bildung, Medien und Kultur. Außer­dem dürfen sie nach Artikel 23 des Grundgesetzes an der Ausgestaltung der Europapolitik mitwirken. Sind ihre alleini­gen Kompetenzen berührt, können sie sogar bei Verhandlungen in den EU-Institutionen die Bundesrepublik vertreten.

Grenzschutz, Migration und Asyl als Querschnittsaufgaben

Die Zunahme illegaler Einreisen an den EU-Außen­grenzen im Herbst 2015 hat daher nicht nur die EU-Mitgliedstaaten, sondern auch den deutschen Föde­ralismus auf die Probe gestellt. So meldete die euro­päische Grenzschutzagentur Frontex für 2014 mit 282 933 Fällen schon eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr. Im Sommer 2015 stieg deren Zahl plötz­lich an und erreichte bis Jahresende rund 1,8 Millio­nen.19 Aus diesem Grund beauftragte der Freistaat Bayern den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio damit zu klären, ob der Bund verpflichtet sei, die Länder vor einem »unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen« zu schützen.20 Di Fabio bestätigte in seinem Gutachten, dass der Bund seiner Verantwortung gegenüber den Ländern nicht aus­reichend nachgekommen war. Berlin müsse die Kon­trolle über die Bundesgrenze wiederherstellen, ent­weder durch Sicherung der EU-Außengrenzen oder Wiedereinführung deutscher Grenzkontrollen.21

Dies entsprach aber nicht der Auffassung der Bun­desregierung, die das Flüchtlingsthema von Anfang an als europäische Aufgabe betrachtete. Nach Ansicht der Bundeskanzlerin könne Deutschland diese Auf­gabe nicht allein schultern: »Wir sind eine Europäische Union, die die gleichen Werte vertritt. Die eine gemeinsame Asylpolitik hat. Die sich für offene Gren­zen eingesetzt hat – offene Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten.«22 Damit gerieten genau genommen drei große Politikfelder in die öffentliche Diskussion, näm­lich der Grenzschutz, die Migrationspolitik und die Asylpolitik. Betrachtet man allerdings die poli­tischen Zuständigkeiten, ist der Anteil an Mitgestaltungsrechten der supranationalen Ebene auf diesen Feldern bislang äußerst gering.

Zudem sind die Bereiche Migration und Asyl als Querschnittsaufgaben zu verstehen, weil sie mehrere Ressorts tangieren. Die Spannbreite reicht von Justiz und Inneres über Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozial­politik bis hin zu Entwicklungs-, Außen- und Sicher­heitspolitik.23 Hieraus ergibt sich bereits eine Über­lappung zweier Kompetenzebenen: Migration und Asyl fallen sowohl in geteilte als auch in nationale Zuständigkeiten. Hinzu kommen in Deutschland, Österreich und Belgien die Mitentscheidungsrechte der föderalen Teilstaaten. Sie sind an der Ausgestaltung des Asylrechts auf nationaler Ebene beteiligt und müssen es eigenverantwortlich umsetzen.24 Deren Migrationspolitiken und Asylpolitiken liegen also quer zum EU-Mehrebenensystem und berühren alle Entscheidungsebenen.

Migration und Asyl unterliegen geteilten Zuständigkeiten. Das verpflichtet Brüssel und die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit.

Die meisten davon betroffenen Politikbereiche fallen in die Rubrik »geteilte Zuständigkeiten« (vgl. Grafik 1, S. 12). Dies verpflichtet die nationale wie auch die Unionsebene zur kontinuierlichen Zusammenarbeit. Hierin liegt ein ständiges Konfliktpoten­tial, das Dis­kussionen um eine Neuaufteilung von Zuständig­keiten auslösen kann. Dabei tragen natio­nale und regionale Ebene die Hauptverantwortung für die Ver­sorgung und soziale Integration der Migran­ten und Asylsuchenden im Rahmen ihrer landes­spezifischen Gesetze wie beispielsweise in den Res­sorts Bildung, Gesundheit und Jugend. Die EU-Ebene dagegen ver­fügt nur über wenige ausschließliche Kompetenzen, so etwa in der Handelspolitik, die für die Herkunfts­staaten relevant ist.

Die Zahl geteilter Zuständigkeiten hat sich entscheidend erhöht, als im Jahre 2000 das Schengen-Abkommen von 1985 in EU-Recht überführt wurde. Bis dahin hatten gemeinsame Grenzkontrollen auf

Grafik 1

zwischenstaatlichen Vereinbarungen beruht, in deren Folge die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft wurden.25 Allerdings hat sich mit der Über­führung dieses Vertrags in den Schengen-Besitzstand der EU nichts an der Verantwortung der Vertragsstaaten für den Schutz der gemeinsamen Außengrenzen geändert. Bis heute sind die nationalen Behörden für die Kontrollen des Grenzverkehrs zuständig (Arti­kel 6), sanktio­nieren illegale Grenzübertritte (Artikel 26 und 27), prüfen die gestellten Asylanträge (Artikel 28–38) und erteilen Visa für den Schengen-Raum.26

Allerdings ist seitdem die Zahl der Mitgliedstaaten des Schengen-Raums von anfangs fünf auf 26 gestie­gen, einschließlich der Nicht-EU-Staaten Schweiz, Nor­wegen, Liechtenstein und Island. Dagegen gehö­ren die EU-Mitglie­der Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Zypern noch nicht dem Schengen-Raum an.27 Schließ­lich traten Irland und das Vereinigte Königreich, das die EU mittlerweile verlassen hat, nie dem Vertrag bei, und das EU-Mitglied Dänemark blieb auf Distanz, weil es nur einzelne Regeln des gemeinsamen Acquis akzeptiert. Obwohl das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten nicht mit dem Territorium innerhalb der EU-Außengrenzen übereinstimmt, erhielt die EU-Kom­mission zusätzliche Kompetenzen, als der Schengen-Vertrag im Jahre 2000 in EU-Recht überführt wurde. Hierzu gehört der Abschluss inter­nationaler Verträge zur Visaliberalisierung für Mobi­litätspartnerschaften, um die Arbeitsmigration aus Drittstaaten zu erleich­tern. Weiterhin kann die Kom­mission initiativ werden, um die nationalen Asyl­systeme zu harmonisieren und Mindeststandards zu schaffen.28

Was den Grenzschutz betrifft, ist die supranatio­nale Ebene berechtigt, Gesetzgebungsprozesse auf den Weg zu bringen, um ein »integriertes Grenzschutz­system« aufzubauen.29 Doch die Europäische Kom­mission verfügt bislang über keine eigene »Organ­kompetenz«, mit der sie »im Bereich des integrierten Grenzschutzsystems bzw. der Bekämpfung der illega­len Einreise und des Menschenhandels« eigenständig handeln könnte.30 Die supranationale Ebene leistet im Rahmen der geteilten Zuständigkeiten nur Unter­stützung. Zwar haben die Unterzeichner des Schengen-Vertrags ihre Binnengrenzen auf­gehoben, aber deren Kontrollen sind damit nicht an die EU-Außengrenzen verlagert worden, wie es manche Rechtsquellen dar­stellen.31 Vielmehr legten die betref­fenden Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland ihre hoheit­lichen Rechte zum Schutz ihrer Staatsgrenzen in die Hand der Sicherheitsorgane anderer EU-Mitglieder. Dabei vertrauten sie darauf, dass diese ihrer Aufgabe gerecht werden und dafür genügend Ressourcen zur Verfügung stellen.32

Vor diesem Hintergrund kann die Forderung nach »mehr Europa« bei den Themen Migration und Asyl ganz unterschiedlich verstanden werden. Einige poli­tische Parteien meinen damit, dass die Kompetenzen für diese Politikbereiche von der nationalen auf die supranationale Ebene verlagert werden sollten. Ihrer Auffassung nach könnten ein »europäisches Grenz­kontrollregime« und eine »EU-Asylbehörde« geschaffen werden, um die »europäischen Asylregeln gegen­über allen Mitgliedstaaten« durchzusetzen.33 Wie der Ansatz der Politikverflechtung zeigt, steht auch der Weg einer Kompetenzteilung offen, der sogar leichter zugänglich ist. So sind in den letzten Jahrzehnten viele Politikfelder in die Hand geteilter Zuständig­keiten gefallen.34 Da allerdings Migration und Asyl Querschnittsaufgaben darstellen, sind sie bereits quer über alle Entscheidungsebenen und Kompetenzfelder des EU-Systems verteilt. Eine weitere Aufteilung müss­te sich demzufolge auf zusätzliche spezielle Politikfelder beziehen.

Eine europäische Lösung bestände aber auch darin, bereits geteilte Zuständigkeiten besser aufeinander abzustimmen, so dass erst gar keine neuen Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten oder den Entscheidungsebenen der EU entstehen. Die EU-Institutionen könnten ihre Unterstützungsleistungen verbessern und dem tatsächlichen Bedarf der Mitgliedstaaten anpassen. Dies setzt aber voraus, dass alle Akteure einvernehmlich und koordiniert vorgehen und die Einsicht haben, dass der Erhalt des Status quo, also der vertraglich festgelegten Zuständigkeiten, ebenfalls ein europäischer Lösungsansatz ist. Wer es als Aus­druck einer nationalistischen Ideologie disqualifiziert, wenn Staaten nationale Interessen verfolgen, müsste alle bisherigen Integrationsleistungen der EU in Frage stellen. Solange die EU keine eigene Staatsqualität besitzt, ist die Formulierung nationaler Interessen geradezu eine Voraussetzung für eine Europapolitik, die auf Koopera­tion und Konsens orientiert ist.35

Wege zur Entflechtung geteilter Zuständigkeiten

Die Kompetenzteilung zwischen der nationalen und der supranationalen Entscheidungsebene im EU-Mehr­ebenensystem hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Hauptmotor der europäischen Integration ent­wickelt. Im Ergebnis liegen heute schon die meisten Politikbereiche in geteilter Zuständigkeit (vgl. Grafik 1, S. 12). Deshalb drehen sich europapolitische Ausein­andersetzungen meist um die Frage, ob und auf welchem Weg Entscheidungskompetenzen neu ver­teilt werden können. Während die einen der Unions­ebene noch mehr Entscheidungsbefugnisse zugestehen wollen, fordern die anderen, Kompetenzen wieder auf die nationalstaatliche Ebene zu verlagern.

Kompetenzübertragung wie auch Kompetenzrückverlagerung sind zwei unterschiedliche Wirkungsrichtungen desselben Instruments, nämlich der Ent­flechtung geteilter Zuständigkeiten. Darüber hinaus gibt es eine dritte Option der Entflechtung, nämlich die Entkoppelung von Zuständigkeiten, die keine Vertragsänderung voraussetzt. Hierbei geht es darum, die geteilten Kompetenzen neu zu justieren, so dass sich die jeweiligen Maßnahmen ergänzen und idealer­weise zur Problemlösung beitragen.

In diesem Kapitel wird in den Blick genommen, welche der drei Optionen die nationalen Regierungen und die EU-Institutionen für eine Entflechtung gewählt haben, um die Krise in der Migrationspolitik und der Asylpolitik innerhalb der EU beizulegen. Es bietet sich an, die Analyse in drei Politikbereiche aufzugliedern, nämlich den Schutz der EU-Außen­grenzen, die Migrationspolitik und die Asylpolitik. Diese drei weichen hinsichtlich der Kompetenz­verschränkung zum Teil erheblich voneinander ab, weil für sie jeweils verschiedene EU-Verordnungen, nationale Gesetze und nachgeordnete Beschlüsse gelten. Entsprechend unterschiedlich werden die Vorschläge für eine mögliche Entflechtung ausfallen. Dabei interessiert die Frage, ob es den politischen Akteuren dabei in erster Linie um ihre jeweiligen Kompetenzen geht oder tatsächlich darum, die Hand­lungsfähigkeit aller Entscheidungsebenen wieder­herzustellen, mit anderen Worten: um Problem­lösung. Nur mit einer Entflechtung im gegenseitigen Einvernehmen lassen sich Konflikte vermeiden, während ein Konfrontationskurs am ehesten die euro­päische Integration gefährdet.

Grenzschutz

Die Europäische Kommission wies mehrmals darauf hin, welch hohen Stellenwert sie dem Schutz der EU-Außengrenzen zumisst. Er sei »die Voraussetzung für einen Schengen-Raum ohne interne Grenzkontrollen«.36 Auch eine Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments ist der Überzeugung, dass »ein starker Schutz der EU-Außengrenzen für das nor­male Funktionieren des Schengen-Raums unerlässlich« ist.37 Schließlich wirbt dafür der Europäische Rat unter dem Motto »Wirksame Kontrolle der Außengrenzen. Voraussetzung für Freizügigkeit im Schengen-Raum«.38

Kontrollen an den Außengrenzen stehen der euro­päischen Integration also nicht entgegen, sondern fördern diesen Prozess. So drängen besonders jene Akteure darauf, den Schengen-Vertrag einzuhalten, die aus der EU in absehbarer Zeit einen eigenen Staat machen wollen. Die Spinelli-Gruppe im Europa­parla­ment, ein überparteiliches Bündnis von Abgeordneten, fordert zum Bei­spiel: »In naher Zukunft sollte sie [die EU, d. Verf.] die nationalen Grenztruppen in eine einzige europäische Truppe integrieren, die für die gesamte Überwachung der Außengrenzen der Union verantwortlich ist.«39

Geteilte Kompetenzen in der Verflechtungsfalle

Während der Schutz der EU-Außen­grenzen für die Unionsebene immer wichtiger wird, verfügt sie selbst aber über keine eigenen Kompetenzen zur Grenzüberwachung. Es gibt keine europäische Grenzschutz­polizei, die im Auftrag der Mitgliedstaaten den Schengen-Raum nach einheitlichen Standards kon­trollieren würde. Dieses hoheitliche Recht liegt noch immer in nationalstaatlicher Hand: Wie die Kom­mission in ihrem Grundsatzdokument (2011) zur zu­künftigen EU-Grenzverwaltung hervorhob, überwachten schon damals rund 100 000 nationale Beamte die EU-Außengrenzen, die jährlich von mehr als 700 Mil­lionen Menschen passiert werden.40 Die EU-Institu­tio­nen dürfen hier im Rahmen geteilter Zu­ständigkeiten unterstützend und regulierend tätig werden, unter anderem mit finanziellen und personellen Mitteln.41

Bereits im Jahre 2004 wurde durch eine EU-Verord­nung eine »Europäische Agentur für die Zusammenarbeit an den EU-Außengrenzen« (Frontex) gegründet. Ihr Jahresbudget ist von anfangs sechs Millionen auf 460 Millionen Euro (2020) gestiegen.42 Die Priori­tä­ten liegen im Informationsaustausch und in der Koordinierung gemeinsamer Aktionen zur Grenz­überwachung: »Die Agentur unterstützt die Zusammen­arbeit von Straf­verfolgungsbehörden, EU-Agen­turen und Zollbehörden an den Seegrenzen.«43 Sie überwacht ständig die Außengrenzen des Schengen-Raums und gibt die gesammelten Informationen über kriminelle Aktivi­täten wie Migrantenschleusung, Menschenhandel und Terrorismus an die Mitgliedstaaten weiter. Diese können bei Bedarf personelle Unterstützung aus einem Soforteinsatzpool anfordern, für den zurzeit 1 500 nationale Beamte zur Ver­fügung stehen.

Um die Arbeit von Frontex wirkungsvoller zu machen, wurde im Jahre 2011, wiederum durch eine Verordnung, auf der supranationalen Ebene die Europäische Agentur für IT-Großsysteme (European Agency for the Operational Management of Large-Scale IT Systems in the Area of Freedom, Security and Justice, eu-LISA) mit Sitz in Tallinn gegründet.44 Sie verwaltet heute drei wichtige IT-Systeme zur inneren Sicherheit der Schengen-Staaten, nämlich das Visa-Informationssystem (VIS), das Schengener Informa­tionssystem (SIS II) sowie Eurodac, einen Pool aus Fingerabdruckdaten.45 Nach den Plänen der EU-Kom­mission soll auf diesem Weg allmählich eine »intelli­gente Grenzverwaltung« aufgebaut werden. Gemeint ist ein automatisierter Grenzverkehr, der biometrische Daten erfasst und kontrolliert.

Vieles deutet darauf hin, dass die EU mit diesen Plänen in eine Verflechtungsfalle geraten ist. Effek­tive und kostengünstige Grenzkontrollen sind zwar überzeugende Argumente, doch bestehen Zweifel, ob ein automatisiertes Grenzmanagement tatsächlich

Grafik 2

illegale Grenzübertritte reduzieren kann. Ein weiterer Einwand bezieht sich auf den Datenschutz, denn die Erfassung biometrischer Daten würde auch alle Unionsbürger betreffen.46 Schließlich greift dieses Vorhaben in die Hoheitsrechte der EU-Mitglieder ein, indem es ihnen die Entscheidungskompetenzen über die Ein- und Ausreise entzieht. Die biometrischen Daten sollen bei der Grenzkontrolle gleich in eine EU-Datenbank eingespeist werden.47

Viele EU-Mitgliedstaaten stemmen sich gegen einen Kompetenzverlust beim Schutz ihrer Außengrenzen und bei der Registrierung Einreisender. Werden nämlich alle Asylantragsteller zentral von einer europäischen Behörde erfasst, könnte ans Licht kommen, dass sich einige Länder ihren Pflichten entziehen, die ihnen die Dublin-Verordnung auf­erlegt, und den Asylsuchenden bei ihrer Einreise kein ordentliches Rechtsverfahren gewähren. So hat die deutsche Bundesregierung ein Interesse daran, Kom­petenzen auf die supranationale Ebene zu übertragen: »Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen.«48 Laut Eurostat haben bereits im Zeitraum 2008–2014 von den 2,46 Millionen Asylsuchenden 23 Prozent ihren Antrag in Deutschland gestellt.49 Allein in den Jahren 2015–2019 hat sich diese Zahl auf 4,71 Mil­lionen nahezu verdoppelt. 38 Prozent davon suchten wiede­rum in Deutschland Asyl.

Kompetenzübertragung auf die supranationale Ebene

Die Initiative der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2011 zur Einführung eines automatisierten Grenzmanagements zeigt zum einen, dass schon lange bekannt ist, wie mangelhaft die EU-Außen­grenzen geschützt sind. Zum anderen belegt sie, dass die Kommission mit ihren Reformvorschlägen vor allem eine Kompetenzübertragung auf die supra­nationale Ebene im Blick hat. Der damalige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Michel Barnier, sprach schon 2011 von der Vision einer »echten Föderation der Nationalstaaten«, zu der nach seiner Auffassung ein europäischer Außen- und Verteidigungsminister sowie ein eigener »euro­päischer Grenzschutz« gehö­ren sollen.50

Seitdem die Schwächen des Schengener Grenz­managements offenbar wurden, verfolgt Brüssel sein Reformprojekt mit noch größerem Nachdruck. Dabei hofft es auf Unterstützung von Seiten jener Mitgliedstaaten, die wie Deutschland zum Ziel illegaler Ein­wanderung geworden sind.51 In diesem Sinne schlug die EU-Kommission Ende 2015 »die Schaffung eines echten integrierten europäischen Grenzmanagements vor«.52 Dazu gehört eine zusätzliche Einsatzreserve für Frontex von etwa 1 500 Grenzschutzbeamten aus allen Mitgliedstaaten des Schengen-Raums. Sie sollen nicht nur den nationalen Sicherheitskräften zur Ver­fügung stehen, sondern das Recht erhalten, eigenständig tätig zu werden.53

Für eine solche Kompetenzübertragung wäre eine qualifizierte Mehrheit im Rat der EU-Innenminister notwendig. Zustimmen müssten also mindestens 55 Prozent der im Rat vertretenen 27 Mitgliedstaaten, die einen Bevölkerungsanteil von 65 Prozent reprä­sentieren (Artikel 238 (3) a, AEUV).54 Doch dieses Quorum wurde bislang nicht erreicht, so dass die Pläne nur durch EU-Ver­ordnungen vorangebracht werden konnten. Auf diesem Wege hat Brüssel im Herbst 2016 Frontex in »Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache« umbenannt.55 Damit machte es deut­lich, dass »Frontex zu einer Agentur mit geteilter Verantwortung für den Schutz der Außengrenzen ausgebaut werden« soll.56

Die Kommission setzt finanzielle Anreize, um die Mitgliedstaaten für eine Kompetenzübertragung auf die Unionsebene zu gewinnen.

