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Die Zukunft von Europol: Wo tatsächlicher Mehrwert entsteht

Wichtiger als eine erneute Mandatsreform sind operative Weiterentwicklungen in den Kernbereichen der Agentur

SWP-Aktuell 2025/A 55, 19.12.2025, 8 Pages

doi:10.18449/2025A55

Research Areas

Die Europäische Kommission erwägt seit 2024, die Zuständigkeiten und Aktivitäten von Europol auszubauen. Das Personal der Agentur soll dabei verdoppelt und ihr Mandat um drei Themen erweitert werden – Sabotage, Desinformation und hybride Bedrohungen. Angepeilt werden eine noch zu definierende Umgestaltung von Euro­pol in eine »schlagkräftige« Polizeibehörde und eine stärkere Kontrolle über die Agentur. Diese Vorhaben, die auf politischen wie bürokratischen Überlegungen be­ruhen, kamen ohne vorherige Konsultation der EU-Mitgliedstaaten und technische Abschätzung zustande. 2026 will die Kommission den Mitgliedstaaten einen Vorschlag für die Mandatsänderung vorlegen. Der Schwerpunkt einer Weiterentwicklung von Europol sollte jedoch nicht unbedingt auf einem neuen Mandat liegen, sondern sich vorrangig nach dem operativen Bedarf richten, den die nationalen Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Drogenhandel, Cyberkriminalität und Terro­rismus haben. In diesen Kernbereichen sind Personalaufstockung und Innovation er­forderlich, jedoch nicht zwingend durch eine Mandatsreform. Generell bedarf es bei der EU einer langfristigen Strategie für die künftige Architektur der inneren Sicher­heit, an der sich eine Ausgestaltung von Europol orientieren sollte.

Die Geschichte von Europol (Agentur der Europäischen Union für die Zusammen­arbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung, ursprünglich Europäisches Polizeiamt) ist geprägt von mehreren größeren Mandatserweiterungen. Jedes Mal wuchs das Spek­trum von Aufgaben und Befugnissen der im niederländischen Den Haag ansässigen Be­hörde. Die Entwicklung von Europol zu einer Agentur der Strafverfolgung steht in dieser Hinsicht exemplarisch für den euro­päischen Sonderweg in der inneren Sicher­heit. Charakteristisch für diesen ist, dass sich operative Unterstützungs- und Koor­dinierungsstrukturen auf EU-Ebene in der Praxis schrittweise verdichtet haben, wäh­rend nationale Zuständigkeiten gewahrt blieben. Konzeptionell lassen sich die Wur­zeln der Agentur zugleich bis zur infor­mellen Anti-Terror-Kooperation nach dem Münchner Olympia-Attentat von 1972 zurückverfolgen. Allerdings wurde sie 1993 zunächst als »Europol-Drogenstelle« im Bereich der Rauschgiftkriminalität tätig. Erst 1999 nahm sie ihre Tätigkeit als EU-Agentur für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung auf.

Die Terroranschläge in Europa ab 2015 sowie die digitale Transformation der orga­nisierten Kriminalität führten dazu, dass das Mandat von Europol zweimal (2016 und 2022) umfassend revidiert wurde und es zu einer Personal- und Mittelaufstockung kam. Das Aufgabenfeld der Agentur hat sich ent­sprechend ausgeweitet; sie bekämpft nicht mehr nur Drogenkriminalität, sondern auch Terrorismus und Cyberkriminalität, wobei Letztere heute als Kernbereiche gel­ten. 2022 hat Europol einen deutlichen Kompetenzschub erfahren, auch was erwei­terte Befugnisse bei der Datenverarbeitung und die Kooperation mit privaten sowie Drittparteien betrifft. Die Agentur hat im Zuge dieser Entwicklung spezialisierte »Zen­tren« eingerichtet, mit denen Fachwissen gebündelt werden soll, um auf spezifischen Kriminalitätsfeldern effektiver agieren zu können und die EU-Mitgliedstaaten zu unterstützen. Die Zentren decken die Berei­che organisierte Kriminalität, Cyberkriminalität, Terrorismus sowie Finanz- und Wirtschaftskriminalität ab.

