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Der Donbas-Konflikt

Widerstreitende Narrative und Interessen, schwieriger Friedensprozess

SWP-Studie 2019/S 03, 08.02.2019, 39 Pages

doi:10.18449/2019S03

Research Areas

Russland annektierte 2014 in Reaktion auf den Kyiwer »Euromaidan« die Krim und entfachte einen Krieg im Osten der Ukraine. Dort herrscht seitdem ein bewaffneter Konflikt, in dem bis heute Menschen sterben. Seit fünf Jahren versuchen Deutschland und seine westlichen Partner, diesen Konflikt durch Verhandlungen politisch zu lösen – bislang jedoch ohne Erfolg. Die Minsker Waffenstillstands-Vereinbarungen von 2014 und 2015 sind nicht umgesetzt.

Verantwortung dafür tragen die Akteure. Die separatistischen »Volks­republiken« in Donezk und Luhansk, die fast vollständig von Russland abhängig sind, haben seit 2014 diktatorische, quasi-staatliche Strukturen aufgebaut. Russland ist Konfliktpartei, weigert sich aber, dies anzuerkennen. Die Ukraine hat einige ihrer Verpflichtungen gemäß den Minsker Vereinbarungen erfüllt, andere nicht. Hinzu kommen negative Dynamiken auf allen Ebenen des Konflikts. Kyiw und die »Volksrepubliken« driften immer weiter auseinander. Die humanitäre Notlage von Millionen Menschen entlang der Konfliktlinie ist bedrückend und droht in dauerhafte Armut und Unter­entwicklung überzugehen.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten nähern sich dem Konflikt arbeitsteilig. Brüssel erhält die Sanktionen gegen Russland aufrecht und treibt die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine voran. Deutschland und Frankreich gestalten die Friedensverhandlungen im sogenannten Normandie-Format. Alle Konfliktparteien müssen angehalten werden, Eskalationsrisiken zu vermeiden. Viel stärkeres Augenmerk als bisher muss der lokalen Ebene und der humanitären Katastrophe dort gelten. Schritte auf dieser Ebene haben eine begrenzte Reichweite, sind aber unabdingbar für weitergehende Friedenslösungen.

Dr. Sabine Fischer ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien. Derzeit ist sie von der SWP beurlaubt und im Rahmen des EU-finanzierten Projekts »Public Diplomacy. EU and Russia« in Moskau tätig.

Problemstellung und Empfehlungen

Russland annektierte 2014 in Reaktion auf den Kyiwer »Euromaidan« die Krim und entfachte einen Krieg im Osten der Ukraine. Dort herrscht seitdem ein bewaffneter Konflikt, in dem bis heute Menschen sterben. Seit fünf Jahren ver­suchen Deutschland und seine westlichen Partner, diesen Konflikt durch Ver­handlungen einer politischen Lösung zuzuführen. Grundlage sind die 2014 und 2015 ausgehandelten Minsker Vereinbarungen, die die Modalitäten für einen dauerhaften Waffenstillstand und die Reinte­gration der umstrittenen Territorien in die Ukraine festlegen. Die Voraussetzungen für eine Implementierung der Vereinbarungen und damit für Frieden im Osten der Ukraine ver­schlechtern sich jedoch immer weiter – wie auch im November 2018 die Eskalation in der Meerenge von Kertsch zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer gezeigt hat.

Verantwortlich für diese Situation sind die Akteure. Die separatistischen »Volksrepubliken« in Donezk und Luhansk haben seit 2014 diktatorische, quasi-staatliche Strukturen aufgebaut, die bereits als solche den Minsker Vereinbarungen widersprechen. Sie sind politisch und wirtschaftlich von Russland abhängig und kaum in der Lage, eigenständig zu agieren. Die Ukraine hat einige ihrer Verpflichtungen umgesetzt, andere nicht. Die Minsker Vereinbarungen sind auf ukrainischer Seite höchst umstritten. Viele Politikerinnen und Politiker kritisieren, dass ihre Umsetzung den russischen Einfluss auf die ukrainische Innen- und Außenpolitik verstetigen würde. Es gibt starke Tendenzen in der ukrainischen Innenpolitik, die Kon­fliktgebiete zu isolieren. Mit den 2019 anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen werden sich die internen Kontroversen weiter verschärfen. Russ­land weigert sich bis heute, seine Rolle als Konfliktpartei anzuerkennen. Dabei steuert Moskau die Volksrepubliken militärisch, politisch und wirtschaftlich, um sich Einfluss in der Ukraine zu sichern. Die russische Politik erhält einerseits die Minsker Verein­barungen aufrecht (und unterdrückt abweichende Ambitionen in den Volksrepubliken und in Russland), unternimmt andererseits jedoch wenig, um deren Umsetzung voranzutreiben. Alle Konflikt­parteien verstoßen regelmäßig gegen die Sicherheitsbestimmungen von Minsk und versuchen, ihre militärische Position entlang der Konfliktlinie zu verbessern.

Der Donbas-Konflikt zeigt negative Dynamiken auf all seinen Ebenen. Kyiw und die Volksrepubliken driften immer weiter auseinander. Dazu trägt auch die humanitäre Notlage im Konfliktgebiet bei, der die ukrainische Führung bislang nicht wirksam entgegen­tritt. Mit zunehmender Isolation der umstrittenen Gebiete wächst gleichzeitig deren Abhängigkeit von Russland. Die Ukraine und Russland haben sich in rasantem Tempo entfremdet. Sie pflegen einander ausschließende Narrative. Kyiw betrachtet die Anne­xion der Krim und den Konflikt im Donbas als Teil eines russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Russland und mit ihm die Separatisten in den um­kämpften Territorien beharren darauf, dass es sich beim Donbas-Konflikt um einen ethno-politisch be­dingten innerstaatlichen Krieg handle. Zwischen diesen Narrativen gibt es keine Schnittmengen und keinen Raum für Kompromisse. Auch das Verhältnis zwischen Russland und den konfliktrelevanten west­lichen Akteuren EU, Nato und USA hat sich drastisch verschlechtert, was eine Lösung weiter erschwert. Die verschiedenen Konfliktebenen sind eng miteinander verbunden, und die Friedenshemmnisse verstärken sich gegenseitig. Fortschritte sind unter diesen Bedin­gungen sehr schwer zu erzielen.

Deutschland und die EU haben sich dem Konflikt bislang arbeitsteilig genähert. Berlin übernahm, ge­meinsam mit Paris, eine zentrale Rolle im sogenannten Normandie-Format, das bis heute der wichtigste politische Verhandlungsstrang zum Donbas-Konflikt ist. Die EU verhängte 2014 im Zusammenhang mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbas Sanktionen gegen Russland. Daneben konzentriert sie sich auf die Implementierung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens. Berlin und Brüssel haben nur begrenzten Einfluss auf die erwähnten Friedenshemmnisse im Donbas-Konflikt. Dies gilt besonders für die Volksrepubliken, mit denen die EU keine Beziehungen unterhält, und Russland, zu dem das Verhältnis zerrüttet ist. Die Ukraine hat sich für eine EU-Assoziierung entschieden und ist Argumenten aus Berlin und Brüssel gegenüber offener als Russland. Allerdings erschwert die innenpolitische Dynamik auf ukrainischer Seite regelmäßig die Kommunikation über den Konflikt. Aus deutscher und europäischer Perspektive kommt hinzu, dass die USA heute ein wesentlich weniger verlässlicher Partner bei den Friedensbemühungen sind. Zwar trägt Washington das zentrale Ziel westlicher Politik, die Wiederherstellung von Souveränität und territorialer Integrität der Ukraine, weiter mit. Doch ist die amerikanische Poli­tik aufgrund der innenpolitischen Dynamik zwischen Präsident Trump und dem Kongress im Hinblick auf die Sanktionen wie auch den Verhandlungsprozess volatiler geworden.

Ich danke meinen Interviewpartnern und ‑part­ne­rinnen für das Vertrauen, das sie mir entgegengebracht haben. Ohne die von ihnen gewährten Ein­blicke hätte diese Studie nicht entstehen können. Für wertvolle, inspirierende Kommentare und Hinweise in verschiedenen Stadien des Schreibprozesses danke ich Muriel Asseburg, Volker Perthes, der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien sowie insbesondere Susan Stewart und Steffen Halling. Schließlich danke ich Julia Mierau und Anastasia Vishnevskaya-Mann für ihre unermüdliche Unterstützung bei der Samm­lung und Verarbeitung des Materials für die Studie.

Der Donbas-Konflikt: Gegen­stand, Verlauf, internationale Friedensbemühungen

Die umstrittenen Territorien1 im Osten der Ukraine umfassen einen Teil der Gebiete (Oblasti) Donezk und Luhansk. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Region als »Donbas« bezeichnet.2 Der Begriff geht zurück auf »Donezkij Bassein« (Donezker Becken) und bezieht sich auf das rohstoffreiche Gebiet um den Fluss Siverski Donez, der sich über rund 500 Kilo­meter zwischen den Flüssen Dnipro (Ukraine) und Don (Russland) erstreckt. Das gesamte Bassin ist ca. 60 000 Quadratkilometer groß, was neun Prozent des ukrainischen Staatsterritoriums entspricht.3 Die Grenze mit Russland, die entlang der beiden Gebiete verläuft, ist etwa 920 Kilometer lang; davon sind heute etwa 410 Kilometer nicht unter der Kontrolle des ukrainischen Staates. Es gibt keine natürlichen Barrieren wie Flüsse oder Gebirgszüge entlang dieser Grenze, sondern nur flaches Steppenland. Die Grenze ist zudem nicht durchgängig demarkiert.4

Der Aufstieg der historisch randständigen und schwach besiedelten Grenzregion begann erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, als im Zuge der einsetzenden Industrialisierung die dortigen Rohstoff­vorkommen Bedeutung erlangten. Aus dieser Ent­wicklung ergab sich, vor allem in sowjetischer Zeit, auch die spezifische Besiedlungs- und Bevölkerungsstruktur des Donbas. Er ist bis heute die am stärksten urbanisierte Region der Ukraine (20 Prozent der ukrainischen Städte liegen hier) und hat einen hohen Anteil an russischen und russischsprachigen Einwoh­nerinnen und Einwohnern mit vergleichsweise star­ken Bindungen an die Sowjetunion bzw. Russland. Allerdings belegen Studien über die Zeit seit der ukrainischen Unabhängigkeit 1991, dass sich die Be­völkerung zunehmend mit dem Donbas als Region sowie auch mit dem ukrainischen Staat identifizierte.5 Vor Ausbruch des Krieges im Frühjahr 2014 machten die Einwohnerinnen und Einwohner des Donbas ca. 16 Prozent der ukrainischen Gesamt­bevölkerung aus. Sein Anteil an der ukrai­nischen Gesamtwirtschaft belief sich auf 8,4 Prozent.6 Die ökonomische Bedeutung der Region war seit den 1990er Jahren kontinuierlich geschrumpft, weil es an Investitionen fehlte und die vorhandenen Industrieanlagen veralteten. Die wirtschaftlichen Probleme führten auch zur Abwanderung von Teilen der pro­duktiven Bevölkerung.

Konfliktverlauf: Eskalation, Internationalisierung, Isolation

Karte 1

 Der Donbas in der Ukraine

Quelle: www.humanitarianresponse.info

Der Krieg im Donbas war nach der russischen Krim-Annexion der zweite Territorialkonflikt, der in der Ukraine ausbrach, nachdem Präsident Wiktor Janu­kowytsch infolge des sogenannten Euromaidan am 21. Februar 2014 gestürzt worden war.7 Wie auch auf der Krim kam es im Osten des Landes im Frühjahr zu Demonstrationen und gewaltsamen Zusammen­stößen zwischen Unterstützern und Gegnern des Euro­­maidan. Die Ereignisse betrafen zunächst ein großes Gebiet im Südosten der Ukraine, das sich von Odesa über Mariupol am Asowschen Meer bis nach Donezk und Luhansk erstreckte. Es gab Todesopfer, so in Odesa am 2. Mai 2014, als 42 Maidan-Gegnerin­nen und ‑Geg­ner in einem bren­nenden Gebäude ihr Leben verloren.8 Aufständische besetzten Regierungsgebäude in zahlreichen Städten sowie wichtige Ver­kehrsknotenpunkte und Grenzübergänge nach Russ­land. Während die separatis­tischen Milizen an der Eroberung größerer regionaler Zentren wie Charkiw, Odesa und Mariupol scheiterten, konnten sie sich in anderen, westlich von Donezk und Luhansk gele­genen Städten wie Kramatorsk und Slowjansk über mehrere Monate festsetzen.9

Die Aufständischen riefen im April 2014 die Volksrepubliken Donezk und Luhansk aus. Am 11. Mai fanden in beiden Gebieten unter zweifelhaften Bedin­gungen international nicht anerkannte Refe­ren­den statt. Laut der Organisatorinnen und Organisatoren stimmten über 90 Prozent der Befragten für die Errichtung der Volksrepubliken.10

Kyiw erwies sich in den ersten Monaten des Krieges als vollkommen überfordert, was den Rebellen einen militärischen Vorteil verschaffte. Die ukrainische Interimsregierung setzte ab April im Rahmen einer Anti-Terror-Operation (ATO) die ukrainischen Streit­kräfte ein, um die Separatisten zu bekämpfen, erlitt zunächst jedoch herbe Niederlagen. Im gleichen Zeitraum fanden zunehmend Kämpfer und schwere Waffen den Weg über die russisch-ukrainische Grenze ins Kriegsgebiet. Mit der Zeit gelang es der ukrainischen Seite jedoch, sich militärisch besser zu organisieren und von den Separatisten besetzte Orte zurückzuerobern. Am 17. Juli 2014 wurde über der Kampfzone ein malaysisches Passagierflugzeug (MH17) durch eine russische Buk-Flugabwehrrakete abgeschossen. Alle 298 Insassen kamen ums Leben. EU, USA und Nato betrachteten die russische Teil­nahme am Krieg damit als belegt und verschärften ihre Sanktionen.11 Als im August 2014 die separatis­tischen Kräfte trotz der Unterstützung aus Russland kurz vor dem militärischen Aus standen, griffen russische Truppen aktiv in das Kampfgeschehen ein und fügten der ukrainischen Seite bei Ilowaisk eine verlustreiche Niederlage zu.12 Unter dem Eindruck dieser Schlacht kam am 5. September in Minsk durch internationale Vermittlung eine erste Waffenstillstandsvereinbarung, das Minsker Protokoll, zustande (siehe S. 12). Als der Krieg Anfang des folgenden Jah­res erneut eskalierte, wurde am 12. Februar 2015 ein Paket von 13 konkreten Maßnahmen zur Umsetzung des Minsker Protokolls verabschiedet.13

2014 und 2015 waren die verlustreichsten Kriegsjahre. Die Vereinten Nationen zählten bis November 2015 etwa 9100 Tote und 20 700 Verletzte.14 Seit 2016 liegt die Opferzahl bei jährlich 500 bis 600 Toten. Die Situation entlang der Konfliktlinie bleibt instabil, obwohl die Waffenruhe regelmäßig erneuert wird. Beide Seiten streben weiterhin danach, Gelände zu gewinnen und den Verlauf der Konfliktlinie zu ihren Gunsten zu verändern. Es kann daher bis heute nicht, wie beispielsweise in den Konflikten um Trans­nis­trien, Abchasien oder Südossetien, von einem stabilen militärischen Status quo gesprochen werden.15

Karte 2

 Das Konfliktgebiet

Quelle: www.humanitarianresponse.info

Dies zeigte auch die Eskalation um die Meerenge von Kertsch. Am 25. November 2018 griffen Kriegsschiffe des russischen Grenzschutzes zwei ukrainische Artillerieboote und einen Schlepper an, die ver­sucht hatten, von Odesa kommend auf dem Weg nach Mariupol die Meerenge von Kertsch ins Asowsche Meer zu passieren. Mehrere ukrainische Matrosen wurden teils schwer verletzt. Die gesamte Besatzung wurde festgenommen und in das Moskauer Lefortowo-Gefängnis gebracht. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko verhängte daraufhin in den an Russland und die Krim grenzenden Gebieten für 30 Tage das Kriegsrecht und verlangte die sofortige Freilassung der gefangenen Besatzungsmitglieder. Aus ukrainischer Perspektive handelte es sich bei dem Vorfall um eine weitere Stufe der russischen Aggression mit dem Ziel, nun auch das Asowsche Meer und möglichst sein Nordufer, das die Konfliktzone im Donbas mit der Krim verbinden würde, unter eigene Kontrolle zu bringen. Russland wiederum behauptet, die ukrainischen Schiffe hätten »seine Territorial­gewässer« um die Krim verletzt.

2017 verhängte die ukrainische Regierung eine Wirtschaftsblockade über die nicht von ihr kontrollierten Gebiete.

Die Eskalation bei Kertsch war absehbar und ge­wissermaßen eine Folge der Krim-Annexion. Schon während des Baus der Brücke von Kertsch (2016–2018), die das russische Festland mit der Halbinsel verbindet, spitzte sich die Lage an der Meerenge zu. Die Brücke schränkt den Zugang zum Asowschen Meer und damit zu den ukrainischen Hafenstädten Mariupol und Berdjansk empfindlich ein; die Ukraine erlitt so bereits beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden. Die russische Flotte hat ihre Präsenz in der Meerenge seit 2017 kontinuierlich verstärkt und durchfahrende Schiffe immer massiver kontrolliert.16 Die Stadt Mariupol liegt sehr nahe an der heutigen Konflikt­linie. 2014/2015 drängten Separatisten und nationalistische Kräfte in Russland auf ihre Ein­nah­me, um eine Landbrücke zur Krim herzustellen. Nun schaffen die Brücke von Kertsch und die mit ihr verbundenen Kräfteverschiebungen im Asowschen Meer eine potentiell explosive Verbin­dung zwischen der annek­tierten Krim und den Konfliktgebieten im Donbas.

Auch die wirtschaftliche Blockade der nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (im Folgenden als NRKG bezeichnet) ab Frühjahr 2017 war ein wichtiger Einschnitt im Verlauf des Konflikts. Sie ging zunächst von rechtsgerichteten Veteranen und Aktivisten in der Ukraine aus, die gegen den »Bluthandel« mit den NRKG protestierten, weil er die separatistischen Regime am Leben erhalte. Die Regie­rung in Kyiw argumentierte zunächst gegen eine Isolation der Gebiete und verwies auf wirtschaftliche wie humanitäre Konsequenzen. Sie konnte dem Druck jedoch nicht standhalten. Am 15. März 2017 unterband sie offiziell den wirtschaftlichen Austausch mit den NRKG. Anfang des Monats hatten die Machthabenden in Donezk und Luhansk 40 Unter­nehmen, die bis dahin noch in den von Kyiw kontrol­lierten Gebieten (RKG) registriert waren, unter »zeit­weise externe Verwaltung« gestellt, was de facto einer Enteignung gleichkam.17 Beide Seiten waren in der Folge gezwungen, sich den neuen Realitäten anzu­passen. Für die Ukraine waren die wirtschaftlichen Auswirkungen weniger hart als zunächst befürchtet.18 In den NRKG jedoch brach die industrielle Pro­duktion zusammen, was schwerwiegende Folgen für die ökonomische Lage hatte. Abgesehen von Schmuggel und Schwarzhandel sind die RKG und die NRKG heute wirtschaftlich vollständig voneinander isoliert.