Auch wenn der Europäische Rat die Verordnung zur Umbenennung von Frontex billigte, bleiben die meisten Mitgliedstaaten auf Distanz zu dem Vor­haben, ihre Kompetenzen mit dieser Agentur zu teilen oder ihre Zuständigkeiten auf sie zu über­tragen. In den Fortschrittsberichten zur Umsetzung der Euro­päischen Migrationsagenda im Jahre 2018 konstatierte die Kommission mangelnde Unterstützungsbereitschaft. Im Mai 2018 standen Frontex nur 49 Prozent des personellen Bedarfs zur Verfügung: »Aufgrund dieser erheblichen Defizite ist die Durch­führung der bis Dezember 2018 geplanten Maßnahmen ernsthaft gefährdet.«57

Daraufhin setzte die Kommission finanzielle An­reize, um die EU-Mitglieder für eine Zusammenarbeit mit Frontex zu gewinnen. Im neuen EU-Finanz­haus­halt (2021–2027) veranschlagte sie 35 Milliarden Euro für den Schutz der EU-Außengrenzen, was einer Verdreifachung gegenüber dem letzten EU-Haushalt gleichkommt.58 Etwa die Hälfte davon ist für einen neu einzurichtenden Fonds für integriertes Grenz­management (Integrated Border Management Fund, IBMF) vorgesehen. Die andere Hälfte dient dem Aus­bau der Agenturen eu-LISA für IT-Großsysteme und Frontex. Dabei wird die Einsatzreserve der Grenzschutzagentur von derzeit 1 500 auf 10 000 Mitarbeiter aufgestockt.

Medienberichten zufolge soll es auf dem Gipfel­treffen des Europäischen Rats am 8. November 2019 einen Durchbruch gegeben haben. Demnach wurde die vorgeschlagene EU-Verordnung mit einer quali­fizierten Mehrheit verabschiedet, so dass nun »die Grenzschützer bei einer akuten Gefahr für das Funk­tionieren des Schengen-Raums gegen den Willen eines Mitgliedstaates entsandt werden« könnten.59 Diese Darstellung widerspricht jedoch der eindeutigen Aussage der Verordnung, dass sie »die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten« nicht berührt, so dass sie nur die Zuständigkeiten der Grenzschutzagentur erweitert hat.60 Dass es hierbei keine Interpretationsspielräume gibt, zeigt die offizielle Stellungnahme der Schweiz, die als Schengen-Staat dazu verpflichtet ist, diese EU-Verordnung in nationales Recht zu übernehmen: »Konkret heißt das, dass Einsatzkräfte der Agentur in unserem Land nur mit unserer Zustimmung Exekutivbefugnisse ausüben dürfen […]. Damit wird bestätigt, dass die Agentur in keinem Fall ohne Zu­stimmung eines Schengen-Staats auf dessen Hoheitsgebiet intervenieren kann.«61

Rückverlagerung in nationalstaatliche Verantwortung

Der Versuch der EU-Kommission, Frontex als Agentur der supranationalen Ebene auf Kosten der Hoheitsrechte der EU-Mitgliedstaaten zu stärken, führte offenbar nicht aus der Verflechtungsfalle heraus, sondern verstärkte ihre Wirkung noch. Die Vor­behalte der nationalen Ebene gegen diese Pläne sind nicht unbegründet, schaut man sich die Kommis­sionsberichte über die »Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache« aus dem Jahre 2017 genauer an. So wurden nicht alle EU-Außengrenzen gleichermaßen abgedeckt. Vielmehr konzentriert sich Frontex auf die drei Mittelmeeranrainer Spanien, Italien und Griechenland sowie den Schengen-Außen­raum mit Bulgarien (als EU-Mitglied) und den Staaten des Westbalkan (Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo, Albanien und Republik Nord­mazedonien).

2017 konnte Frontex nur die Hälfte des Personalbedarfs decken, den die Mitgliedstaaten angemeldet hatten.

Außerdem zeigen die Kommissionsberichte von 2017 – die übrigens nicht fortgesetzt wurden –, dass im Durchschnitt nur 51 Prozent des von den Mitglied­staaten angemeldeten personellen Bedarfs gedeckt werden konnten. Dabei erhielten die West­balkan­staaten und das EU-Land Bulgarien eine weit bessere Versorgung als die weiteren EU-Mitglied­staaten. Einen eklatanten Mangel gab es bei den Frontex-Einsätzen in Italien. Dort standen für die gemeinsame Aktion »Triton« an Italiens Küsten in den Monaten Juni und Juli 2017 nur 19 Prozent des angeforderten Bedarfs an 126 Frontex-Beamten zur Verfügung.62 Im September und im Oktober 2017 wurde zwar jeweils ein Bedarf von 135 Hel­fern gemel­det, tatsäch­lich abgestellt wurden aber im September lediglich vier und im Oktober gar nur ein einziger.63

Grafik 3

Dabei wirbt die italienische Küstenwache (Guardia Costiera) seit Jahren um mehr Unterstützung. Rom hat ein Interesse daran, die Notlage der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer öffentlich zu machen. Des­halb widersprachen die Behörden im Jahre 2017 der euro­päischen Grenzschutzagentur Frontex, nach deren Angaben die illegale Einwanderung zurückgegangen sei (vgl. Westliches Mittelmeer, hellblau, in Grafik 3).64 Immer mehr Italiener fühlten sich von der EU mit diesem Problem alleingelassen. Das trug dazu bei, dass im März 2018 die Regierung abgewählt wurde. Die neue Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega verstärkte die Zusammenarbeit mit der liby­schen Küstenwache. Diese Kooperation hatte bereits im Jahre 2017 unter der sozialdemokratischen Regierung und mit Unterstützung der EU begonnen.65 So war die Zahl der Asylantragsteller pro Monat bereits zuvor deutlich gesunken: Wurden im März 2017 13 510 Erst­anträge gestellt, waren es im Vergleichsmonat 2018 nur noch 5 854. Im März 2019 wurden 2 595 Erst­an­träge verzeichnet, im März 2020 sogar lediglich 850.66

Für die gemeinsame Aktion »Poseidon« in den griechischen Küstengewässern sieht das Bild etwas anders aus. Während zwischen dem 29. Juni und dem 17. August 2017 von den 197 angefragten Frontex-Beamten nur 43 (entspricht rund 22 Prozent) zur Ver­fügung standen, gab es im September keine Lücken mehr.67 Dagegen fehlten im genannten Zeitraum 40 der 60 angeforderten Frontex-Beamten für den Schutz der nordgriechischen Landesgrenze.68 Diese Lücke wurde seit 2018 geschlossen, weil Frontex seine Zusammenarbeit mit den Westbalkanstaaten ver­stärkte.

Im Herbst 2015 geriet nicht etwa die Notlage an den italienischen oder griechischen Küsten ins Visier der Medien, sondern die Geschehnisse an der 175 Kilo­meter langen ungarischen Grenze zu Serbien. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte am 21. August 2015 ohne Absprache mit anderen Schengen-Staaten entschieden, die Dublin-Verordnung für syrische Flüchtlinge auszusetzen und allen ein Bleiberecht zu gewähren.69 Weil damit die Pflicht wegfiel, sich beim Eintritt in den Schengen-Raum registrieren zu lassen, stieg die Zahl der Migran­ten auf der Balkanroute an. Das überforderte die ungarischen Grenzschützer, die an diesem Grenz­abschnitt patrouillierten. Budapest musste die Perso­nalstärke des ungarischen Grenzschutzes erhöhen und bat die europäische Agentur Frontex um Unter­stützung. Deutschland half bereits seit 2014 mit 69 Grenzschutzbeamten aus, weil schon damals bekannt war, dass die Migranten nicht in Ungarn bleiben, sondern nach Norden weiterreisen wollten.70 In einem gemeinsamen Bericht des ungarischen Gesundheitsministeriums und der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) heißt es, dass schon »in den ersten acht Mona­ten 2015 etwa 400 000 Migranten die Grenze nach Ungarn irregulär übertreten hatten, wovon 161 000 Asyl gesucht haben. Zum Vergleich: 2012 stellten 2 157 einen Asylantrag.«71 Frontex zufolge lag die Gesamtzahl der illegalen Einreisen über die Balkanroute für 2015 bei 764 038, die in den gesamten Schengen-Raum bei 1,82 Millionen.72 Trotz Deutschlands Mitverantwortung für den Anstieg der Migra­tion auf der Balkanroute überwiegt in den deutschen Medien bis heute die Kritik an der Siche­rung der EU-Außengrenzen. Es wurde Anstoß am »intelligenten Zaun, der mehrere Sprachen spricht« genommen,73 obwohl die EU-Kommission mit ihrem intelligenten Grenzmanagement solche Maßnahmen für die Außen­grenzen des gesamten Schengen-Raums plant. Es war sogar von Ungarns »blutiger Grenze« die Rede,74 wäh­rend von jenen Staaten eine konsequente Grenzsicherung erwartet wird,75 die dem Schengen-Raum bei­treten möchten, etwa den EU-Mitgliedern Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Zypern. So setzt Bulgarien an seiner 259 Kilometer langen Grenze zur Türkei bis zu 600 Soldaten ein.76 In jüngster Zeit sind Kroatien und Bosnien in die Schlagzeilen gera­ten, weil sie hart gegen illegale Migration vorgehen. Flüchtlingsorganisationen kritisieren den Einsatz von Gewalt, ohne die wachsenden Probleme Waffenschmuggel und Men­schenhandel oder die Gewalt­bereitschaft von Migran­ten aus diesem Milieu zu berücksichtigen.77 So forder­ten sie jüngst von der Europäischen Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Athen einzuleiten, obwohl vier afghanische Asylsuchende verdächtigt werden, für den Brand auf der griechischen Insel Lesbos verantwortlich zu sein.78 Schließlich haben die Mitglied­staaten nach Artikel 16 des Schengen-Vertrags immer noch die alleinige Verfügungs­gewalt über ihr Staats­gebiet: Sie müssen für eine ausreichen­de Zahl an nationalen Grenzschutz­beamten sorgen, um »effizi­ente Grenz­kontrollen mit hohem und ein­heitlichem Standard an ihren Außengrenzen« zu gewährleisten. »Die Durchführung von Grenzkontrollen […] erfolgt durch die Grenzschutzbeamten gemäß dieser Verordnung und nationalem Recht.«79 Frontex-Beamte haben kei­nerlei eigene hoheitliche Befugnisse, denn in Artikel 17 heißt es: »Die operative Zusam­menarbeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Grenzschutzes an den Außengrenzen wird durch die Agentur koordiniert.« Selbst im Fall schwerwiegender Mängel bei den Kontrollen kann sie gemäß Artikel 21 nur unterstützend tätig werden. Daher sind die ge­nannten Maßnahmen zum Grenz­schutz nicht als Rückverlagerung geteilter Zuständigkeiten in nationalstaatliche Verantwortung zu inter­pretieren. Verweigerung könnte man allenfalls jenen Mitgliedstaaten unterstellen, die sich nur zögerlich an den Frontex-Einsatzkräften beteiligt haben. Laut den Kommis­sionsberichten wies im Jahre 2017 eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten Lücken beim »Ausrüstungspool für Soforteinsätze« auf, darunter Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Schweden und Norwegen.80

Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten

Ein anderes Thema ist die Wiedereinführung von Kontrollen an den EU-Binnengrenzen. Wie oben erwähnt, ist auch diese Maßnahme durch den Schen­gener Grenzkodex gedeckt, falls ein Mitgliedstaat die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit bedroht sieht.81 Von diesem Recht wird schon seit dem Jahr 2006 bei politischen oder sportlichen Groß­veranstaltungen Gebrauch gemacht. Einen Zusammenhang mit der Dublin-Verordnung stellte erstmals Frankreich her, als es Mitte Juni 2015 und damit drei Monate vor Beginn der Migrationskrise seine Grenzen zu Italien schloss.82 Weil die Aufnahmelager überfüllt waren, reisten die afrikanischen Migranten von Italien aus nach Norden weiter. Paris ermahnte die italienischen Behörden, dass sie die Verantwortung für diese Asylsuchenden tragen.83

Offiziell ließ Frankreich erst einen Monat nach den Terroranschlägen in Paris vom 13. November 2015 verlauten, dass es Kontrollen an seinen Staats­grenzen wieder eingeführt hatte. Diese Bekanntgabe ist nach dem Schengener Grenzkodex auch erforderlich. Gemäß dem laufend aktualisierten Bericht der EU-Kommis­sion war Deutschland das erste Land, das wegen der steigenden Zahl illegaler Grenzübertritte die Kontrollen seiner Außengrenzen wiederaufnahm. Nach Frankreich und Deutschland (Grenze zu Öster­reich) folgten unmittelbar Österreich und Slowenien (Grenze zu Ungarn). Erst danach reagierten Ungarn (Grenze zu Slowenien), Malta und später auch Bel­gien, wobei sie die Kontrollen an ihren EU-Binnen­grenzen auf wenige Tage bzw. Wochen beschränkten. Dagegen führten Schweden, Norwegen und Dänemark Ende 2015 Kontrollen an den EU-Binnen­grenzen ein, die noch heute gelten (vgl. Grafik 4, S. 24).84 Diese Maß­nahmen lassen sich als Versuch beschreiben, die ge­teilten Zuständigkeiten in Bezug auf die EU-Binnen­grenzen zu entflechten, genauer gesagt, voneinander zu ent­koppeln. Damit stellen die betref­fenden Staaten den Schengen-Vertrag nicht in Frage, sondern nutzen die gegebenen Kompetenzen und vertraglichen Spiel­räume.

Die Reform des Schengen-Vertrags 2016 bestätigte das Recht der Mitgliedstaaten auf Kontrollen an den Binnengrenzen.

Die Reaktion der Europäischen Kommission ließ nicht lange auf sich warten, da sie befürchtete, derSchengen-Vertrag könnte dauerhaft aufgeweicht werden. Statt das Handeln der Mitgliedstaaten als Ausdruck ihrer Verantwortung für den Schutz ihrer Landesgrenzen zu verstehen, versuchte Brüssel, Entscheidungsbefugnisse an sich zu ziehen: Per EU-Verordnung setzte es im Jahre 2016 den überarbei­teten Schengener Grenzkodex in Kraft. Darin limi­tier­te die Kommission das Recht der Mitgliedstaaten, wieder Kontrollen an ihren Außengrenzen innerhalb des Schengen-Raums durchzuführen, »auf eine Höchst­dauer von zwei Jahren«.85 Seitdem haben die Unions­organe wie der Europäische Rat und die EU-Kom­mission das Recht, über alle Maßnahmen in diesem Kon­text informiert zu werden.86 Nach dem neu­gefassten Artikel 29 kann der Rat einem Land emp­feh­len, seine EU-Binnengrenzen wieder zu kontrol­lieren. Doch sind die Mitgliedstaaten daran nicht gebunden, so dass die Wiedereinführung von Grenz­kontrollen ganz in nationaler Verantwortung bleibt.87

Im Gegenzug zu den neuen Mitwirkungsrechten der Brüsseler Institutionen erhielten die Mitglied­staaten die Möglichkeit, Kontrollen an ihren EU-Binnengrenzen wieder einzuführen, falls ein anderes Mitglied seinen Verpflichtungen zur Sicherung des Schengen-Raums nicht nachkommt. Auf dieser recht­lichen Grundlage dürfen Deutschland, Österreich, Norwegen, Schweden, Dänemark und Frankreich auch heute noch Kontrollen an ihren Landesgrenzen durchführen,88 obwohl die zweijährige Verlängerungsfrist bereits Mitte November 2018 abgelaufen war.89 Trotz Ermahnungen des damaligen EU-Kom­missars für Inneres, Migration und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos,90 hielten die genannten Staaten an dieser Praxis fest.

Grafik 4

Ursprünglich hatte auch die neue EU-Kommissarin für Inneres (wie das Amt heute heißt), Ylva Johansson, schon bei ihrer Anhörung vor dem Europäischen Parlament erklärt, dass sie zu einem Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen zurückkehren wolle.91 So ist es allein der Corona-Krise geschuldet, dass die Kommission die nationalstaatlichen Maß­nahmen zur Grenzsicherung bislang hingenommen hat. Seit Mitte Mai 2020 drängt sie die Mitglied­staaten, sämtliche Beschränkungen aufzuheben.92 Deshalb könnte sich der latente Konflikt in der EU um die Grenzsicherung jederzeit wieder zuspitzen, spätestens dann, wenn sich die Lage auf dem West­balkan, wie derzeit schon absehbar, verschlechtern sollte.

Migrationspolitik

Im Politikfeld Migration sind die Zuständigkeiten zwischen der nationalen und der supranationalen Ebene anders verteilt als beim Grenzschutz. Deshalb ist eine gesonderte Analyse sinnvoll, auch wenn in politischen Debatten oft beide Bereiche ineinanderfließen. Deutlich wird dies am Beispiel von Rückführungsabkommen mit Drittstaaten. Darin verpflichten sich die Vertragsparteien, Migranten zurückzunehmen, die illegal in einen EU-Mitgliedstaat eingereist sind. Hier geht es um mehr als die Sicherung des Schengen-Raums und die Auslegung von Europarecht. Die Migrationspolitik tangiert internationales Recht. Daher gibt es auch in diesem Politikfeld offene Span­nungen wegen geteilter Zuständigkeiten innerhalb des EU-Mehrebenensystems. Im Unterschied zum Thema Grenzsicherung allerdings besteht hier die Gefahr, dass die Kompetenzstreitigkeiten das Ansehen der EU als internationaler Akteur schmälern. Das könnte auch die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Außenpolitik beeinträchtigen.

Geteilte Kompetenzen in der Verflechtungsfalle

Erst mit dem Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezem­ber 2009 in Kraft trat, erhielt die EU den Status einer Rechtspersönlichkeit bzw. eines Völkerrechtssubjekts, das international eigenständig auftreten und Verträge schließen kann. Dabei sind ihr allerdings nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Hände gebunden. Die dort geregelte Kompetenzverteilung besagt, dass die supranationale Ebene nur für wenige Bereiche ausschließliche Zu­ständigkeit besitzt (vgl. Grafik 1, S. 12), wie etwa für die Handelspolitik.93 In den meisten Fällen muss sie sich mit den Mitgliedstaaten abstimmen, wenn es um den Abschluss internationaler Vereinbarungen geht: »In dem Fall, in dem die EU ihre Zuständigkeit mit den EU-Ländern teilt, wird die Übereinkunft sowohl von der EU als auch von den EU-Ländern geschlossen. Es handelt sich dann um eine geteilte Übereinkunft, zu der die EU-Länder ihre Zustimmung geben müssen.«94

Mittlerweile verhandelt Brüssel mit einer Reihe von Drittstaaten über die Rückführung illegal ein­gereister Migranten, unter anderem mit EU-assoziier­ten Staaten des Westbalkan, mit der Republik Moldau, Georgien und Armenien sowie mit den Mittelmeer­anrainern Türkei, Algerien und Tunesien.95 Das EU-Abkommen mit der Türkei vom 18. März 2016 war als eine solche geteilte Übereinkunft zwischen dem Europäischen Rat als Vertreter der supranationalen EU-Ebene und einem Drittstaat konzipiert. Diese Übereinkunft konnte jedoch erst durch die natio­na­len Regierungen der Mitgliedstaaten rechtsverbindlich werden. Gemäß diesem Abkommen stellt die EU Hilfen in Milliardenhöhe zur Verfügung, damit die Türkei Flüchtlinge auf ihrem Territorium versorgen und integrieren kann. Des Weiteren versprach Brüssel: »Für jeden von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgeführten Syrer wird ein anderer Syrer aus der Türkei in der EU neu angesiedelt […]«,96 wobei die Zahl der Betreffenden allerdings auf maximal 54 000 begrenzt bleibt. Als Gegenleistung sicherte die Türkei zu, all jene Migranten zurückzunehmen, die von ihrem Territorium aus illegal in die EU einreisen, vor allem nach Griechenland.