Jenseits dieser Prioritätsfelder wurden bis 2022 in Anhang I der Europol-Verordnung insgesamt 30 Kriminalitätsformen aufgenommen, für die die Agentur zuständig ist. 2025 einigten sich Rat und Parlament der EU zudem darauf, ihr Mandat um die Be­kämpfung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel zu erweitern. Dazu sollen die Verpflichtungen zum Informationsaustausch zwischen EU-Mitgliedstaaten und Europol ausgeweitet werden. Außerdem soll die Rolle des Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Migrantenschleusung gestärkt werden; dabei handelt es sich um eine ständige Struktur innerhalb von Euro­pol, an der Beamten von Frontex für den Schutz der EU-Außengrenzen und solche von Eurojust für die justitielle Zusammenarbeit beteiligt sind. Hinzu kommen soll auch die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Sanktionen.

In all diesen Bereichen unterstützt Euro­pol heute eine wachsende Zahl grenzüberschreitender Ermittlungen. Dies geschieht stets auf Basis eines Ersuchens des betreffenden EU-Mitgliedstaates; die Ermittlungen selbst bleiben immer in der Verantwortung der nationalen Behörden. Dabei stellt die Agentur modernste analytische Exper­tise zur Verfügung. Zwischen 2021 und 2025 stieg die Zahl ihrer Mitarbeiter von 971 auf 1701 (inklusive Verwaltungs-, IT-, Support-, Management- und Liaisonfunk­tionen, Vertrags- und anderer Kräfte sowie externer Experten). Das Budget erhöhte sich im selben Zeitraum von 172 Millionen auf 247 Millionen Euro.

Im Kontrast zu dieser Aufgaben-, Personal- und Etaterweiterung ist die Arbeits­weise von Europol grundsätzlich stabil ge­blieben. Gemäß den EU-Verträgen (Artikel 88 AEUV) darf die Agentur – anders als die amerikanische Bundespolizei FBI – weder eigenständig Ermittlungen einleiten noch Durchsuchungen vornehmen oder Ver­dächtige festnehmen. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen ist ausschließlich den zuständigen einzelstaatlichen Behörden vorbehalten. Europol darf gemäß Artikel 4.2 EUV auch nicht die Arbeit der Geheimdienste der Mitgliedstaaten beinträchtigen.

Der politische Kontext einer Mandatsreform

Die Ankündigung, das Europol-Mandat zu reformieren, erfolgte im direkten Zusammenhang mit der Wiederwahl Ursula von der Leyens zur Kommissionspräsidentin. In ihrer Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament schlug von der Leyen am 18. Juli 2024 vor, das Personal der Agentur zu verdoppeln und deren Mandat zu stär­ken. Dabei verwies sie auf die Gefahren von Sabotage, hybriden Angriffen und Desinfor­mation – Bedrohungen, die durch das jetzige Mandat nicht abgedeckt seien, wes­halb das operative Potential von Europol zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität möglicherweise nicht voll aus­geschöpft werde. Ziel sei es, aus Europol eine »wirklich schlagkräftige Polizeibehör­de« zu machen. Der noch zu verhandelnde Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der EU sah gemäß Vorschlag der Kommission zwi­schenzeitlich vor, die Mittel für die Agentur zu verdoppeln.

Im Nachhinein hat die Kommission die ursprünglich angekündigten Beträge teil­weise reduziert. Die am 1. April 2025 von ihr veröffentlichte Europäische Strategie für die innere Sicherheit präzisiert, was unter der Umwandlung von Europol in eine »wirk­­lich schlagkräftige Polizeibehörde« zu verstehen sei. Demnach geht es um eine Unterstützungs- und Analyseagentur, die im Dienst der Mitgliedstaaten agiert – was de facto allerdings schon seit Gründung von Europol der Fall ist. In ihrem »Mission Let­ter« an Magnus Brunner, den EU-Kommis­sar für Inneres und Migration, betonte von der Leyen in Dezember 2024 zudem, dass die Neufassung des Europol-Mandats mit einer verstärkten Aufsicht über die Agen­tur einhergehen müsse. Während die an­ge­strebte Umwandlung also relativ undefiniert bleibt, hält Brüssel grundsätzlich an der Absicht fest, das Personal von Europol zu verdoppeln und das Aufgabenspektrum zu erweitern.

Die Interessen der Mitgliedstaaten

Für ein neues Europol-Mandat findet sich bei den EU-Mitgliedstaaten keine starke politische Nachfrage. Im Gegenteil betonten die nationalen Polizeichefs in einer gemein­samen Erklärung von April 2025 (die eine informelle Antwort auf die Kommissionsankündigung war), dass Europol ein unter­stützendes Koordinationszentrum bleiben solle, anstatt sich zu einem »Kommandozentrum« zu entwickeln. Die Agentur benö­tige mehr Mittel und Innovationen – und damit nicht, wie implizit zu verstehen war, mehr Tätigkeitsfelder.