Friedensverhandlungen und Minsker Vereinbarungen

Die internationalen Bemühungen, einer Ausweitung des gewalthaften Konflikts in der Ostukraine ent­gegenzuwirken, begannen im Frühjahr 2014. Im März des Jahres beschloss der Ständige Rat der OSZE, eine Special Monitoring Mission (SMM) in die Ukraine zu ent­senden. Die SMM ist eine unbewaffnete, zivile Mission, deren Mandat vorsieht, politische Entwicklungen und die Menschenrechtssituation in der gesamten Ukraine zu dokumentieren.19 Seit September 2014 beobachtet die SMM auch die (Nicht-) Ein­haltung des Waffenstillstands im Donbas.20 Die Arbeit der Mission konzen­triert sich stark auf den Osten des Landes.21 Sie ist von anfangs etwa 100 auf über 700 Beobachterinnen und Beobachter aus 44 OSZE-Staaten und insgesamt 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsen.22

Im Juni 2014 nahm die von der OSZE koordinierte Trilaterale Kontaktgruppe (TKG), bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Ukraine, Russlands und der Separatisten, ihre Arbeit auf. Sie trifft sich seit September 2014 alle zwei Wochen in Minsk. Seit Mai 2015 erfolgen die Gespräche in vier Arbeitsgruppen (Sicherheit, Politik, Wirtschaft, humanitäre Fragen). 2014/2015 koordinierte die Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini als Sondergesandte des OSZE-General­sekretärs die Arbeit der TKG. Sie wurde im Sommer 2015 von dem österreichischen Diplomaten Martin Sajdik abgelöst.

Das sogenannte Normandie-Format entstand aus einem Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs von Ukraine, Russland, Frankreich und Deutsch­land anlässlich des 70. Jahrestages der alliier­ten Landung in der Normandie im Juni 2014. Die Vierer­gruppe setzte ihre Gespräche auf verschiedenen Ebenen (Außenminister, Staatssekretäre, Berater) fort und bildete den politischen Rahmen für die Verhandlungsrunden in Minsk im September 2014 und Feb­ruar 2015. Außerdem entstand im Mai 2015 ein infor­meller amerikanisch-russischer Verhandlungsstrang, der auf US-Seite von Assistant Secretary of State Victoria Nuland, auf russischer zunächst vom stellvertretenden Außenminister Grigorij Karasin, später von Präsi­dentenberater Wladislaw Surkow bespielt wurde.23 Im Juli 2017 übernahm der US-Diplomat Kurt Volker die Gespräche für die Trump-Administration.

Die Minsker Vereinbarungen bleiben das vorerst wichtigste Ergebnis der internationalen Friedens­bemühungen. Sie bestehen aus zwei Dokumenten, die im September 2014 und im Februar 2015 im Rahmen der TKG und mit Unterstützung des Nor­mandie-Formats in Minsk ausgehandelt wurden. Die Vereinbarungen vom 5. September 2014 umfassten die Gewährleistung eines sofortigen Waffenstillstands und seine Beobachtung durch die OSZE; die Dezentralisierung in der Ukraine, unter anderem durch ein Sonderstatusgesetz für die umstrittenen Gebiete; die Schaffung einer Sicherheitszone entlang der ukrai­nisch-russischen Grenze und ihre Überwachung durch die OSZE; die Freilassung aller Geiseln und gesetzwidrig festgehaltenen Personen; ein ukrainisches Amnestiegesetz; die Fortsetzung eines gesamtnationalen Dialogs; Maßnahmen zur Verbesserung der huma­nitären Lage im Donbas; Lokalwahlen in den umstrittenen Gebieten unter ukrainischer Kon­trolle und internationaler Beobachtung; den Abzug aller ungesetzlichen bewaffneten Einheiten aus der Ukraine; die Verabschiedung eines Programms zum Wiederaufbau des Donbas; die Gewährleistung der persönlichen Sicherheit der Teilnehmer an den Kon­sultationen.24 Das zweite Minsker Dokument vom 12. Februar 2015 (häufig auch Minsk II genannt) listete konkrete Maß­nahmen und Schritte auf, die dazu dienen sollten, die Vereinbarungen bis Ende 2015 durchzusetzen.25

Die Separatisten verpflichteten sich mit ihrer Unterschrift unter die Minsker Dokumente in letzter Konsequenz dazu, ihre bewaffneten Verbände sowie die in den Volksrepubliken entstehenden quasi-staatlichen Strukturen aufzulösen und die schritt­weise Reintegration der Gebiete in den ukrainischen Staat zuzulassen. Die Ukraine sagte über die Einhaltung der Waffenruhe hinaus zu, informelle Kampfverbände aufzulösen, ein Amnestiegesetz, ein Sonder­statusgesetz und eine Verfassungsänderung zu erlas­sen, Sozial- und Rentenzahlungen an die Bevölkerung in den Gebieten wiederaufzunehmen sowie eine Strategie zum wirtschaftlichen Wiederaufbau des Konfliktgebiets zu entwickeln.

Die Parteien waren außerstande, sich auf die Reihenfolge von politischen und militärischen Maßnahmen zu einigen.

Da die Minsker Vereinbarungen Russland nicht als Konfliktpartei behandeln, lassen sich aus ihnen auch keine Verpflichtungen für Moskau ableiten. Auch Punkt 10 des Maßnahmenpakets, der den Abzug »aller ausländischen bewaffneten Formationen und militärischer Ausrüstung« vorsieht, enthält keinen direkten Bezug zu russischen Truppen und freiwil­ligen Kämpfern. Angesichts der anhaltenden politi­schen und militärischen Unterstützung der Separatisten durch Russland ergibt sich daraus ein Ungleichgewicht, das die Umsetzung der Vereinbarungen bis heute unterminiert.

Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen gelang es nicht, das Minsker Maßnahmenpaket wie vereinbart bis Ende 2015 zu implementieren. Die Parteien waren außerstande, sich auf die Reihenfolge von politischen und militärischen Maßnahmen zu einigen. Hauptstreitpunkte waren die Modalitäten für die Durchführung von Wahlen, der Status der Gebiete im ukrainischen Staat und der Zeitpunkt, zu dem Kyiw die vollständige Kontrolle der Grenze zu Russ­land zurückerhalten sollte. Die Ukraine argumen­tierte, sie könne die politischen Bedingungen nicht erfüllen, bevor die Waffenruhe endgültig hergestellt sei. Russland und die Separatisten wiederum forder­ten, die politischen und die sicherheitsbezogenen Bestimmungen parallel umzusetzen. Im Herbst 2016 unterbreitete der damalige deutsche Außen­minister und OSZE-Vorsitzende Frank-Walter Stein­meier einen Vorschlag, der diese Widersprüche auf­lösen sollte. Die »Steinmeier-Formel« beschreibt detailliert den ineinander verschränkten Ablauf von Truppenrückzug, Wahlen in den umstrittenen Gebie­ten und schließlich der Wiederherstellung ukrainischer Kon­trolle über sie. Die TKG einigte sich zeit­gleich auf ein Entflechtungsabkommen.26 Beim Tref­fen der Staats- und Regierungschefs im Normandie-Format am 19. Oktober 2016 in Berlin wurde verein­bart, eine Wegekarte zur Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets zu erarbeiten.

Doch bis heute sind weder die Maßnahmen gemäß der »Steinmeier-Formel« implementiert, noch haben sich die Konfliktparteien auf eine Wegekarte geeinigt. Den vorerst letzten Schub erhielten die internationalen Friedensbemühungen, als Wladimir Putin Anfang September 2017 den Vorschlag machte, die UN soll­ten eine Mission zum Schutz der SMM entlang der Kon­fliktlinie entsenden. Petro Poroschenko begrüßte, dass Moskau sich endlich auf eine Diskussion über einen UN-Einsatz einlasse. Tatsächlich hatte die ukrainische Führung bereits 2015 die Entsendung einer UN-Friedenstruppe vorgeschlagen, jedoch mit Zugang zum gesamten umstrittenen Gebiet und zur russisch-ukrainischen Grenze. Angesichts der Eska­lation bei Kertsch schlug der Sondergesandte des OSZE-Generalsekretärs, Martin Sajdik, im Dezember 2018 beim OSZE-Ministerrat in Mailand eine gemein­same Mission der OSZE und der Vereinten Nationen im Konfliktgebiet vor.27 Sein Diskussionspapier ist bis­lang von den Parteien weder angenommen noch ver­worfen worden. Noch liegen die Vor­stellungen in Kyiw und Moskau zu weit auseinander, als dass ein Kompromiss möglich wäre.28

Die Arbeit der TKG konzentriert sich auf die konkrete Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, die Situation im Konfliktgebiet und die Lösung dort unmittelbar anstehender Probleme. Dabei konnten die Arbeitsgruppen zu Wirtschaft und humanitären Fragen zumindest in den ersten beiden Verhandlungsjahren begrenzte Fortschritte erzielen. Die Arbeitsgruppen zu Politik und Sicherheit sind dage­gen blockiert. Dies liegt vor allem daran, dass hier die umstrittensten Fragen von Status und Sicherheit verhandelt werden. Aber auch die Konstellation in den beiden Verhandlungsformaten liefert eine Erklä­rung. Während die Separatisten in der TKG vertreten sind, haben sie keinen Zugang zum Normandie-Format. Politische Fragen werden auf ukrainischen und russischen Wunsch im Normandie-Format ohne Beteiligung der Separatisten verhandelt. Moskau be­steht aber darauf, Ergebnisse durch die TKG – und damit auch von den Separatisten – bestätigen zu lassen. So wahrt die russische Seite einerseits ihre Entscheidungshoheit in politischen und Sicherheitsfragen. Andererseits versucht sie, die übrigen Be­tei­ligten einschließlich der Ukraine zur Anerkennung der Separatisten als Verhandlungspartner zu zwin­gen.29

Die Volksrepubliken Donezk und Luhansk – eigenständige Akteure oder Marionetten Russlands?

Die Volksrepubliken Donezk und Luhansk sind sehr junge Gebilde, die unter den Bedingungen eines andauernden bewaffneten Konflikts existieren.30 Darin unterscheidet sich ihre Situation von jener der Sezessionsgebiete in der Republik Moldau und im Südkaukasus, die seit Mitte der 1990er Jahre bestehen und begrenzt funktionsfähige, de-facto-staatliche Strukturen aufgebaut haben. Sie verfügen zwar nicht über internationale Anerkennung, wohl aber über ein gewisses Maß an Legitimität gegenüber ihrer Bevöl­kerung.31 Davon sind die beiden Volksrepubliken im Donbas weit entfernt. Ihre Entstehung ist wesentlich stärker auf gezieltes russisches Eingreifen zurück­zuführen als die der »alten« De-facto-Staaten. Sie sind nicht nur wirtschaftlich vollständig von Russland abhängig, sondern werden auch politisch direkt aus Moskau gesteuert.32 Offen bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ob die beiden Volksrepubliken auf längere Sicht den anderen De-facto-Staaten ähnlicher werden könnten – waren doch auch diese, in unterschied­lichem Maße, während ihrer Entstehungsphase durch dezentrale Herrschaft irregulärer Kräfte und durch exzessive Gewalt geprägt.33

Der Ursprung der Anti-Maidan-Proteste im Osten der Ukraine ist bis heute höchst umstritten. Die einen gehen davon aus, dass sie von Beginn an das Ergebnis russischer Manipulation waren und ohne diese nicht stattgefunden hätten.34 Andere schreiben sie einer autochthonen Bewegung zu, die ohne russisches Zutun entstand, zu deren Schutz Russland jedoch später eingreifen musste.35 Wieder andere gehen von russischer Einmischung aus, räumen lokalen Akteu­ren aber beschränkte Handlungsautonomie ein.36 Die Frage nach Ursprüngen, Motivation und Ziel­setzung des Aufstands ist gleichzeitig die Frage da­nach, wer für den Ausbruch des Krieges verantwortlich ist. Die Antwort entscheidet darüber, welche Konfliktlösungswege für realistisch gehalten werden. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass in der Bevölkerung des Donbas ein hinreichendes Maß an politischer Frustration vorhanden war, um in der aufgepeitschten Atmo­sphäre des Frühjahrs 2014 Proteste gegen Kyiw aus­zulösen. Ethnisch motivierter Separatismus lässt sich jedoch weder vor noch nach Ausbruch des Krieges feststellen.37

Das frühe Eingreifen russischer Akteure ist vielfach belegt. Unter den bewaffneten Aufständischen fand sich neben lokalen Freiwilligen und Mitgliedern lokaler Eliten38 eine zunehmende Anzahl russischer Staatsangehöriger und Personen, die lange in Russ­land gelebt hatten. Viele von ihnen waren in den sowjetischen und russischen Streitkräften oder Ge­heimdiensten tätig gewesen. Andere hatten enge Verbindungen zur extremistisch-nationalistischen Szene in Russland. Auch Kosakenverbände beteiligten sich aktiv an den Kampfhandlungen.39

Gewaltsame Machtkonflikte

Die Entstehung der Volksrepubliken war geprägt von zahlreichen gewaltsamen Machtkonflikten. Ab Som­mer 2014 wurden besonders radikale Verfechter einer weiteren militärischen Expansion nach Russland ab­gedrängt, verhaftet oder ermordet. Darunter waren Pawel Gubarew und Igor Girkin (Strelkow) in der Donezker Volksrepublik (DVR) sowie der Kosakenführer Nikolaj Kosyzin in der Luhansker Volksrepublik (LVR). An die Spitze der Volksrepublik Donezk setzte sich im August 2014 der Anführer des Bataillons Oplot, Alexander Sachartschenko (Jahrgang 1975), ein ehemaliger Kleinunternehmer aus Charkiw.40 In Luhansk übernahm Igor Plotnizki (Jahrgang 1964) das Ruder, ein ehemaliger Soldat der Sowjetarmee und später in unterschiedlichen ukrainischen Unternehmen tätig.41 Mit der Verdrängung der ersten, radika­leren Generation von Separatisten schwand auch der Widerstand gegen die Minsker Vereinbarungen von September 2014 – zu einem Zeitpunkt, als Russland aufgrund des zunehmenden internationalen Drucks daran interessiert war, den Krieg einzudämmen. Die erste, intensive Phase der »Säuberungsprozesse« dauerte in der DVR bis zum Sommer 2015. In der LVR hielt sie bis in das Jahr 2016 hinein an.42 In beiden Gebieten kam es weiterhin regelmäßig zu Machtkämpfen und Anschlägen.43 Im November 2017 floh Igor Plotnizki im Zuge einer internen Auseinandersetzung nach Russland.44 Der vormalige Staatssicherheitsminister der LVR, Leonid Pasetschnik (Jahrgang 1970), folgte ihm als kommissarisches Staatsoberhaupt. Ein knappes Jahr später, am 30. August 2018, wurde Alexander Sachartschenko bei einem Bombenattentat in Donezk getötet und kommissarisch durch Denis Puschilin (Jahrgang 1981) ersetzt. Pasetschnik und Puschilin wurden am 11. November 2018 durch Wahlen im Amt bestätigt.45

Um die jüngsten Umbrüche in den beiden Gebieten, vor allem um den Tod Sachartschenkos, ranken sich zahlreiche Spekulationen. Sachartschenko hatte als Anführer der politisch und wirtschaftlich gewich­tigeren Volksrepublik weitaus mehr Aufmerksamkeit genossen als sein Kollege Plotnizki.46 Diese nutzte er, um immer wieder mit Kritik an den Minsker Verein­barungen und mit kontroversen Vorschlägen an die Öffentlichkeit zu treten. So verkündete er im Juli 2017 – zur Überraschung Moskaus und der Führung der LVR – die Vereinigung der beiden Volksrepubliken zu einem »Staat Malorossija« (Kleinrussland).47 Moskau bezichtigt die Führung und die Geheim­dienste der Ukraine des Mordes am Rebellenführer. Die ukrainische Seite wiederum zeigt sich überzeugt, dass Russland hinter dem Attentat steckt. Weitere mögliche Erklärungen für das Verbrechen sind Kon­kurrenz zwischen lokalen Akteuren oder ein »Krieg der Kuratoren« in Moskau.48 Leonid Pasetschnik ist ein ehemaliger Mitarbeiter des ukrainischen Geheim­dienstes SBU. Bis November 2017 war er Verteidigungsminister der LVR und einer der Hauptrivalen Plotnizkis.49 Denis Puschilin ist der einzige ostukrainische Separatist, der bereits vor 2014 eine politische Karriere anstrebte.50 Er war 2014 kurz Staatsoberhaupt und bis August 2018 Vorsitzender des Volks­sowjets der DVR. In dieser Phase vertrat er die Entität in der Trilateralen Kontaktgruppe. Er beteiligte sich nicht aktiv an den Kriegshandlungen und gilt als Unterstützer der Minsker Vereinbarungen.

Aufbau quasi-staatlicher Institutionen

Beide Volksrepubliken gaben sich im Mai 2014 »demokratische Verfassungen«, die jedoch in keiner Weise den politischen und gesellschaftlichen Reali­täten in den Gebieten entsprechen.51 Vielmehr sind seither diktatorische Systeme errichtet worden.52 2014 entstanden Regierungen und andere Verfassungsorgane sowie Streit- und Sicherheitskräfte, Geheimdienste und Gerichte.53 Am 2. November des Jahres fanden in beiden Volksrepubliken erstmals – unter Verletzung der Minsker Vereinbarungen – Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Wie die Unabhängigkeitsreferenden von Mai 2014 ent­sprachen weder die Wahlen im November 2014 noch jene im November 2018 internationalen Standards; sie erfolgten ohne internationale Beobachtung und unter Ausschluss der aus den Gebieten geflohenen Menschen.54

Die politischen Institutionen in den Volksrepub­liken verfügen über Personal und Internetauftritte und betreiben unterschiedlich aktiv Informationskampagnen. Politische und wirtschaftliche Konflikte werden jedoch zumeist nicht über diese Institutionen geregelt, sondern informell und häufig mit Gewalt. Die beiden Parlamente sind von den Unterstützergruppen der herrschenden Personen dominiert. Es gibt kein funktionierendes, geschweige denn ein unabhängiges Rechtswesen.55 Medien können nicht frei arbeiten, kritische Journalisten und Blogger sind Repressionen ausgesetzt. Zur politischen Einstellung der Bevölkerung in den Gebieten gibt es keine ver­lässlichen Daten. Augenzeuginnen und ‑zeugen berichten von Apathie und Rückzug in die Privat­sphäre. Die Militär- und Sicherheitskräfte seien Sammelbecken ehemaliger Kämpfer, aber auch von Menschen, die der zunehmenden Wirtschafts­misere entkommen und Zugang zu ökonomischen Ressourcen erhalten wollen. Sie übten willkürliche und brutale Gewalt gegen politische Gegner und gegen die Bevölkerung aus.56 Betroffene haben viel­fach von Folterkellern berichtet, in denen sie ohne juristische Verfahren teilweise über Jahre gequält wurden.57

Wirtschaftlicher Niedergang und Abhängigkeit von Russland

Die Kriegsjahre 2014 und 2015 brachten dem Donbas auf beiden Seiten der Konfliktlinie einen dramatischen wirtschaftlichen Einbruch. In den umkämpften Gebieten wurden große Teile der Industrieanlagen und der Infrastruktur beschädigt, geplündert oder zerstört. Versorgungsketten wurden unterbrochen, der Handel kam zum Erliegen. Das Bankensystem kollabierte, und die Region wurde vom internationalen Finanzverkehr abgeschnitten. Nach Schätzungen sank 2014 die wirtschaftliche Produktivität in der Region um etwa zwei Drittel.58 Ab Ende des Jahres fielen Rentenzahlungen und andere Sozialleistungen aus Kyiw weg, was die sozio-ökonomische Notlage weiter verschärfte. Was blieb, waren allein die noch aktiven ukrainischen Großunternehmen, die weiter­hin eine halbwegs regelmäßige Auszahlung von Löhnen sowie humanitäre Hilfe gewährleisteten.