Diese Absprache kam erst zustande, nachdem sich genügend EU-Mitglieder bereit erklärt hatten, Syrer aus der Türkei aufzunehmen und die vereinbarten Hilfsgelder zu zahlen: Zwischen 2016 und 2019 flossen sechs Milliarden Euro in zwei Tranchen, eine Hälfte aus dem EU-Haushalt, die andere aus den nationalen Staatshaushalten.97 Davon übernahm Deutschland allein 427,5 Millionen Euro, während Frankreich 309,2, Italien 224,9 und Österreich 45,6 Millionen beisteuerten.98 Die Kom­mission zieht eine durchweg positive Bilanz. Ihren Angaben zufolge seien in den letzten vier Jahren 153 300 Migranten illegal über die Türkei in die EU gekommen.99 Laut derselben Quelle gab es jedoch nur 18 711 Rückführungen in die Tür­kei, darunter 2 735 Syrer. In einem anderen Bericht der Kommission heißt es, bis Mitte September 2019 seien 24 492 Syrer von der Türkei in die EU umgesiedelt worden, davon allein 8 596 nach Deutschland.100 Diese Zahlen entsprechen ganz offensichtlich nicht den Abmachungen des Vertrags, denn schließlich sollte ein 1:1-Mechanismus wirksam werden: Für jeden Syrer, der über die Türkei nach Griechenland geflüchtet ist und dorthin zurückgeführt wurde, soll ein Syrer aus der Türkei in einen EU-Mitgliedstaat umgesiedelt werden.101

Obwohl Ankara deutlich mehr vom EU-Türkei-Abkommen profitiert als die EU, beschwerte es sich nach Ablauf der Auszahlungsfrist Anfang 2020. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu beklagte, dass von den sechs Milliarden Euro nicht einmal die Hälfte ausgezahlt worden sei.102 Mit seinen Beschwerden will Ankara die Chancen auf einen Folgevertrag erhöhen, weil seit Dezember 2019 infolge einer Militäropera­tion eine halbe Million Menschen aus dem syrischen Gouvernement Idlib in die Türkei geflüchtet sind. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Grenzen seines Landes zu Griechenland geöffnet und damit das EU-Abkommen willentlich gebrochen. Die EU fand sich in dem Dilemma wieder, entweder Griechenland bei der Sicherung seiner Grenzen und jener der EU zu unterstützen oder dem Drängen Erdoğans nach­zu­geben. Brüssel entschied sich für letzteres: Ende Juni 2020 versprach es Ankara weitere 500 Millionen Euro, anstatt mit diesem Geld seinem eigenen Mit­gliedstaat zu helfen, bei der Grenz­sicherung inter­nationale Standards des Flüchtlingsschutzes einzuhalten.103

Kompetenzübertragung auf die supranationale Ebene

Es stellt sich die Frage, ob das EU-Türkei-Abkommen notwendig war, um irre­guläre Migranten in die Türkei zurückzuführen. Die Regierung in Ankara hatte näm­lich zuvor schon mit Griechenland ein bilaterales Rücknahmeabkommen geschlossen, das diese Aufgabe erfüllt hätte. Kaum hatte die Kommission im März 2018 die Ver­längerung der EU-Türkei-Vereinbarung beschlossen, setzte Ankara das Abkommen mit Athen aus.104 Erklärtermaßen wollte die türkische Regierung damit ein Zeichen des Protestes gegen die Aufnahme türkischer Militärangehöriger setzen, denen Griechen­land nach dem Putschversuch in der Türkei vom Juli 2016 Asyl gewährt hatte.105 Brüssel nahm dieses Vorgehen der Türkei unwidersprochen hin und droh­te ihr keinerlei Konsequenzen an.

Ebenso ohne Folgen für das EU-Türkei-Abkommen blieb die türkische Militärintervention im Norden Syriens, die Anfang Oktober 2019 begann. Einzig das Europäische Parlament kritisierte in seiner Entschließung vom 24. Oktober 2019 den Mili­tär­einsatz und betonte, »dass die gewaltsame Verbringung syrischer Flüchtlinge oder Binnenvertriebener in dieses Gebiet [Nord­syrien, d. Verf.] einem schwer­wiegenden Ver­stoß gegen das vertraglich verankerte internationale Flücht­lingsrecht, das humanitäre Völkerrecht und den Grundsatz der Nichtzurückweisung gleichkäme«.106 Das Europäische Parlament drückte auch sein Bedau­ern darüber aus, dass sich der Rat für Auswärtige An­gelegenheiten der EU nicht auf ein Waffenembargo gegen die Türkei einigen konnte.

Das EU-Türkei-Abkommen kann daher als Versuch der Unionsebene verstanden werden, mit Hilfe der Migrationspolitik außenpolitischen Gestaltungsspielraum zu gewinnen, denn die Außen- und Sicherheits­politik der EU liegt derzeit noch in alleiniger nationalstaatlicher Zuständigkeit. Deshalb ergaben sich aus dem Abkommen verschiedene juristische Fragen. So ist es nach wie vor strittig, ob das Abkommen völker­rechtlich verbindlich ist oder nicht. Der Juristische Dienst des Europäischen Parlaments verneinte dies unter anderem mit der Begründung, dass es nicht durch ein erforderliches Vertragsverfahren und damit unter Umgehung des Parlaments zustande gekommen sei.107 Dies steht im Widerspruch zu Aussagen anderer Experten, nach deren Auffassung »entscheidende Passagen der Erklärung vom 18. März 2016 als völkervertraglich rechtsverbindlich einzustufen« seien.108 Juristisch relevant ist aber die gescheiterte Klage dreier Asylsuchender gegen ihre Abschiebung in die Türkei. Am 28. Februar 2017 erklärte sich der Europäische Gerichtshof in diesem Falle für nicht zuständig. Nach einer Anhörung von Vertretern aus Brüssel stellte das Gericht fest, dass »weder der Euro­päische Rat noch irgendeine andere Institution der EU beschlossen hat, mit der türkischen Regierung ein Abkommen zum Thema der Migrationskrise ab­zuschließen«.109 Demnach hat die Türkei eine Verein­barung mit EU-Mitgliedstaaten getroffen, jedoch kei­nen völkerrechtlichen Vertrag mit der EU geschlos­sen.

Gemäß Artikel 79 des EU-Vertrags darf Brüssel dagegen eine »gemeinsame Einwanderungspolitik« auf den Weg bringen, um die Migration besser zu steuern und die illegale Migration zu bekämpfen. Dennoch bestimmen die Mitgliedstaaten immer noch allein darüber, »wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in ihr Hoheits­gebiet einreisen dürfen«, um dort Arbeit zu suchen.110 Diese rote Linie scheint Brüssel heute nicht mehr zu akzeptieren, denn es erklärte schon in der Migrationsagenda vom 13. Mai 2015, »dass wir ein neues, stärker europäisch aus­gerichtetes Konzept brauchen«.111 Darin steht nicht das Thema Sicherung der EU-Außengrenze an erster Stelle, sondern die Schaffung neuer legaler Wege nach Europa. Mindestens zwei Motive werden explizit genannt: ein angeblicher Fachkräftemangel in »Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwissenschaften und Gesundheitsversorgung« sowie der Rückgang der erwerbstätigen Bevölkerung »in den nächsten zehn Jahren um 17,5 Millionen«.112

Der Schwerpunkt der europäischen Migrations­politik lag also von Anfang an auf der Rekrutierung von Arbeitskräften, die auch die Asylsuchenden ein­schließt. Hieraus erklärt sich, dass sämtliche Flücht­linge noch vor ihrem Anerkennungsverfahren nach einem festen Schlüssel auf die einzelnen Mitglied­staaten verteilt werden sollten. Hierzu schlug die Kom­mission die »Aktivierung der Notfallklausel gemäß Artikel 78« des Lissabonner Vertrags vor.113 Doch dieser Artikel bezieht sich nicht auf eine gemein­same europäische Einwanderungspolitik, sondern auf eine »gemeinsame Politik im Bereich Asyl«.114 Der vorge­schlagene Verteilungsschlüssel beruht auf »Kriterien wie dem BIP, der Bevölkerungszahl, der Arbeitslosenquote und der bisherigen Zahl von Asyl­bewerbern«.115 Danach sei Deutschland für ungefähr 18 Prozent aller »Umsiedlungen« verantwortlich, wäh­rend auf Frank­reich 14, Italien 12, Spanien 9, Polen 6, die Niederlande 4, Belgien und Österreich je 3, Ungarn und Grie­chenland je 2 und Luxemburg 1 Prozent ent­fallen.

Indem Brüssel mit seiner Migrationsagenda zwei unterschiedliche Politikfelder, nämlich Migration und Asyl, miteinander verschränkt, verblasst die wichtige begriffliche Unterscheidung zwischen legaler und illegaler bzw. irregulärer Migration. Es wurde der An­schein erweckt, als hätten Drittstaatsangehörige jeder­zeit das Recht, den Schengen-Raum zu betreten, um erst dann in monatelangen Verfahren ihre Aufenthaltsberechtigung prüfen zu lassen. Auf dieses Defizit reagierte die Kommission mit ihrem neuen Migra­tions- und Asylpaket vom 23. September 2020. Sie präsentiert nun »einen umfassenden Ansatz, der die Maßnahmen in den Bereichen Migration, Asyl, Integration und Grenzmanagement zusammenführt«.116 Danach ist eine neue »Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement« vorgesehen. Es soll ein Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen ermöglichen, in dem der Status der Einreisenden entweder als Flüchtling oder als Arbeitsmigrant fest­gestellt wird.117 Hierfür sollen die EU-Agenturen bereitstehen, sowohl Frontex als auch eine neue Euro­päische Asylagentur.118

Werden Migration und Asyl miteinander verknüpft, verblasst die Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Einwanderung.

Zu den Ursachen der illegalen Einwanderung gibt es von Europapolitikern auch andere Einschätzungen, die der Annahme widersprechen, dass sie durch die Schaffung legaler Migrationswege bekämpft werden könne. So betrachtete noch Jacques Barrot als Kom­missar für Justiz und Vize­präsident der EU-Kommis­sion (2008–2010) die illegale Beschäftigung als Hauptmotor für irreguläre Einwanderung in die EU. Schon damals wurde geschätzt, dass jährlich 350 000 bis 500 000 Menschen irregulär in den Schengen-Raum einreisen.119 Deshalb brachte Barrot eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Schwarzarbeit auf den Weg. Auf diese Weise wollte er die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, gegen Arbeit­geber vorzugehen, die legale wie illegale Einwanderer um ihre Entlohnung und Sozialversicherung und damit auch den Fiskus um Steuereinnahmen prellen.

Zwar wurde dieser Ansatz nicht aufgegeben, doch in europäischen Debatten spielt die sozioökonomische Dimension der illegalen Migration kaum noch eine Rolle. Statt den Mitgliedstaaten den Rücken zu stärken, um von Unternehmen soziale Mindeststandards auch für Migranten einzufordern, möchte Brüssel die Arbeitsmigration lieber selbst in die Hand nehmen. Zum Personenkreis, der mit der EU-Migrationspolitik erreicht werden soll, zählen »Asyl­suchende, hochqualifizierte Arbeitskräfte, Studenten und Wissenschaftler, Saisonarbeitskräfte sowie die Familienzusammenführung«.120 Hierfür werden »europäische Migrationsbeauftragte in die EU-Dele­gationen der wichtigsten Drittstaaten entsandt«, um die dortigen Behörden über die Möglichkeiten legaler Einreise zu informieren.121

Grafik 5

Dem Grundsatz folgend, illegale Migration lasse sich durch Legalisierung der Fluchtwege bekämpfen, strebt Brüssel trotz Migrationskrise nach einer »Eröff­nung sicherer Wege nach Europa« und nach »Möglich­keiten für eine sichere und legale Einreise in die EU für Asylbewerber und Flüchtlinge«.122 Selbst im neu­en Migrations- und Asylpaket hält die Kommission am Konzept der Migrationspartnerschaften mit Dritt­staaten fest, um dem angeblichen Fachkräftemangel entgegenzuwirken.123 Dabei verzeichneten die Mit­gliedstaaten schon vor Ausbruch der Corona-Krise eine hohe Arbeitslosenrate bei Jugendlichen: EU-weit ist sie zwischen Juli 2019 und 2020 von 15 auf 17 Prozent gestiegen. Im Mai 2020 lagen Spanien mit 38,9 und Griechenland mit 37,5 Prozent Jugend­arbeitslosigkeit an der Spitze, gefolgt von Italien mit 28,3 und Schweden mit 24,9 Prozent.124

Rückverlagerung in nationalstaatliche Verantwortung

Wissenschaftliche Analysen aus verschiedenen Mit­gliedstaaten der EU konnten zeigen, dass illegale Wanderungsbewegungen stete Begleiter der legalen Arbeits­migration sind. Das von der EU geförderte, länderübergreifende Forschungsnetzwerk Clandestino zeichnete für die Jahre 2001 und 2008 Wege der Arbeits­migration innerhalb Euro­pas nach. Anhand konkreter Länderbeispiele kamen die Forscher des Netzwerks zu dem Ergebnis, dass damals die un­erlaubte Einreise, die Überschreitung des Visums und die Verweigerung des Flüchtlingsstatus der häufigste Weg in die Illegalität war.125 Viele nutzen den Auf­enthalt mit Visum, um eine Arbeit aufzunehmen, und kehren nicht mehr in ihre Heimat zurück. Diese Forschungsergebnisse haben nichts an Aktualität verloren. Sie stützen die Vermutung, dass gelockerte Einreisebestimmungen auf bislang illega­len Migra­tionsrouten, wie sie die EU derzeit vorsieht, eher noch mehr Menschen anziehen werden, die sich Hoff­nungen auf bessere Lebens- und Arbeits­bedingungen in der EU machen.

Die Länderanalysen des Forschungsnetzwerks Clandestino konnten für ihren Untersuchungsraum zweifelsfrei belegen, dass mit der Zunahme legaler Arbeitsmigration auch die Zahl illegal Beschäftigter wächst, je nach Umfang der Schattenwirtschaft.126 Diese Ergebnisse stehen in krassem Widerspruch zu der An­nahme, dass die Wirtschaftskriminalität durch neue, »legale Wege« der Migration bekämpft werden könne.127 Vielmehr weisen die Forscher des Netzwerks nach, dass Legalisierung in erster Linie ein Mittel ist, den Betroffenen zu helfen, aus ihrer recht­losen Situation als illegal Beschäftigte herauszukommen. Dies wissen vor allem die Mittel­meeranrainer Italien, Spanien und Griechenland, weil sie seit Jahr­zehnten Erfahrungen mit Legalisierungen gemacht haben.128 Damit wird von Zeit zu Zeit einer ausufernden Schwarzarbeit mit ihren pre­kären Beschäftigungsverhältnissen Einhalt geboten.

Die Zunahme illegaler Beschäftigung in einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten wird dadurch begünstigt, dass die außerhalb der EU liegenden europäischen Staaten Probleme mit einer anhaltend großen Schattenökono­mie haben. Für Osteuropa schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF) deren Anteil am Bruttoinlands­produkt (BIP) auf rund 51 Prozent (2016).129

Die Schattenwirtschaft in den Nachbarstaaten der EU ist neben den politischen Krisen die Hauptursache für illegale Einwanderung.

Um die Schattenwirtschaft in den Griff zu bekommen, haben die Mittelmeeranrainer seit Beginn der weltweiten Finanzkrise 2007 ihre offi­zielle Arbeitsmigration zurückgefahren. Dadurch hat sich das Aus­maß der jährlichen Einwanderung nach Italien bis Mitte 2015 mehr als halbiert, diejenige nach Spanien ist sogar auf ein Drittel gesunken (vgl. Grafik 5, S. 29). Erst mit der Flüchtlingskrise 2015 hat sich dieser Trend umgekehrt. Seither hoffen Italien und Griechenland auf Finanzhilfen aus Brüs­sel und auf eine Um­verteilung von 120 000 Flüchtlingen inner­halb der EU, wie sie der Europäische Rat bereits am 9. Septem­ber 2015 geplant und am 22. September 2015 be­schlossen hat.130

Der Verteilungsschlüssel für Asylsuchende, den die Europäische Kommission bereits in ihrer Migra­tionsagenda vom Mai 2015 und damit vor Beginn der Migrationskrise vorgeschlagen hatte,131 wurde von den Regierungen der meisten EU-Mitglied­staaten nicht akzeptiert. Nach etwa zwei Jahren hatten erst 32 Prozent der festgelegten Umsiedlungen stattgefunden. Während Malta, Irland und Finnland bereits ihre Quoten erfüllt hatten, blieben Deutschland, Frank­reich, Spanien und die Beneluxstaaten weit hinter ihren zugewiesenen Kontingenten zurück. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei, aber auch Kroa­tien und Österreich verweigerten sich dem Umsiedlungsplan.132 Doch nur an den Visegrád-Staaten statu­ierte die Kom­mission ein Exempel und verklagte sie 2017 erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof.133

Beiden Seiten geht es in diesem Streit auch um die Kompetenzverteilung innerhalb des EU-Systems. Während Brüssel versucht, über Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat und durch Verordnungen der EU-Kommission die Migrationspolitik zu ver­gemeinschaften, verteidigen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Entscheidungskompetenzen. Ihr Umgang mit dem vorgegebenen Umsiedlungsmechanismus kann als Versuch gewertet werden, sich diejenigen Entscheidungsbefugnisse in der Migrationspolitik zu­rück­zunehmen, die ihnen die supranationale Ebene schon vor Beginn der Flüchtlingskrise zu entziehen begann. Dabei verlagern sich die Konfliktlinien im EU-Mehrebenensystem zusehends auf die nationalstaatliche Ebene. Dort nämlich sind noch innenpoli­tische Auseinandersetzungen möglich, die auf supra­nationaler Ebene aufgrund der Demokratiedefizite im EU-System fehlen. Dies erklärt das Erstarken von Parteien in fast allen Ländern, die sich kritisch zur Migrationspolitik äußern.

Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten

Über die aktuellen Konfliktlinien hinaus verbirgt sich in der Migrationspolitik ein Konfliktpotential, das die EU als Ganzes gefährdet, denn die supranationale Ebene verstrickt sich in immer größere Widersprüche. So verklagte die Europäische Kommission die Länder der Visegrád-Gruppe nicht nur aufgrund nicht ein­gehaltener Flüchtlingsquoten, sondern auch wegen anderer Verstöße gegen EU-Recht. Damit stehen »Polen und Ungarn am europäischen Pranger«, was die Frage aufwirft: »Sind Polen und Ungarn noch rechtsstaatlich genug für die EU?«134 Gleichzeitig plädiert die Kommission dafür, die Westbalkanstaaten bald in die Union aufzunehmen,135 wohl wissend, dass ihre Justizsysteme noch weit unter den EU-Stan­dards liegen, ganz abgesehen von ihrem ökonomischen und sozialen Krisenpotential.136

Statt selbst machtpolitische Vorteile aus diesem Konfliktpotential zu ziehen, sollten die Mitglied­staaten ebenso wie die supranationalen EU-Institutio­nen an Lösungen arbeiten, mit denen alle ihr Gesicht wahren können. Ein entscheidender Schritt in diese Richtung wäre eine Entkoppelung von Kompetenzen in der Migrationspolitik. Dies setzt voraus, dass sich alle Beteiligten zunächst auf ihre jeweils eigenen Handlungsspielräume konzentrieren und diese aus­füllen, ohne dabei den Blick auf einen möglichen Machtzuwachs zu richten. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, wenn die Akteure der nationalen und der supranationalen Ebene ihre jeweiligen politischen Kontrahenten in ihren Kompetenzen unterstützen würden.

Was die EU-Kommission betrifft, so könnte sie ihre Gestaltungsspielräume in der Außenhandelspolitik stärker als bisher dazu nutzen, Fluchtursachen zu bekämpfen. In diesem Politikfeld verfügt Brüssel über ausschließliche Zuständigkeiten und könnte hier uneingeschränkt initiativ werden. Offenbar fehlt es der Kommission an dem Bewusstsein, dass die EU-Handelspolitik eine Mitverantwortung für den Anstieg der Migration Richtung Europa trägt.137 Sie zwingt beispielsweise die afrikanischen Staaten, ihre Märkte zu öffnen, obwohl viele der Konkurrenz aus dem Norden nicht standhalten können. In der Folge über­schwemmen europäische Agrarexporte afrikanische Märkte und bedrohen die Existenz der dortigen Pro­duzenten.138

Auch wenn die Mitgliedstaaten nur noch indirekt Einfluss auf die Agrar- und die Handelspolitik der supranationalen EU-Ebene ausüben können, sollten sie im Europäischen Rat Diskussionen über einen Kurswechsel anstoßen. Es kann nicht im Interesse der EU liegen, dass ihr Außenhandel auf Kosten der afrikanischen Staaten floriert, während die Mitgliedstaaten zum Ausgleich von Folgeschäden Entwicklungshilfe leisten, die zudem die ökonomische Abhängigkeit Afrikas von Europa vertieft.139 Flucht­ursachen können nur bekämpft werden, indem man den betreffenden Staaten eine Eigenentwicklung zugesteht. Dieser Zusammenhang müsste der Euro­päischen Kommission schon länger bewusst sein, denn in Gestalt von Cecilia Malmström gab es eine personelle Kontinuität. Malmström war von 2014 bis 2019 EU-Handelskommissarin und zuvor von 2010 bis 2014 als EU-Kommissarin für Inneres auch für die Migrations­politik zuständig.

Statt Arbeitskräfte anzuwerben, sollte die Kommission dafür sorgen, dass die EU-Richtlinie gegen illegale Beschäftigung umgesetzt wird.

Darüber hinaus könnte die EU-Kommission ihrer Rolle als Hüterin der Verträge gerecht werden, indem sie die Mitgliedstaaten darin unterstützt, die EU-Richtlinie gegen illegale Beschäftigung von Migranten umzusetzen. Bis zu ihrer Inkraftsetzung im Jahre 2009 war diese nur in 10 der 28 Mitgliedstaaten ein Straftatbestand. Wie ein Kommissionsbericht aus dem Jahre 2014 zeigt, gibt es dennoch bis heute »erhebliche Unterschiede bei der Härte der strafrechtlichen Sanktionen […]. Bei einigen Mitgliedstaaten können diesbezüglich Zweifel an der Abschreckungs­wirkung der Strafen aufkommen«.140 Eine EU-weite Harmonisierung der Sanktionsmaßnahmen wäre nicht zuletzt ein sinnvoller Schritt gegen die Schatten­wirtschaft, die Staat und Gesellschaft um Steuern und Sozialbeiträge betrügt.

Asylpolitik

Das Politikfeld Asyl bedarf einer gesonderten Betrach­tung, auch wenn es in der Praxis Überschneidungen mit der Migrationspolitik gibt. Eine Unterscheidung und Abgrenzung zum Thema Einwanderung ist vor allem dann relevant, wenn man die Hintergründe der gegenwärtigen Krise verstehen will. So liegt die Asyl­politik zwar größtenteils in geteilter Zuständigkeit der nationalen und der supranationalen Ebene. Doch berührt sie zudem Politikfelder, die noch in der aus­schließlichen Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen. Dies sind vor allem die Bereiche Gesundheit, Bildung und Kultur (vgl. Grafik 1, S. 12).141

In diesem Kapitel wird deutlich, dass sich Brüssel in den vergangenen Jahren mit seinen Initiativen zur Asylpolitik immer mehr in diesen Kernbestand der inneren Souveränität der Nationalstaaten eingemischt hat. Die unmittelbaren Folgen zeigen sich in den aktu­ellen Debatten um die Verteilung von Bootsflücht­lingen aus dem Mittelmeer. Die damit verbundenen Fragen lösten zunächst Kompetenzstreitigkeiten aus und mündeten dann in eine Handlungsunfähigkeit des EU-Mehrebenensystems. Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich auch dieser Aspekt der Migrationskrise mit dem Ansatz der Verflechtungsfalle erklären. Er hilft bei der Suche nach Auswegen, zum Beispiel durch eine Entflechtung oder Entkoppelung der geteilten Kompetenzen in der Asylpolitik.

Geteilte Kompetenzen in der Verflechtungsfalle

Die Verflechtungsfalle in der Asylpolitik wird beson­ders plastisch, betrachtet man deren eigentliche Funktion, nämlich politisch Verfolgten temporären Schutz zu bieten und diese währenddessen in die Gesellschaft zu integrieren. Es handelt sich also nicht um eine offizielle Einwanderung, die der Arbeits­aufnahme dient und in erster Linie nationalem Recht sowie nationalen Gerichten untersteht. Vielmehr sind die EU-Mitgliedstaaten bei Asylfragen über ihren eigenen Gesetzesrahmen hinaus an internationale Verträge gebunden. Hierzu zählen die Genfer Flücht­lingskonvention (1951) sowie die Europäische Men­schenrechtskonvention (EMRK) des Europarats (1950), die sich unter anderem humanitären Werten ver­pflichtet fühlen. Seit dem Jahre 1997 hat auch das Europarecht auf EU-Ebene an Bedeutung gewonnen, weil damals das Dubliner Übereinkommen aus dem Jahre 1990 in Kraft trat, das immer stärker die Asyl­verfahren auf nationalstaatlicher Ebene tangiert.

Dieses Übereinkommen war ursprünglich wie der Schengen-Vertrag ein internationaler Vertrag, der notwendig wurde, nachdem die Kontrollen an den Binnengrenzen weggefallen waren. So verpflichteten sich die Vertragsstaaten des Dublin-Abkommens, An­kömmlingen zunächst ein ordentliches Asylverfahren zu garantieren. Diese Regel musste eingeführt wer­den, weil einige Länder entweder niedrige Stan­dards hatten, wie zum Beispiel Griechenland, oder über­haupt kein Asylgesetz besaßen, wie lange Zeit Italien. Es galt zu vermeiden, dass Staaten mit einem hohen Flüchtlingsschutz im Zuge der Personen­freizügigkeit zum Anziehungspunkt von Asylsuchenden werden. Weil die Mittelmeeranrainer bei diesem Thema heute die meiste mediale Aufmerksamkeit erhalten, sei auf Berichte der EU-Grenzschutzagentur Frontex ver­wiesen. Dort wird unter anderem fest­gestellt, dass viele illegale Einreisen in den Schengen-Raum nicht über den Seeweg, sondern über den Luftweg statt­finden.142 Wie es im Frontex-Bericht zum zweiten Quartal 2015 heißt, waren unmittelbar vor Beginn der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 »Deutschland, Schweden und Frankreich die Top-Länder für die Aufdeckung illegaler Aufenthalte«143 (vgl. Grafik 6, S. 34).

Demzufolge hat der Dublin-Vertrag die Hoffnungen auf eine Kooperation beim Flüchtlingsschutz schon vor 2015 nicht erfüllt, obwohl er 2003 in EU-Recht überführt wurde (Dublin II) und weitere Refor­men wie die Dublin-III-Verordnung vom 26. Juni 2013 folgten.144 Statt die nationalen Standards im Asylrecht zu harmonisieren oder EU-weite, einheit­liche Mindest­standards zu schaffen, schlitterte die EU in eine Ver­flechtungsfalle. Damit ist die Situation umschrieben, dass die Mitgliedstaaten heute nicht mehr konstruktiv zusammenarbeiten, sondern ihre Verantwortung für Asylsuchende an andere Dublin-Vertrags­staaten abschieben oder auf eine »europäische« Lösung hoffen und die supranationale Ebene stärken.

Grafik 6

Erste Indizien dafür, dass die Asylpolitik in eine Sackgasse geraten könnte, traten bereits 2009 zutage. Damals nahmen Gerichte erstmals Klagen von Asyl­bewerbern an, für die eigentlich andere Mitglieds­länder wie Griechenland, Italien oder Bulgarien zu­ständig waren. Im Dubliner Übereinkommen ist nämlich festgelegt, dass die Betreffenden ihren Erstantrag in dem Land stellen müssen, das sie via Schiff, Bahn oder Flugzeug zuerst betreten. Doch hatten Menschenrechtsorganisationen unter anderem darüber berichtet, dass Griechenlands Asylsystem kollabiert sei.145 So trat das ein, was durch die Dublin-Verord­nungen vermieden werden sollte: Länder mit einem funktionierenden Asylsystem und hohen Standards wie Deutschland und die nordischen Staa­ten sehen sich seither für diese »Dublin-Fälle« in der Pflicht.

Die Entscheidung europäischer Gerichte, Klagen von Asylsuchenden aus anderen EU-Mitgliedstaaten anzunehmen, war sicher eine humanitäre Geste. Aber die Schengen-Staaten sind damit nicht weiter­gekommen, denn die Asylsysteme der Mittelmeer­anrainer haben sich seitdem nicht verbessert. Dies zeigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die sich auf Berichte von Hilfsorgani­sationen über »Aufnahmebedingungen in Italien« stützen. Danach seien Menschen dem Risiko aus­gesetzt, »bei einem Leben am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden«.146

Kompetenzübertragung auf die supranationale Ebene

Diese verfahrene Situation in der Flüchtlingspolitik ließ den pauschalen Ruf nach »mehr Europa« immer lauter werden. Doch das seit 1999 angestrebte Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) hat den Streit um Zuständigkeiten zusätzlich verschärft. Hinter dem Namen dieses Projekts verbirgt sich die Absicht, »dass Asylbewerber in einem offenen und gerechten System gleich behandelt werden – egal, wo sie ihren Antrag stellen«.147 Es wird also von einem einheitlichen System gesprochen, das eine Gleich­behandlung in allen Staaten des Schengen-Raums suggeriert. Das GEAS bleibt allerdings ein Versprechen, das die supranationale Ebene selbst nicht einlösen kann. Zwar hat die Kommission neues Recht geschaf­fen, nämlich mit ihren Richtlinien zu Asylverfahren, Aufnahmebedingungen und zur Anerkennung von Asylbewerbern.148 Die Richtlinien bilden aber nur einen Gesetzesrahmen, den die Mitgliedstaaten ihrer jeweiligen Legislative anpassen müssen. Deshalb wird das neue Asylsystem immer noch von den nationalen Behörden getragen, auch wenn es »europäisch« genannt wird. Diese bleiben die alleinigen Ansprechpartner für Asylsuchende, die einen international anerkannten Flüchtlingsstatus erhalten wollen.

Das Asylsystem der EU ist nur ein Rechtsrahmen. Ansprechpartner für Asylsuchende sind allein die nationalen Behörden.

Besonders deutlich wird die Zuständigkeit der nationalen Ebene bei der Bearbeitung von Asyl­anträgen und der Klagen gegen ergangene Bescheide. In Deutschland obliegen diese Aufgaben zunächst einem Oberverwaltungsgericht oder einem Verwaltungs­gerichtshof der jeweiligen Bundesländer, also der regionalen Ebene. Diese Gerichte hatten zwischen 2015 und 2018 insgesamt 600 000 Anträge zu bear­beiten, davon allein 220 000 Klagen von Betroffenen gegen Ablehnungsbescheide.149 Im Jahre 2019 lag die Zahl der eingelegten Widersprüche bei 205 285, so dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Anfang 2020 allein 218 123 Widerrufe zu prüfen hatte.150 Im Falle einer Ablehnung steht Asyl­bewerbern als näch­ste Instanz für eine Revision nur noch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) offen. Danach »gibt es kein weiteres ordentliches Rechts­mittel« mehr.151

Auf europäischer Ebene bleibt nach einem Ab­lehnungsbescheid durch nationale Gerichte nur noch der Weg einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Dessen Rechtsrahmen basiert jedoch nicht auf dem Unionsrecht, sondern auf der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, 1950) und ihren Zusatz­protokollen.152 Der EGMR ist weltweit der einzige internationale Gerichtshof, vor dem Einzelpersonen direkt Staaten wegen Verletzung ihrer Menschen­rechte und damit auch ihres Asylrechts verklagen können.153 Während sich auch ausländische Staats­angehörige an den EGMR wenden können,154 steht der Europäische Gerichtshof (EuGH) nicht für Asyl­suchende offen. Er spielt nur eine vermittelnde Rolle, wenn sich die Mitgliedstaaten in Asylverfahren un­einig sind.155

Nach Plänen der Kommission soll sich dies ändern. Ihr Vorschlag, den sie am 4. Mai 2016 für eine Reform des Dubliner Übereinkommens unterbreitete, sieht »die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüro [sic] für Asylfragen (EASO) in eine vollumfäng­liche EU-Asylagentur mit einem erweiterten Mandat und erheblich weiter gefassten Aufgaben vor«.156 Sie soll künftig alle Anträge prüfen und die Asylbewerber auf die EU-Mitglie­dstaaten umverteilen. Falls ein Mitgliedstaat diesem Umverteilungsmechanismus nicht zustimmt, muss er dem Vorschlag der Kom­mission zufolge 250 000 Euro pro Asylbewerber an denjenigen Staat zahlen, der diese Verantwortung übernimmt. Diese Maßnahme werde, so die Kom­mission, »die Anreize zur Sekundärmigration (das sogenannte Asylshopping) verringern«.157

Für einige Staaten könnte diese Regel besonders lukrativ, für andere dagegen teuer werden. Von den ungefähr 4,3 Millionen Asylanträgen, die in den letzten fünf Jahren seit September 2015 in EU-Mit­gliedstaaten gestellt wurden, hat laut Eurostat allein Deutschland zirka 1,6 Millionen geschultert, was 37,5 Prozent entspricht, gefolgt von Frankreich mit rund 550 000 (12,9 Prozent) und Italien mit etwa 400 000 (9,4 Prozent) Asylanträgen (vgl. Grafik 6, S. 34).158 Nach Angaben des BAMF gab es in Deutschland von Beginn des Jahres 2015 bis Anfang Oktober 2020 rund 400 000 solcher »Dublin-Fälle« Das ent­spricht 19,1 Prozent aller Anträge. Der Reformvorschlag der EU-Kommission für eine Dublin-IV-Verein­barung hätte Deutschland für diesen Zeitraum un­gefähr 100,3 Milliarden Euro eingebracht.159

Allein diese Nachrechnung deutet darauf hin, dass dieser Reformvorschlag viel zusätzliches Konflikt­potential enthält. Doch erst mit der Präsentation ihres neuen Migrations- und Asylpakets vom 23. September 2020 hat ihn die Kommission offiziell zurückgezogen. Nun soll das Dublin-Abkommen in einen größeren Rechtsrahmen zur Schaffung eines Asyl- und Migra­tionsmanagements eingebettet werden. Ein »neuer Solidaritätsmechanismus« soll den Schwerpunkt zukünftig auf »Umsiedlung bzw. Rückkehrförderung« legen.160 Dabei ist vorgesehen, den Verteilungs­schlüssel der Migrationsagenda von 2015 zu flexibilisieren, den die Kommission bisher so vehement ver­teidigt hat. Offenbar will sie sich damit die Zustimmung einer Mehrheit der Mitgliedstaaten sichern. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die Mitgliedstaaten den Entzug ihrer Kompetenzen akzeptieren werden. Geplant ist nicht nur eine »operative Unterstützung durch die EU-Agenturen […]. Dazu gehört eine syste­matischere Umsetzungskontrolle bestehender und neuer Vorschriften durch die Kommission, auch im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren.«161

Rückverlagerung in nationalstaatliche Verantwortung

Die Anwendung der EU-Verordnungen hält indes so manche Überraschung bereit: Statt auf Einhaltung von Verträgen wie dem Dublin-Abkommen zu be­stehen und diejenigen Staaten zu entlasten, die eine hohe Zahl an Asylsuchenden aufweisen, setzte der EuGH sie mit seinem Gerichtsurteil vom 25. Oktober 2017 zusätzlich unter Druck. Er stellte klar, dass nach der geltenden Dublin-III-Verordnung ein EU-Mitglied Asylverfahren für Flüchtlinge übernehmen muss, wenn es sie »nicht innerhalb von sechs Monaten in einen anderen – und eigentlich zuständigen – EU-Staat abschiebt«.162 Damit bestätigt das Urteil ein­drucksvoll, dass die Versorgung von Asylsuchenden letztlich in nationaler Verantwortung liegt, auch wenn das Europarecht den gesetzlichen Rahmen vor­gibt. Für Deutschland, das seit Beginn der Flüchtlingskrise auf eine europäische Lösung setzt, ist dies eine bittere Erfahrung, weil es seit 2015 rund 400 000 Dublin-Antragsteller registriert hat. In diesen Fällen traf das BAMF nur »formelle Entscheidungen« ohne Prüfung des Asylantrags, da für sie formell ein ande­rer EU-Staat zuständig ist. Im Jahre 2019 lag ihr Anteil bei 34,3 Prozent aller gestellten Anträge. Aller­dings gab es nur 8 423 Rückführungen, das heißt im Durchschnitt blieben fünf von sechs Dublin-Antrag­stellern in Deutschland.163 Demgegenüber hat das BAMF im letzten Jahr 6 087 Überstellungen aus ande­ren Schengen-Staaten zugestimmt, nicht nur aus Griechenland, sondern auch aus Frankreich, Öster­reich, den Niederlanden und der Schweiz.164 Dies belegt die hohe Zahl an illegalen Einreisen über den Luftweg. Darüber hinaus trägt Deutschland auch für die anerkannten Flüchtlinge EU-weit einen über­durchschnittlich hohen An­teil. Laut Eurostat lag er im Jahre 2016 bei 70 Prozent aller EU-weiten An­erkennungen und im Folgejahr bei 60 Prozent,165 2018 bei 40 Prozent und 2019 bei 37 Prozent.166

Das BAMF unterscheidet nach der deutschen Gesetzgebung zwischen Flüchtlingen und Asylberechtigten. So wird der Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention (1951) vergeben. Sie schützt Menschen, die von »staat­lichen oder nichtstaatlichen Akteuren« verfolgt werden. Eine Asylberechtigung erhalten in Deutschland hin­gegen nur politisch Ver­folgte, »die im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland einer schwer­wiegenden Menschenrechtsverletzung ausgesetzt sein werden«.167 Ihr Anteil an den alljährlichen Asylentscheidungen schwankt zwischen 0,3 Prozent im Jahre 2016 und 1,2 Prozent im Jahre 2019.168 In der Eurostat-Statistik wird hierfür der Aus­druck »Schutz aus humanitären Gründen« verwendet.169

Eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten hat kein eigenes nationales Asylrecht, so dass dort der Flücht­lingsstatus – wie vom EU-Recht vorgeschrieben – nach der Genfer Flüchtlingskonvention vergeben wird. Hierzu gehören die neuen EU-Mitglied­staaten seit der Osterweiterung, aber auch die Gründungsmitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), also Belgien, Luxemburg, Italien und Frankreich. Hier liegt eine der Ursachen für die Kritik am EU-Asyl­recht, die besonders nachdrücklich von den mittelost­europäischen Mitgliedstaaten vorgebracht wird. So lehnte die Visegrád-Gruppe, bestehend aus Polen, Ungarn, Tschechischer Republik und Slowakei, eine EU-weite Umverteilung der Flüchtlinge als Notlösung ab. Sie sieht stattdessen »die Notwendigkeit, den Schutz der Außengrenzen und die Unterscheidung zwischen echten Asyl­bewerbern, illegalen Flücht­lingen und Wirtschaftsmigranten zu gewährleisten«.170 Damit legen die Vise­grád-Staaten die Finger in die Wunde: Sie machen deutlich, dass der Begriff Asyl für politisch Verfolgte zunehmend verblasst und der eigentlich temporär angelegte Flüchtlingsschutz Gefahr läuft, in ein wirtschaftlich motiviertes Grund­recht auf Migration umgewandelt zu werden.