Im Rat der EU gibt es üblicherweise eine breite Spanne an Positionen zu Europol. Am einen Ende stehen jene, die sich eine proaktivere Rolle der Agentur wünschen – darunter die Benelux-Staaten, die Europol als Mittel sehen, um kleinere EU-Mitglieder zu entlasten. Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich jene, die wie Ungarn oder Polen den Fokus auf den Schutz natio­naler Souveränität legen.

Das Schlagwort vom »europäischen FBI« wurde weder im Berliner Koalitionsvertrag von Mai 2025 noch durch die Kommission aufgegriffen. In den Brüsseler Gremien befürwortete Deutschland – auch während seiner EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 – konsequent eine bloße Stärkung von Europol als unterstützende Agentur, ohne dabei die Transformation in eine Polizei­behörde nach US-Vorbild zu fordern. Deutschland hat sich aber in der Vergangenheit grundsätzlich für Mandatsänderungen ausgesprochen, insbesondere um Ko­ordination, Datenanalyse und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern.

Potentiale inhaltlicher und funk­tionaler Mandatserweiterungen

Unabhängig von der allgemeinen Debatte über den Umfang der Europol-Reform ist es eine Frage für sich, inwiefern neue Bedro­hungen – wie von der Kommission vor­geschlagen – in das Mandat aufgenom­men werden sollen. Sabotageakte sind davon bis dato tatsächlich nicht abgedeckt. Solche Vorfälle können jedoch, ebenso wie die dahinterstehenden Täternetzwerke, durch­aus transnationaler Art sein, insbe­sondere wenn sie sich gegen kritische Infra­struktur richten. Eine entsprechende Ergän­zung des Mandates ließe sich also mit dem Schutz kritischer Infrastrukturen verbinden. EU-Mitgliedstaaten könnten hier von umfassenden Analysen profitieren, zu denen sie selbst nicht in der Lage sind. Das deutsche Recht würde eine klare Basis dafür bieten, Sabotage in das Europol-Mandat einzube­ziehen (§ 88 StGB).

Eine Erweiterung des Mandats um die Be­reiche Desinformation und hybride Bedro­hungen, die derzeit ebenso wenig durch Europol abgedeckt sind, wäre problematischer. Für beide Themen könnte ein Lage­zentrum als Pilotprojekt erprobt werden, was bereits unter dem jetzigen Mandat vor­stellbar wäre. Derzeit besitzt Europol keine ausreichenden Kapazitäten, um auf diesen Feldern einen vollständigen europäischen Überblick zu bieten. Allerdings hat die Agentur hier bereits die Initiative ergriffen, indem sie 2021 einen Bericht zur Bekämpfung von Desinformation im Kontext der Corona-Pandemie veröffentlichte. Auch bei hybriden Bedrohungen konnte Europol die Mitgliedstaaten schon unterstützen, so im Rahmen der Operation »NoName 057(16)«, bei der 15 EU-Staaten, die Ukraine und die USA im Juli 2025 ein Netzwerk prorussischer Hacker zerschlugen.

Um die Themen Desinformation und hybride Bedrohungen offiziell in die Euro­pol-Verordnung einzubeziehen, bedürfte es jedoch einer klaren rechtlichen Definition dieser Tätigkeitsfelder. Eine solche fehlt heute aber teilweise in der EU-Gesetzge­bung und bei den Mitgliedstaaten selbst; so gibt es etwa im Digital Services Act keine formale juristische Definition von »Desinfor­mation«. In diesem Bereich könnte die Agentur künftig nur solche Bedrohungen bekämpfen, die Straftaten darstellen, nicht jedoch anderweitige Falschinformationen, auch wenn diese im öffentlichen Diskurs gefährlich sind. Einige Straftaten aus dem hybriden Bereich fallen schon heute unter das Mandat von Europol, etwa Brandstiftung oder Bombendrohungen. An sich sind hybride Bedrohungen jedoch völ­kerrecht­lich nicht klar definiert.