Russland begann im Laufe des Jahres 2015, Renten, Sozialleistungen und Löhne in den beiden Entitäten auszuzahlen. Dies geschah zögerlich, nicht zuletzt aufgrund der um sich greifenden Wirtschaftskrise in Russland, führte aber zu einer Festigung der neuen Herrschaftsstrukturen – sowie zu ihrer voll­ständigen wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russ­land. Die International Crisis Group schätzte 2016 die Höhe der russischen Finanzleistungen im Osten der Ukraine auf ca. eine Milliarde Dollar im Jahr und den russi­schen Anteil an den Budgets der beiden Territo­rien auf 70–90 Prozent.59

Versuche der Volksrepubliken, auf ihrem Gebiet operierende Unternehmen zu Steuerzahlungen zu bewegen, waren nur sehr begrenzt erfolgreich.60 Die meisten Firmen blieben auf der ukrainisch kontrollierten Seite registriert und agierten zunächst weiter­hin über die Konfliktlinie hinweg.61 Kyiw tolerierte den Handel mit den Volksrepubliken.62 Anthrazit­kohle aus den NRKG wurde zwar schon vor 2017 zunehmend durch Importe aus Südafrika substituiert, auf der ukrainischen Seite aber zunächst weiter zur Verstromung genutzt. Die ukrainisch kontrollierten Gebiete fuhren fort, die (noch verbliebene) stahl­produzierende Industrie in den NRKG mit Eisenerz zu versorgen.63 Ebenso bezogen die NRKG weiter Strom aus den RKG. Auch andere Produkte wurden ge­handelt, wobei Schattenhandel und Korruption ein beträchtliches Volumen erreichten. Dieses Arrangement endete abrupt im März 2017, als Kyiw eine Wirtschaftsblockade über die NRKG verhängte. Die industrielle Produktion in den Volksrepubliken brach zusammen. Zahlreiche Beschäftigte wurden frei­gesetzt, die noch ausgezahlten Löhne um bis zu 50 Prozent reduziert.64 Bemühungen, in Russland neue Absatzmärkte zu erschließen, waren bestenfalls zum Teil erfolgreich.

Die Ukraine: Zwischen Reintegra­tion und Umsetzung der Minsker Vereinbarungen

Kyiw sieht sich nicht in einem Konflikt mit den Machthabenden in Donezk und Luhansk, sondern mit Russland. Die Bevölkerung in den umstrittenen Gebieten gerät dabei leicht in Vergessenheit. Dies erinnert an die Haltung anderer von Abspaltung betroffener Staaten in der Region, besonders Geor­giens in den 2000er Jahren. Petro Poroschenko stimmte im September 2014 und Februar 2015 unter hohem militärischen Druck den Minsker Vereinbarungen zu. Die Dokumente sind in der Ukraine jedoch bis heute äußerst umstritten, und die Umset­zung besonders der politischen Bestim­mungen stockt. Zum einen halten viele ukrainische Akteure die Be­dingun­gen für Wah­len in den NRKG angesichts der instabilen Sicherheitslage dort für nicht gegeben. Zum ande­ren sehen sie die Gefahr, dass der Sonderstatus für die beiden abtrünnigen Gebiete zu einer permanenten Vetomacht Moskaus in der ukrainischen Innen- und Außenpolitik führen könnte.

In Kyiw besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Geschehnisse im Donbas Teil eines hybriden Krieges sind, den Russland gegen die Ukraine führt.65 Moskau will, so die vorherrschende Lesart, mit diesem Krieg die euro-atlantische Integration der Ukraine stoppen und die eigene Vorherrschaft über das ge­samte Land wiederherstellen. Aus dieser Sicht gehört der Konflikt im Osten zu einem existentiellen Kampf, in dem »entweder das ukrainische oder das russische Projekt« überleben wird.

Der Donbas-Konflikt ist demnach nur ein Element dieses Krieges. Aus ukrainischer Perspektive kann es keine Trennung zwischen den Ereignissen im Osten und der Annexion der Krim geben. Sie sind beide Be­standteile ein und derselben russischen Aggression, die darüber hinaus auch noch andere Merkmale »hybrider Kriegführung« aufweist – wie politische Einflussnahme, Cyber-Attacken oder wirtschaftlichen Druck. Eine Konfliktlösung kann aus dieser Perspektive nicht auf den Donbas beschränkt sein, sondern setzt die umfassende Wiederherstellung von Souve­ränität und territorialer Integrität der Ukraine voraus. In den Augen der meisten Gesprächspartnerinnen und -partner ist eine Versöhnung mit Russland weder wahrscheinlich noch möglich. Demzufolge gibt es bis auf weiteres keine Alternative zur engen politischen und militärischen Anbindung an den Westen, um gegen die russische Politik möglichst effizient Wider­stand leisten zu können.

Viele Gesprächspartnerinnen und -partner stellen den russischen Angriff auf die Ukraine außerdem in einen breiteren internationalen Kontext. Sie beschrei­ben ihn als eine von mehreren Dimensionen in Mos­kaus Krieg gegen die liberale Weltordnung und die westliche Staatengemeinschaft. Die Ukraine betrachten sie als Teil des Westens und als Vorposten zur Verteidigung seiner Werte.

Der Kyiwer Diskurs über den Donbas-Krieg konzen­triert sich fast ausschließlich auf die geopolitische Ebene und das Verhältnis zu Russland. Ein solches Narrativ lässt keine lokale Konfliktebene zu. Die sepa­ratistischen Machthaber in Donezk und Luhansk sind demnach keine eigenständig handelnden Akteure, sondern Marionetten, deren Fäden von Moskau aus gezogen werden. Aus Kyiwer Perspektive sind sie Kriminelle und Terroristen, die nicht legitimiert werden dürfen, indem man sie als Konfliktpartei behandelt.

Dass in der Kyiwer Lesart des Konflikts eine lokale Ebene fehlt, hat schwerwiegende Folgen für die Wahrnehmung der betroffenen Zivilbevölkerung. In den Augen der meisten Gesprächspartner und ‑part­nerinnen wurde der Krieg 2014 in Gänze von außen in die Ukraine hineingetragen und entbehrte jeder – politischen oder ethno-politischen – Grundlage in der ukrainischen Gesellschaft. Daher könne es im Donbas nicht um »Versöhnung« (reconciliation) zwischen einzelnen ethnischen oder gesellschaft­lichen Gruppierungen gehen, sondern lediglich um die (Wieder-) Herstellung des Zusammenhalts in ein und derselben Gesellschaft. Die Betonung gesellschaftlichen Zusammenhalts kollidiert allerdings mit dem in Kyiw weitverbreiteten Negativbild des Donbas, der als rückwärtsgewandt, sowjetisch geprägt, un­produktiv und autoritär wahrgenommen wird.66

Friedensbildung ist aus Sicht Kyiws erst möglich, wenn die Gebiete befreit, also wieder voll­stän­dig unter ukrainischer Kontrolle sind.

Die geopolitisch dominierte Sichtweise führt außerdem zu einer rigiden Kategorisierung der Be­völkerung in den Konfliktgebieten. Menschen, die weiter in den umstrittenen Territorien leben bzw. zwischen den RKG und den NRKG pendeln, geraten unter Generalverdacht. Ihnen wird schnell unterstellt, anti-ukrainisch eingestellt zu sein und die von Moskau geleiteten separatistischen Kräfte zu unter­stützen.67 Unter diesen Bedingungen ist Friedens­bildung (nach ukrainischer Auffassung: Wiederherstellung gesellschaftlichen Zusammenhalts) erst möglich, wenn die Gebiete befreit, also wieder voll­ständig unter ukrainischer Kontrolle sind. Wie mit der Bevölkerung und den heutigen Machthabenden dort nach einem Ende des Konflikts umzugehen sein wird, ist Gegenstand einer heftigen Debatte. Sie dreht sich unter anderem um einen Gesetzentwurf zum Verbot von Kollaboration, den die Volksfront-Partei von Arsenij Jatzenjuk vorgelegt hat.68 Einige ukrainische Geprächspartnerinnen und -partner schlossen nicht aus, dass es nach einem Sieg Kyiws zu Ver­geltungsaktionen gegen »Kollaborateure« kommen könnte.69

Streit um die Minsker Vereinbarungen

Auch wenn die Einordnung des Donbas-Krieges unstrittig ist, gibt es im politischen Spektrum der Ukraine erhebliche Meinungsunterschiede darüber, wie mit der russischen Aggression und den umkämpften Gebieten im Osten des Landes umzugehen sei. Viele Akteure sehen in den Minsker Vereinbarungen und besonders in dem Maßnahmenpaket zu ihrer Umsetzung von Februar 2015 ein Diktat Russlands, das die ukrainische Führung in einer Situation mili­tärischer Unterlegenheit akzeptieren musste. Die vorgesehenen politischen Schritte, besonders die Verankerung eines Sonderstatus für die Gebiete in der ukrainischen Verfassung, sind extrem kontrovers. Daher werden die Vereinbarungen in der innenpolitischen Auseinandersetzung immer wieder in Frage gestellt. Die aufgeheizte Atmosphäre verhindert dar­über hinaus, dass Reformfortschritte wie etwa die Dezentralisierung auch im Zusammenhang mit dem Friedensprozess eine Rolle spielen können.70 Andere Themen, wie z.B. die Sprachengesetzgebung, ver­schärfen die Spannungen zusätzlich und werden im Konflikt politisch instrumentalisiert.

Im Vorfeld der für März bzw. Oktober 2019 an­gesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen differenziert sich das Feld der politischen Akteure derzeit mit hoher Geschwindigkeit weiter aus. Die wichtigste Konkurrentin Poroschenkos im Ringen um das Präsidialamt, Julia Timoschenko von der Vater­land-Partei, präsentierte am 30. Oktober 2018 ihre Vorstellungen von einem neuen »Budapest Plus«-Format. Es soll die jetzigen Verhandlungsformate ablösen und neben den Unterzeichnerstaaten des Budapest-Memorandums – Ukraine, Russland, USA und Großbritannien – auch Frankreich, China, Deutschland und die Hohe Vertreterin der EU ein­schließen.71 Im Hinblick auf Russlands Rolle und die Themen Sonderstatus und Amnestie bezog Timo­schenko eine harte Position, erklärte jedoch nicht explizit, die Minsker Vereinbarungen aufkündigen zu wollen.72 Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen ist derzeit ebenso offen wie die Haltung der künftigen Staatsspitze zu den Vereinbarungen.73

Im innenpolitischen Zwist um die Vereinbarungen und den Umgang mit den umstrittenen Gebieten spielen einige rechtsgerichtete Freiwilligenbataillone eine wichtige Rolle.74 Einheiten wie Azov, die Orga­nisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Aidar und andere wurden ab Ende 2014 gemäß den Minsker Vereinbarungen formal in die ukrainischen Streitkräfte integriert; einige von ihnen existieren aber als politische Vereinigungen fort und stehen teilweise der rechtsextremistischen Szene in der Ukraine nahe. Sie waren wesentlich beteiligt an allen wichtigen Protestaktionen gegen Kyiws Politik im Donbas, von Gesetzesinitiativen im Zusammenhang mit dem Minsker Maßnahmenpaket bis hin zur Wirt­schafts­blockade 2017. Auch wenn rechte und rechts­extreme Parteien bei den Wahlen seit 2014 keine nennens­werten Erfolge erzielen konnten, hat natio­nalistisches Gedankengut in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um den Konflikt im Osten (wie auch bei anderen Themen) erheblichen Einfluss. Es gelingt nationalistischen Akteuren immer wieder, die poli­tische Führung zur Anpassung ihrer Politik zu zwingen.

Umsetzung der Minsker Vereinbarungen

Kyiw hat seit 2014 eine Reihe von Schritten unternommen, um den ukrainischen Verpflichtungen im Rahmen der Minsker Vereinbarungen nachzukommen.75 Das Parlament des Landes, die Werchowna Rada, verabschiedete bereits im September 2014 das in Minsk vereinbarte Amnestiegesetz, das jedoch bislang nicht in Kraft ist. Im Oktober 2014 folgte das Sonderstatusgesetz, das, zunächst auf drei Jahre befristet, »bestimmten Gebieten in den Regionen Donezk und Luhansk« Sonderrechte bei der Selbstverwaltung einräumte. Das Gesetz kodifiziert das Recht auf die Verwendung der russischen Sprache in den betroffenen Gebieten und einen Sonderstatus in den Bereichen Verwaltung, Polizei/Sicherheits­kräfte, Wahlen sowie wirtschaftliche und kulturelle Rechte.76 Im März 2015 verfügte Kyiw, das Sonder­statusgesetz könne erst in Kraft treten, wenn in den umstrittenen Territorien freie und faire Lokalwahlen nach ukrainischem Gesetz stattgefunden hätten.77 Im Sommer 2015 präsentierte Präsident Poroschenko der Werchowna Rada einen Vorschlag, wie der Son­der­status für die umstrittenen Territorien in der ukrai­nischen Verfassung verankert werden könnte.78 Die Gesetzgebungsdebatte in der Rada war von Straßenprotesten in Kyiw und Ausschreitungen mit mehreren Toten und Dutzenden Verletzten begleitet.79 Seitdem liegt die Verfassungsänderung auf Eis.

Im Oktober 2018 wurde das Sonderstatusgesetz zur Überraschung der meisten Beobachterinnen und Beobachter ohne weitere Auseinandersetzungen ver­längert. Ein Jahr zuvor war seine Verlängerung nur möglich gewesen, weil die Regierung sie gemein­sam mit dem Entwurf eines neuen Gesetzes zu den um­strittenen Territorien ins Parlament einbrachte. Russ­land wurde darin erstmals explizit als Aggressor und Besatzungsmacht bezeichnet. Das Gesetz verfügte das Ende der Anti-Terror-Operation (ATO) und überschrieb den ukrainischen Streitkräften die Ver­antwortung für die Verteidigung bzw. Befreiung der besetzten Landesteile. Die Vollmachten des ukrainischen Präsidenten im Falle der Eskalation wurden erweitert.80 Auch dieser Gesetzgebungsprozess war von heftigen und teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen begleitet, in deren Verlauf der Bezug zu den Minsker Vereinbarungen aus dem Entwurf verschwand.81 Russland kritisierte das Gesetz umge­hend als Bruch von Minsk.82 Die politische Führung der Ukraine betonte nach dessen Verabschiedung, sie halte an den Vereinbarungen fest. Huma­nitäre Orga­nisationen äußerten sich besorgt, weil das Gesetz kaum Bezug auf die menschliche Not in der Konfliktzone nehme.

Russland: Kontrollierte Destabilisierung mit revisionistischen Mitteln

Politisch wie militärisch spielt Russland eine zentrale Rolle im Donbas-Konflikt. Zugleich hält Moskau an den Minsker Vereinbarungen fest. Anders als im Falle der Krim, die Russland in einem nicht nur revisionistischen, sondern irredentistischen Schritt annektierte, oder bei Abchasien und Südossetien, die es 2008 an­erkannte, bleibt seine Politik im Donbas bislang also am Status quo orientiert. Formal behandelt Moskau die umstrittenen Territorien als Teil des ukrainischen Staates.

Am 4. März 2014 setzte Wladimir Putin auf einer Pressekonferenz den offiziellen Interpretations­rahmen für die russische Politik gegenüber der Post-Maidan-Ukraine. Er beschrieb die Ereignisse in Kyiw als »verfassungswidrigen Umsturz und gewaltsame Machtergreifung« und sprach der neuen ukrainischen Führung jede Legitimität ab. Putin äußerte Verständnis dafür, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer un­zufrieden seien mit einem System, in dem sich seit der Unabhängigkeit des Landes nichts zum Besseren verändert habe. Korruption und Bereicherung der Eliten auf Kosten der Bevölkerung seien in der Ukrai­ne um ein Vielfaches schlimmer als in Russland. Dagegen, so Putin, wendeten sich die Menschen aus nachvollziehbaren Gründen. Andere »Kräfte« hätten dies jedoch ausgenutzt, um einen Staatsstreich her­beizuführen. Nun beobachte man »das Wüten von Neonazis, Nationalisten und Antisemiten« in Kyiw und an anderen Orten der Ukraine. »Und wenn wir sehen, dass solche Willkür auch in den östlichen Lan­desteilen beginnt, wenn die Menschen uns um Hilfe bitten [...], dann behalten wir uns das Recht vor, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel zum Schutz dieser [russischsprachigen, S.F.] Bürger einzusetzen. Und wir halten das für vollkommen legitim.«83

Diese Sichtweise hat sich gehalten. Die Ukraine gilt in Russland auch heute als scheiternder Staat, obwohl die Situation in Kyiw sich trotz Krieges und wirtschaftlichen Einbruchs nach 2014 konsolidiert hat. Mit den bevorstehenden Wahlen in der Ukraine wächst nun wieder die (irrige) Überzeugung, dass in Kyiw russlandfreundliche oder gar pro-russische Kräfte an die Macht zurückkehren könnten.

Motivation für das russische Vorgehen war aber nicht nur der Wunsch, die russischsprachige Bevöl­kerung auf der Krim und im Osten der Ukraine vor einem »faschistischen Mob« zu schützen. Der Macht­wechsel in Kyiw war nach Sicht des Kremls von den USA inszeniert worden, um die Ukraine in die Nato eingliedern und so Russlands Einfluss in seiner Nach­barschaft weiter zurückdrängen zu können.84 Damit waren die Annexion der Krim und die Unterstützung der separatistischen Bewegung im Osten der Ukraine nach russischer Deutung schlicht Akte der (Selbst-) Verteidigung gegen das amerikanische Streben nach einer unipolaren Weltordnung. Mit dem liberal-demokratischen Anspruch rechtfertige die westliche Ordnungspolitik nicht nur Eingriffe in die regionalen Einflusszonen anderer Großmächte (wie Russland), sondern auch in die internen Angelegenheiten anderer Staaten. Die Ukraine steht damit aus Sicht Moskaus in einer langen Reihe westlicher Völkerrechtsverletzungen, vom Kosovo-Konflikt über den Irak-Krieg bis hin zur Intervention in Libyen.85

Der russisch-ukrainische Antagonismus verliert so seinen isolierten Charakter und wird, von Moskau aus gesehen, zum Teil des Großkonflikts, den die USA in Europa und global gegen Russland führen.86 Die Ukraine ist aus russischer Perspektive kein eigenständiger Akteur bzw. Konfliktgegner, sondern wird von den USA gesteuert. Folglich sind mögliche Lösungen auf europäischer und internationaler Ebene, nicht aber im Rahmen der russisch-ukrainischen Beziehungen zu suchen.87 Die Krim ist im russischen Narrativ von der Suche nach Lösungen ausgenommen. Sie gilt als Teil der Russischen Föderation, ihre Annexion als abgeschlossenes Kapitel.88

Elemente der russischen Donbas-Politik

Die russische Politik gegenüber den Nachbarstaaten bedient sich eines revisionistischen Instrumenten­kastens, den sie auch bei den ungelösten Konflikten in der Region einsetzt. In diesen Kon­flikten zeichnet sich Moskaus Handeln durch vier Elemente aus, die in unterschiedlicher Kombination und Stärke auftre­ten.89 Im Donbas-Konflikt lassen sich diese Elemen­te ebenfalls identifizieren.