Zudem wenden sich die Visegrád-Staaten gegen Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat. Ihrer Meinung nach könnten nur solche Maß­nahmen die Migrationskrise entschärfen, die im Konsens gebilligt werden. Doch ihre Klage vor dem EuGH gegen die Verteilungsquote hatte keinen Erfolg.171 Während die Slowakei das Urteil akzeptierte, wies Ungarn es zurück.172 Wohl auch deshalb erhöh­te die Kommis­sion den Druck auf Ungarn, indem sie weitere Ver­tragsverletzungsverfahren einleitete. Im Juli 2018 reichte sie beim EuGH Klage dagegen ein, dass ein Gesetz die »Beihilfe zur illegalen Migration« unter Strafe stellt, im Juli 2019 verklagte sie Ungarn »wegen unterlassener Nahrungsmittelbereitstellung in Transitzonen«.173

Die Asylpolitik der EU tangiert nationale Sozialpolitiken. Diese sind in allen Mitgliedstaaten Mittelost- und Süd(ost)europas defizitär.

Dabei spielen innenpolitische Entwicklungen eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn die europäische Asylpolitik berührt das komplexe Thema Sozialpolitik, die in allen Transformationsländern unterentwickelt und defizitär ist. Dennoch fordert die Qualifikationsrichtlinie der EU vom 13. Dezember 2011 für »Perso­nen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, ohne Diskriminierung im Rahmen der Sozial­fürsorge angemessene Unterstützung in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts«.174 Mit anderen Worten: Dritt­staats­angehörige sollen in den Genuss sozialer Leistungen kommen, die der eigenen Bevölkerung aufgrund einer rudimentären Sozialpolitik vorenthalten werden. So gibt es in den Visegrád-Staaten, im Baltikum, in Bulgarien und in Rumänien kein funktionierendes Sozialhilfesystem, sondern allenfalls Sachleistungen.175 Besonders problematisch ist in all diesen Ländern jedoch die Krankenversorgung. Allein in Rumänien sind drei Millionen oder jeder siebte Einwohner ohne Krankenversicherung.176 Hinzu kommt der Ärztemangel als Folge der hohen Arbeitsmigration in ande­re EU-Mitgliedstaaten.177 Angesichts der sozialen Krisen in den Gesellschaften Mittelost- und Süd(ost)europas ist es eine Existenzfrage für jede nationale Regierung, sich mit überzogenen Forderungen der supranatio­nalen Ebene zum humanitären Schutz von Nicht-EU-Bürgern auseinanderzusetzen oder sie gar zurück­zuweisen.

Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten

Wird die Asylpolitik weiter zentralisiert und werden, wie im jüngsten Migrations- und Asylpaket vorgeschla­gen, nationale Kompetenzen nach Brüssel ver­lagert, wird dies zu weiteren zwischenstaatlichen Spannungen führen und den sozialen Zusammenhalt in der gesamten EU gefährden. Brüssels Versprechen, mit einer europäischen Asylpolitik die illegale Einwanderung zu steuern, wurde bis heute nicht einmal in An­sätzen erfüllt. Vielmehr hat sich die supranationale Ebene zum Anwalt Hunderttausender Asyl­suchen­der gemacht, von denen statistisch gesehen nur 37 Pro­zent (2018) tatsächlich eine Anerkennung als Flücht­ling bekommen.178 Währenddessen werden die sozia­len Proble­me der Unionsbürger vernachlässigt, etwa steigende Arbeitslosigkeit und soziale Unterversorgung. Wie die Europäische Kommission selbst berich­tet, waren 2017 »22,4% der EU-Bevölkerung [...] von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, darunter 24,9% der Kinder, 23,3% der Frauen und 18,2% der über 65-Jährigen«.179 Während sämtliche Asylbewerber überall in der EU soziale Für­sorge beanspruchen dürfen, stehen den Unionsbürgern nur Leistungen aus den Sozialsystemen ihres jeweiligen Herkunftslandes zu.180 Dies muss als eine Fehlentwicklung betrachtet werden, die Kernfragen der europäischen Solidarität berührt.

An dieser Schieflage rüttelt keine Menschenrechtsorganisation. Solche Akteure konzentrieren ihre Angebote humanitärer Hilfe einseitig auf Nicht-EU-Bürger, ohne sich um die humanitären Notlagen der Bevölkerung in den betreffenden EU-Mitgliedstaaten zu kümmern. Damit fallen ihre Vorwürfe der Dis­kriminierung, den sie an EU-Regierungen richten, auf sie selbst zurück. An dieser Stelle sei an die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 erinnert, deren Artikel 23 eine Gleichbehandlung von ein­heimischer Bevölkerung und Asylsuchenden fordert: »Die vertragschließenden Staaten werden den Flücht­lingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen gewähren.«181 Schließlich verwirken Flüchtlinge ihren rechtmäßigen Aufenthalt, wenn sie sich nach einer ille­galen Ein­reise nicht »unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Ein­reise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt recht­fertigen« (Artikel 31). In diesem Licht betrachtet liegen Grenzkontrollen sogar im Interesse der Flücht­linge, weil erst mit ihrer Registrierung ein Rechts­anspruch auf Schutz besteht.

Da auch das Projekt der supranationalen Ebene vom Herbst 2018, in der EU eine Europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) aufzubauen, gescheitert ist und nur als unverbindliche Absichtserklärung ver­abschiedet wurde, bleibt die nationale Ebene in der Pflicht.182 Sie trägt damit weiterhin die alleinige Verantwortung für die soziale Integration von Asyl­suchenden. Unabhängig von der Weiterentwicklung des Europarechts müssen sich allein die Mitglied­staaten vor Gericht für ihre Asylpolitik und Asyl­praxis rechtfertigen. Eine Kompetenzübertragung würde somit nur eine »Europäisierung« vortäuschen, weil die supranationale Ebene und mit ihr der EuGH in Bezug auf konkrete Asylbegehren gar nicht zur Rechenschaft zu ziehen sind.

Die Unionsebene sollte die nationalen Asylpolitiken unterstützen und sie als wichtigen Bestandteil der Sozialpolitik betrachten.

Aus diesem Grund sollte über eine Entkoppelung der geteilten Zuständigkeiten nachgedacht werden. Auch wenn dies unspektakulär klingt, kann nur der Er­halt des Status quo zur Rechts­sicherheit beitragen. Dies setzt allerdings die Einsicht der beteiligten Akteure im EU-Mehrebenen­system voraus, dass sie auf eine Kompetenzerweiterung verzichten müssen. Der Schwerpunkt sollte vielmehr darauf gelegt werden, die geteilten Zustän­digkeiten zu stärken. Statt gegen­einander zu arbeiten, sollten die Akteure lösungs­orientiert an einem Strang ziehen. Da der Aufbau eines europäischen Asylsystems nicht nur unreali­stisch, sondern auch impraktikabel ist, sollte die supranationale Ebene die nationalen Regierungen in ihren jeweiligen Asylpolitiken unterstützen. Die Akteure sollten davon absehen, sich über Verordnungen neue Kontrollrechte zu sichern, und statt­dessen Asylfragen als wichtigen Bestandteil sozial­politischer Maßnahmen betrachten.

In diesem Zusammenhang hat die Dis­kussion über EU-weite Mindeststandards nichts an Aktualität ver­loren. Sie könnten auch im Rahmen einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit vereinbart werden.

Fazit

Mit der Studie konnte gezeigt werden, dass dem EU-Mehr­ebenensystem drei Auswege aus einer mög­lichen Politikverflechtungsfalle offenstehen. Diese Optionen, mit denen sich geteilte Zuständigkeiten entflechten ließen, sind die Kompetenzübertragung von der nationalen auf die supranationale Ebene, die Rückverlagerung von Zuständig­keiten der Unions­ebene auf die nationale bzw. regionale Ebene (je nach Landesverfassung) und schließlich die Entkoppe­lung geteilter Kompe­tenzen im Sinne einer koope­rativen und komplementären Arbeitsteilung. Es stellt sich heraus, dass diese Optionen in Bezug auf die Politikfelder Grenzschutz, Migration und Asyl unter­schiedlich genutzt wurden. Im Folgenden werden die Ergebnisse zusammengefasst und danach bewertet, ob sie für die aktuelle Krise Lösungen anbieten können oder diese möglicherweise weiter verschärfen.

Kompetenzübertragung auf die supranationale Ebene

Die supranationale Ebene hat in allen drei Politik­feldern stets die alleinige Initiative ergriffen, um Kompetenzen an sich zu ziehen. Dafür wurden ver­schiedene Mittel angewandt, nämlich Verordnungen der EU-Kommission, die eine neue Rechtslage ge­schaffen haben, Beschlüsse des Europäischen Rats, die nicht mehr im Konsensverfahren gefasst werden müssen, sowie Reformvorschläge, die darauf hinaus­laufen, die Kompetenzverteilung nach dem EU-Ver­trag zu ändern. Letz­tere stießen bei den Mitglied­staaten der EU auf mehr oder weniger großen Wider­stand. Deshalb scheiterten Pläne der supranationalen Ebene, politische Entscheidungen zu Lasten der Mit­gliedstaaten zu zentralisieren. Diese mussten sich lediglich vereinzelten Verordnungen oder Mehrheitsbeschlüssen des Rats beugen, was einige Mitglieder jedoch verweigerten.

Schon vor Beginn der eigentlichen Migrationskrise brachte die Kommission Verordnungen zum Schutz der Außengrenzen des Schengen-Raums auf den Weg, so etwa im Jahre 2011 eine Verordnung zur Gründung der Europäischen Agentur für IT-Großsysteme (eu-LISA). Damit sollen die Daten aller Ein- und Aus­reisenden elektronisch gespeichert werden, auch die der Unionsbürger. Dagegen sträubte sich die natio­nale Ebene ebenso wie gegen den Versuch im Jahre 2015, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) eine spezielle Einsatzreserve an die Hand zu geben, die eigenständig tätig werden könnte. Die meisten EU-Mitglieder blieben auf Distanz, weil sie einen Steuerungsverlust ihres nationalen Grenzschutzes befürchten. Als Kompromiss billigten sie lediglich eine bessere finanzielle Ausstattung der Grenzschutzagentur, so dass Frontex im Zeitraum 2021–2027 die Mitarbeiterzahl von derzeit 1 500 auf 10 000 aufstocken kann.

Auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Migrationsagenda fällt in die erste Hälfte des Jahres 2015, also in die Zeit vor Beginn der eigent­lichen Flüchtlingskrise. In diesem Dokument for­mulierte die Kommission das Ziel, mehr migrationspolitische Kompetenzen von der nationalen auf die supranationale Ebene zu verlagern. Das soll die legale Rekrutierung von Arbeitskräften aus Drittstaaten ermöglichen, die nicht zur EU bzw. zum Schengen-Raum gehören. Bislang ist Brüssel lediglich dazu befugt, mit diesen Ländern Vereinbarungen über Visa­erleichterungen zu schließen. Damit hat die EU-Kom­mission einen Fuß auf das Parkett der internatio­nalen Politik gesetzt. Sie kann für diesen Zweck internationale Verträge schließen, allerdings nur mit dem Ein­verständnis und der Mitwirkung ihrer Mitgliedstaaten und der Wahrung der Mitwirkungsrechte des Euro­päischen Parlaments.

Einiges deutet darauf hin, dass die Unionsebene über die Themen Grenzschutz, Migration und Asyl Kompetenzen in der Außen- und Sicherheitspolitik anstrebt, die ihr nach dem EU-Vertrag nicht zustehen. Einen Schritt in diese Richtung unternahm Brüssel mit dem EU-Türkei-Ab­kommen vom 18. März 2016 zur Rückführung illegal in den Schengen-Raum eingereister Flücht­linge. Dafür nahm Brüssel in Kauf, dass Ankara im Jahre 2018 das bilaterale Rück­führungsabkommen mit Griechenland aufkündigte, welches dasselbe Ziel verfolgte. Auf diese Weise konn­te ein Drittstaat die Kompetenzstreitigkeiten inner­halb des EU-Mehr­ebenensystems für sich nutzen, ohne dass er mit Konsequenzen zu rechnen hatte. Dieser Konflikt hat sich auf die supranationale Ebene verlagert und äußert sich in der strittigen Frage, ob das Abkommen ein völkerrechtlich verbindliches Dokument ist. Das Europäische Parlament verneint dies, da es ohne seine Beteiligung zustande kam. Mit seinem Urteil vom 28. Februar 2017 bestätigt der Europäische Gerichtshof, dass es sich um einen Vertrag der Mitgliedstaaten handelt, für den die EU-Organe nicht verantwortlich sind.

Die Europäische Migrationsagenda der Kommission vom 13. Mai 2015 wie auch ihr neues Migrations- und Asylpaket vom 23. September 2020 enthalten zudem das Ver­sprechen, mit neuen legalen Einwanderungsbestimmungen den stark an­wachsenden Zuzug illega­ler Einwanderer einzudämmen und in Zukunft besser kontrollieren zu können. Zu diesem Zweck sollte die Registrierung und Verteilung der Asylsuchenden zu einer gemeinschaftlichen Aufgabe werden. Seit 1999 arbeitet Brüssel am Aufbau eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Doch erst im Jahre 2016 konkretisierte es seine Pläne und schlug vor, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) in eine EU-Asyl­agentur mit erweitertem Man­dat umzuwandeln. Sie soll künftig die Asylanträge prüfen und die Bewerber auf die EU-Mitgliedstaaten verteilen. Diesen Reformvorschlag für das Dublin-Abkommen konnte die Kommission nicht durch­setzen und zog ihn deswegen zurück. Die Mitgliedstaaten sind nicht bereit, nationale Zuständigkeiten an Brüssel abzugeben, weil dies für sie unkalkulierbare Risiken mit sich brächte. Selbst wenn die Ent­scheidung über die Gewährung von Asyl auf supra­nationaler Ebene gefällt würde, bliebe die soziale Integration der Flüchtlinge dennoch eine nationale oder kommunale Aufgabe. Vor diesem Hintergrund ist es nicht vorstellbar, dass die EU-Mitglieder dem neuen Migrations- und Asylpaket zustimmen, mit dem die Kommission eine neue EU-Agentur mit weit­reichenden Kontrollrechten über Asylverfahren und Rückführungen ausstatten will.

Rückverlagerung in nationalstaatliche Verantwortung

Im Gegensatz zur supranationalen Ebene ist die natio­nale Ebene bisher kaum initiativ geworden, wenn es darum ging, verlorengegangene Kompetenzen in den Politikfeldern Migration und Asyl zurückzugewinnen. Man könnte hier allenfalls auf das Vereinigte König­reich verweisen, das mit dem Brexit-Referendum die Rücknahme innerer Souveränitätsrechte zu einem europäischen Thema gemacht hat. So gaben Migra­tionspolitik und Asylpolitik in der Tat den entscheidenden Ausschlag dafür, dass sich eine Mehrheit der Briten von der EU abwendete. Das Vereinigte König­reich gehört zwar nicht zum Schengen-Raum, wurde aber dennoch von den EU-Verordnungen in diesen Politikbereichen tangiert, da die Verträge von Schen­gen und Dublin ins Europarecht übergegangen sind.

Die übrigen 27 EU-Mitglieder nehmen dagegen nur eine Abwehrhaltung gegenüber dem Bestreben der supranationalen Ebene nach mehr Entscheidungs­befugnissen ein. Sie verhinderten bis auf eine Aus­nahme alle Initiativen im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs zur Kompetenzverlagerung nach Brüssel. Diese Ausnahme betrifft die Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen bzw. Asylsuchenden aus Griechenland und Italien gemäß einer bestimmten Quote, die unter anderem die Wirt­schaftskraft und die Bevölkerungsstärke der Mitgliedstaaten be­rücksichtigt. Interessanterweise hat die Kommission diesen Verteilungsschlüssel wenige Monate vor dem Beginn der Migrationskrise im Herbst 2015 vorgeschlagen, also in einer Zeit, in der die Konsequenzen noch nicht absehbar waren.

Die einzige Gegenwehr kam von den Ländern der Visegrád-Gruppe, also Polen, Ungarn, Tschechische Republik und Slowakei, doch ihre Klage vor dem Europäischen Gerichtshof hatte keinen Erfolg. Daher schlossen sie sich denjenigen Mitgliedstaaten an, die nicht offiziell protestieren, aber de facto die Aufnahme von Asylsuchenden erschweren, so etwa die Mittel­meeranrainer Griechenland, Italien oder Frankreich. Dabei kommt ihnen der Umstand zugute, dass sich die Betroffenen lieber selbst das Land aus­suchen, in dem sie Asyl beantragen. Die supranationale Ebene verurteilt diese Praxis und verweist auf die Dublin-Verordnung, wonach eigentlich derjenige Staat zu­ständig ist, dessen Territorium die Flüchtlinge zuerst betreten.

Allerdings gehen die jüngsten Urteile des EuGH in eine andere Richtung und stärken die Rechte der Asylsuchenden. Das hat zur Folge, dass die supra­nationale Ebene bereits bestehende Widersprüche im Asylrecht verschärft und den Bruch europäischen Rechts zur Normalität werden lässt. Um dieses Defizit zu kaschieren, entschied der EuGH, die Verantwortung für sogenannte Dublin-Fälle nach Ablauf einer Halbjahresfrist auf denjenigen Staat zu übertragen, der diese nicht in den zuständigen EU-Mitgliedstaat abschiebt. So haben seit September 2015 im Durchschnitt 37,5 Prozent aller Asylsuchenden innerhalb der EU einen Antrag in Deutschland gestellt, davon allein 400 000 Dublin-Fälle. Diese Zahl ist darauf zurück­zuführen, dass das deutsche Sozialsystem ein relativ hohes Schutzniveau aufweist und die abge­lehnten Asylbewerber kaum Abschiebungen befürch­ten müssen. Die Rechtsprechung auf nationaler Ebene bleibt für viele Flüchtlinge nicht zuletzt des­halb der einzige Rettungsanker, weil die Flüchtlinge ihren Schutz nur von Einzelstaaten, nicht aber von EU-Institu­tionen einklagen können. Zudem ist hier der Europarat mit seinen Menschenrechtsdokumenten und nicht die EU-Gesetzgebung entscheidend.

