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El Salvadors Bitcoin-Paradies gerät ins Wanken

Kurz gesagt, 17.05.2022 Research Areas

Mit der Einführung des Bitcoins als offizielles Zahlungsmittel hatte El Salvador große Pläne. Nun droht das Krypto-Experiment zu scheitern. Der Bitcoin-Hype könnte das Land in ein wirtschaftliches Desaster stürzen, meint Günther Maihold.

Anfang September 2021 führte El Salvador den Bitcoin (BTC) als weltweit erstes Land als Währung und gesetzliches Zahlungs­mittel ein. Seit dem Höchststand im November 2021 hat der Bitcoin jedoch mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Mit seinen 2.301 Bitcoins ist El Salvador davon massiv betroffen: Das Land hat 103 Millionen US-Dollar investiert. Mitte Mai war sein Bitcoin-Portfolio nur noch rund 70 Millionen Dollar wert. El Salvador läuft damit Gefahr, seine Schulden nicht mehr bedienen zu können, weil deren Deckung durch die abgewerteten Bitcoins nicht mehr gewährleistet ist. Der Internationale Währungsfonds (IWF) möchte angesichts der Absicherung mit der volatilen Risikowährung den notwendigen Kredit von mehr als einer Milliarde US-Dollar nicht gewähren. Das Versprechen größerer fiskalischer und finanzieller Unabhängigkeit hat sich für das Land bislang nicht erfüllt – und es droht, in noch größere Risiken hineinzulaufen: Die Staatsanleihen des Landes wurden von Rating-Agenturen jetzt auf Spekulationsebene eingestuft. Präsident Nayib Bukele, der sich selbst als »CEO El Salvadors« bezeichnet und angesichts der massiven Gewalt durch Jugendbanden mit dem Ausnahmezustand regiert, zeigt sich davon unbeeindruckt. Stattdessen nutzte er die niedrigen Bitcoin-Preise, um vergangene Woche weitere 500 Bitcoins zu erwerben. Damit setzt der Staatschef seinen Hochrisikokurs fort und gleichzeitig die Zukunft seines Landes aufs Spiel.

El Salvadors Bitcoin-Wette

Bitcoin fungiert in El Salvador als zweites Zahlungsmittel neben dem US-Dollar. Präsident Bukele versucht mit dieser Maßnahme, frisches Investmentkapital ins Land zu holen. Die Bewohne­rinnen und Bewohner des mittel­amerikanischen Landes können ihre täglichen Einkäufe mit Bitcoin zahlen und auch ihre Steuern in der digitalen Währung über­weisen. Der Staat führte dafür die digitale Geldbörse Chivo ein und stellte entsprechende Automaten auf. Händler im Land, die über die technische Ausstattung verfügen, müssen BTC-Zahlungen akzeptieren. Um die Akzeptanz und finanzielle Inklusion zu erhöhen, erhielt jede Bürgerin und jeder Bürger ein Startguthaben von rund 30 US-Dollar in Bitcoins. Umfragen zeigen jedoch, dass gerade mal 20 Prozent der Bevölkerung diesen Zahlungsweg noch nutzen, nachdem sie die Einmalzahlung verbraucht haben. Viel bedeutsamer sind für die 6,5 Millionen Menschen die Rücküberweisungen in US-Dollar, die sie von ihren Landsleuten aus den USA erhalten. Diese beliefen sich auf 26,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2021. Aber auch dafür nutzt nur ein geringer Anteil der Bevölkerung den Bitcoin, obwohl dadurch die hohen Überweisungskosten wegfallen. Mit dem massiven Wertverlust des Bitcoins werden nun die strukturellen Probleme der öffentlichen Haushalte sichtbar, denen die Mittel fehlen, um ihre Schulden zu begleichen.

Damit scheint das Bitcoin-Experiment an fiskalischen Problemen zu scheitern. Anhaltende Haushaltsdefizite und ein hoher Schuldendienst führen zu einem großen und steigenden Finanzierungsbedarf. Das Haushaltsdefizit wird für 2021 auf 5,75-Prozent des BIP und für 2022 auf etwa fünf Prozent des BIP geschätzt. Bei der derzeitigen Ausgabenpolitik dürfte die Staatsverschuldung bis 2026 auf etwa 96 Prozent des BIP ansteigen und damit einen nicht tragfähigen Pfad einschlagen, so der IWF im Januar 2022. Die Verwendung von Bitcoin birgt laut dem IWF »erhebliche Risiken für die Finanzstabilität, die finanzielle Integrität und den Verbraucherschutz«. Entsprechend forderte der IWF das Land auf, den Anwendungsbereich des Bitcoin-Gesetzes einzuschränken und den Status von Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel aufzugeben.

Bitcoin-City: das Mega-Krypto-Projekt

Doch der Bitcoin als Landeswährung ist nur der erste Schritt auf dem Weg von Präsident Bukele, sein Land zu einem der Vorreiter im Krypto-Segment zu machen. So hat der Regierungschef mit »Bitcoin City« ein Investitionsprojekt angekündigt, das viele Beobachter als weiteren Marketingcoup einordnen, um den Bitcoin-Tourismus anzufachen. Die neue Stadt soll im Osten des Landes entstehen. Geplant wird das Mega-Projekt rund um den Conchagua-Vulkan, um den hohen Energieverbrauch beim Schürfen (»Mining«) von Bitcoins durch Nutzung der geothermischen Vulkanenergie aufzufangen. Zur Finanzierung des Projekts soll eine in US-Dollar nominierte Staatsanleihe von El Salvador im Wert von einer Milliarde US-Dollar begeben werden, die jeweils zur Hälfte in Bitcoins und den Bau der Stadt fließen soll. Gläubiger dieser »Vulkan-Anleihe« haben nach einem Zeitraum von fünf Jahren Anspruch auf 6,5 Prozent effektiven Jahreszins und BTC-Dividenden. Anleger, die mehr als 100.000 US-Dollar investieren, können die Staatsbürgerschaft und einen zweiten Reisepass des Landes erhalten. Doch die für März 2022 angesetzte Begebung der Anleihe wurde verschoben; Grund dafür ist nach Aussagen der Regierung El Salvadors der Kursverfall bei den Bitcoins und das schlechte Investitionsklima nach Beginn des Ukrainekrieges.

Bitcoin-Verfall und Fiskalkrise – eine schlechte Kombination auch für Nachahmer

Angesichts der weltpolitischen Verwerfungen ist heute nicht absehbar, wie lange der gegenwärtige Abwärtstrend bei Bitcoins anhalten wird. Das Risikopotential ist jedoch dann besonders hoch, wenn öffentliche Gelder in eine spekulative Währung investiert werden, so dass damit auch die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürgern sowie die Renten bedroht sind. Die Verschuldungssituation El Salvadors stellt dafür eine massive Gefahr dar. International steht die Kryptowährung zudem in der Kritik, weil mit ihr US-Sanktionen umgangen würden. Zudem würden Kontrollmaßnahmen im Zahlungsverkehr unterlaufen, die der Bekämpfung von Geldwäsche etwa durch die organisierte Kriminalität dienen. Dass jetzt gerade die Zentralafrikanische Republik als zweites Land den Bitcoin eingeführt hat, muss beunruhigen, wuchert doch die illegale Ökonomie dort in besonderem Maße. Für das Bitcoin-Ökosystem sind damit weitere Instabilitäten durch fragile Partner zu erwarten.