Militärische Präsenz/militärische Intervention: Moskau bestreitet bis heute sowohl die Lieferung schwerer Waffen und anderer Ausrüstung in die Ostukraine als auch den Einsatz regulärer russischer Streitkräfte dort. Im April 2015 erklärte Putin: »Ich sage [...] geradeheraus und deutlich: Es gibt in der Ukraine keine russischen Truppen.«90 Doch liegen zahlreiche investigative Studien westlicher wie russischer Her­kunft vor, die minutiös nachweisen, dass russische Truppen im Sommer 2014 bei Ilowaisk sowie im Februar 2015 um den Flughafen von Donezk und in Debalzewe eingesetzt wurden. Methodisch basieren diese Studien unter anderem auf Satellitenaufnahmen, Geolokation anhand Fotografien von Kriegs­gerät, in sozialen Netzwerken geposteten Aufnahmen und Aussagen russischer Soldaten, die in der Ukraine eingesetzt waren, Interviews mit solchen Soldaten, mit Zeugen ihrer Einsätze oder Angehörigen sowie Aufnahmen und Zählungen von Särgen, in denen gefallene russische Soldaten nach Russland zurücktransportiert wurden.91 Belastbare Informationen über die nicht von Kyiw kontrollierten Teile der ukrainisch-russischen Grenze sind rar. Die OSZE-Mission hat, ungeachtet ihres umfassenden Mandats, nur eingeschränkten Zugang zu diesem Gebiets­streifen. Die Mission berichtet jedoch immer wieder von LKW-Konvois mit unbekannter Ladung, die die Grenze aus Russland kommend in Richtung Ukraine überquerten. Es wird vermutet, dass die Fahrzeuge militärische Ausrüstung in die Gebiete transportieren.92

Russische Akteure helfen dabei, in den umstrittenen Gebieten quasi-staatliche Strukturen aufzubauen.

Unterstützung beim Aufbau von Staatlichkeit: Russland erkennt die Volksrepubliken nicht an und pflegt keine offiziellen Kontakte mit den Machthabenden in Donezk und Luhansk. Nach den Wahlen von Novem­ber 2018 in den NRKG vermied es der Kreml, die Ergebnisse explizit zu bestätigen. Allerdings sind russische Akteure daran beteiligt, in den Gebieten quasi-staatliche Strukturen aufzubauen. Russland und die beiden Entitäten sind durch ein engmaschiges Netz an »Kuratoren« miteinander verbunden, die in Moskau wie auch in den Regierungsinstitutionen der Volksrepubliken als Berater wirken und so eine Brücke zwischen beiden Seiten bilden. Die zentrale Figur des Kuratoren-Systems ist Wladislaw Surkow, ein Berater des russischen Präsidenten.93 Er steuert nicht nur die Kontakte zwischen den Separatisten und Moskau, sondern auch die politischen Prozesse in den Gebieten. Als Sondergesandter des Kremls spielt er zudem in den Verhandlungen der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk eine wichtige Rolle. Der stellvertretende Premierminister Dmitri Kozak wiederum leitet die »Interministerielle Kommission für humanitäre Hilfe für die betroffenen Teile des Donezker und Luhansker Gebietes«. Dieser obliegt nach Medienberichten neben humanitären Maßnahmen auch die (schatten-) wirtschaftliche Interaktion mit den Gebieten.94

Es wird immer wieder berichtet, dass die involvierten Institutionen abweichende Interessen verfolgen, wie sie in den wiederkehrenden Machtkämpfen in Donezk und Luhansk zutage treten. Beobachter und Beobachterinnen vermuten, dass die russischen Sicherheitsdienste dabei auf Seiten der Hardliner und Minsk-Gegner in den beiden Volksrepubliken stehen. Surkows Auftrag hingegen soll darin bestehen, genau diese Akteure zu kontrollieren und für den Erhalt der Minsker Vereinbarungen zu sorgen. Auch wirtschaftliche Interessen spielen bei den Verbindungen eine Rolle.95 Positions- und Interessenunterschiede in Mos­kau eröffnen den Akteuren in den Volksrepubliken begrenzte politische Spielräume, die sie für lokale Macht- und Verteilungskämpfe nutzen.96

Einbürgerung/Passportisazija: Bereits seit den 2000er Jahren vergibt Moskau die russische Staatsbürgerschaft an Einwohnerinnen und Einwohner Abcha­siens, Südossetiens und Transnistriens. Diese soge­nannte Passportisazija hatte anfangs auch humanitäre Grün­de, denn sie half Menschen in solchen Gebie­ten, aus ihrer Isolation auszubrechen. Doch entwi­ckelte sich die Einbürgerungspolitik zunehmend zum Druck­mittel gegen die einzelnen Rumpfstaaten. Sie leistete außerdem dem Argument Vorschub, Moskau sei ver­antwortlich für das Schicksal der russischen Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Ge­bieten.97

Die Bevölkerung der Krim wurde von Russland bis Ende 2014 eingebürgert. In den beiden Volksrepubliken hingegen verfolgt Moskau bislang eine status-quo-orientierte Politik. Zwar verabschiedete die Duma im Februar 2014 ein Gesetz, das die Einbürgerung russischsprachiger Einwohnerinnen und Einwohner anderer Staaten erleichtert. Es kommt jedoch in den Volksrepubliken nicht zur Anwendung.98 Im Februar 2017 verfügte Putin per Erlass, dass »vorübergehend bis zur politischen Lösung der Situation […] und auf Basis der Minsker Vereinbarungen« in den Territorien ausgegebene Personalausweise, Pässe, Ausbildungsdiplome, Geburts- wie Heiratsurkunden und Ähn­li­ches in der Russischen Föderation anerkannt wer­den sollten. Einwohner und Einwohnerinnen der Gebiete sollten außerdem ohne Visum in die Russi­sche Föde­ration einreisen können.99 Der Kreml betonte, der Erlass diene humanitären Zwecken und stehe im Einklang mit den Minsker Vereinbarungen. Tatsächlich lässt sich aus seinem Wortlaut nicht ableiten, dass die Institutionen, welche die Dokumente aus­stellen, offiziell anerkannt würden. Weitere Vorstöße und Gesetzesinitiativen in der Duma, die darauf ziel­ten, die Einbürgerung der Menschen in den Gebieten zu erleichtern, sind seit 2014 erfolglos geblieben.100 Moskau hat also bislang von massenhaften Einbürgerungen Abstand genommen, wie sie in der Vergangenheit in Abchasien und Südossetien, in geringerem Maße auch in Transnistrien stattfanden.101

Wirtschaftliche Unterstützung: Die wirtschaftliche Bedeutung Russlands für die umstrittenen Gebiete im Donbas ist existentiell. Für die kleinere und öko­nomisch schwächere Volksrepublik Luhansk galt dies von Beginn an stärker als für die Volksrepublik Donezk. Russland leistet nicht nur humanitäre Hilfe, sondern federt auch die schlimmsten Konsequenzen der wirtschaftlichen Isolation ab. Seit die Ukraine 2017 eine Handelsblockade verhängt hat, sind beide Volksrepubliken vollständig darauf angewiesen, Roh­stoffe aus Russland zu beziehen und eigene Produkte dorthin zu liefern. Die Möglichkeiten, Handel zu treiben, bleiben jedoch beschränkt, solange Russland die Entitäten nicht offiziell anerkennt.102 Darüber hinaus agieren russische Unternehmen vorsichtig, da sie westliche Sanktionen fürchten. Um Zahlungen »legal« abwickeln zu können, werden sie über Süd­ossetien gesteuert, das einzige »Partnerland«, das die Volksrepubliken offiziell anerkannt hat.103 Russische Kuratoren sorgten außerdem dafür, dass die Machthabenden in Donezk und Luhansk im März 2017 die betroffenen ukrainischen Unternehmen nicht »natio­nalisierten«, sondern – semantisch im Einklang mit den Minsker Vereinbarungen – »unter externe Kon­trolle« stellten.104 Die offizielle humanitäre Unterstützung aus Russland und die informellen Wirtschaftskontakte dorthin gewährleisten, dass die Herrschaftsstrukturen in den beiden umstrittenen Gebieten über­leben können. Doch bleibt die wirtschaftliche und sozio-ökonomische Lage prekär. Moskau sieht bislang davon ab, seine wirtschaftlichen Kontakte mit den Volksrepubliken auf ein offizielleres Niveau zu heben und auszuweiten.

Der russische Ansatz in diesem Fall weist Gemeinsamkeiten und Unterschiede gegenüber anderen Kon­flikten auf. Russland agiert in der Ukraine seit 2014 wesentlich planvoller und zielstrebiger als in den Bürgerkriegen im Zuge des sowjetischen Zerfalls­prozesses zu Beginn der 1990er Jahre.105 Im Donbas trug die russische Politik gezielt dazu bei, die Kon­flik­te eskalieren zu lassen. Die spezifische Kombination revisionistischer Elemente gegenüber den Volks­republiken ähnelt am ehesten der russischen Heran­gehensweise an die Konflikte um Abchasien und Süd­ossetien in den Jahren vor dem russisch-georgischen Krieg 2008. Es handelt sich jedoch nicht um eine statische Situation – Moskau war bereits mehrmals gezwungen, seine Politik anzupassen (z.B. durch die Anerkennung von Dokumenten). Eine inkrementelle Weiterentwicklung und tiefere Involvierung Moskaus in den ostukrainischen Gebieten, wie sie sich auch in Abchasien und Südossetien über die Jahre vollzog, kann für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden.

Die humanitäre Situation im Konfliktgebiet

Die humanitären Folgen des Krieges haben sich tief in die Gesellschaft des Donbas eingegraben. Sie tragen dazu bei, dass die Distanz zwischen Kyiw und den Menschen in der Konfliktregion, besonders aber in den NRKG, unaufhaltsam wächst.

Im Osten der Ukraine droht eine ursprünglich temporäre Notlage zu dauerhafter Armut und Unter­entwicklung mit allen negativen Konsequenzen zu werden. Die Ernährungslage im Konfliktgebiet hat sich kontinuierlich verschlechtert. Besonders dras­tisch war der Abwärtstrend in den vergangenen drei Jahren. In den Volksrepubliken stieg der Anteil der Menschen ohne Zugang zu ausgewogener Ernäh­rung von 40 Prozent im Jahr 2016 auf 86 Prozent 2017. Auch in den von Kyiw kontrollierten Gebieten ent­lang der Konfliktlinie liegt dieser Anteil bei etwa 55 Prozent.106 Humanitäre Organisationen verweisen auf den Anstieg typischer Symptome struktureller Armut wie Drogenmissbrauch, Alkoholismus und Prostitution, ebenso auf eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung oder Schulunterricht. Die Menschen in den dichter besiedelten Volksrepubli­ken sind davon besonders betroffen. Hier verschärft sich die Notlage proportional zur zunehmenden Isolation.107

Der ukrainische Staat zeigt sich der humanitären Katastrophe kaum gewachsen. Dies hat zum einen damit zu tun, dass die schwachen staatlichen Institu­tionen des Landes vor allem zu Beginn des Krieges schlicht überfordert waren.108 Zum anderen spielt die ambivalente Haltung weiter Teile der politischen Elite eine problematische Rolle. Nicht wenige Politikerinnen und Politiker in Kyiw betrachten den Donbas als unnötige wirtschaftliche Belastung und seine Bevöl­kerung als rückwärtsgewandt und politisch unzuverlässig. Entsprechend gering ist ihre Bereitschaft, sich dafür einzusetzen, dass die humanitäre Not in den vom Konflikt betroffenen Gebieten gelindert wird.109 Hinzu kommt ein Repräsentationsproblem. Das ukrainische Parteienspektrum konzentriert sich seit der Maidan-Revolution stark auf das Zentrum bzw. den Westen des Landes. Die Parteien, die permanent im Osten des Landes präsent sind – der Oppositionsblock und die Kommunistische Partei – haben auf nationaler Ebene deutlich an Bedeutung verloren. So gibt es keine nennenswerte politische Kraft, die die Interessen der Region in Kyiw wirkungsvoll vertreten könnte. Bei den Menschen im Donbas verstärkt dies das Gefühl, vernachlässigt zu werden.110 Strukturelle Asymmetrien und politische Prioritätensetzung in Kyiw spiegeln sich auch auf der Regierungsebene wider. Das 2016 eingerichtete »Ministerium für die zeitweise besetzten Gebiete und Binnenvertriebene« ist poli­tisch wie finanziell schwach und kann sich kaum gegen besser ausgestattete Ressorts durch­setzen. Es wird von anderen Akteuren im staatlichen und außerstaat­lichen Bereich nicht als gewichtiger Spieler wahr­genommen.111

Binnenvertriebene und Rentner

Wie das ukrainische Ministerium für Sozialpolitik im Dezember 2017 angab, lebten auf ukrainisch kon­trol­liertem Territorium knapp 1,5 Millionen registrierte Binnenvertriebene. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass ein beträchtlicher Teil der in den RKG registrierten Binnenvertriebenen in die NRKG pendelt und weiterhin zumindest zeitweise dort lebt. Auf Basis eigener Schätzungen setzen die UN daher die Zahl der permanent in den RKG lebenden Binnen­vertriebenen bei ca. 760 000 an.112 Zu den Binnenvertriebenen in der Ukraine kommen noch einmal rund eine Million Menschen, die infolge des Krieges vor allem nach Russland geflüchtet sind.113 Der Krieg im Osten der Ukraine hat damit etwa zweieinhalb Millio­nen Menschen dauerhaft oder zeitweise von ihren Wohnorten vertrieben. Dies übertrifft das Ausmaß von Flucht und Vertreibung während der jugoslawischen Zerfallskriege der 1990er Jahre. Die Ukraine ist das Land mit der zehntgrößten Population von Binnenvertriebenen weltweit.114

Der Donbas war bereits vor dem Krieg wegen wirt­schaftlich bedingter Abwanderung eine demographisch alte Region. Deshalb sind vom Geschehen dort überdurchschnittlich viele Rentnerinnen und Rentner betroffen. Etwa 30 Prozent der 3,4 Millionen Men­schen, die wegen des Konflikts humanitäre Hilfe benötigen, sind im Pensionsalter. Das ist der höchste Anteil dieser Gruppe in Konflikten weltweit.115

Die ukrainische Bevölkerung sowie regionale und lokale Verwaltungen reagierten mit großer Solidarität und Hilfsbereitschaft auf die Notlage der Geflüchteten. 2014 und 2015 erreichten zahllose Hilfskonvois und Spenden das Krisengebiet. Die Unterstützung wurde schnell und unbürokratisch auf Graswurzelebene organisiert. Bis heute gibt es kaum Spannungen zwischen der lokalen Bevölkerung und den Binnenvertriebenen. Die nationale Politik bleibt hingegen aus oben genannten Gründen ambivalent. Ansätze zur Integration der Binnenvertriebenen werden nicht von der gesamten Regierung getragen und sind unterfinanziert.116

Binnenvertreibung ist heute kein vorübergehendes Phänomen mehr, sondern ein chronisch-strukturelles.

Besonders deutlich wird dieses Problem bei den Binnenvertriebenen im Pensionsalter. Die ukrainische Regierung stoppte im Dezember 2014 die Auszahlung von Sozialleistungen an Einwohner und Einwohnerinnen der NRKG. Damit reagierte sie auf die Wahlen in den beiden Volksrepubliken, die gegen die Minsker Vereinbarungen verstießen. Um ihre Rente zu erhal­ten, müssen dort lebende Rentnerinnen und Rentner sich seit 2014 in den RKG als Binnenvertriebene regis­trieren lassen. 2016 wurden Überprüfungsmaßnahmen eingeführt, um sicherzustellen, dass registrierte Binnenvertriebene sich dauerhaft am Ort ihrer Regis­trierung aufhalten. Von den knapp 1,3 Millionen vor Ausbruch des Krieges in den NRKG registrierten Rentnerinnen und Rentnern erhielten laut UN Ende 2017 noch etwa 500 000 regelmäßig ihre Pension.117 Die Politik Kyiws, die »Rententourismus« zwischen RKG und NRKG vorbeugen soll, entzieht einer der am stärksten vom Konflikt betroffenen Bevölkerungsgruppe die Lebensgrundlage. Internationale Organi­sationen, aber auch manche staatlichen und nicht­staatlichen ukrainischen Akteure sehen darin eine Verletzung der Menschenrechte. Sie fordern, der ukrai­nische Staat möge die Auszahlung von Renten voll­ständig vom Status der Binnenvertriebenen ent­koppeln.118 Ein entsprechender Gesetzentwurf des Ministeriums für die besetzten Gebiete liegt seit Sommer 2017 in der Rada auf Eis.119

Im sechsten Jahr des Konflikts ist Binnenvertreibung kein vorübergehendes Phänomen mehr, son­dern ein chronisch-strukturelles. Binnenvertriebene sind mit zahlreichen Problemen konfrontiert, von der Existenzsicherung bis zu mangelnder politi­scher Repräsentation. Bei einer Umfrage der Inter­nationa­len Organisation für Migration gab im März 2018 erstmals eine Mehrheit der Befragten an, nicht in ihre Heimatorte zurückkehren zu wollen.120

Leben in der »Grauzone« und in den NRKG

Die knapp 500 Kilometer lange Konfliktlinie zwischen RKG und NRKG ist ein ständiger Quell humanitären Notstandes. 2015 wurden fünf sogenannte Entry-Exit Crossing Points (EECPs) eingerichtet, davon vier zwi­schen RKG und Donezker NRKG und lediglich einer entlang der kürzeren Trennlinie zwischen RKG und Luhansker NRKG. Der letztere Übergang – bei Stanyzja Luhanska – besteht aus einer baufälligen Holzbrücke, die provisorisch über einer zerstörten Betonbrücke errichtet wurde und nur zu Fuß begeh­bar ist. Die anderen Übergänge (Majorske, Marjinka, Nowotrojizke und Hnutowe) sind auch für PKWs und LKWs offen. Bislang konnten sich die Konflikt­parteien nicht darauf einigen, weitere Übergänge zu öffnen. Auf Seiten der Volksrepubliken gibt es wenig Interesse, den Personenverkehr mit den RKG zu inten­sivieren. Nicht zuletzt wird befürchtet, mehr Men­schen könnten dauerhaft auf die andere Seite wech­seln.121 In Kyiw wächst seit Jahren das Bestreben, die NRKG stärker zu isolieren. Trotz dieser Einschränkungen steigt die Anzahl der Übertritte mit jedem Jahr. Die UN meldeten allein für Juni 2018 nicht weniger als 1,2 Millionen Überschreitungen der Konfliktlinie.122 Damit ist die vorhandene Infrastruktur hoffnungslos überlastet. Folge sind lange Wartezeiten ohne Schutz vor Beschuss und extremen Wetterbedingungen.123 Die Situation an den Übergängen veranlasst Menschen, die Linie an anderen Stellen zu überqueren und sich dabei der Gefahr von Minen und nicht explodierter Munition auszusetzen.124 Die Zone ent­lang der Konfliktlinie gehört zu den drei am stärksten verminten Gebieten der Welt.125

Seit 2014 wurden mehrere Zehntausend Wohnhäuser beschädigt oder zerstört.126 Reparaturen und Wiederaufbau verlaufen außerordentlich langsam und werden durch anhaltende Kämpfe behindert. Das gilt besonders für die NRKG. Kampfhandlungen und Beschuss richten außerdem regelmäßig Schaden an kritischer Infrastruktur an und gefährden die Versor­gung der Bevölkerung zu beiden Seiten der Konfliktlinie mit Elektrizität, Wasser und Heizung. Ein be­sonders prekärer Fall ist die Donezker Filterstation (DFS). Sie gewährleistet die Versorgung von 345 000 Menschen auf beiden Seiten der Konfliktlinie mit Trinkwasser.127 Die DFS ist seit Beginn der Kampfhandlungen immer wieder von beiden Seiten be­schossen worden. Auch das Wartungspersonal des Betreibers Vodadonbasa gerät regelmäßig unter Be­schuss, was schon mehrmals dazu geführt hat, dass der Betrieb gedrosselt oder gar eingestellt werden musste.