Als Maßnahme, Kompetenzen wieder in nationalstaatliche Verantwortung zu verlagern, kann auch die Wiedereinführung von Kontrollen an den EU-Binnengrenzen verstanden werden, die eine Reihe von Mitgliedstaaten seit Beginn der Flüchtlingskrise praktiziert. Hierzu gehören neben Deutschland vor allem Frankreich, Österreich, Schweden, Norwegen und Dänemark. Dagegen griffen Ungarn, Slowenien und Malta nur für wenige Wochen auf diese Maß­nahmen zurück. Dabei widersprachen diese anfangs nicht den EU-Verträgen, weil sie vom Schengener Grenzkodex gedeckt sind. Erst mit der Novelle aus dem Jahre 2016 wurden sie auf höchstens zwei Jahre beschränkt. Bei weiteren Verlängerungen hat die supranationale Ebene ein Mitentscheidungsrecht. Neu ist zudem, dass die Wiedereinführung von Grenz­kontrollen innerhalb des Schengen-Raums zulässig ist, wenn ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung, die EU-Außengrenze zu sichern, nicht nachkommt. Auf dieser Grundlage konnten die genannten Staaten die Frist bis Ende 2020 verlängern, nicht zuletzt in­folge der Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19. Sollten sie auch weiterhin auf ihre nationalstaat­lichen Kompetenzen beim Schutz der EU-Binnen­grenzen bestehen, könn­ten sie in Kollision mit der supranatio­nalen Entscheidungsebene geraten. Die neue EU-Kommission hat bereits erklärt, dass sie schnellstmöglich zu einem Schengen-Raum ohne Binnengrenzen zurückkehren möchte.

Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten

Diese dritte Option zur Entflechtung geteilter Zu­stän­digkeiten bedeutet, dass die verschiedenen Kompetenzebenen des EU-Systems zunächst ihre Querelen um Befugnisse ganz beiseiteschieben. Dies setzt voraus, dass sich die beteiligten Akteure zu einer Reihe von Einsichten durchringen, was bisher aber kaum zu vernehmen ist. An erster Stelle steht die Erkenntnis, dass proeuropäische Politik nicht not­wendigerweise bedeutet, nationale Kompetenzen auf die supranationale Ebene zu übertragen, und dass es keine Rückkehr zur »Kleinstaaterei« wäre, wenn Kompetenzen und Verantwortung der Mitgliedstaaten gestärkt werden. »Mehr Europa« lässt sich auch mit politischen Konzepten verwirklichen, bei denen die Zuständigkeiten zunächst unangetastet bleiben und sich die einzelnen Entscheidungsebenen besser miteinander abstimmen, um aus ihrer Kooperation Synergieeffekte zu erzielen.

Für den Grenzschutz könnte dies bedeuten, dass die supranationale Ebene Grenzkontrollen innerhalb der EU so lange akzeptiert, bis die Außengrenzen des Schengen-Raums tatsächlich sicher sind. Ursprünglich war dies eine notwendige Bedingung für den freien Personen- und Warenverkehr. Sie ist in der Zwischenzeit offensichtlich parteipolitischen Debatten und negativen Darstellungen in den Medien zum Opfer gefallen. Auch wenn diese notwendige Voraus­setzung heute nur unzureichend erfüllt wird, muss nicht zwangsläufig die supranationale Ebene ein­springen, etwa indem sie die Befugnisse der europäischen Grenzschutzagentur Frontex erweitert. Selbst 10 000 europäische Grenzschützer – so die anvisierte Zahl – wären niemals in der Lage, die EU-Außen­grenzen zu sichern. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten bliebe daher in jedem Fall bestehen und sollte deshalb schon jetzt von den anderen Mitgliedstaaten gestärkt werden.

Die Entkoppelung geteilter Zuständigkeiten wäre auch für die Migrationspolitik ein gangbarer Ausweg aus der Verflechtungsfalle. Hierfür müsste die supra­nationale Ebene akzeptieren, dass es nicht ihre Auf­gabe sein kann, für die EU-Mitgliedstaaten Arbeitskräfte aus Drittstaaten zu rekrutieren. Das sollte schon deshalb den nationalen Arbeitsmärkten über­lassen bleiben, weil die EU bis heute durch sehr unterschiedliche Wirtschafts- und Sozialsysteme geprägt ist. Erst Ende 2018 ist der Versuch gescheitert, die Sozialgesetzgebungen auf EU-Ebene zu harmo­nisieren. Man konnte sich noch nicht einmal auf ver­bindliche Mindeststandards einigen. Deswegen ist die soziale Lage vieler Unionsbürger prekär, sei es in den neuen EU-Mitgliedstaaten als Erbe ihrer Systemtransformation, sei es in Griechenland infolge der Finanzkrise. Wenn die supra­nationale Ebene heute fordert, die betreffenden nationalen Regierungen sollten eine angemessene soziale Versorgung von Migranten und Flüchtlingen aus Drittstaaten gewähr­leisten, trägt sie zur Destabilisierung dieser Mitgliedstaaten bei. Diese nämlich können noch nicht einmal der eigenen Bevölkerung einen solchen angemessenen Schutz bieten.

Die supranationale Ebene sollte sich dagegen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, die zum Bei­spiel in der Außenhandelspolitik liegen. Hier hätte sie einen genügend großen Aktionsradius und die nötigen Handlungsspielräume, um Fluchtursachen in afrikanischen Staaten nachhaltig zu bekämpfen. Dabei könnten die Mitgliedstaaten sie mit Vorschlägen unterstützen, zumal sie aufgrund ihrer nationalen Geschichte recht unterschiedliche Erfahrungen mit afrikanischen oder auch osteuropäischen Ländern gemacht haben. Ziel sollte sein, diese Erfahrungen zu bündeln, um eine europäische Handelspolitik zu betreiben, die trotz zunehmender Konkurrenz auf dem Weltmarkt den Wirtschaftspartnern eine Eigen­entwicklung zugesteht und nicht darauf aus ist, öko­nomische Abhängigkeiten zu verschärfen. Es wäre ein fataler Fehler zu glauben, die EU könne eine unfaire Handelspolitik wiedergutmachen, indem sie deren soziale Folgekosten mit der Aufnahme von Flücht­lingen oder Arbeitsmigranten kompensiert. Ähnliches gilt für die Außenpolitik einzelner EU-Mitglied­staaten, die eine Destabilisierung ganzer Staaten wie Syrien und Libyen in Kauf nehmen, um politische Machtverhältnisse in der Mittelmeerregion zu ihren Gunsten zu ändern. Diese Staaten sollten selbst Verantwortung für ihre Fehl­entscheidungen über­nehmen und sie nicht auf die EU und andere Mitglied­staaten abschieben.

Solche Überlegungen sind Anregungen für eine dringend notwendige Debatte über die Ent­koppelung geteilter Kompetenzen. Sie allein kann die Mitgliedstaaten aus der Politikverflechtungsfalle hinausführen, in die sie seit Beginn der Migrationskrise geraten sind. Es geht weder darum, »Schuldige« zu suchen, noch die Zuständigkeiten der Mitglied­staaten im EU-Mehrebenensystem grundsätzlich in Frage zu stellen. Vielmehr sollten Möglichkeiten gefunden werden, die vorhandenen Kompetenzen der supranationalen und der nationalen (einschließlich der regionalen und kommunalen) Ebene besser zu koordinieren und zu bündeln oder gar eine engere Kooperation unter den Mitgliedstaaten anzustreben. Eine weitere Kon­frontation dieser wichtigen Entscheidungsebenen wird kein einziges Problem lösen, sondern dem Ansehen der Europäischen Union bei den eigenen Bürgern wie auch in der internationalen Politik schaden.

Abkürzungsverzeichnis

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

BIP Bruttoinlandsprodukt

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

CEPS Centre for European Policy Studies (Brüssel)

EASO European Asylum Support Office (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen)

EG Europäische Gemeinschaft

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Straßburg)

EMRK Europäische Menschenrechtskonvention

ESSR Europäische Säule sozialer Rechte

EU Europäische Union

EuGH Europäischer Gerichtshof

EUV Vertrag über die Europäische Union

eu-LISA European Agency for the Operational Management of Large-Scale IT Systems in the Area of Freedom, Security and Justice (Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts)

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EZB Europäische Zentralbank

Frontex European Border and Coast Guard Agency (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache)

GEAS Gemeinsames Europäisches Asylsystem

IBMF Integrated Border Management Fund (Fonds für integriertes Grenzmanagement)

IMF International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds, IWF)

NRO Nichtregierungsorganisation

SIS Schengen Information System (Schengener Informationssystem)

UNDP United Nations Development Programme

UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees

VIS Visa Information System
(Visa-Informationssystem)

WHO World Health Organization

Lektüreempfehlungen

Sabine Riedel

Fluchtursache Staatszerfall am Rande der EU. Die europäische Verantwortung

SWP-Arbeitspapier FG Globale Fragen, 2015/2, Oktober 2015

Sabine Riedel

Illegale Migration im Mittelmeerraum. Antworten der südlichen EU-Mitgliedstaaten auf nationale und europäische Herausforderungen

SWP-Studie 10/2011, April 2011

Sabine Riedel

Frankreich als Einwanderungsland. Debatten um Immigration, Integration und nationale Identität

SWP-Studie 25/2007, September 2007

Endnoten

1

 Die Daten beziehen sich auf die Inkraftsetzung der Verträge, vgl. Europäische Union, EU-Verträge, <https:// europa.eu/european-union/law/treaties_de> (eingesehen am 10.10.2020).

2

 Roland Sturm, »Zusammenarbeit im deutschen Föderalismus«, in: Bundeszentrale für politische Bildung, Föderalismus in Deutschland, Bonn, 3.5.2013 (Informationen zur poli­tischen Bildung, Nr. 318), <http://www.bpb.de/izpb/159339/ zusammenarbeit-im-deutschen-foederalismus?p=all> (ein­gesehen am 10.10.2020).

3

 Fritz W. Scharpf, Föderale Politikverflechtung: Was muß man ertragen – was kann man ändern?, Köln: Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, 3.4.1999 (Working Paper, 99/3), <http://pubman.mpdl.mpg.de/pubman/faces/viewItem OverviewPage.jsp?itemId=escidoc:1235397> (eingesehen am 10.10.2020).

4

 Fritz W. Scharpf, »Die Politikverflechtungs-Falle: Europäische Integration und deutscher Föderalismus im Vergleich«, in: Politische Vierteljahresschrift, 26 (1985) 4, S. 323–356 (349f).

5

 Ebd., S. 338f.

6

 Ebd., S. 340.

7

 Vgl. weiterführend Edgar Grande, Vom Nationalstaat zur europäischen Politik­verflechtung. Expansion und Transformation moderner Staatlichkeit – untersucht am Beispiel der Forschungs- und Technologiepolitik, Habilitationsschrift, Konstanz: Universität Konstanz, 1994.

8

 Arthur Benz, »Politikverflechtung ohne Politikverflechtungsfalle – Koordination und Struk­turdynamik im euro­päischen Mehrebenensystem«, in: Politische Vierteljahresschrift, 39 (1998) 3, S. 558–589 (562f).

9

 Katharina Holzinger, »Die Europäische Union«, in: Manfred G. Schmidt/Frieder Wolf/Stefan Wurster (Hg.), Studienbuch Politikwissenschaft, Wiesbaden 2013, S. 465–493 (478f).

10

 Fritz W. Scharpf, »The Joint-Decision Trap Revisited«, in: Journal of Common Market Studies, 44 (2006) 4, S. 845–864 (857), Übersetzung durch die Verfasserin dieser Studie.

11

 Arthur Benz, Politik in Mehrebenensystemen, Wiesbaden 2009, S. 16.

12

 Europäische Union, Vertrag über die Europäische Union (Konsolidierte Fassung 2016), <https://eur-lex.europa.eu/col lection/eu-law/treaties/treaties-force.html?locale=de> (ein­gesehen am 10.10.2020).

13

 Vgl. Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union, ebd.

14

 Vgl. Artikel 5 (3) des Vertrags über die Europäische Union, ebd., außerdem Europäisches Parlament, Kurzdarstellungen zur Europäischen Union. Die Europäische Kommission, <https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/25/die-europaische-kommission#> (eingesehen am 10.10.2020).

15

 Europäische Kommission, Jahresbericht 2018 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnis­mäßigkeit und die Beziehungen zu den nationalen Parlamenten, Bundesrats-Drucksache 321/19, 11.7.2019, S. 15, <https:// www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0301-0400/321-19.pdf?__blob=publicationFile&v=1> (eingesehen am 10.10.2020).

16

 Ebd., S. 27f.

17

 Ebd., S. 24f.

18

 Vgl. Artikel 1–6, in: Europäische Union, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Konsolidierte Fassung 2016), <https://eur-lex.europa.eu/collection/eu-law/treaties/treaties-force.html?locale=de> (eingesehen am 10.10.2020).

19

 Frontex, Risk Analysis for 2017, Warschau, Februar 2017, S. 47, <https://frontex.europa.eu/assets/Publications/Risk _Analysis/Annual_Risk_Analysis_2017.pdf>; Frontex, Risk Analysis for 2019, Warschau, Februar 2019, S. 43, <https:// frontex.europa.eu/assets/Publications/Risk_Analysis/Risk _Analysis/Risk_Analysis_for_2019.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

20

 Udo Di Fabio, Migrationskrise als föderales Verfassungs­problem, Bonn, 8.1.2016, S. 30, <http://www.bayern.de/wp-content/uploads/2016/01/Gutachten_Bay_DiFabio_forma tiert.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

21

 Ebd., S. 87; vgl. ebenso Deutscher Bundestag, Sicherung der Bundesgrenzen aus föderaler Perspektive. Anmerkungen zum Gutachten »Migrationskrise als föderales Verfassungsproblem«, Berlin, 14.1.2016, <https://www.bundestag.de/blob/424096/ b111cc0baf532bfa9ac6b67670d71035/wd-3-010-16-pdf-data.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

22

 »Flüchtlinge: Europa muss gemeinsam handeln«. Rede von Bundeskanzlerin Merkel auf der Eröffnungsveranstaltung des 4. ver.di-Bundeskongresses, Leipzig, 20.9.2015, <https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/service/rss-feed/ fluechtlinge-europa-muss-gemeinsam-handeln-427180> (eingesehen am 10.10.2020).

23

 Vgl. zum Beispiel Markus Gruber, »Migration in Bayern. Eine politische Querschnittsaufgabe«, in: Hanns-Seidel-Stiftung (Hg.), Migra­tion – eine europäische Herausforderung, München 2015 (Politische Studien, Nr. 459), S. 38–42, <https://www.hss.de/download/publications/PS_459_MIGRA TION.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

24

 »Bundesrat billigt Asylpaket II«, in: Der Tagesspiegel, 26.2.2016, <https://www.tagesspiegel.de/politik/fluechtlings politik-bundesrat-billigt-asylpaket-ii/13021366.html> (ein­gesehen am 10.10.2020).

25

 »Schengen-Besitzstand gemäß Artikel 1 Absatz 2 des Beschlusses 1999/435/EG des Rates vom 20. Mai 1999«, in: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 22.9.2000, S. 13–18, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv: OJ.L_.2000.239.01.0001.01.DEU&toc=OJ:L:2000:239:TOC> (eingesehen am 10.10.2020).

26

 Vgl. den aktuellen Stand des Schengener Grenzkodexes: »Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), (Kodifizierter Text)«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 23.3.2016, <https://eur-lex.europa.eu/ legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0399&from =DE> (eingesehen am 10.10.2020).

27

 »Schengen-Raum Länder«, Schengen Visa Info, <https:// www.schengenvisainfo.com/de/staaten-des-schengen-raums/> (eingesehen am 10.10.2020).

28

 Europäisches Parlament, Asylpolitik (Rechtsgrundlage), <https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/151/asylpolitik>; Europäische Kommission, Zirkuläre Migration und Mobilitätspartnerschaften zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten, Brüssel, 16.5.2007, <https://eur-lex.europa.eu/ legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52007DC0248& from=EN> (eingesehen am 10.10.2020).

29

 Vgl. Artikel 77 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [wie Fn. 18].

30

 Vgl. hierzu Deutscher Bundestag, Der italienische Ver­haltenskodex für NRO im Mittelmeer. Rechtsverbindlichkeit nach Maßgabe des Unionsrechts, Ausarbeitung PE 6 – 3000 – 51/17, Fachbereich Europa, Berlin, 1.8.2017, S. 8, <https://www. bundestag.de/blob/ 516514/4a5794c3a3f258e0ba67f2383b2c8 a5c/pe-6-051-17-pdf-data.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

31

 Walter Frenz, Europarecht, 2. Aufl., Berlin 2015, S. 239.

32

 Vgl. Artikel 15 des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26].

33

 Vgl. zum Beispiel Bündnis 90/Die Grünen, Europas Ver­sprechen erneuern. Europawahlprogramm 2019, Leipzig, November 2018, S. 94, <https://cms.gruene.de/uploads/documents/ 2019_Europawahl-Programm.pdf> (eingesehen am 10.10. 2020); vgl. »Programmvergleich. Welche Flüchtlings­politik die Parteien wollen«, Tagesschau.de, 12.9.2017, <https://www. tagesschau.de/inland/btw17/programmvergleich/programm vergleich-fluechtlinge-101.html> (eingesehen am 10.10.2020).

34

 Deutscher Bundestag, Entwicklungsstufen der europäischen Integration. Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union seit dem Vertrag von Maastricht, Berlin 2018, <https:// www.bundestag.de/resource/blob/567908/6b6d1790853f64642 a08740b3633573d/PE-6-055-18-pdf-data.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

35

 Diese Position vertritt Frankreich explizit in seiner neuen Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie vom 7. Februar 2020; vgl. hierzu die übersetzten Zitate bei Sabine Riedel, »Brexit-Verhandlungen 2.0 vorzeitig am Ende? Die neue Partnerschaft scheitert nicht zuletzt an den nationalen Interessen einiger EU-Mitglieder«, in: Forschungshorizonte, Politik & Kultur, 4 (2020) 7, S. 10, <https://www.culture-politics.international/wp-content/uploads/2020/08/FPK_Brexit-II_7_2020.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

36

 Europäische Kommission, »EU-Haushalt: Kommission schlägt erheblich mehr Mittel für sicherere Grenzen und für Migrationssteuerung vor«, Pressemitteilung, Brüssel, 12.6.2018, <http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-4106 _de.htm> (eingesehen am 10.10.2020).

37

 Europäisches Parlament, Aktuelles. Grenzschutz: Besseres Management der EU-Außengrenzen, Brüssel, 12.8.2016, <http:// www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/2016 0707STO36252/grenzschutz-besseres-management-der-eu-aussengrenzen> (eingesehen am 10.10.2020).

38

 Finnischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union, Programm und Prioritäten. Umfassende Sicherheit für die Bevölkerung, 2019, <https://eu2019.fi/de/prioritaten/umfassende-sicherheit> (eingesehen am 10.10.2020).

39

 The Spinelli Group, Don’t Sacrifice Europe for the Illusion of National Security. A Better Schengen Is the Answer to Migration and Terrorism, 17.12.2015, <http://www.spinelligroup.eu/de/ article/dont-sacrifice-europe-illusion-national-security-better-schengen-answer-migration-and> (eingesehen am 6.3.2020, URL mittlerweile nicht mehr vorhanden), weiterer Quellennachweis: Union of European Federalists, UEF Quarterly Update, Brüssel, Dezember 2015, <https://www.federalists.eu/ index.php?id=22825>; vgl. ebenso das Zitat: »Zugleich sollte Frontex zu einer echten föderalen Grenz- und Küstenwache ausgebaut werden […]«, in: The Spinelli Group, Manifest für die Zukunft Europas, Brüssel 2018, S. 39, <https://www.federa lists.eu/fileadmin/files_uef/Spinelli_Group_Page/SG_Manifesto_Online_De.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

40

 Europäische Kommission, Intelligente Grenzen: Optionen und weiteres Vorgehen, Brüssel, 25.10.2011, S. 3, <http://ec. europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2011/DE/1-2011-680-DE-F1-1.Pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

41

 Vgl. Artikel 21 des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26].