Neue Themen bergen auch das Risiko langwieriger, wenig strategischer Debatten innerhalb der Institutionen. Was etwa die Rolle von Europol bei der Terrorismus­bekämpfung betrifft, schlug die Kommis­sion im Jahr 2022 vor, dass die Agentur selbst – anders als bisher – Daten über ausländische Terroristen in das Schengener Informationssystem eingibt. Im Rat der EU ließ sich jedoch kein Konsens darüber erzie­len, das Anliegen in der damals empfohlenen Form weiterzuverfolgen. Immerhin kann Europol den Mitgliedstaaten heute bereits entsprechende Einträge vorschlagen. Ermöglicht wurde dies jedoch erst nach Monaten technischer Diskussionen.

Folgen für die europäische Archi­tektur der inneren Sicherheit

Soll das Europol-Mandat um neue Themen ergänzt werden, stellt sich verstärkt die Frage, wie die Architektur der EU für innere Sicherheit zu steuern ist und inwiefern sich die Tätigkeit der Agentur mit der von Sicherheitsakteuren innerhalb und außer­halb der EU überschneidet. Wenn Europol etwa zunehmend im Bereich hybrider Bedrohungen aktiv wird, wäre zu klären, inwiefern dies mit der Arbeit der East Strat­Com Task Force des Europäischen Auswärtigen Dienstes harmoniert, die bereits Ana­lysen und Warnungen über Desinformation erstellt. Ähnliches gilt mit Blick auf das im November 2025 von der Kommission ange­kündigte Europäische Zentrum für demo­kratische Resilienz, das als ein wichtiger Be­standteil des zeitgleich vorgestellten Euro­päischen Schutzschilds für die Demo­kratie gedacht ist. Es soll dem Ziel dienen, neu­artigen gemeinsamen Bedrohungen – ins­be­sondere Informationsmanipulation, Ein­flussnahme aus dem Ausland sowie Des­in­formation – zu begegnen. Eine etwaige Komplementarität wäre auch im Fall des Europäischen Exzellenzzentrums für die Be­kämpfung hybrider Bedrohungen zu prüfen – eine gemeinsame Einrichtung von EU und Nato mit Sitz in Helsinki.

Schon mit dem jetzigen Europol-Mandat stellt sich die Frage möglicher Überschneidungen mit anderen europäischen Agen­turen. Dies betrifft die neue EU‑Zollagentur, die Behörde zur Bekämpfung von Geldwä­sche und Terrorismusfinanzierung AMLA, die EU-Agentur für Cybersicherheit ENISA sowie die Europäische Polizeiakademie CEPOL (die oftmals die Fachexpertise von Europol in Anspruch nimmt). Dass Europol zuletzt die eigene Rolle bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität verstärkt hat, wirft die Frage auf, inwiefern sich die Auf­gaben mit denen von Frontex, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, überschneiden. Bislang werden in Den Haag und Warschau, dem Sitz von Frontex, ähnliche Analyseberichte zur Mig­rantenschleusung teilweise separat vonein­ander erstellt.

Da die drei neuen von der EU-Kommis­sion vorgeschlagenen Bereiche (Sabotage, Desinformation, hybride Bedrohungen) schon von anderen Stellen und teilweise auch von Europol selbst abgedeckt sind, ließe sich fragen, ob hinter der Idee einer Mandatserweiterung nicht ein Problem bürokratischer Prozesse steckt. In der Arbeitsweise der Kommission lässt sich der Haushalt einer EU-Agentur de facto manch­mal nur dann aufstocken, wenn gleichzeitig deren Mandat ausgeweitet wird (obwohl rechtlich das eine nicht automatisch mit dem anderen verbunden ist). Das kann zu Situationen führen, in denen bei einer for­malen Mandatserweiterung das Ziel, mehr Ressourcen aus dem EU-Budget zu erhalten, wichtiger ist als Inhalt der Reform selbst.

Ein anschauliches Beispiel, wie bürokratische Abläufe Reformen bestimmen kön­nen, liefert die Novelle der Europol-Verord­nung von 2025, mit der die Rolle der Agen­tur bei der Bekämpfung von Schleuser­krimi­nalität und Menschenhandel gestärkt wurde. Sie entstand nach einer Initiative der EU‑Kommission großteils durch Ver­fahrensprozesse, weniger aus inhaltlicher Dringlichkeit. Die Novelle wird denn auch eher finanzielle als sachliche Auswirkungen haben, denn aus diesem Anlass wurden 50 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für Europol bereitgestellt. Dafür bedurfte es allerdings Monate intensiver Diskussionen. Der Rat der EU strich den ursprünglichen Kommissionsentwurf einer neuen Verordnung und nahm lediglich einige der vor­geschlagenen Elemente als Änderungen in die bisherige Europol-Verordnung auf.