In den RGK leben ca. 200 000 Menschen unmittelbar entlang der Konfliktlinie. Da die Separatisten den Zutritt zu den von ihnen kontrollierten Gebieten ver­weigern, sind keine verlässlichen Angaben zur Ein­wohnerzahl auf der anderen Seite verfügbar. Hier wie dort, aber öfter in den NRKG, führen Truppen von Wohngebieten und zivilen Einrichtungen aus Kampf­handlungen mit schweren Waffen durch – was lebensbedrohliche Konsequenzen für die Zivilbevölkerung hat.128

Zugang zu humanitärer Hilfe

In den RKG: Die Ukraine hatte vor Ausbruch des Krieges kaum Erfahrung mit humanitären Krisen. Internationale humanitäre Organisationen trafen auf zahlreiche bürokratische, logistische und rechtliche Hürden, als sie im Laufe des Jahres 2014 im Land tätig wurden.129 Die Regierung in Kyiw bemühte sich je­doch, Hindernisse abzubauen. Ukrainische und inter­nationale Organisationen loben die Kooperations­bereitschaft staatlicher Institutionen einschließlich der zivil-militärischen Verwaltungen im Donezker und Luhansker Gebiet, verweisen aber auf weiterhin bestehende Probleme.130 So liegt in der Rada seit 2015 ein Gesetzentwurf zu humanitärer Hilfe in Notzeiten, der darauf zielt, wichtige Fragen hinsichtlich Besteu­erung und bürokratischer Hindernisse zu regeln. Die Tatsache, dass das Gesetz noch immer nicht in Kraft ist, erschwert die Arbeit humanitärer Organisationen.131

Das Rote Kreuz ist die einzige inter­nationale Organisation, die in beiden Volksrepubliken arbeiten kann.

In den NRKG: Der Zugang humanitärer Organisationen zu den Menschen in den NRKG hat sich seit 2014 kontinuierlich verschlechtert. Sie müssen sich in den Gebieten akkreditieren und werden von den Macht­habenden engmaschig kontrolliert.132 Einzig das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) kann in beiden Volksrepubliken operieren. Einige wenige andere Organisationen haben zwischenzeitlich Zu­gang erhalten, sehen ihre Arbeit jedoch ständig der Willkür der De-facto-Autoritäten ausgesetzt. Beobachter vermuten, dass besonders nichtstaatliche Organi­sationen als pro-westlich und damit feindlich wahr­genommen werden, während das IKRK aufgrund der Mitgliedschaft Russlands neutraler wirkt.133 In den NRKG selbst arbeiten hauptsächlich lokale Netzwerke; dies geschieht unter schwierigen politischen Bedin­gungen und häufig unterhalb der Schwelle zur for­malen Gründung einer Organisation. Letzteres soll helfen, Konflikte mit den Machthabenden zu verhin­dern.134 Auch die zunehmende Isolation der Volks­republiken schränkt den Zugang zu humanitären Gütern und Hilfsleistungen dort empfindlich ein. So wurde im Frühjahr 2017 die Stiftung Rinat Achmetows – parallel zur Enteignung seiner Unternehmen – aus Donezk verdrängt. Sie hatte zuvor eine zent­rale Rolle dabei gespielt, die vom Konflikt betroffene Bevölkerung mit humanitärer Hilfe zu versorgen.135

Unter diesen Bedingungen wuchs die Rolle Russland als Quelle humanitärer Hilfe für die Menschen in den NRKG.136 Seit Sommer 2014 schickte das Mos­kauer Ministerium für Katastrophenschutz nach eigenen Angaben Dutzende von LKW-Konvois mit mehr als 77 000 Tonnen humanitärer Hilfe in die umkämpften Gebiete.137 Die ukrainische Seite sowie internationale Beobachterinnen und Beobachter verdächtigen diese Konvois, nicht nur humanitäre, sondern auch militärische Unterstützung über die Grenze zu bringen. Da Russland keine systematische Kontrolle der LKWs erlaubt, lässt sich dieser Verdacht weder widerlegen noch bestätigen. Die russische Bevölkerung beteiligt sich mit Spenden und gesellschaftlichem Engagement. Der Übergang zwischen humanitärer Hilfe und Unterstützung der politischen Ziele der Separatisten ist dabei fließend. Russland nahm außerdem 2014 und 2015 knapp eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf, eine in der russischen Geschichte präzedenzlose Zahl.138

Internationale Geldgeber und humanitäre Organisationen haben ihre Aktivitäten in der Ukraine seit 2016 spürbar reduziert.139 Die Vereinten Nationen wiesen Anfang 2018 darauf hin, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe im ostukrainischen Kriegsgebiet 2017 zu lediglich 45 Prozent finanziert war.140 Gesprächspartnerinnen und -partner geben dafür mehrere Gründe an. Im »Wettbewerb der Krisen« ist der humanitären Notlage in der Ukraine seit Beginn der europäischen Migrationskrise immer weniger internationale Aufmerksamkeit zuteil geworden. Gleichzeitig verschob sich die politische Prioritätensetzung der wichtigsten westlichen Geldgeber hin zum Nahen Osten und zu Nordafrika. Darüber hinaus tun sich internationale Geldgeber schwer, angesichts beschränkten Zugangs, politischer Willkür und fast vollkommener Intransparenz größere Summen für die ukrainischen NRKG bereitzustellen. Schließlich wirkt sich die anhaltende Instabilität im Konflikt­gebiet negativ auf den Handlungsspielraum humanitärer Organisationen aus. Dasselbe gilt für den Um­stand, dass die ukrainische Regierung Sicherheit gegenüber Zugang zu humanitärer Hilfe priorisiert.141 Angesichts des schwindenden externen Engagements sprechen Vertreterinnen und Vertreter internationaler Organisationen von einer vergessenen humanitären Katastrophe im Osten der Ukraine.

Konfliktdynamiken und Friedenshemmnisse

Die Bemühungen um ein Ende der Kampfhandlungen im Donbas sind seit Herbst 2016 festgefahren. Zu Kompromissen zeigen sich die Konfliktparteien nicht bereit. Die anhaltenden Verletzungen der Waffen­ruhe sind Ausdruck des allgemeinen Misstrauens und dienen zugleich der gegenseitigen Einschüchterung. Gleichzeitig profitieren alle Seiten in der einen oder anderen Weise von der gegenwärtigen Pattsituation. Am stärksten trifft das für die beiden Volksrepubliken zu, deren Existenz enden würde, sollten die Mins­ker Vereinbarungen implementiert werden. Russland kommt die innenpolitische Instabilität der Ukraine gelegen, und Kyiw kann die Umsetzung der als nach­teilig empfundenen politischen Bestimmungen von Minsk auf die lange Bank schieben. In der Zwischenzeit verfestigen sich Friedenshemmnisse auf allen Ebenen des Konflikts; eine dauerhafte Lösung wird so mit jedem Tag unwahrscheinlicher.

Kyiw und die Volksrepubliken entfernen sich immer weiter voneinander. Mit der Errichtung quasi-staatli­cher Institutionen sowie den Wahlen von 2014 und 2018 haben die Separatisten und ihre russischen Unterstützer Fakten geschaffen, die eine Verständigung mit der ukrainischen Führung erschweren. Die ukrainische Seite hat mit der Wirtschaftsblockade seit März 2017 die Isolation der Bevölkerung in den NRKG weiter vertieft. Dass die politische Elite der Ukraine auf die geopolitische Auseinandersetzung mit Russ­land fixiert ist, lässt sich nachvollziehen, verstellt Kyiw aber den Blick auf die politische und humanitäre Situation in der Konfliktregion. Dies kontrastiert mit der Realität entlang der Konfliktlinie, die noch immer rund eine Million Mal im Monat überquert wird. Die Bevölkerung im Donbas wird zwischen den gegnerischen Parteien zerrieben. Selbst humanitäre Hilfe ist nach politischen Kriterien gespalten. Inter­nationale humanitäre Organisationen (ganz zu schweigen von ukrainischen) erhalten kaum noch Zugang zu den NRKG und können deshalb nur im ukrainisch kontrollierten Teil des Konfliktgebiets operieren. Jenseits der Konfliktlinie hat die Bedeutung humanitärer Hilfe aus Russland zugenommen. Der Krieg im Donbas ist zwar nicht auf einen ethno-politischen Gegensatz zurückzuführen. Er treibt aber die betroffenen Bevölkerungsteile auf lokaler Ebene auseinander und vergrößert die ohnehin schon bestehende Distanz und das Misstrauen zwischen Kyiw und den Menschen in den NRKG. Dies erschwert auf lange Sicht die Wiederherstellung gesellschaft­lichen Friedens.

Die Abhängigkeit zwischen den beiden Volksrepubliken Donezk und Luhansk von Russland ist hingegen seit 2014 immer größer geworden. Diese Entwicklung wurde durch die wirtschaftliche Isolation durch Kyiw seit 2017 noch einmal exponentiell verstärkt. Richtungsstreitigkeiten zwischen den Moskauer Kuratoren mögen den lokalen Akteuren gewisse Spielräume eröffnen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Russ­land die De-Facto-Autoritäten und das militärische wie politische Geschehen in den Gebieten umfassend kontrolliert. Informalität und Intransparenz dieser Beziehungen sowie Moskaus Weigerung, die eigene Rolle im Konflikt anzuerkennen, unterminieren das Vertrauen der übrigen Konfliktakteure und erschweren damit alle Arten von Friedensbemühungen.

In den Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland setzte nach dem Euromaidan, der Annexion der Krim und dem Ausbruch des Krieges im Donbas 2014 ein beispielloser Entfremdungsprozess ein. In den ver­gangenen vier Jahren sind auf bilateraler Ebene zahl­reiche politische und wirtschaftliche Abkommen aufgekündigt und ökonomische Verbindungen ge­kappt worden. Russland stornierte Anfang 2016 unter Verweis auf das DCFTA-Abkommen zwischen der Ukraine und der EU das GUS-Freihandelsabkommen mit dem Land. Die Ukraine hat sich weitgehend aus ihrer Abhängigkeit von russischen Energieimporten gelöst. Beide Seiten verhängten weitreichende Sank­tionen gegeneinander.142 Es gibt heute weder einen kleinen Grenzverkehr noch direkte Flugverbindungen zwischen den Nachbarstaaten. Die diplomatischen Beziehungen wurden zwar nicht abgebrochen, aber deutlich heruntergefahren. Kyiw wird den russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag, der seit 1991 die Beziehungen zwischen beiden Staaten untermauerte, im März 2019 auslaufen lassen.143 Den vielleicht sym­bolträchtigsten Bruch stellt die von Präsident Poro­schenko betriebene Unabhängigkeit der ukrainisch-orthodoxen Kirche dar.144

Die Lösungswege für den Konflikt, die in Kyiw und Moskau jeweils skizziert werden, schließen einander aus.

In Bevölkerung und politischer Elite der Ukraine betrachtet eine überwältigende Mehrheit Russland als Aggressor und Kriegsgegner. Im russischen Main­stream wiederum gilt die Ukraine als Vasallenstaat der USA. Es gibt kaum noch Schnittmengen zwischen den Narrativen über den Konflikt oder irgendein anderes Thema. Die in Kyiw und Moskau skizzierten Lösungswege schließen einander aus. Die Ukraine fordert, ihre territoriale Integrität und ihre Souverä­nität über die umstrittenen Donbas-Gebiete und die Krim wiederherzustellen. Moskau trennt diese beiden Streitpunkte voneinander und macht die Lösung des Donbas-Konflikts von einer Einigung mit den west­lichen Mächten über die Neuorganisation europäischer und internationaler Sicherheit abhängig. Die innenpolitischen Entwicklungen auf beiden Seiten versprechen für absehbare Zeit keine Änderung der Sichtweisen. Auch auf dieser Ebene ist der Raum für Verständigung auf ein Minimum geschrumpft.

Das Verhältnis zwischen Russland und den konflikt­relevanten westlichen Akteuren Deutschland, Frankreich, EU, Nato und USA hat sich seit 2014 kontinuierlich ver­schlechtert. Das Zerwürfnis über die Annexion der Krim und den Krieg in der Ostukraine führte zu gegenseitigen Sanktionen und einer tiefen Krise in den politischen Beziehungen. Seitdem sind zahlreiche Streitpunkte hinzugekommen: Sicherheitspolitische Spannungen in Europa nehmen zu; Russland unter­stützt euro-skeptische und anti-europäische Kräfte in EU-Mitgliedstaaten und greift aktiv in Wahlen ein; der Fall Skripal förderte in Großbritannien russische Geheimdienstaktivitäten mit Todesfolge zutage. Das gegenseitige Vertrauen ist zerrüttet. Russische Hoff­nungen, die Beziehungen mit Washington würden sich unter Präsident Trump verbessern, wurden enttäuscht. Vielmehr ist das russisch-amerikanische Verhältnis am tiefsten Punkt seit Ende des Ost-West-Konflikts angelangt. Die US-Sanktionspolitik hat sich – in Reaktion auf die russische Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf – von der EU wie auch von ihrem ursprünglichen Gegenstand, der Situation in der Ukraine, gelöst und eine schwer kalkulierbare Dynamik gewonnen. Daher bietet auch die interna­tionale Ebene des Konflikts keinen Raum für positive Entwicklungen im Friedensprozess.

Schlussfolgerungen und Empfeh­lungen: Handlungsoptionen für Deutschland und die EU

Russland hat der Ukraine zwei Territorialkonflikte aufgezwungen, indem es 2014 die Krim annektierte und Spannungen im Osten des Landes zu einem Krieg anfachte. Die bewaffnete Auseinandersetzung im Donbas dauert an. Wie die Eskalation in der Meer­enge von Kertsch im November 2018 gezeigt hat, besteht zwischen den beiden Konflikten, anders als von Moskau behauptet, ein enger Zusammenhang. Die Ukraine bleibt Russland militärisch weit unter­legen. Zugleich ist die Politik des ukrainischen Präsi­denten Poroschenko, einschließlich seiner Zustimmung zu den Minsker Vereinbarungen, innenpolitisch heftig umstritten. Der Ausgang der ukrainischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2019 ist ungewiss – und damit auch die zukünftige Heran­gehensweise Kyiws an den Konflikt im Donbas. Den Volksrepubliken Donezk und Luhansk fehlen derzeit wesentliche Merkmale anderer De-facto-Staaten in der Region. Sie sind russische Kreationen und werden von Moskau aus gesteuert.

In der EU hat sich hinsichtlich der Territorial­konflikte in der Ukraine eine Arbeitsteilung etabliert. Die EU unterstützt explizit die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine und verurteilt die russi­sche Annexion der Krim sowie die Rolle Moskaus im Donbas. Ab März 2014 verhängte sie in mehreren Stufen restriktive Maßnahmen gegen Russland. Im März 2015 beschloss der Europäische Rat, die Sank­tionen erst aufzuheben, wenn die Minsker Verein­barungen vollständig umgesetzt sind.145

Die EU-Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst treiben gemeinsam mit der ukrainischen Regierung die Umsetzung des Assoziierungsabkommens (AA) und des Tiefen und Umfassenden Freihandelsabkommens (DCFTA) zwischen der EU und der Ukraine voran. So unterstützt Brüssel weitreichende politische und wirtschaftliche Reformprozesse, in deren Zuge die Ukraine große Teile des EU-Gemein­schaftsrechts übernehmen wird. Reformprogramme, etwa zugunsten einer Dezentralisierung des Landes, sind perspektivisch für die Lösung der Territorial­konflikte relevant. Im Verständnis der EU kann Euro­päisierung – also die Förderung von Demokratie und (markt)wirtschaftlicher Entwicklung, die Stärkung von Menschen- und Minderheitenrechten sowie die Verankerung des Prinzips der Gewaltenteilung und der friedlichen Konfliktaustragung – einen wichtigen Beitrag zu gesellschaftlicher Aussöhnung und Konfliktlösung leisten.146 Die EU hat außerdem seit 2014 ihre finanzielle Unterstützung für die Ukraine erheblich aufgestockt; sie ist einer der wichtigsten Geldgeber, was humanitäre Hilfe für die vom Konflikt betroffenen Menschen sowie friedensbildende Maß­nahmen betrifft.

Anders als in den Fällen Transnistrien, Abchasien und Südossetien haben die Brüsseler Institutionen aber keinen Anteil an der direkten Konfliktbearbeitung. Diese Rolle fiel 2014 Deutschland und Frankreich zu, die seitdem den wichtigsten internationalen Friedensprozess zum Donbas, die Verhandlungen im Normandie-Format, gestalten. Die Sanktionspolitik der EU sowie die Vermittlungsarbeit Deutschlands und Frankreichs haben erheblich dazu beigetragen, den Krieg 2014/2015 einzudämmen und die Kosten für weitere Eskalationen hochzutreiben. Sie waren jedoch nicht in der Lage, den Konflikt zu lösen.

Es gibt derzeit keine Alternative zu der beschriebenen Arbeitsteilung zwischen EU‑Ebene und involvierten Mitgliedstaaten. Sowohl die Lage im Konflikt­gebiet als auch der internationale Kontext sind außer­ordentlich fragil. Sollten bestehende Gesprächskanäle verloren gehen, könnte sich das sehr negativ auf die Konfliktdynamik auswirken. Jede Veränderung des Formats birgt das Risiko, dass die stark voneinander entfremdeten Konfliktparteien sich einer Einigung vollends verweigern werden. Darüber hinaus sind sich die EU-Mitgliedstaaten untereinander heute weit weniger einig, wie eine angemessene Politik gegenüber Russland und dem russisch-ukrainischen Kon­flikt aussehen sollte, als dies 2014 und 2015 der Fall war. Berlin und Paris tragen hier eine große Verantwortung. Sie müssen die Ukraine auf der politischen Agenda halten, den Sanktionskonsens bewahren und ihre Politik im Konflikt in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern weiterentwickeln. Die euro­päische Einbettung ihres Handelns sollten sie auch gegenüber Moskau deutlich machen, das nicht nur traditionell auf bilaterale Beziehungen zu wichtigen EU-Staaten setzt, sondern Differenzen zwischen Mit­gliedstaaten aktiv nutzt, um die Union zu spalten.

Sollte Nord Stream 2 weiterverfolgt werden, muss Berlin ukrainische Interessen mit einbeziehen.

Vor diesem Hintergrund muss auch die Pipeline Nord Stream 2 betrachtet werden. Berlin hat viel zu spät eingestanden, dass das deutsch-russische Projekt er­hebliche geopolitische Konsequenzen für Osteuropa hat, vor allem für die Ukraine. Wenn Nord Stream 2 weiterverfolgt werden soll, muss die Bundesregierung ukrainische Interessen mit einbeziehen – beispielsweise hinsichtlich des Gastransits durch das Land – und Druck auf Moskau ausüben, wo diese Interessen gefährdet werden, etwa durch eine Drosselung des avisierten Liefervolumens. Sowohl Deutschland als auch Frankreich werden derzeit von innenpolitischen und innereuropäischen Problemen und Krisen absor­biert. Die Verantwortlichen in Berlin und Paris müs­sen der Situation in der Ukraine trotzdem wieder die außenpolitische Priorität einräumen, die ihr wegen ihrer Gesamtbedeutung für die europäische Sicherheit zusteht.