42

 Frontex, Budget 2020, Warschau, 1.1.2020, S. 1, <https://frontex.europa.eu/assets/Key_Documents/Budget/ Budget_2020.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

43

 Frontex, Hauptaufgaben, 2020, <https://frontex.europa. eu/de/was-wir-machen/hauptaufgaben/> (eingesehen am 10.10.2020).

44

 European Union Agency for the Operational Management of Large-Scale IT Systems in the Area of Freedom, Security and Justice (eu-LISA), Who We Are, 2020, <https:// www.eulisa.europa.eu/About-Us/Who-We-Are/> (eingesehen am 10.10.2020).

45

 Europäische Union, Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht (eu-LISA), <https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/eu-lisa_de> (eingesehen am 10.10.2020).

46

 Europäische Kommission, Intelligente Grenzen [wie Fn. 40], S. 4; vgl. Jannis Brühl, »Neue Macht für die obskurste Behörde der EU«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 21.11.2018, <https://www.sueddeutsche.de/digital/fluechtlinge-eurodac-eu-datenbanken-migration-ueberwachung-kriminalitaet-1.4219070> (eingesehen am 10.10.2020).

47

 Vgl. Matthias Monroy, »EU legt biometrische Datentöpfe zusammen«, netzpolitik.org, 6.2.2019, <https://netzpolitik. org/2019/eu-legt-biometrische-datentoepfe-zusammen-jetzt-droht-der-abfrage-tsunami/> (eingesehen am 10.10.2020).

48

 »Asylpolitik: Merkel erklärt Dublin-System für nicht funktionsfähig«, in: Spiegel Online, 11.8.2018, <http:// www.spiegel.de/politik/deutschland/angela-merkel-erklaert-dublin-system-fuer-nicht-funktionsfaehig-a-1222742.html> (eingesehen am 10.10.2020).

49

 Vgl. Eurostat, »Asylum and First Time Asylum Applicants by Citizenship, Age and Sex, Monthly Data (Rounded)«, 6.10.2020, <http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show. do?dataset=migr_asyappctzm&lang=en> (ein­gesehen am 10.10.2020).

50

 »Der große Sprung nach vorn«, in: Der Spiegel, (2011) 47, S. 118–126 (124), <http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ spiegel/pdf/81933568> (eingesehen am 10.10.2020).

51

 Zitiert nach »Union fordert europäische Grenzschutz­polizei«, in: Zeit Online, 10.12.2015, <https://www.zeit.de/ politik/deutschland/2015-12/volker-kauder-spd-fluechtlinge-koalition> (eingesehen am 10.10.2020).

52

 Europäische Kommission, Ein europäischer Grenz- und Küstenschutz und effiziente Sicherung der Außengrenzen, Straßburg, 15.12.2015, S. 3, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ TXT/PDF/?uri=CELEX:52015DC0673&from=DE> (eingesehen am 10.10.2020).

53

 Ebd., S. 6.

54

 Vgl. Fn. 18.

55

 Rat der Europäischen Union, »Europäische Grenz- und Küstenwache: endgültige Billigung«, Pressemitteilung, Brüssel, 14.9.2016, <http://www.consilium.europa.eu/de/ press/press-releases/2016/09/14/european-border-coast-guard/> (eingesehen am 10.10.2020).

56

 Europäische Union, Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates und der Entscheidung des Rates 2005/267/EG, Brüssel, 13.9.2016, <http://data.consilium. europa.eu/doc/document/PE-29-2016-INIT/de/pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

57

 Europäische Kommission, Fortschrittsbericht über die Um­setzung der Europäischen Migrationsagenda, Brüssel, 16.5.2018, S. 18, <https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar: 6321cef8-59db-11e8-ab41-01aa75ed71a1.0003.02/DOC_1& format=PDF> (eingesehen am 10.10.2020).

58

 Europäische Kommission, »EU-Haushalt« [wie Fn. 36].

59

 »EU-Grenzschutzbehörde wird auf 10 000 Beamte auf­gestockt«, in: Zeit Online, 8.11.2019, <https://www.zeit.de/ politik/ausland/2019-11/frontex-eu-grenzschutzbehoerde-ausbau-abschiebungen?print>; Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, »Europäische Grenz- und Küstenwache: Aktualisierte Verordnung vom Rat verabschiedet«, Presse­mitteilung, Brüssel, 8.11.2019, <https://www.consilium. europa.eu/de/press/press-releases/2019/11/08/european-border-and-coast-guard-council-adopts-revised-regulation/> (eingesehen am 10.10.2020).

60

 Vgl. Absatz 20 der »Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/1624«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 14.11.2019, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri= CELEX:32019R1896&from=EN> (eingesehen am 10.10.2020).

61

 Schweizerische Eidgenossenschaft, Erläuternder Bericht »Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands«, 13.12.2019, S. 20, 23, <https://www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/3101/ Grenz-und-Kuestenwache_Erl.-Bericht_de.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

62

 Europäische Kommission, Vierter Bericht der Kommission über die Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache, Straßburg, 13.6.2017, S. 5, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52017DC0325&from=DE> (eingesehen am 10.10.2020).

63

 Europäische Kommission, Fünfter Bericht der Kommission über die Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache, Brüssel, 6.9.2017, S. 2, <https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/55622b32-93da-11e7-b92d-01aa75ed71a1/ language-de> (eingesehen am 10.10.2020).

64

 Elia Diehl, »Beklemmende Videos: Italienische Küstenwache zeigt Flüchtlingsrettung hautnah«, in: Aargauer Zeitung, 31.5.2017, <https://www.aargauerzeitung.ch/pano rama/vermischtes/beklemmende-videos-italienische-kuesten wache-zeigt-fluechtlingsrettung-hautnah-131383143> (eingesehen am 10.10.2020).

65

 »EU vertieft Ausbildung libyscher Küstenwache«, Deutsche Welle, 12.11.2017, <https://p.dw.com/p/2nThx>; »Italienisches Parlament beschließt Militäreinsatz vor Libyens Küste«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.8.2017, <https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/italienischer-militaereinsatz-vor-libyen-genehmigt-15133482.html> (eingesehen am 10.10.2020).

66

 Eurostat, »Asylum and First Time Asylum Applicants« [wie Fn. 49].

67

 Ebd., S. 2; Vierter Bericht der Kommission [wie Fn. 62], S. 4.

68

 Ebd. sowie Europäische Kommission, Dritter Bericht der Kommission über die Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache, Brüssel, 2.5.2017, S. 3, 5, <https://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52017DC0219& from=DE> (eingesehen am 10.10.2020).

69

 »Grenzöffnung für Flüchtlinge. Was geschah wirklich?«, in: Zeit Online, 22.8.2016, <https://www.zeit.de/2016/35/grenz oeffnung-fluechtlinge-september-2015-wochenende-angela-merkel-ungarn-oesterreich/komplettansicht> (eingesehen am 10.10.2020); Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Verfahrensregelung zur Aussetzung des Dublinverfahrens für syrische Staatsangehörige, Nürnberg, 21.8.2015, <http://www.asylumin europe.org/sites/default/files/resources/bamf_instructions _on_syrian_dublin_cases_august_2015.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

70

 Andrea Dernbach, »Frontex: Bundespolizisten sichern Grenze in Ungarn«, in: Der Tagesspiegel, 17.9.2015, <https:// www.tagesspiegel.de/politik/frontex-bundespolizisten-sichern-grenze-in-ungarn/12334442.html> (eingesehen am 10.10.2020).

71

 World Health Organization Regional Office Europe, Hungary: Assessing Health-system Capacity to Manage Sudden, Large Influxes of Migrants, Kopenhagen 2015, S. VII, <https://www. euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0016/317131/Hungary-report-assessing-HS-capacity-manage-sudden-large-influxes-migrants.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

72

 Frontex, Risk Analysis for 2016, Warschau, März 2016, S. 17, <https://frontex.europa.eu/assets/Publications/Risk _Analysis/Annula_Risk_Analysis_2016.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

73

 Piroska Bakos, »Ungarn schottet sich ab: Orbans intelligenter Zaun«, MDR, 9.3.2017, <https://www.mdr.de/heute-im-osten/ostblogger/ungarn-zaun-100.html> (eingesehen am 10.10.2020).

74

 Johannes Edelhoff/Alena Jabarine/Nino Seidel, »Blutige Grenze: Wie die EU bei Ungarn wegsieht«, ARD Panorama, 1.12.2016, <https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2016/ Blutige-Grenze-Wie-die-EU-bei-Ungarn-wegsieht,ungarn 604.html> (eingesehen am 10.10.2020).

75

 Vgl. Artikel 14 (4) des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26].

76

 »Bulgarien sichert Grenze mit Soldaten gegen Flücht­linge«, in: Die Welt (online), 17.8.2017, <https://www.welt.de/ newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article16775 1563/Bulgarien-sichert-Grenze-mit-Soldaten-gegen-Fluecht linge.html> (eingesehen am 10.10.2020).

77

 Thomas Roser, »Gestrandet auf einem Müllberg«, in: Zeit Online, 29.7.2019, <https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/bosnien-fluechtlingslager-bihac-ehemalige-muelldeponie-balkanroute-eu-aussengrenze/komplettansicht>; Europol, »8 Arrested for Smuggling Migrants from Bosnia and Herzegovina to the EU via Croatia«, Den Haag, 28.5.2020, <https://www.europol.europa.eu/newsroom/news/8-arrested-for-smuggling-migrants-bosnia-and-herzegovina-to-eu-croatia>; UNDP, »Together for Safer Borders: Suppressing Illegal Arms’ Trafficking through CIAT Project«, 25.3.2019, <https://www.ba.undp.org/content/bosnia_and_herzegovina/ en/home/presscenter/articles/2019/together-for-safer-borders--supressing-illegal-arms-trafficking-.html> (eingesehen am 10.10.2020).

78

 »Hilfsorganisationen fordern Strafverfahren gegen griechische Regierung«, in: Focus Online, 22.9.2020, <https:// www.focus.de/politik/ausland/moria-demonstrationen-fuer-fluechtlingsaufnahme-in-deutschen-grossstaedten_id_12409 411.html>; »Greece: 4 Afghans Charged with Arson for Fire at Lesbos Camp«, in: The Washington Post, 16.9.2020, <https:// www.washingtonpost.com/world/europe/greece-4-afghans-charged-with-arson-for-fire-at-lesbos-camp/2020/09/16/428b1 b2c-f81f-11ea-85f7-5941188a98cd_story.html> (eingesehen am 10.10.2020).

79

 Vgl. Artikel 16 des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26].

80

Dritter Bericht der Kommission über die Einsatzfähigkeit der Europäischen Grenz- und Küstenwache [wie Fn. 68], S. 8.

81

 Vgl. Artikel 25 des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26].

82

 Vgl. Oliver Meiler, »Flüchtlingsstrom nach Italien: Verzweifelt an der Riviera«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 14.6.2015, <https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlings strom-nach-italien-verzweifelt-an-der-riviera-1.2520200> (eingesehen am 10.10.2020).

83

 T. Bayer/M. Meister, »Wo Europa seine Flüchtlinge hin- und herschiebt«, in: Die Welt (online), 16.6.2015, <https:// www.welt.de/politik/ausland/article142591057/Wo-Europa-seine-Fluechtlinge-hin-und-herschiebt.html> (eingesehen am 10.10.2020).

84

 European Commission, Member States’ Notifications of the Temporary Reintroduction of Border Control at Internal Borders Pursuant to Article 25 and 28 et seq. of the Schengen Borders Code, <https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what -we-do/policies/borders-and-visas/schengen/reintroduction-border-control/docs/ms_notifications_-_reintroduction_of_ border_control_en.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

85

 Artikel 25 (4) des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26].

86

 Vgl. Artikel 27 (1) des Schengener Grenzkodexes [wie Fn. 26], vor allem (a) und (b).

87

 Vgl. ausführlich hierzu Deutscher Bundestag, Schengener Grenzkodex – Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Entwicklung des rechtlichen Rahmens, PE 6 – 3000 – 040/19, Berlin, 10.4.2019, S. 11, <https://andrej-hunko.de/start/download/ dokumente/1333-wissenschaftliche-dienste-im-bundestag-sachstand-schengener-grenzkodex-wiedereinfuehrung-von-grenzkontrollen/file> (eingesehen am 10.10.2020).

88

 Vgl. European Commission, Member States’ Notifications [wie Fn. 84].

89

 Vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, »Bundesinnenminister Seehofer ordnet Binnengrenzkontrollen an«, Pressemitteilung, Berlin, 12.10.2018, <https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/ DE/2018/10/grenzkontrollen-zu-oesterreich.html> (ein­gesehen am 10.10.2020).

90

 »EU-Kommission dringt auf Wegfall nationaler Grenzkontrollen«, in: Die Welt (online), 13.9.2018, <https://www. welt.de/politik/ausland/article181513812/Wegen-Aussen grenzenschutz-EU-Kommission-dringt-auf-Wegfall-nationa ler-Grenzkontrollen.html> (eingesehen am 10.10.2020).

91

 Europäisches Parlament, »Hearing of Commissioner-designate Ylva Johansson«, Pressemitteilung, Straßburg/ Brüssel, 1.10.2019, <https://www.europarl.europa.eu/news/ de/press-room/20190926IPR62234/hearing-of-commissioner-designate-ylva-johansson> (eingesehen am 10.10.2020).

92

 Vgl. Karoline Meta Beisel, »Leiser Widerspruch aus Brüssel«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 12.5.2020, <https:// www.sueddeutsche.de/politik/corona-eu-grenzkontrollen-1.4905751> (eingesehen am 10.10.2020).

93

 Vgl. Artikel 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [wie Fn. 18].

94

 »Internationale Übereinkünfte und die Außenkompetenzen der EU«, EUR-Lex (Stand: 8.4.2020), <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=LEGISSUM%3Aai 0034> (eingesehen am 10.10.2020).

95

 European Commission, Irregular Migration & Return, <https://ec.europa.eu/home-affairs/what-we-do/policies/ irregular-migration-return-policy_en> (eingesehen am 10.10.2020).

96

 Council of the EU, »Erklärung EU-Türkei«, Presse­mitteilung, Brüssel, 18.3.2016, <https://www.consilium. europa.eu/de/press/press-releases/2016/03/18/eu-turkey-statement/pdf/> (eingesehen am 10.10.2020).

97

 »EU-Türkei-Deal: Kritik an Effizienz der Flüchtlings­hilfe«, in: Merkur.de, 13.11.2018, <https://www.merkur.de/ politik/eu-tuerkei-deal-kritik-an-effizienz-fluechtlingshilfe-zr-10554988.html> (eingesehen am 10.10.2020).

98

 Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, »Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei: Mitgliedstaaten einigen sich über Einzelheiten der Finanzierung«, Presse­mitteilung, Brüssel, 3.2.2016, <https://www.consilium.europa.eu/de/ press/press-releases/2016/02/03/refugee-facility-for-turkey/> (eingesehen am 10.10.2020).

99

 Berechnet nach 105 illegalen Grenzübertritten pro Tag, vgl. European Commission, EU-Turkey Statement. Four Years On, Brüssel, März 2020, S. 1, <https://ec.europa.eu/home-affairs/ sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/20200318_managing-migration-eu-turkey-statement-4-years-on_en.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

100

 European Stability Initiative (ESI), The Aegean Tragedy – Key Facts and Key Steps, Berlin/Brüssel/Istanbul, 24.1.2020, S. 21, <https://www.esiweb.org/publications/aegean-tragedy-key-facts-and-key-steps> (eingesehen am 10.10.2020).

101

Bundesregierung, Fakten zur EU-Türkei-Erklärung, Berlin, 5.3.2020, <https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/ faq-eu-tuerkei-erklaerung-1728136> (eingesehen am 10.10. 2020).

102

 »Deal mit der Türkei. ›Erdogan-Minister klagt über EU-Flüchtlingspolitik‹«, in: Bild, 23.1.2020, <https://www.bild.de/ bild-plus/politik/ausland/politik-ausland/der-tuerkische-aussenminister-mevluet-cavusoglu-im-bild-interview-67495 202,view=conversionToLogin.bild.html> (eingesehen am 10.10.2020).

103

European Commission, »Commission Proposes to Top Up Support for Refugees in Jordan, Lebanon and Turkey«, Pressemitteilung, 3.6.2020, <https://ec.europa.eu/commis sion/presscorner/detail/en/IP_20_998> (eingesehen am 10.10.2020).

104

 Europäische Kommission, Zweiter Jahresbericht über die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei, 14.3.2018, S. 14, <https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX: 52018DC0091&from=DE> (eingesehen am 10.10.2020).

105

 »Türkei setzt bilaterales Rückübernahmeabkommen mit Griechenland aus«, in: EU Info Deutschland, 7.6.2018, <http://www.eu-info.de/dpa-europaticker/286931.html> (eingesehen am 10.10.2020).

106

 Europäisches Parlament, Der türkische Militäreinsatz im Nordosten Syriens und seine Folgen. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2019 zum türkischen Militäreinsatz im Nordosten Syriens und seinen Folgen (2019/2886 ((RSP)), Punkt 11, Punkt 9, <https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/ TA-9-2019-0049_DE.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

107

 Sergio Carrera/Leonhard den Hertog/Marco Stefan, It Wasn’t Me! The Luxembourg Court Orders on the EU-Turkey Refugee Deal, Brüssel: Centre for European Policy Studies (CEPS), April 2017 (Policy Insights, Nr. 2017–15), S. 9, <https://www. ceps.eu/download/publication/?id=9981&pdf=EU-Turkey%20 Deal.pdf>, Quelle dort: Nikolaj Nielsen, »EU-Turkey Deal Not Binding, Says EP Legal Chief«, in: EUobserver, 10.5.2016, <https://euobserver.com/justice/133385> (eingesehen am 10.10.2020).

108

 Rainer Hofmann/Adela Schmidt, »Die Erklärung EU-Türkei vom 18.3.2016 aus rechtlicher Perspektive«, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Extra, 35 (2016) 11, S. 1–9 (1), <https://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2016 _11.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

109

General Court of the European Union, »Orders of the General Court in Cases T-192/16, T-193/16 andT-257/16. NF, NG and NM v European Council«, Pressemitteilung Nr. 19/17, Luxemburg, 28.2.2017, <https://curia.europa.eu/jcms/upload/ docs/application/pdf/2017-02/cp170019en.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

110

 Vgl. Artikel 79 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [wie Fn. 18].

111

 Europäische Kommission, Die Europäische Migrations­agenda, Brüssel, 13.5.2015, S. 3, <https://eur-lex.europa.eu/ legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52015DC0240& from=EN> (eingesehen am 10.10.2020).

112

 Ebd., S. 17.

113

 Ebd., S. 5.

114

 Vgl. Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [wie Fn. 18].

115

 Europäische Kommission, Die Europäische Migrations­agenda [wie Fn. 111], S. 23f.

116

 Europäische Kommission, Ein neues Migrations- und Asylpaket, COM(2020) 609 final, Brüssel, 23.9.2020, S. 3, <https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/communication-new-pact-migration-asylum_de.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

117

 Ebd., S. 5, 7.

118

 Ebd., S. 9, 13.

119

 Vgl. »Hartes Vorgehen gegen Schwarzarbeit: Jacques Barrot begrüßt EP-Abstimmung über Richtlinie zur Sanktionierung von Arbeitgebern illegaler Drittstaatsangehöriger«, Pressemitteilung, Brüssel, 19.2.2009, <http://europa.eu/rapid/ press-release_IP-09-298_de.htm?locale=en> (eingesehen am 10.10.2020).