Die jetzt geplante Mandatserweiterung würde, wie von der Kommission angekündigt, zu mehr Kontrolle über Europol füh­ren. Mehr Kontrolle erscheint aber kaum vorstellbar, bedenkt man, wie viele Auf­sichtsmechanismen für die Agentur bereits bestehen. Entsprechende Funktionen erfül­len der Rat »Justiz und Inneres« der EU, der Gemeinsame parlamentarische Kontroll­ausschuss für Europol (nach Artikel 51 der Europol-Verordnung) – in dem Vertreter der nationalen Parlamente und des zustän­digen Ausschusses des Europäischen Parla­ments vertreten sind –, der Europäische Rechnungshof, die nationalen Kontrollbehörden und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB).

Im Hinblick auf den EDSB wird teilweise die Auffassung vertreten, dass weitergehen­de Kontrollbefugnisse sich potentiell auf die Effizienz von Ermittlungs- und Innovations­prozessen auswirken könnten. Schon bisher sind dem Datenschutzbeauftragten etwa keine klaren Fristen gesetzt, um Stellungnahmen zur Tätigkeit von Europol abzu­geben, auch was den Bereich von Innova­tionen betrifft (beispielsweise die Entwicklung eines neuen KI-Instruments). Dies kann es Europol erschweren, die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Der EDSB wandte sich 2022 gegen die damalige Novelle der Europol-Verordnung, die es der Agentur ermöglichte, nicht kategorisierte Daten zu verarbeiten. Seine Klage gegen Rat und Europäisches Parlament wurde vom Euro­päischen Gerichtshof jedoch als unzulässig abgewiesen. Am 8. Januar 2025 rügte der EDSB auch Frontex, weil die Grenzschutz­agentur gegen die Frontex-Verordnung (EU) 2019/1896 verstoßen habe, als sie personen­bezogene Daten von Verdächtigen grenz­überschreitender Straftaten an Europol wei­tergab.

Alternativen zu einer Mandatsreform

Ungeachtet der im MFR vorgesehenen Mit­telaufstockung zeigt sich, dass Europol be­reits unter dem jetzigen Mandat strukturell unter finanziellen Spannungen operiert. Ein Indikator dafür ist der Jahresbericht der Agentur für 2024. Demnach bleibt zwar die Zahl der von Europol finanzierten Aktionstage (grenzüberschreitende Einsätze, die sich mit Europol-Unterstützung etwa logis­tischer oder analytischer Art auf kriminelle Netze in der gesamten EU konzentrieren) weitgehend stabil – mit 453 im Jahr 2023 und 432 im Jahr 2024. Unter anderen Aspekten aber ist die Arbeitsbelastung der Agentur gestiegen, etwa was die Nutzung ihres sicheren Kommunikationskanals SIENA durch die EU-Mitgliedstaaten betrifft oder die Anzahl der von ihr erstellten Ana­lyseberichte.

Manche Themen, die Europol auch ohne neues Mandat abdecken könnte, werden von der Agentur bislang nur unzureichend berücksichtigt. Dazu zählen beispielsweise Umweltkriminalität oder reisende Hooli­gans, obwohl mit Blick auf Letztere im November 2025 eine neue Absichtserklärung zwischen Europol und dem europäischen Fußballverband UEFA unterzeichnet wurde. Ebenfalls nicht genügend berücksichtigt werden Serienmörder und Serien­vergewaltiger, die ihren Wohnsitz ge­zielt von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlegen, um ihre Verbrechen zu begehen.

Außerdem haben Kooperationsinstrumente selbst in Kernbereichen der Krimina­litätsbekämpfung, zu denen etwa die Euro­päische multidisziplinäre Plattform gegen kriminelle Bedrohungen (EMPACT) gehört, laut Rat der EU bislang unter chronischer Unterfinanzierung gelitten.