Die Minsker Vereinbarungen sind immer wieder in Frage gestellt worden, weil sie in den Augen vieler Kritiker und Kritikerinnen die Ukraine benachteiligen und bislang nicht zu einer Beendigung des Konflikts geführt haben. Alle relevanten Akteure sollten sich aber bewusst sein, wie unwahrscheinlich neue oder gar bessere Vereinbarungen sind – und wie gefähr­lich es wäre, sollte es gar keine geben. Das größte Problem besteht heute darin, dass die Bedingungen für eine Implementierung der Vereinbarungen sich nicht verbessern, sondern verschlechtern. Das Gleiche gilt für die Stationierung einer UN-mandatierten Friedenstruppe, die gleichzeitig ein großer Schritt in die richtige Richtung wäre.

Die Eskalation von Kertsch hat diese negative Ent­wicklung weiter beschleunigt. Deutschland und die EU müssen die vorhandenen Gesprächskanäle (die TKG, das Normandie-Format, die OSZE und bilaterale Kontakte) nutzen, um den Vorfall aufzuklären, die gefangene Schiffsbesatzung freizubekommen und weiteren Eskalationen im Asowschen Meer vorzubeugen. Dazu könnte beispielsweise die Ausweitung des SMM-Mandats dienen. Berlin, Paris und andere in­volvierte Akteure müssen weiter versuchen, Moskau davon zu überzeugen, dass die direkten Kontakte zwischen ukrainischen und russischen Militärs im Rahmen des JCCC wieder aufgenommen werden. Russland agiert in der Meerenge von Kertsch mit einem Anspruch, der sich aus der Annexion der Krim ergibt und damit international nicht anerkannt ist. Auch wenn die Ukraine angehalten werden muss, keine Eskalationsrisiken einzugehen, so liegt die Hauptverantwortung hier doch ebenfalls bei Moskau. Die EU sollte deshalb für solche Situationen weitere Sanktionen nicht von vornherein ausschließen.147

Auf Ebene der ukrainisch-russischen Beziehungen gilt es, mäßigend auf beide Seiten einzuwirken. Im Verhältnis zum Partnerstaat Ukraine ist dies zwar ein­facher, bleibt aber dennoch eine schwierige Herausforderung. Kyiw gegenüber sind bestimmte Punkte viel entschlossener zu vertreten, als das bislang der Fall ist. Die Sicherheitsbestimmungen der Minsker Vereinbarungen müssen von allen Konfliktparteien eingehalten werden. Das gilt für Russland und die Machthabenden in den Volksrepubliken, aber auch für die Ukraine, die sich endlich entsprechend dem Entflechtungsabkommen von 2016 aus Stanyzja Luhanska zurückziehen muss. Deutschland und seine europäischen Partner sollten Kyiw klarmachen, dass die anhaltende Obstruktion des Waffenstillstands negative Konsequenzen in der Zusammenarbeit haben kann. Die gegenwärtige Politik Kyiws gegenüber dem Donbas verschärft in vielerlei Hinsicht die humanitäre Situation und trägt damit zur Vertiefung des Konflikts bei. Deutschland und die EU müssen die ukrainische Führung zu einer nuancierteren Sicht­weise des Konflikts ermutigen, die über die geopolitische Fixierung auf Russland hinausgeht und auch die lokale Ebene berücksichtigt. Der ukrainische Staat ist verantwortlich für seine Bürger auf beiden Seiten der Konfliktlinie. Kyiw trägt außerdem unbestritten Ver­antwortung für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der von ihm kontrollierten Teile der Region. Deutsch­land und die EU müssen weiter auf konkrete Schritte in diese Richtung drängen und sie gegebenenfalls großzügig unterstützen.

Das Verhältnis der EU zu Russland ist derzeit zer­rüttet, die Einflussmöglichkeiten sind gering. Dabei gilt es, den Sanktionsdruck aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig müssen sich die europäischen Akteure weiterhin klar von der erratischen US-Sanktions­politik distanzieren. Zwischen Russland auf der einen und Deutschland wie seinen europäischen Partnern auf der anderen Seite liegen die Vorstellungen von einer künftigen europäischen Sicherheitsordnung zu weit auseinander, als dass rasch Konvergenz erzielbar wäre. Dennoch muss der Dialog weitergeführt wer­den, wenn auch losgelöst vom Donbas-Konflikt und ohne schnelle Erfolge zu erwarten. Rufe nach einem Ende der Sanktionen, wie sie unmittelbar nach dem Vorschlag Putins zur UN-Mission erklangen, sind unrealistisch und wirken destabilisierend. Sicherheit mit Russland bleibt ein bedeutendes Ziel für die deutsche und europäische Politik. Gegenwärtig aber divergieren die Positionen zu sehr, als dass die Lösung des Donbas-Konflikts von dieser Ebene aus angestrebt werden könnte.

Angesichts der Blockaden im zwischenstaatlichen und internationalen Feld ist besonderes Augenmerk auf die lokale Ebene zu richten. Die humanitäre Not auf beiden Seiten der Konfliktlinie muss dringend gelindert werden. Nötig sind humanitäre Hilfe und wirtschaftlicher Wiederaufbau ebenso wie die Über­windung der sozio-ökonomischen Isolation, der die Menschen in den NRKG ausgesetzt sind. Deutsche und europäische Politik muss Kyiw auffordern, die Wirtschaftsblockade der Konfliktgebiete aufzuheben. Die humanitäre Katastrophe dort müssen Berlin, Paris und Brüssel ebenso in ihrem Dialog mit Russland thematisieren. Nur Moskau kann die Machthabenden in Donezk und Luhansk dazu bewegen, humanitären Organisationen mehr Zugang zu gewähren. Beide Seiten müssen gedrängt werden, zusätzliche Über­gangspunkte an der Konfliktlinie zuzulassen, damit die Mobilität zwischen RKG und NRKG erleichtert wird. Solche Maßnahmen zielen darauf ab, das Aus­einanderdriften der betroffenen Bevölkerungsteile zu verlangsamen bzw. umzukehren. Auch Kyiw muss verstehen: Der Kontakt zwischen den Menschen ist ein Potential, keine Bedrohung. TKG und SMM müs­sen weiter an vertrauensbildenden Maßnahmen entlang der Konfliktlinie arbeiten. Dazu könnte etwa gehören, dass Eisenbahnverbindungen für zivilen Personenverkehr wiederhergestellt werden, medizinisches Personal über die Konfliktlinie hinweg koope­riert oder Wartungsarbeiten an Wasserfilterstationen besser abgesichert werden. Dies würde Menschen auf beiden Seiten Vorteile bringen und dazu beitragen, Vertrauen wiederaufzubauen. Ein solches Vorgehen impliziert ein gewisses Maß an Engagement mit Funktionseliten in den Volksrepubliken, das nur im engen Dialog mit der ukrainischen Seite möglich ist. Gerade Deutschland muss sein politisches Gewicht und seine Rolle im Friedensprozess nutzen, um Kyiw zu versichern, dass dies keine schleichende Anerkennung der beiden Entitäten bedeutet. Schritte auf der lokalen Ebene haben eine sehr begrenzte Reichweite, sind aber unabdingbar, um eine Basis für weiter­gehende Friedenslösungen zu schaffen.

Abkürzungsverzeichnis

ATO Anti-Terror-Operation

BIP Bruttoinlandsprodukt

DFS Donezker Filterstation

DVR Donezker Volksrepublik

EECP Exit-Entry Crossing Points (Übergänge entlang der Konfliktlinie)

ICG International Crisis Group

IDP Internally Displaced Person

IKRK Internationales Komitee vom Roten Kreuz

IMEMO Institute of World Economy and International Relations (Moskau)

JCCC Joint Centre for Control and Coordination

LVR Luhansker Volksrepublik

NRKG Nicht regierungskontrollierte Gebiete

OHCHR Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights

OSZE  Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

RKG Regierungskontrollierte Gebiete

SMM Special Monitoring Mission (der OSZE)

TKG Trilaterale Kontaktgruppe

UN OCHA United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs

UN United Nations (Vereinte Nationen)

ZOiS Zentrum für Osteuropa- und internationale
Studien (Berlin)

Endnoten

1

 Die separatistischen Gebiete im Osten der Ukraine wer­den im Folgenden alternierend als NRKG (»nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierte Gebiete«), Volksrepubliken oder Donezker Volksrepublik (DVR) bzw. Luhansker Volksrepublik (LVR) bezeichnet. Sie sind völkerrechtlich Teil des ukrainischen Staatsgebiets und international nicht aner­kannt. Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wird im weiteren Text auf die Verwendung von Zusätzen wie »sogenannt« oder Anführungszeichen verzichtet. Das Gleiche gilt für die Bezeichnung von politischen Institutionen, Ämtern oder Prozessen in den Volksrepubliken.

2

 Ukrainische Eigen- und Ortsnamen werden hier lautschriftlich in der ukrainischen Schreibweise wiedergegeben, russische Eigen- und Ortsnamen in der russischen Schreibweise. Dies entspricht auch den unterschiedlichen Aussprachen im Ukrainischen und Russischen. Einzig Odes(s)a wird im Ukrainischen mit »s« und im Russischen mit »ss« geschrie­ben, in beiden Sprachen aber wie »Odessa« ausgesprochen.

3

 Die Grenzen des Bassins stimmen geographisch nicht ganz mit den Gebietseinheiten Donezk und Luhansk überein, weshalb die Begriffe »Donbas« und »Donbas-Krieg« in der Ukraine umstritten sind. Sie werden hier der Einfachheit halber dennoch verwendet. Vgl. Donbas in Flames. Guide to the Conflict Zone, Lviv 2017, S. 7–16, <https://prometheus.ngo/wp-content/uploads/2017/04/Donbas_v_Ogni_ENG_web_1-4.pdf> (Zugriff November 2018).

4

 »Rossijsko-ukrainiskaja granica. Dos’e« [Russisch-ukrainische Grenze. Dossier], TASS, 19.6.2014.

5

 Laut Wilson stieg der Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner von Donezk, die sich mit der Region identifizierten, zwischen 1994 und 2004 von 55,7 Prozent auf 69,5 Pro­zent. Als Ukrainerinnen und Ukrainer bezeichneten sich 1994 39,4 Prozent und 2004 42,7 Prozent, als Russinnen und Russen hingegen 1994 30,1 Prozent versus 21,1 Prozent 2004. Andrew Wilson, »The Donbas in 2014: Explaining Civil Conflict Perhaps, but not Civil War«, in: Europe-Asia Studies, 68 (2016) 4, S. 631–652 (638). Vgl. auch die Beiträge in: Olga Onuch/Henry Hale/Gwendolyn Sasse (Hg.), »Studying Identity in Ukraine«, in: Post-Soviet Affairs, 34 (2018) 2/3.

6

 »The Effect of Company Seizures and Trade Suspension in Donbas«, in: German Advisory Group Ukraine Newsletter, (August 2017) 106.

7

 Wo keine anderen Angaben gemacht werden, stützt sich die Schilderung des Konfliktverlaufs auf die von den Länderanalysen Ukraine veröffentlichten Jahreschroniken von 2013 bis 2018. Vgl. Forschungsstelle Osteuropa u.a., Ukraine-Analysen – Chronik, <http://www.laender-analysen.de/ ukraine/chronik.php> (Zugriff Januar 2019).

8

 OHCHR, Report on the Human Rights Situation in Ukraine, 15.5.2014, S. 15, <https://www.ohchr.org/Documents/ Countries/UA/HRMMUReport15May2014.pdf> (Zugriff Januar 2019). Die Ereignisse sind bis heute nicht aufgeklärt und die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen worden.

9

 Dabei gerieten auch lokale Waffenarsenale ukrainischer Sicherheitskräfte unter die Kontrolle der Aufständischen. Nach der Rückeroberung der Städte erfolgten Aufrufe, die in Umlauf geratenen Waffen zurückzugeben. Lokale Beobachterinnen und Beobachter gehen jedoch davon aus, dass sich nach wie vor zahlreiche Waffen in illegalem Besitz befinden. Gespräche der Autorin in Kramatorsk und Slowjansk, März 2018.

10

 OHCHR, Report on the Human Rights Situation in Ukraine, 15.6.2014, S. 29, <https://www.ohchr.org/Documents/ Countries/UA/HRMMUReport15June2014.pdf> (Zugriff Januar 2019). Beobachter und Beobachterinnen berichteten von extrem niedriger Wahlbeteiligung und von Zwangsmaßnahmen mit dem Ziel, die Einwohner der Gebiete an die Urnen zu bringen.

11

 Untersuchungskommissionen, Ergebnisse, Reaktionen hier: Joint Investigation Team, <https://www.om.nl/mh17-ezine-juni2016/e-zine-en.html> (Zugriff Dezember 2018).

12

 Die Stadt Donezk war zu diesem Zeitpunkt von den ukrainischen Kräften fast vollständig umstellt. Die Rück­eroberung von Ilowaisk hätte die Sezessionisten in Donezk von der russischen Grenze und damit von ihrer letzten Versorgungslinie abgeschnitten. International Crisis Group (ICG), Eastern Ukraine: A Dangerous Winter, Brüssel, Dezember 2014 (Europe Report Nr. 235), S. 2.

13

 Das Minsker Maßnahmenpaket sollte die Kriegshandlungen beenden und einen Friedensprozess einleiten. Bevor es am 15. Februar 2015 in Kraft trat, kam es jedoch zu weiteren heftigen Kämpfen um den Eisenbahnknotenpunkt Debalzewe, bis die ukrainischen Streitkräfte die Stadt schließlich aufgaben.

14

 OHCHR, Report on the Human Rights Situation in Ukraine, 16.8.2015–15.11.2015, S. 2, <https://www.ohchr.org/Docu ments/Countries/UA/12thOHCHRreportUkraine.pdf> (Zu­griff Januar 2019). Heute sprechen die UN von insgesamt ca. 10 500 Toten und fast 24 000 Verletzten. Davon sind etwa 30 Prozent Zivilisten. Genaue Opferzahlen lassen sich allerdings schwer ermitteln. Das ukrainische Verteidigungsministerium veröffentlicht dazu regelmäßig Daten. Auf Seiten der Rebellen oder gar Russlands gibt es dagegen keine überprüfbaren Veröffentlichungen. Die International Crisis Group kritisierte 2016, alle Seiten spielten die Gefallenenzahlen herunter. ICG, Ukraine: The Line, 18.7.2016 (Europe/ Central Asia Briefing Nr. 81), S. 2ff. Die russische Menschenrechtsorganisation Komitee der Soldatenmütter schätzte im April 2017 die russischen Verluste auf ca. 1500 gefallene Kämpfer und Soldaten. »About 1,500 Russian Soldiers Killed in Donbas since Spring 2014: Russian NGO«, in: UNIAN, 28.4.2017. Die Zahlen der zivilen Opfer beruhen auf ukrainischen Angaben und Schätzungen internationaler Organisationen für die ihnen zugänglichen Gebiete. Es ist zu befürchten, dass die tatsächliche Zahl der Opfer höher liegt. Angaben zu Verletzten: »Conflict in Ukraine«, in: Council on Foreign Affairs, 6.12.2018, <https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker?marker=26#!/conflict/conflict-in-ukraine> (Zugriff Dezember 2018).

15

 Laut SMM lag die Zahl der Waffenstillstandsverletzungen im Jahr 2016 bei 320 130, im Jahr 2017 gar bei 401 336. 2016 wurden in der Konfliktzone 3099 Mal Waffenkategorien gesichtet, deren Präsenz gegen die Minsker Vereinbarungen verstieß. 2017 war das 4065 Mal der Fall. Die Beob­achter wurden 2016 in 1950 Fällen daran gehindert, ihr Mandat auszuüben. 2017 lag die Anzahl der Obstruktionen mit 2422 noch einmal deutlich höher. OSZE, 2016 OSCE SMM Activities in Figures, 6.2.2017, <http://www.osce.org/ukraine-smm/298131> (Zugriff November 2018); OSZE, 2017 OSCE SMM Activities in Figures, 26.2.2018, <http://www.osce.org/ special-monitoring-mission-to-ukraine/368246> (Zugriff November 2018).

16

 Vgl. Susan Stewart, Asowsches Meer: Neues Eskalations­potenzial zwischen Russland und der Ukraine, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 22.8.2018 (SWP Kurz gesagt).

17

 Die »externe Verwaltung« bedeutet formal keine Ver­änderung der Eigentumsverhältnisse, sondern die Über­nahme des Managements durch die Separatisten. Offenbar unterband Moskau deren Ansinnen, von einer »Nationalisierung« der Anlagen zu sprechen, um nicht gegen den Geist der Minsker Vereinbarungen zu verstoßen.

18

 »The Effect of Company Seizures and Trade Suspension in Donbas« [wie Fn. 6]. Unternehmensvertreterinnen und ‑vertreter weisen darauf hin, dass die Industrieanlagen durch gedrosselte Nutzung sowie ausbleibende Wartungen und Investitionen nach der Enteignung rapide an Wert ver­lören. Eine Wiederaufnahme des Betriebs nach einem Ende der Blockade werde so mit jedem Tag unwahrscheinlicher. Gespräche der Autorin in Kyiw und Kramatorsk, März 2018.

19

 OSZE, OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine, <https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine> (Zugriff November 2018).

20

 Die Arbeit der SMM wird vom Joint Centre for Control and Coordination (JCCC) ergänzt, einer aus ukrainischen und russischen Militärs bestehenden Kontaktgruppe, die seit Herbst 2014 für die Sicherheit der Mission zu sorgen hat. Im Dezember 2017 zog Russland sich aus dem JCCC zurück, mit der Begründung, seine Offiziere würden dort schlecht be­handelt. Während Beobachterinnen und Beobachter den russischen Vorwürfen einigen Wahrheitsgehalt einräumten, sahen sie in der Entscheidung Moskaus einen weiteren Ver­such, die ukrainische Seite zum direkten Kontakt mit den Machthabenden in Donezk und Luhansk zu zwingen. Ge­spräche der Autorin mit an den Verhandlungen Beteiligten, 2017 und 2018.

21

 Claus Neukirch, »Die Sonderbeobachtermission in der Ukraine: Operative Herausforderungen und neue Horizonte«, in: Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) (Hg.), OSZE-Jahrbuch 2014, Baden-Baden 2015, S. 205–221 (206). Die OSZE hat außerdem Beobachterinnen und Beobachter an zwei russischen Kontrollposten an der russisch-ukrainischen Grenze, die nicht Teil der SMM sind (ebd., S. 214).

22

 Vgl. OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine, Status Report as of 1 October 2018, Oktober 2018, <https://www.osce. org/special-monitoring-mission-to-ukraine/398813?down load=true> (Zugriff November 2018).

23

 Vladimir Socor, »Surkov-Nuland Talks on Ukraine: A Nontransparent Channel«, in: Eurasia Daily Monitor, 13 (27.5.2016) 103.

24

 Protokol po itogam konsulacij Trechstoronnoj kontaktnoj grupy otnositel’no sovmestnych šagov, napravlennych na implementaciju Mirnogo plana Prezidenta Ukrainy P. Porošenko i itiniativ Prezidenta Rossii V. Putina [Protokoll über die Ergebnisse der Konsulta­tionen der Trilateralen Kontaktgruppe über gemeinsame Schritte zur Umsetzung des Friedensplanes des ukrainischen Präsidenten P. Poroschenko und der Initiativen des russischen Präsidenten W. Putin], 5.2.2014, <http://www.osce.org/ ru/home/123258?download=true> (Zugriff Dezember 2018). Ein konkretisierendes Memorandum wurde am 19.9.2014 veröffentlicht.