120

 Rat der Europäischen Union, Wie die EU Migrations­bewegungen steuert, Brüssel (Stand: 17.6.2019), <https:// www.consilium.europa.eu/de/policies/migratory-pressures/ managing-migration-flows/> (eingesehen am 10.10.2020).

121

 Europäische Kommission, Die Europäische Migrations­agenda [wie Fn. 111], S. 10.

122

 Europäische Kommission, Die EU und die Migrationskrise, Brüssel, Juli 2017, <http://publications.europa.eu/resource/ cellar/e9465e4f-b2e4-11e7-837e-01aa75ed71a1.0011.04/ DOC_1> (eingesehen am 10.10.2020).

123

 Europäische Kommission, Ein neues Migrations- und Asylpaket [wie Fn. 116], S. 29.

124

 Eurostat, »Juli 2020. Arbeitslosenquote im Euroraum bei 7,9%. In der EU bei 7,2%«, Pressemitteilung Euroindikatoren, Nr. 130/2020, 1.9.2020, <https://ec.europa.eu/eurostat/ documents/2995521/10568647/3-01092020-BP-DE.pdf/395c77 51-172a-1dba-7487-bc1aa0a9b7b9> (eingesehen am 10.10. 2020).

125

 European Commission, EU-funded Research Project CLANDESTINO Database on Irregular Migration, 2007–2009, <https://ec.europa.eu/knowledge4policy/dataset/ds00039_en> (eingesehen am 10.10.2020).

126

 European Commission, CLANDESTINO Project. Final Report, 23.11.2009, <https://emnbelgium.be/sites/default/files/ publications/clandestino-final-report.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

127

 Europäische Kommission, Die Europäische Migrations­agenda [wie Fn. 111], S. 6.

128

 Vgl. ausführlicher Sabine Riedel, Illegale Migration im Mittelmeerraum. Antworten der südlichen EU-Mitgliedstaaten auf nationale und europapolitische Herausforderungen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2011 (SWP-Studie 10/2011), S. 15, 23, 26, <https://www.swp-berlin.org/publikation/ illegale-migration-im-mittelmeerraum/> (eingesehen am 10.10.2020).

129

 Ben Kelmanson u.a., Explaining the Shadow Economy in Europe. Size, Causes and Policy Options, Washington, D.C.: International Monetary Fund (IMF), 13.12.2019 (IMF Working Paper Nr. 19/278), S. 18, 25f, <https://www.imf.org/en/Publi cations/WP/Issues/2019/12/13/Explaining-the-Shadow-Economy-in-Europe-Size-Causes-and-Policy-Options-48821> (eingesehen am 10.10.2020).

130

 Vgl. Rat der Europäischen Union, Beschluss des Rates zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland, Brüssel, 22.9.2015; dieses Dokument hat die Europäische Kommis­sion bereits am 9.9.2015 als Entwurf vorgelegt, vgl. <https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX: 52015PC0451&from=DE> (eingesehen am 10.10.2020).

131

 Europäische Kommission, Die Europäische Migrations­agenda [wie Fn. 111], S. 23f.

132

 European Commission, Progress Report on the European Agenda on Migration. Annex 6: Relocations from Italy and Greece by 14 November 2017, Brüssel, 15.11.2017, <https://ec.europa. eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/ european-agenda-migration/20171114_annex_6_relocation _en.pdf>; Magdalena Suwak, »Flüchtlings­krise. Kaum ein EU-Staat erfüllt seine Pflichten«, RTL.de, 11.7.2017, <https:// www.rtl.de/cms/fluechtlingskrise-italien-ist-ueberfordert-kaum-ein-eu-staat-erfuellt-seine-pflichten-bei-der-lasten verteilung-4119607.html>; für aktuelle Zahlen vgl. »Number of Refugees Relocated from Greece and Italy by European Union Member States under the EU Relocation Scheme as of April 2018, Statista, <https://www.statista.com/statistics/101 0812/eu-refugee-relocation-by-country> (eingesehen am 10.10.2020).

133

 Europäische Kommission, »Umverteilung: Kommission verklagt die Tschechische Republik, Ungarn und Polen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union«, Pressemitteilung, Brüssel, 7.12.2017, <https://ec.europa.eu/commission/press corner/detail/DE/IP_17_5002>; vgl. »EuGH-Generalanwältin: Polen, Ungarn und die Tschechische Republik haben durch Verweigerung der Flüchtlingsumverteilung gegen EU-Recht verstoßen«, beck-aktuell, 31.10.2019, <https://rsw.beck.de/ aktuell/meldung/eugh-generalanwaeltin-polen-ungarn-und-die-tschechische-republik-haben-durch-weigerung-bei-fluechtlingsumverteilung-gegen-eu-recht-verstossen> (ein­gesehen am 10.10.2020).

134

 Bernd Riegert, »Polen und Ungarn am europäischen Pranger«, Deutsche Welle, 18.9.2018, <https://p.dw.com/p/355rs> (eingesehen am 10.10.2020).

135

 Vgl. »Nordmazedonien und Albanien. EU-Kommission empfiehlt Beitrittsgespräche mit Balkanstaaten«, in: Merkur.de, 29.5.2019, <https://www.merkur.de/politik/eu-kommission-empfiehlt-beitrittsgespraeche-mit-balkanstaaten-zr-123323 73.html>; »Balkanstaaten: Für schnelle EU-Aufnahme«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 6.2.2020, <https://www.sueddeut sche.de/politik/balkanstaaten-fuer-schnelle-eu-aufnahme-1.4787367> (eingesehen am 10.10.2020).

136

 Keno Verseck, »Westbalkan wendet sich von EU ab. Realpolitik statt Rechtsstaat«, in: Der Spiegel, 8.1.2017, <https://www.spiegel.de/politik/ausland/europaeische-union-und-westbalkan-realpolitik-versus-rechtsstaat-a-1128918.html> (eingesehen am 10.10.2020).

137

 David Goeßmann/Fabian Scheidler (Hg.), Der Kampf um globale Gerechtigkeit, Wien 2019.

138

 Harald Schumann, »Fluchtursache Handelspolitik«, in: Der Tagesspiegel, 30.10.2016, <https://www.tagesspiegel.de/ politik/afrika-fluchtursache-handelspolitik/14759346.html> (eingesehen am 10.10.2020).

139

 »EU-Afrika-Gipfel. ›Unsere Handelspolitik ist wirklich unfair‹«, Franziska Brantner im Gespräch mit Mario Dobo­visek, Deutschlandfunk, 29.11.2017, <https://www.deutsch landfunk.de/eu-afrika-gipfel-unsere-handelspolitik-ist-wirk lich-unfair.694.de.html?dram:article_id=401856>; Reiner Klingholz u.a., »Wachsende Migrationsströme: Wie können die europäischen Länder die Fluchtursachen erfolgreich bekämpfen?«, in: ifo Schnelldienst, 72 (2019) 23, S. 3–26, <https://www.ifo.de/DocDL/sd-2019-23-klingholz-etal-migra tionsursachen-bekaempfen-2019-12-05.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

140

 Europäische Kommission, Anwendung der Richtlinie 2009/52/EG vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen, Brüssel, 22.5.2014, S. 5, <https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/ 0586d310-e197-11e3-8cd4-01aa75ed71a1> (eingesehen am 10.10.2020).

141

 Vgl. Artikel 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [wie Fn. 18].

142

 »Routen der Hoffnung, Wege der Verzweifelten«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 19.4.2015, <https://www.sued deutsche.de/politik/europaeische-fluechtlingspolitik-routen-der-hoffnung-wege-der-verzweifelten-1.2259006> (eingesehen am 10.10.2020).

143

 Frontex, FRAN Quarterly, Quarter 2, April–June 2015, Warschau, September 2015, S. 14, <https://frontex.europa.eu/ assets/Publications/Risk_Analysis/FRAN_Q2_2015_final.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

144

Vgl. »Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 29.6.2013, <https://eur-lex.europa.eu/ legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0604&from =DE> (eingesehen am 10.10.2020).

145

 Pro Asyl, »Europaweit stoppen Gerichte Überstellungen nach Griechenland«, Pressemitteilung, Frankfurt a.M., 23.10.2010, <https://www.proasyl.de/pressemitteilung/europa weit-stoppen-gerichte-ueberstellungen-nach-griechenland/> (eingesehen am 10.10.2020).

146

 Europäischer Gerichtshof, Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer), 19.3.2019, Rechtssache C‑163/17, Verfahren Abubacarr Jawo gegen Bundesrepublik Deutschland, Absatz 47, <https://www.doev.de/wp-content/uploads/2019/Leitsaetze/ 10/E_0352.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

147

 Europäische Kommission, Das Gemeinsame Europäische Asylsystem, Luxemburg 2014, S. 3, <https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/e-library/docs/ceas-fact-sheets/ ceas_factsheet_de.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

148

 Vgl. »Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des inter­nationalen Schutzes (Neufassung)«, »Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung)«, beide Quellen in: Amtsblatt der Europäischen Union, 29.6.2013, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/ ?uri=CELEX:32013L0032>; <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32013L0033> (eingesehen am 10.10.2020).

149

 »Verwaltungsrichter Seegmüller: ›Ziel sollte sein, die Ausreisepflichten durchzusetzen‹«, in: Die Welt (online), 18.3.2019, <https://www.welt.de/politik/deutschland/article 190434559/Robert-Seegmueller-330-000-Asylverfahren-in-Deutschland-anhaengig.html> (eingesehen am 10.10.2020).

150

 BAMF, Aktuelle Zahlen, Nürnberg, Januar 2020, S. 14, <https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/Asyl inZahlen/aktuelle-zahlen-januar-2020.pdf?__blob=publica tionFile&v=3> (ein­gesehen am 10.10.2020).

151

 BAMF, Das deutsche Asylverfahren – ausführlich erklärt. Zuständigkeiten, Verfahren, Statistiken, Rechtsfolgen, Nürnberg, November 2014, S. 49, <https://www.sachsen.de/assets/ Das_deutsche_Asylverfahren_ausfuehrlich_erklaert_Bro schuere_BAMF(1).pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

152

 Die Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle, <https://www.menschenrechtskonvention.eu/die-menschen rechtskonvention-und-ihre-zusatzprotokolle-9444> (ein­gesehen am 10.10.2020).

153

 Sabine Riedel, »Flucht und Religion. Aktuelle Herausforderungen an europäische Standards des Menschenrechtsschutzes«, in: Judith Könemann/Marie-Theres Wacker (Hg.), Flucht und Religion. Hintergründe – Analysen – Perspektiven, Münster 2018, S. 67–96; Nachdruck in: Forschungshorizonte, Politik & Kultur, 3 (2019) 10, <https://www.culture-politics. international/wp-content/uploads/2019/12/FPK_Flucht_Reli gon_10-2019.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

154

 The European Court of Human Rights, The ECHR in Facts and Figures 2018, Straßburg, März 2019, S. 10, <https://www. echr.coe.int/Documents/Facts_Figures_2018_ENG.pdf> (ein­gesehen am 10.10.2020).

155

 Tanja Podolski, »EuGH zur Erteilung von Visa für Drittstaatenangehörige. Humanität bleibt Sache der Mitglied­staaten«, in: Legal Tribune Online, 7.3.2017, <https://www.lto. de/recht/hin­tergruende/h/eugh-c63816ppu-asyl-visum-humanitaer-fluechtlinge-visa-kodex-syrien> (eingesehen am 10.10.2020).

156

 Europäische Kommission, »Eine faire und nachhaltige gemeinsame Asylpolitik verwirklichen«, Pressemitteilung, Brüssel, 4.5.2016, <https://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-1620_de.htm> (eingesehen am 10.10.2020).

157

 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Krite­rien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), COM(2016) 270 final, 2016/0133 (COD), Brüssel, 4.5.2016, S. 21, 31, 33, 76, <https://ec.europa. eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/COM-2016-270-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF> (eingesehen am 10.10.2020).

158

 Eigene Berechnungen nach Daten von Eurostat, »Asylum and First Time Asylum Applicants« [wie Fn. 49]; vgl. ausführlicher zu einzelnen EU-Mitgliedstaaten Sabine Riedel, »Die Flüchtlingskrise bedarf nationaler Strategien«, in: Forschungshorizonte, Politik & Kultur, 4 (2020) 11, S. 2, <http://www.culture-politics.international/wp-content/ uploads/2020/10/FPK_EU-Migration_11-2020.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

159

 Diese Zahlen basieren auf der nationalen Statistik: BAMF, Aktuelle Zahlen. September 2020, Nürnberg, 6.10.2020, S. 11, <https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/ AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-september-2020.html?nn=284 722> (ein­gesehen am 10.10.2020).

160

 Europäische Kommission, Ein neues Migrations- und Asylpaket [wie Fn. 116], S. 7.

161

 Ebd.

162

 »EuGH zu Asylanträgen. Zuständigkeitsübergang nach sechs Monaten«, in: Legal Tribune Online, 25.10.2017, <https:// www.lto.de/recht/nachrichten/n/eugh-c20116-asylantrag-dublin-iii-nach-sechs-monaten-uebergang-zustaendigkeit/> (eingesehen am 10.10.2020).

163

 BAMF, Das Bundesamt in Zahlen 2019. Asyl, Migration und Integration, Nürnberg, August 2020, S. 46f, <https://www. bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/BundesamtinZah len/bundesamt-in-zahlen-2019.pdf?__blob=publicationFile& v=3> (eingesehen am 10.10.2020).

164

 Ebd., S. 45.

165

 Eurostat, »Asylentscheidungen in der EU«, Presse­mitteilung, 26.4.2017, <https://ec.europa.eu/eurostat/docu ments/2995521/8001720/3-26042017-AP-DE.pdf/08ccec8e-7b7e-4d9f-a5b6-3bc807fd0d4f>; Eurostat, »Asylentscheidungen in der EU«, Pressemitteilung, 19.4.2018, <https://ec. europa.eu/eurostat/documents/2995521/8817680/3-19042018-AP-DE.pdf/ebaf6372-6c37-4815-b1a0-36d26b427b2f> (ein­gesehen am 10.10.2020).

166

 Eurostat, »Asylentscheidungen in der EU«, Presse­mitteilung, 25.4.2019, <https://ec.europa.eu/eurostat/docu ments/2995521/9747535/3-25042019-BP-DE.pdf/1e47d250-75d8-4985-93bc-ccfcefd8ccc9>; Eurostat, »Asylentscheidungen in der EU«, Pressemitteilung, 27.4.2020, <https://ec. europa.eu/eurostat/documents/2995521/10774022/3-2704 2020-AP-DE.pdf/bf732ee1-2509-b331-b00a-d77662ba8836> (eingesehen am 10.10.2020).

167

 BAMF, Schutzformen. Hinweis zu Begrifflichkeiten, <https:// www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Schutzformen/schutzformen-node.html> (ein­gesehen am 10.10.2020).

168

 BAMF, Aktuelle Zahlen. September 2020 [wie Fn. 159], S. 11.

169

 Vgl. die Pressemitteilungen von Eurostat der letzten Jahre, »Asylentscheidungen in der EU« [siehe Fn. 165 und 166].

170

 Übersetzung durch die Verfasserin dieser Studie; vgl. Visegrad Group, V4 Statement on the Future of Europe, 26.1.2018, <http://www.visegradgroup.eu/v4-statement-on-the-180129> (eingesehen am 10.10.2020).

171

 »EuGH: Ungarn und Slowakei scheitern mit Klage gegen Flüchtlingsumverteilung«, beck-aktuell, 6.9.2017, <https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/eugh-auch-ungarn-und-slowakei-muessen-fluechtlinge-aufnehmen> (eingesehen am 10.10.2020).

172

 »Slowakei nennt Flüchtlingsurteil ›irrelevant‹«, in: Zeit Online, 6.9.2017, <https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-09/europaeischer-gerichtshof-slowakei-fluechtlingsquote> (eingesehen am 10.10.2020).

173

 Europäische Kommission, »Kommission verklagt Ungarn wegen Strafbarstellung von Hilfeleistungen an Asylbewerber und leitet neues Vertragsverletzungsverfahren wegen unterlassener Nahrungsmittelbereitstellung in Transitzonen ein«, Pressemitteilung, Brüssel, 25.7.2019, <https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ IP_19_4260> (eingesehen am 10.10.2020).

174

 »Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung)«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 20.12.2011, S. 12, <https://eur-lex.europa. eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:337:0009:0026: de:PDF> (eingesehen am 10.10.2020).

175

 Vgl. Europäische Kommission, Beschäftigung, Soziales und Integration. Ihre Rechte in den einzelnen Ländern (Leitfäden zu den Sozialversicherungssystemen der einzelnen Länder), Stand 2020, <https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=858&lang Id=de>; vgl. Riedel, »Die Flüchtlingskrise bedarf nationaler Strategien« [wie Fn. 158], S. 7; Keno Verseck, »Wirtschaft und Armut in Ungarn. Orbáns moderne Sklaverei«, in: Der Spiegel, 9.8.2017, <https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/viktor-orban-wirtschaft-und-armut-in-ungarn-moderne-sklaverei-a-1159108.html> (eingesehen am 10.10.2020); Udo Bongartz, »Armut in Lettland, Stagnation in Europa. Die Einkommensunterschiede sind in der EU höher als in den USA, Russland oder Indien«, Lettische Presseschau, 16.5.2015, <http://www. lettische-presseschau.de/politik/eu/884-2015-05-12-04-58-21> (eingesehen am 10.10.2020).

176

 Annett Müller, »Sozialkliniken in Rumänien. Tropfen auf den heißen Stein«, Deutschlandfunk, 8.9.2016, <https:// www.deutschlandfunk.de/sozialkliniken-in-rumaenien-tropfen-auf-den-heissen-stein.795.de.html?dram:article_id =365314> (eingesehen am 10.10.2020).

177

 »Volle Wartezimmer, keine Ärzte: Not in Rumänien und Bulgarien«, Deutsche Welle, 4.7.2018, <https://p.dw.com/ p/30gfq> (eingesehen am 10.10.2020).

178

 »Die Anerkennungsrate von Asylbewerbern, d.h. der Anteil der positiven Entscheidungen an der Gesamtzahl der Entscheidungen, lag in erster Instanz in der EU bei 37%. Bei endgültigen Berufungsentscheiden lag die Anerkennungs­rate bei 38%.« Eurostat, Presse­mitteilung, 25.4.2019 [wie Fn. 166], S. 2.

179

 Europäische Kommission, »Armut und soziale Ausgrenzung«, <https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=751 &langId=de> (eingesehen am 10.10.2020).

180

 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Mobilität innerhalb der EU. Zugang zu Sozialleistungen und Leistungsausnahmen, Berlin, 11.4.2018, <https://www.bmas.de/DE/Themen/ Soziales-Europa-und-Internationales/Europa/Mobilitaet-innerhalb-EU/zugang-zu-sozialleistungen-und-leistungs ausnahmen.html> (eingesehen am 10.10.2020).

181

 UNHCR, Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, S. 11, <https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/03/Genfer_Fluechtlingskon vention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf> (eingesehen am 10.10.2020).

182

 Europäische Kommission, »Die Europäische Säule sozialer Rechte. Errichtung einer stärker inklusiven und faireren Europäischen Union«, <https://ec.europa.eu/commis sion/priorities/deeper-and-fairer-economic-and-monetary-union/european-pillar-social-rights_de> (eingesehen am 10.10.2020).

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus­zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet.

SWP-Studien unterliegen einem Verfahren der Begut­achtung durch Fachkolle­ginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review), sie werden zudem einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https:// www.swp-berlin.org/ueber-uns/qualitaetssicherung/.
SWP‑Studien geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2020

SWP

Stiftung Wissenschaft und Politik

Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit

Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-200
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org

ISSN 1611-6372