Die weltweite Reputation von Europol beruht heute vor allem darauf, dass die Agentur bei der digitalen Bekämpfung von Drogenhandel und Terrorismus – also Kernthemen des aktuellen Mandats – eine Reihe mitgliedstaatlicher Ermittlungen durch Koordination und operative Analysen unterstützt hat. Nachdem 2012 bei einem Anschlag im bulgarischen Burgas fünf israe­lische Touristen getötet worden waren, er­möglichte es die forensische Analyse von Europol, den Modus Operandi der Täter zu klären und Verbindungen zwischen ihnen und der libanesischen Hisbollah zu iden­ti­fizieren, die den Ermittlern der Mitgliedstaaten zuvor nicht bekannt gewesen waren. Unmittelbar nach den Pariser Atten­taten im November 2015 wiederum wurde die Task­force »Fraternité« (Brüderlichkeit) aktiv, die sich aus Europol-Analysten und ‑Experten der EU-Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Belgien, zusammensetzte. Sie verarbeitete große Mengen an Finanz-, Kommunikations- und forensischen Daten, womit es gelang, internationale Verbindungen zwi­schen den beteiligten Terroristen aufzu­decken.

Geradezu bahnbrechend waren die seit 2020 laufenden Ermittlungen gegen »Encro­chat«, einen in Europa ansässigen Kommunikationsdienstleister, der modifizierte Smartphones anbot, die eine verschlüsselte Kommunikation zwischen den Abonnenten ermöglichten. Später geriet mit »Sky ECC« ein ähnlicher Anbieter, der einen verschlüs­selten Messenger betrieb, ins Visier der Er­mittler. Europol konnte wertvolle Einblicke in Struktur und Aktivitäten krimineller Netzwerke gewinnen, nachdem französische Ermittler eine vermeintlich sichere Kommunikationsplattform infiltriert hatten und in der Folge Millionen verschlüsselter Nachrichten beschlagnahmt worden waren.

Diese vier Fälle zeigen den Mehrwert, den die Agentur in ihren Kernbereichen auch mit dem heutigen Mandat weiterhin erzielen könnte, wenn sie sich verstärkt um Innovation bemüht. Die Mandatsreform von 2022 hat dazu ein Potential freigesetzt, das bisher nicht ausgeschöpft wurde. Sie ermöglichte die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, was Europol in die Lage ver­setzte, komplexe Daten zu verarbeiten sowie Forschungs- und Innovationskapazitäten aufzubauen. In Spitzenbereichen können staatliche Akteure tatsächlich nicht im Alleingang erfolgreich sein, etwa auf dem Feld von Big Data, Künstlicher Intel­ligenz oder Quantentechnologie. Das Inno­vationslabor von Europol, das 2019 vom Rat der EU mandatiert wurde, verfügt jedoch nur über rund 20 Mitarbeiter. Europol hat etwa für Sicherheitsbehörden bereits einen »Instant Messenger« wie WhatsApp entwi­ckelt, nutzt ihn aus Mangel an Lizenzen je­doch nur anlassbezogen, ohne über Instru­mente zur Netzwerkpflege zu verfügen.

Über Innovationen hinaus wäre anzustreben, dass die Ermittlungsbehörden der EU-Staaten eine bessere Kenntnis der be­stehenden Europol-Werkzeuge erlangen. Selbst die neue Generation der Drogen­ermittler ist nur eingeschränkt mit dem Europol Tool Repository vertraut – einem Instrument, das Polizeibeamten in der EU kostenlose Lizenztools zum Download an­bietet. Ähnliches gilt für die Europol Plat­form for Experts, eine sichere, kollaborative Webplattform, die Fachleute auf dem Feld der Strafverfolgung vernetzt. Es gibt also Potentiale für gezielte Schulungen und ein verbessertes Wissensmanagement. Europol führt zwar »Roadshows« in Polizeiakademien der Mitgliedstaaten durch, geht dabei aber nicht systematisch vor. Und Beamte, die in Den Haag gearbeitet haben, werden nach der Rückkehr in ihren jeweiligen Mit­gliedstaat nicht zwangsläufig eingesetzt, um nationale Ermittler zu schulen.

Ein stärkeres Bewusstsein der EU-Mit­glieder für Europol könnte dazu beitragen, neue Modi Operandi der organisierten Kri­minalität operativ zu antizipieren, darunter etwa die Rekrutierung Minderjähriger zur Begehung von Gewaltverbrechen. Hilfreich könnte hier die Frühwarnfunktion sein, die innerhalb des Operational and Analysis Centre der Agentur angesiedelt ist.