25

 Es wurde begleitet von einer politischen Deklaration der Normandie-Gruppe. Beide Texte finden sich hier: United Nations, Unanimously Adopting Resolution 2202 (2015), Security Council Calls on Parties to Implement Accords Aimed at Peaceful Settlement in Eastern Ukraine, 17.2.2015, <http://www.un.org/ press/en/2015/sc11785.doc.htm> (Zugriff Dezember 2018).

26

 In drei Pilotgebieten entlang der Konfliktlinie (Petriwske und Solote im Gebiet Donezk, Stanyzja Luhanska im Gebiet Luhansk) sollten sich die gegnerischen Truppen einen Kilo­meter von der Kontaktlinie zurück- und alle schweren Waffen vollständig abziehen. Das Entflechtungsabkommen sollte innerhalb eines Monats implementiert sein, und bis Ende Oktober 2016 sollten vier weitere Entflechtungszonen definiert werden. Bei Solote und Petriwske wurde die Verein­barung fristgerecht umgesetzt. Bei Stanyzja Luhanska stockte die Entflechtung, weil die Ukraine (bis heute) ihre Truppen nicht zurückzog. Siehe OSZE, Framework Decision of the Trilateral Contact Group Relating to Disengagement of Forces and Hardware, 21.9.2016, <http://www.osce.org/cio/266266> (Zugriff November 2018).

27

Stephanie Liechtenstein, OSCE Ministerial Council in Milan: Expressing Differences Rather than Solving Them, Security and Human Rights Monitor, 11.12.2018, <https://www.shr monitor.org/osce-ministerial-council-in-milan-expressing-differences-rather-than-resolving-them/> (Zugriff Januar 2019). Zum Inhalt des Papiers siehe: »Sondergesandter Sajdik: Haben neuen Plan zur Lösung der Ukraine-Krise«, in: Kleine Zeitung, 24.1.2019; Zver‘ u Vorot [Eine Bestie vor dem Tor], 5.2.2019, <http://project.liga.net/projects/beast_at_the_ gates/> (Zugriff Februar 2019).

28

 Putins Vorstoß hat jedoch auf internationaler Ebene einen intensiven Diskussionsprozess staatlicher wie nichtstaatlicher Akteure ausgelöst, aus dem konkrete Vorschläge für eine mögliche UN-Friedensmission hervorgegangen sind. Vgl. ICG, Can Peacekeepers Break the Deadlock in Ukraine?, Brüssel, Dezember 2017; Richard Gowan, Can the United Nations Unite Ukraine?, Washington, D.C.: Hudson Institute, Februar 2018.

29

 Gespräche der Autorin mit an den Verhandlungen Beteiligten, 2017 und 2018.

30

 Der Zugang zu den Volksrepubliken hat sich seit 2016 drastisch verschlechtert. Die Autorin machte im März 2018 während einer Forschungsreise nach Kyiw und in den Donbas den Versuch, auch Donezk zu besuchen, um dort Interviews zu führen, erhielt jedoch von den dortigen Macht­habenden keine Reiseerlaubnis. Die Analyse der Situation in den umstrittenen Gebieten stützt sich deshalb auf Medienberichte und Sekundärliteratur sowie auf Gespräche mit Personen, die regelmäßig in die Gebiete reisen.

31

 Thomas de Waal, Uncertain Ground: Engaging with Europe’s De Facto States and Breakaway Territories, Carnegie Europe, November 2018. Vgl. auch die Beiträge in: James Ker-Lindsay/ Eiki Berg (Hg.), »Engagement without Recognition: The Politics of International Interaction with De Facto States«, in: Ethnopolitics, 17 (2018) 4, S. 335–442.

32

 Wegen dieses Mangels an Eigenständigkeit wird hier – anders als in den folgenden Kapiteln über die Ukraine und Russland – auf die Analyse konfliktrelevanter Narrative ver­zichtet. Die separatistischen Kräfte in Donezk und Luhansk bewegen sich in einem diskursiven Rahmen, der aus Moskau vorgegeben wird.

33

 Nina Caspersen, Unrecognized States, Cambridge 2012, S. 76f.

34

 Vgl. z.B. Nikolay Mitrochin, »Infiltration, Instruktion, Invasion. Russlands Krieg in der Ukraine«, in: Osteuropa, 64 (2014) 8, S. 3–16.

35

 Dies entspricht weitgehend Russlands offizieller Lesart.

36

 Vgl. Steffen Halling/Susan Stewart, Die Ukraine inmitten der Krise. Chancen und Probleme einer neuen politischen Kultur, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2014 (SWP-Aktuell 15/2014); Ulrich Schneckener, »Hybrider Krieg in Zei­ten der Geopolitik? Zur Deutung und Charakterisierung des Donbas-Konflikts«, in: Politische Vierteljahrsschrift, 57 (2016) 1, S. 586–613. Von einer genuinen Widerstandsidentität des Donbas spricht Bruno de Cordier, »Der Vendée-Krieg in der Ukraine? Ein Blick auf die Widerstandsidentität des Aufstands im Donbas«, in: Ukraine-Analysen, (9.11.2016) 175, S. 2–6. Andrew Wilson geht von weitgehender russischer Manipulation aus, erkennt jedoch in der Vernachlässigung durch Kyiw und der ausbeuterischen Politik der ostukrai­nischen Oligarchen Gründe, aus denen Teile der Bevölkerung im Frühjahr 2014 von sich aus auf die Straße gingen. Wilson, »The Donbas in 2014« [wie Fn. 5]. Eine ähnliche Einschätzung vertritt Konstantin Skorkin, A Counter-Elite Takes Power – The New Leaders of the Donbas, Carnegie Moscow Center, 16.2.2018, <http://carnegie.ru/commentary/75549> (Zugriff November 2018).

37

 Vgl. hierzu eine Umfrage der ukrainischen Zeitung »Zerkalo Nedeli« von April 2014: »Jugo-Vostok: vet’ dreva našego« [Der Südosten ist doch unserer Abstammung], in: Zerkalo Nedeli, 18.4.2014; Gwendolyn Sasse, The Donbas – Two Parts, or Still One?, Berlin: Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), Mai 2017 (ZOiS Report 2/2017).

38

 Ostukrainische Oligarchen, allen voran Rinat Achmetow, unterstützten wechselweise die Aufständischen und Kyiw; dadurch trugen sie noch zur Verschärfung der Spannungen bei. Maksim Vichrov/Maksim Butčenko, Fenomen narodnych respublik Donbassa [Das Phänomen der Volksrepubliken im Donbas], Carnegie Moscow Centre, 12.4.2016, <https://carnegie.ru/2016/04/12/ru-pub-63295> (Zugriff November 2018). Gespräche der Autorin mit Augenzeuginnen und -zeugen, Kramatorsk und Slowjansk, März 2018.

39

 Hierzu ausführlich Nikolay Mitrochin, »Transnationale Provokation. Russische Nationalisten und Geheimdienstler in der Ukraine«, in: Osteuropa, 64 (2014) 5/6, S. 157–174 (158ff).

40

 »Kto est’ kto na rukovodjašžich dolžnostjach DNR, LNR i Novorosii« [Wer ist wer in den führenden Positionen von DVR, LVR und Noworossija?], RIA Novosti, 5.9.2014.

41

 »Biografia Igorja Plotnitskogo« [Die Biographie Igor Plotnizkis], RIA Novosti, 20.8.2014.

42

 Nikolay Mitrochin, »Diktaturtransfer im Donbas. Gewalt und ›Staatsbildung‹ in Russlands ›Volksrepubliken‹«, in: Osteuropa, 67 (2017) 3/4, S. 41–66.

43

 »Zachar, ›Motorola‹, ›Givi‹, ›Betmen‹ i drugie. Kak i za čto kombaty gibridnoj vojny na vostoke Ukrainy pogibali v tylu« [Zachar, Morotola, Givi, Betmen und andere. Wie und wozu die Kämpfer des hybriden Kriegs in der Ukraine im Hinterland starben], in: Novaya Gazeta, 31.8.2018.

44

 Nikolaus von Twickel, »Developments in ›DNR‹ and ›LNR‹: 12 October – 28 November 2017«, in: Civic Monitoring Newsletter 25, <http://www.civicmonitoring.org/developments-in-dnr-and-lnr-23-august-20-october-2017-newsletter-24/> (Zugriff November 2018).

45

 Beide Kandidaten waren praktisch konkurrenzlos, da andere bekannte Separatisten nicht zu den Wahlen zugelassen wurden. »Ukraine plevat‘, da nam i tože« [Der Ukraine ist es egal, und uns auch], in: Novaya Gazeta, 12.11.2018.

46

 Augenzeuginnen und -zeugen berichten von einem regelrechten Personenkult um Sachartschenko in der DVR.

47

 Daniil Sotnikov, »Zacharčenko sam naznačaet sebja glavoj Malorossii« [Zacharchenko ernennt sich selbst zum Oberhaupt von Malorossija], in: TVRain, 18.7.2017.

48

 Nikolaus von Twickel, »Zum Hintergrund des Attentats auf Alexander Sachartschenko«, in: Ukraine Verstehen, 7.9.2018, <https://ukraineverstehen.de/sachartschenkos-attentat/> (Zugriff November 2018).

49

 »Kto takoj Pasečnik i kakoj konflikt byl u nego s Plotnitskim« [Wer Pasechnik ist und welchen Konflikt er mit Plotnizki hatte], in: DNR24, 16.11.2018.

50

 Er bewarb sich 2013 erfolglos um einen Sitz in der Werchowna Rada.

51

 Konstitutsija Donetskoj Narodnoj Respubliki, <https://nslnr.su/ zakonodatelstvo/konstitutsiya/> [Verfassung der Donetzker Volksrepublik] (Zugriff November 2018); Konstitutsija Luganskoj Respubliki [Verfassung der Lugansker Volksrepublik], <https://dnrsovet.su/konstitutsiya/> (Zugriff November 2018).

52

 Mitrochin, »Diktaturtransfer im Donbas« [wie Fn. 42], S. 41.

53

 Vgl. die offiziellen Websites von DNR, <https://dnr-online.ru/> (Zugriff November 2018), und LNR <https://glava-lnr.info/> (Zugriff November 2018).

54

 Anton Shechovtsov, »Foreign Observation of the Illegiti­mate ›General Elections‹ in the Donetsk People’s Republic and the Lugansk People’s Republic in November 2018«, European Platform for Democratic Elections, 13.11.2018.

55

 OSZE, Access to Justice and the Conflict in Ukraine, Dezember 2015 (OSCE SMM Thematic Report), <https://www.osce.org/ ukraine-smm/212311?download=true> (Zugriff Januar 2019).

56

 Gespräche der Autorin in Kyiw, Kramatorsk und Slowjansk, März 2018.

57

 Amnesty International/Human Rights Watch, You Don’t Exist. Arbitrary Detentions, Enforced Disappearances, and Torture in Eastern Ukraine, London 2016, <https://www.amnesty.org/ download/Documents/EUR5044552016ENGLISH.PDF> (Zugriff Januar 2019). Gespräche der Autorin mit Betroffenen, Kyiw, März 2018.

58

 Anders Aslund, »Kremlin Aggression in Ukraine: The Price Tag«, Atlantic Council, März 2018, S. 7. Das Brutto­inlandsprodukt der Ukraine schrumpfte 2014 um 6,5 Pro­zent. Die Deutsche Beratergruppe Ukraine schrieb den Kriegsereignissen im Donbas 50 Prozent dieses Rückgangs zu. »Deepening of the Recession Due to the Situation in Eastern Ukraine«, German Advisory Group Newsletter, (Oktober 2014) 72.

59

 ICG, Russia and the Separatists in Eastern Ukraine, Brüssel/ Kyiw, 5.2.2016 (Europe and Central Asia Briefing Nr. 79), S. 5ff.

60

 »Rassledovanie RBK: Na či den’gi živet Donbass« [Eine Untersuchung von RBK: Von welchen Geldern der Donbas lebt], in: RBK, 15.6.2015; »Kak vyživaet biznes v Donbasse« [Wie Unternehmen im Donbas überleben], in: Meduza, 18.2.2015.

61

 Nach eigenen Angaben beschäftigten die Unternehmen Rinat Achmetows bis zu ihrer Enteignung 120 000 Menschen und versorgten weitere mit humanitärer Hilfe. Gespräche der Autorin in Kyiw, März 2018. Vgl. Natalia Mirimanova, Business Opportunities Lost … and Found. Small and Medium Sized Enterprises from Donbass Responding to the Conflict, Genf: Centre for Humanitarian Dialogue (HD), November 2016; Natalia Mirimanova, Economic Connectivity across the Line of Contact in the Donbas, Ukraine. An Under-utilised Resource for Conflict Resolution, Genf: Centre for Humanitarian Dialogue (HD), September 2017.

62

 Crossing the Line. How the Illegal Trade with Occupied Donbas Undermines Defence Integrity, Transparency International and NAKO 2017, <https://nako.org.ua/wp-content/uploads/2017/ 11/Crossing-the-line.-How-the-illegal-trade-with-occupied-Donbas-undermines....pdf> (Zugriff November 2018).

63

 Katherina Bosko, »Post-Minsk-Realität: Die Folgen der Donbas-Blockade durch ukrainische Rechtsradikale und der ›Nationalisierung‹ von Unternehmen durch die ›Volksrepubliken‹«, in: Ukraine-Analysen, (10.5.2017) 184, S. 2–6 (3).

64

 Gespräche der Autorin mit Wirtschaftsvertretern in Kyiw, März 2018.

65

 Die Darstellung des ukrainischen Donbas-Diskurses be­ruht weitgehend auf der Auswertung von ca. 25 Gesprächen der Autorin mit politischen Akteuren, Vertreterinnen und Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Expertinnen und Experten im März 2018 in Kyiw sowie der Teilnahme an Seminaren und Dialogprozessen zum ukrainisch-russischen Konflikt seit 2014. Einen sehr guten tabel­larischen Überblick über die Positionen der politischen Parteien im ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, bietet eine Umfrage der Wochenzeitung »Zerkalo Nedeli«: »Put’ domoj« [Der Weg nach Hause], in: Zerkalo Nedeli, 13.6.2018.

66

 Vgl. auch Katharine Quinn-Judge, To Reunite Ukraine, Kyiv Must Overcome Its Own Prejudices, 20.3.2018 (Crisis Group Commentary).

67

 »Der Mainstream hat kein Verständnis für die Menschen in den Territorien, dass sie Ukrainer sind, dass ihnen gehol­fen werden muss. Verantwortung ist kein Konzept für die Lösung in dieser Frage, auch der sozialen Frage.« Zitat aus einem Gespräch der Autorin in Kyiw, März 2018.

68

 Proekt Zakonu pro zaboronu kolaboratsionizmu [Gesetz­entwurf zum Verbot von Kollaboration], Verchovna Rada Ukraini, 9.3.2017, <http://w1.c1.rada.gov.ua/pls/zweb2/ webproc4_1?pf3511=61312> (Zugriff November 2018). Vgl. auch Arsen Avakov, »Kollaboratsionizm i amnistija. Neobchodimost‘ obšžestvennogo dialoga« [Kollaboration und Amnestie. Die Notwendigkeit gesellschaftlichen Dialogs], in: Ukrainskaja Pravda, 6.6.2018.

69

 Vgl. hierzu auch ICG, Nobody Wants Us: The Alienated Civilians of Eastern Ukraine, Kyiw/Brüssel, 1.10.2018 (Europe Report Nr. 252), S. 7ff.

70

 Roland Hackenberg, »Dezentralisierungsreform in der Ukraine«, in: Ukraine verstehen, 5.11.2018, <https://ukraine verstehen.de/dezentralisierungsreform-ukraine/> (Zugriff November 2018).

71

 1994 verpflichteten sich die USA, Großbritannien und Russland im sogenannten Budapest-Memorandum gegenüber der Ukraine, Belarus und Kasachstan dazu, die Souveränität und territoriale Integrität der drei Staaten zu garantieren. Im Gegenzug verzichteten Kyiw, Minsk und Alma-Ata auf die sowjetischen Nuklearwaffen, die noch auf ihrem Territorium stationiert waren. Mit der Annexion der Krim brach Russland 2014 das Budapest-Memorandum.

72

 »Budapešt Pljus; Julija Timošenko predložila novyj format peregovorov« [Budapest Plus: Julia Timoschenko hat ein neues Verhandlungsformat vorgeschlagen], Kanal 24, 30.10.2018. Zum Realitätsgehalt dieser Vorstellungen vgl. Mykola Vorobiov, »Tymoshenko Reveals ›Peace Plan‹ for Eastern Ukraine as She Ramps up Presidential Campaign to Challenge Poroshenko«, in: Eurasia Daily Monitor, 12.11.2018.

73

 Auch der ukrainische Innenminister Arsen Avakov von der Volksfront machte im April 2018 mit einem eigenen Friedensplan von sich reden. Er spielt jedoch bei den anste­henden Präsidentschaftswahlen keine Rolle, und die Zukunft seiner Partei ist ungewiss.

74

 Zur Geschichte und Bedeutung der Freiwilligenbataillone vgl. Huseyn Aliyev, »Bewaffnete Freiwilligenbataillone: Informelle Machthaber in der Ukraine«, in: Ukraine-Analysen, (25.9.2018) 205, S. 2ff.

75

 »Analyse: Faktencheck: Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zum Donbass-Konflikt«, Bonn: Bundes­zentrale für politische Bildung, 4.5.2015, <http://www.bpb. de/205903/analyse-faktencheck-die-umsetzung-der-minsker-vereinbarungen-zum-donbass-konflikt> (Zugriff Dezember 2018).

76

 Eine Dokumentation des Gesetzes findet sich in »Gesetz über den Sonderstatus einzelner Bezirke der Region Donezk und Luhansk (16.09.2014)«, in: Ukraine-Analysen, (17.9.2014) 136, S. 9f.

77

 »Donbas Special Status Law Sparks Outrage, Protests«, in: Atlantic Council’s Digital Forensic Research Lab, 6.10.2017, <https://medium.com/dfrlab/donbas-special-status-law-sparks-outrage-protests-21068354af5c> (Zugriff November 2018).

78

 Die De-facto-Führungen in Donezk und Luhansk hatten von Kyiw gefordert, sie in die Verfassungsdebatte einzubeziehen. Dies hatte Kyiw mit der Begründung abgelehnt, sie seien nicht durch Wahlen legitimiert, sondern auf terroristischem Wege an die Macht gekommen. Stattdessen würden legitime Vertreterinnen und Vertreter der Gebiete Donezk und Luhansk an den Gesprächen beteiligt.

79

 Nastya Stanko/Maksym Kamenev, »How Poroshenko Passed The Unpopular ›Donbas Special Status Law‹«, in: Hromadske, 7.10.2017.

80

 »President Signed Law on Peculiarities of the State Policy on Ensuring the State Sovereignty of Ukraine in the Temporarily Occupied Territories in Donetsk and Luhansk Regions«, President of Ukraine Petro Poroshenko Official Website, 20.2.2018, <https://www.president.gov.ua/en/news/prezident-pidpisav-zakon-pro-osoblivosti-derzhavnoyi-politik-45950> (Zugriff November 2018). In der politischen und medialen Debatte firmiert es meist unter Deokkupations- oder Re­integrationsgesetz.

81

 Vgl. »No Longer ATO, Not Yet War. Ukraine Adopts Controversial ›Donbas Reintegration‹ Bill«, in: Euromaidan Press, 18.1.2018. Gespräche der Autorin mit Abgeordneten von Regierungs- und Oppositionsparteien, Kyiw, März 2018.

82

 The Ministry of Foreign Affairs of the Russian Federation, »Comment by the Information and Press Department on the Signing of the ›Donbass Reintegration‹ Law by the President of Ukraine«, 24.12.2018, <http://www.mid.ru/en/ foreign_policy/news/-/asset_publisher/cKNonkJE02Bw/ content/id/3090905> (Zugriff November 2018).

83

 Kreml [offizielle Website], »Vladimir Putin otvetil na voprosy žurnalistov o situacii na Ukraine« [Wladimir Putin beantwortete Fragen von Journalisten zur Lage in der Ukraine], 4.3.2014, <http://kremlin.ru/events/president/ news/20366> (Zugriff November 2018). Alle russischen Zitate wurden von der Autorin ins Deutsche übersetzt.

84

 Kreml [offizielle Website], »Address by the President of the Russian Federation«, 18.3.2014, <http://en.kremlin.ru/ events/president/news/20603> (Zugriff November 2018).

85

 Zur völkerrechtlichen Argumentation Russlands vgl. Christian Schaller, Völkerrechtliche Argumentationslinien in der russischen Außen- und Sicherheitspolitik. Russland, der Westen und das Nahe Ausland, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2018 (SWP-Studie 10/2018).

86

 Das Gleiche gilt in erheblichem Maße für das russische Engagement im Nahen und Mittleren Osten.

87

 Russische Gesprächspartner und ‑partnerinnen kommen hier immer wieder auf die Idee eines »neuen europäischen Sicherheitsvertrags« des ehemaligen Präsidenten Medwedew zu sprechen.

88

 Vgl. Kreml [offizielle Website], »Meeting of the Valdai International Discussion Club« (with Vladimir Putin), 18.10.2018, <http://en.kremlin.ru/events/president/news/ 58848> (Zugriff Dezember 2018).

89

 Sabine Fischer, »Die russische Politik in den ungelösten Konflikten«, in: Sabine Fischer (Hg.), Nicht eingefroren! Die un­gelösten Konflikte um Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg‑Karabach im Lichte der Krise um die Ukraine, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2016 (SWP-Studie 13/2016), S. 9–26 (12–25).

90

 Kreml [offizielle Website], »Prjamaja Linija s Vladimirom Putinym« [Direktverbindung mit Wladimir Putin], 16.4.2015, <http://kremlin.ru/events/president/news/49261> (Zugriff November 2018). Ganz anders verhält es sich im Fall der russischen Intervention auf der Krim. In einer TV-Dokumentation, die im März 2015 erstmals im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde, schildert Putin minutiös die »Notwendigkeiten« und den Entscheidungsprozess, die zu den militärischen Handlungen auf der Krim geführt hätten. Er bestätigte damit offiziell, dass im März 2014 russische Soldaten auf der Halbinsel eingesetzt worden waren. »Krym. Put’ na rodinu« [Die Krim. Der Weg in die Heimat], <https://www.youtube.com/watch?v=t42-71RpRgI> (Zugriff November 2018).

91

 Vgl. Igor Sutyagin, Russian Forces in Ukraine, März 2015 (RUSI Briefing Paper); Maksymilian Czuperski u.a., »Versteckspiel vor den Augen aller. Putins Krieg in der Ukraine«, Atlantic Council, September 2015; Sean Case/Klement Anders, »Putin’s Undeclared War. Summer 2014 Artillery Strikes against Ukraine«, Bellingcat, 2014. Bellingcat recherchierte besonders intensiv zum Abschuss der malaysischen Passagiermaschine im Juli 2014. Siehe dazu zahlreiche Beiträge auf <https://www.bellingcat.com/> sowie ein aus­führlicher Bericht: »MH17. The Open Source Investigation Three Years Later«, Bellingcat, Juli 2017, <https://www.belling cat.com/wp-content/uploads/2017/07/mh17-3rd-anniversary-report.pdf> (Zugriff November 2018). In Russland veröffentlichte vor allem die Zeitung »Novaya Gazeta« Materialien über russische Kampfeinsätze in der Ukraine. Der Opposi­tionspolitiker Boris Nemcov, der im Februar 2015 in Moskau ermordet wurde, hatte gemeinsam mit einer Experten­gruppe an einem Bericht zum Krieg im Donbas gearbeitet. Später wurde gemutmaßt, dies könnte ein Grund für das Attentat auf ihn gewesen sein. Der Bericht erschien posthum: Putin. Voina, Nezavisimyj ekspertnyj doklad. Po materialam Borisa Nemtsova [Putin. Krieg. Unabhängiger Expertenbericht auf Basis der Materialien von Boris Nemcov], Moskau, Mai 2015.

92

 Besonderes Aufsehen erregte ein von einer SMM-Drohne aufgezeichneter Film, den die Mission im August 2018 veröffentlichte. Der Film zeigt zwei LKW-Konvois in den NRKG, die sich über Staubstraßen abseits von Grenzübergängen in beide Richtungen über die Grenze bewegen. Die LKWs hatten keine Aufschrift »Humanitäre Hilfe«. Am selben Tag meldete die Mission, sie habe erstmals ein improvisiertes Militärcamp im Luhansker NRKG nahe der russischen Gren­ze gesichtet. OSZE, Latest from the OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM), 8.8.2018, <https://www.osce.org/ special-monitoring-mission-to-ukraine/390179> (Zugriff November 2018).

93

 Vgl. auch ICG, Russia and the Separatists in Eastern Ukraine [wie Fn. 59], S. 12ff.

94

 »Novye starye kuratory: počemu Moskva ne ostavit Donbass bez pomošči« [Die neuen alten Kuratoren: Warum Moskau den Donbass nicht im Stich lässt], RBK, 15.6.2018.

95

 Nikolaus von Twickel, Annual Report on the Events in the »People’s Republics« of Eastern Ukraine 2017, Berlin: Deutsch-Russischer Austausch e.V. (DRA), 2018, <http://www.aus tausch.org/files/DRA/Publikationen/Menschenrechts-Monitoring/Annual_report_NGCAs_2017.pdf> (Zugriff November 2018).

96

 ICG, Russia and the Separatists in Eastern Ukraine [wie Fn. 59], S. 14.

97

 Vgl. dazu ausführlich Fischer, »Die russische Politik« [wie Fn. 89], S. 20ff.

98

 Paul Goble, »Moscow Cannot Afford a South Ossetian Strategy in Ukraine’s Donbas«, in: Eurasia Daily Monitor, 14 (18.7.2017) 94.

99

 Ukaz o priznanii dokumentov [Erlass über die Anerkennung von Dokumenten], 18.2.2017, <http://www.kremlin.ru/acts/ news/53895> (Zugriff November 2018). Der russische OSZE-Botschafter erklärte einen Monat später, Russland werde die Anerkennung widerrufen, wenn die Ukraine ihre Verpflichtungen unter den Minsker Vereinbarungen erfülle. »MID Rossii rasskazal o vozmožnoj otmene priznanija dokumentov DNR i LNR« [Das Außenministerium äußert sich zur möglichen Rücknahme der Anerkennung von Dokumenten der DVR und LVR], in: Novaya Gazeta, 17.3.2017.

100

 »V Gosdume predložili uprostit’ polučenije graždanstva dlja DNR i LNR« [In der Duma wurde vorgeschlagen, die Ein­bürgerung für die DVR und LVR zu erleichtern], in: Novaya Gazeta, 25.4.2017.

101

 Dies bedeutet jedoch nicht, dass in den umstrittenen Gebieten keine Menschen mit russischer Staatsbürgerschaft leben. Vermutlich haben nach dem Zerfall der Sowjetunion und vor der Verschärfung der russischen Einbürgerungs­gesetzgebung Ende der 1990er Jahre nicht wenige Ukrainerinnen und Ukrainer russische Pässe erhalten – zumal die ukrainische Verfassung die doppelte Staatsbürgerschaft zulässt. Genaue Zahlen sind jedoch nicht verfügbar. Thomas Hoffmann/Archil Chochia, »The Institution of Citizenship and Practices of Passportization in Russia’s European Neigh­bourhood Policies«, in: Thomas Hoffmann/Andrey Makarychev (Hg.), Russia and the EU. Spaces of Interaction, London/ New York 2019, S. 223–238 (232f).

102

 Nikolaus von Twickel, »Analyse: Donbass: Sind die ›Volksrepubliken‹ Marionettenstaaten?«, Bonn: Bundes­zentrale für politische Bildung, 23.5.2018, <http://www.bpb. de/internationales/europa/ukraine/269571/analyse-donbass-sind-die-volksrepubliken-marionettenstaaten> (Zugriff November 2018).

103

 Ausführlich hierzu: »Partner u nas odin – Rossijskaja Federacija« [Wir haben nur einen Partner – die Russische Föderation], in: Kommersant Vlast’, 6.5.2017.

104

 Ebd.

105

 Ein systematischer Vergleich der »alten« ungelösten Konflikte findet sich in Sabine Fischer, »Schlussfolgerungen und Empfehlungen: Europäische Friedenspolitik in den ungelösten Konflikten«, in: Fischer (Hg.), Nicht eingefroren! [wie Fn. 89], S. 89–130 (92–95).

106

 UN OCHA, Ukraine Humanitarian Needs Overview 2018, November 2017, S. 10, <https://www.humanitarianresponse. info/en/operations/ukraine/document/ukraine-2018-huma nitarian-needs-overview-hno> (Zugriff November 2018). Die­ser drastische Anstieg hat auch mit der Wirtschafts­blockade zu tun, die im März 2017 über die NRKG verhängt wurde.

107

 United Nations in Ukraine, Humanitarian Response Plan Ukraine 2018, 4.12.2017, S. 21, <http://www.un.org.ua/en/ resident-coordinator-system/humanitarian-response> (Zugriff November 2018).

108

 Veronique Barbelet, Humanitarian Access and Local Organisations in Ukraine, London: Humanitarian Policy Group (HPG), September 2017 (HPG Working Paper).

109

 ICG, Nobody Wants Us [wie Fn. 69], S. 4.

110

 Gespräche der Autorin mit Vertreterinnen und Ver­tretern von Regierungs- und Oppositionsparteien in Kyiw, unter anderem in der Werchowna Rada; Gespräche in Kramatorsk und Slowjansk, März 2018.

111

 Gespräch der Autorin mit Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums, Kyiw, März 2018. Gespräche der Autorin mit Vertreterinnen und Vertretern humanitärer Organisationen in Kyiw, Kramatorsk und Luhansk, März 2018. Vgl. auch ICG, Ukraine: The Line [wie Fn. 14], S. 2f; ICG, Nobody Wants Us [wie Fn. 69], S. 7f.

112

 Inna Volosevych/Tetiana Kostiuchenko, »Desk Research of the Survey of IDPs«, UNHCR/GFK, Dezember 2017, <relief web.int/sites/reliefweb.int/files/resources/gfk_unhcr_desk_ report_final.pdf> (Zugriff November 2018). Es gibt keine verlässlichen Informationen zur Anzahl der Binnenvertriebenen in den NRKG.

113

 Russland erhielt damit 2014 weltweit die meisten An­träge auf Asyl und Flüchtlingsstatus. Etwa 90 Prozent der Anträge wurden in dem Jahr positiv beschieden. UNHCR, World At War. Global Trends Forced Displacement in 2014, <https://www.unhcr.org/556725e69.pdf> (Zugriff Januar 2019).

114

 UNHCR, Global Trends. Forced Displacement in 2017, <http://www.unhcr.org/globaltrends2017/> (Zugriff November 2018).

115

 UN OCHA, Ukraine Humanitarian Needs Overview 2018 [wie Fn. 106], S. 8.

116

 UNHCR, Multi-year, Multi-partner Protection and Solutions Strategy for Ukraine, 2018–2020, 8.1.2018 <http://www.unhcr. org/ua/wp-content/uploads/sites/38/2018/06/Ukraine-MYMP-Protection-and-Solutions-strategy-2018_2022_FINAL.pdf> (Zugriff November 2018), S. 2.

117

 United Nations in Ukraine, Pensions for IDPs and Persons Living in the Areas Not Controlled by the Government in the East of Ukraine, Dezember 2017 (UN Briefing Note), <http://www. humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianres ponse.info/files/documents/files/briefing_note_on_pensions_ en.pdf> (Zugriff November 2018).

118

 Gespräche der Autorin in Kyiw, März 2018.

119

 UN, Pensions for IDPs [wie Fn. 117]. Das ukrainische Verfassungsgericht erklärte die bisherige Praxis im Oktober 2018 für verfassungswidrig. Bislang hatte dies jedoch nicht die Verabschiedung des betreffenden Gesetzes zur Folge. UNHCR Legislative Update, Oktober 2018, <www.humani tarianresponse.info/sites/www.humanitarian response.info/ files/documents/files/2018_10_legislative_ update_eng.pdf> (Zugriff Januar 2019).

120

 International Organization for Migration, National Monitoring System Report on the Situation of Internally Displaced Persons, März 2018, S. 7, <http://www.iom.org.ua/en/national-monitoring-system-report-situation-internally-displaced-persons-march-2018> (Zugriff November 2018).

121

 Augenzeuginnen und -zeugen berichten, dass seit 2017 die Mobilität bestimmter Berufsgruppen wie Ärzte oder Lehrer gezielt eingeschränkt werde. Gespräche der Autorin in Kramatorsk und Slowjansk, März 2018.

122

 UN OCHA, Ukraine: Checkpoints – Humanitarian Snapshot, 16.7.2018, <https://reliefweb.int/report/ukraine/ukraine-checkpoints-humanitarian-snapshot-16-july-2018> (Zugriff Januar 2019).

123

 Vgl. UNHCR, Crossing the Line of Contact. Monitoring Report, Februar 2018, <https://www.humanitarianresponse. info/en/operations/ukraine/document/report-%E2%80%9D crossing-line-contact%E2%80%9D-r2p-january-february-2017> (Zugriff November 2018).

124

 UN OCHA, Ukraine Humanitarian Needs Overview 2018 [wie Fn. 106].

125

 Vgl. The Halo Trust, Ukraine, <http://www.halotrust. org/where-we-work/europe-and-caucasus/ukraine/> (Zugriff November 2018).

126

 OHCHR, Report on the Human Rights Situation in Ukraine. 16.2.2018–15.5.2018, 20.6.2018, S. 9, <https://reliefweb. int/report/ukraine/report-human-rights-situation-ukraine-16-february-15-may-2018-enruuk> (Zugriff November 2018).

127

 OHCHR, Statement on the Humanitarian Impact of Con­tinued Shelling Near the Donetsk Filter Station, 14.5.2018, <reliefweb.int/report/ukraine/un-resident-coordinator-and-humanitarian-coordinator-ukraine-neal-walker-statement-0> (Zugriff November 2018). Vgl. auch Sophie Lambroschini, Krieg und Wasser im Donbass, Berlin: ZOiS, 17.10.2018 (ZOiS Spotlight 35/2018).

128

 OSZE, Hardship for Conflict-affected Civilians in Eastern Ukraine, Februar 2017 (OSCE Special Monitoring Mission Thematic Report), S. 3ff, <https://www.osce.org/ukraine-smm/300276?download=true> (Zugriff Januar 2019); ICG, Nobody Wants Us [wie Fn. 69], S. 19ff.

129

 Barbelet, Humanitarian Access [wie Fn. 108].

130

 Gespräche der Autorin in Kyiw, Kramatorsk und Slowjansk, März 2018. Einige Gesprächspartnerinnen und ‑partner kritisierten beispielsweise, die zivil-militäri­schen Verwaltungen organisierten zwar regelmäßig Treffen mit humanitären Organisationen, blieben aber bei der Umsetzung von Maßnahmen regelmäßig hinter ihren An­kündigungen zurück.

131

 UN OCHA, Ukraine Humanitarian Needs Overview 2018 [wie Fn. 106], S. 11.

132

 Humanitäre Organisationen führen dies auf eine »Spionage-Paranoia« der Machthabenden sowie auf deren Wunsch zurück, direkte Kontakte zwischen internationalen humanitären Organisationen und der Bevölkerung in den Gebieten zu unterbinden. Gespräche der Autorin in Kyiw, Kramatorsk und Slowjansk, März 2018.

133

 Barbelet, Humanitarian Access [wie Fn. 108], S. 6f.

134

 Ebd., S. 16.

135

 Gespräche der Autorin in Kyiw, Kramatorsk und Slowjansk, März 2018. Vgl. auch Otčet gumanitarnogo štaba Rinata Achmetova 2017 [Bericht des humanitären Stabes Rinat Achmetow 2017], <http://www.fdu.org.ua/files/docs/ 513_ru_pomojem_russ_2.pdf> (Zugriff Dezember 2018).

136

 Vgl. Ekaterina Stepanova, »Gumanitarnaja rol’ Rossii v konfliktach na Donbasse i v Sirii« [Russlands humanitäre Rolle in den Konflikten im Donbass und in Syrien], in: dies. (Hg.), Gumanitarnye vyzovy, gumanitarnoe reagirovanie i zašžita graždanskogo naselenija v vooružennych konfliktach [Humanitäre Herausforderungen, humanitäre Reaktionen und der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten], Moskau: IMEMO, 2018, S. 129–182.

137

 Katastrophenschutzministerium der Russischen Föde­ration, »Dostavka gumanitarnoj pomošči dlja otdelnyh rajonov Doneckoj i Luganskoj oblastej Ukrainy« [Lieferungen von humanitärer Hilfe für einzelne Teile der Regionen Donetsk und Luhansk], <http://www.mchs.gov.ru/dop/ Grazhdanam_Ukraini_i_licam_bez_grazhd> (Zugriff Dezember 2018).

138

 Stepanova (Hg.), Gumanitarnaja rol‘ [wie Fn. 136], S. 148.

139

 Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben seit 2014 für mehr als 677 Millionen Euro humanitäre und Wiederaufbauhilfe geleistet; sie gehören damit zu den größten humanitären Geldgebern im Donbas-Krieg. European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations, Factsheet Ukraine, 21.6.2018, <http://ec.europa.eu/echo/where/europe/ ukraine_en> (Zugriff November 2018).

140

 Gespräch der Autorin mit UN OCHA Kramatorsk, März 2018.

141

 Gespräche der Autorin mit Vertreterinnen und Vertretern staatlicher und nichtstaatlicher humanitärer Organisationen in Kyiw, Kramatorsk und Slowjansk, März 2018. UN OCHA, Ukraine Humanitarian Needs Overview 2018 [wie Fn. 106], S. 11.

142

 Vgl. Alexander Libman, Russland, Ukraine und Türkei im Geflecht der Sanktionen. Warum Moskaus und Kiews neue Straf­maßnahmen auch für die EU ein Problem sind, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2016 (SWP-Aktuell 2/2016).

143

 »Rada Votes to Scrap Ukrainian-Russian Friendship Agreement«, in: Kyiv Post, 6.12.2018.

144

 Vgl. hierzu Regina Elsner, Unabhängige Kirche in der Ukraine: Friedensgarant oder Kriegstreiber?, Berlin: ZOiS, 19.9.2018 (ZOiS Spotlight 31/2018).

145

 Sabine Fischer, Sanktionen als Dauerzustand? Vorschlag für eine Flexibilisierung der EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2017 (SWP-Aktuell 24/2017).

146

 Hierzu ausführlich: Fischer, »Schlussfolgerungen und Empfehlungen« [wie Fn. 105], S. 89–103 (89–92).

147

 Vgl. Susan Stewart, Nur neue Sanktionen können Russland in der Schwarzmeerregion aufhalten, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 20.12.2018 (SWP Kurz gesagt).

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