Damit Europol verstärkt in wichtige transnationale Ermittlungen der Mitgliedstaaten einbezogen wird, dort planmäßig Roadshows organisieren und die eigene Frühwarnfunktion in Den Haag weiterentwickeln kann, sollte jeweils ein Vertreter der Agentur in bestimmte nationale Zen­tralstellen entsandt werden, wobei beste­hende Verbindungskanäle nach Den Haag beizubehalten wären. Bisher unausgeschöpft ist auch das Potential eines ständi­gen Vor-Ort-Dialogs in den Hauptstädten ausgewählter Drittländer, mit denen es Ab­kommen über den Austausch personen­bezogener Daten gibt, wie etwa im Fall Bra­silien.

Handlungsempfehlungen und Ausblick

Auch ohne neues Mandat und autonome Ermittlungsbefugnisse könnte Europol die Mitgliedstaaten schon kurzfristig dazu an­regen, Ermittlungen in Kernbereichen der Agentur zu eröffnen. Dies gilt insbesondere für das Feld der Cyberkriminalität, wo es bereits Schwierigkeiten bereitet, den primär zuständigen Mitgliedstaat festzustellen, und wo analytische Lagebilder von Europol zu­nehmend entscheidend sind. Mehr Innova­tion würde hier einen positiven Kreislauf in Gang setzen.

Dafür sollte Europol eine Innovationsstrategie entwickeln, um tatsächlich zum Hub der gesamten EU-Strafverfolgungs­agenturen zu werden. Grundlage sollten drei Prinzipien sein: Anpassung an die operativen Bedürfnisse der Ermittler, Ein­satzfähigkeit vor Ort, Schaffung souveräner technischer Lösungen. Zu diesem Zweck gilt es Synergien mit dem europäischen Privat­sektor zu erzeugen. Generell sollte Europol nicht nur in der Lage sein, Daten von dort zu erhalten, sondern dieser Seite auch be­stimmte Informationen zukommen lassen. Die Agentur könnte außerdem mit­hilfe europäischer Unternehmen den Auf­bau einer datenschutzkonformen Cloud-Infra­struktur für die Strafverfolgungs­behörden der EU unterstützen. Darin könn­ten Daten ausgetauscht und gespeichert werden.

Im Fall einer – noch zu bestätigenden – Personalverdoppelung bei Europol soll­ten die Mitgliedstaaten antizipieren, dass in Spitzenbereichen wie Cyber auf mittlere Sicht ein Personalabfluss nach Den Haag möglich ist. Die derzeit uneinheitlichen Regelungen zur Vertragsverlängerung in EU-Agenturen führen dazu, dass Fachkräfte durch Wechsel zwischen Agenturen im System der Union gehalten werden können. Hier bedarf es einer stärkeren Reglementierung, um eine Rückkehr von Personal in die Mitgliedstaaten zu erleichtern.

Eine auf aktiver Kommunikation basierende Rekrutierungsstrategie würde die Gewinnung externer, technologieaffiner Fachkräfte erleichtern. Ein Teil der neuen Personalressourcen könnte aus Nachwuchs­wissenschaftlern bestehen bzw. aus euro­päischen Programmen stammen (etwa dem »Horizont Europa«-Programm »Zivile Sicher­heit für die Gesellschaft«, das mithelfen soll, die politischen Prioritäten der EU in Bezug auf Sicherheit, einschließlich Cyber­sicherheit, Katastrophenvorsorge und Resilienz umzusetzen). In diesem Zusammenhang ist die Tätigkeit der deutschen Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) interessant. IT-begeisterten Nachwuchskräften wird dort angeboten, ihren Forschungsdrang und ihre Erfindungsgabe auszuleben und Freiräume kreativ zu nutzen, wozu auch ein Studienförderungsprogramm beitragen soll. Die Finanzierung einer Fernsehserie, die in fik­tiver Weise (etwa nach Vorbild der franzö­sischen Produktion »Büro der Legenden«) die Arbeit staatlicher Sicherheitskräfte im europäischen Kontext thematisiert, könnte es ebenso erleichtern, Personalnachwuchs zu rekrutieren.

Mittelfristig wäre es vielversprechend, wenn Europol in einem noch zu definieren­den Tandem mit der Europäischen Staats­anwaltschaft (EUStA) kooperieren würde. Im Gegensatz zu Europol darf die EUStA in ihrem noch begrenzten Zuständigkeits­bereich – Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU – von sich aus Ermittlungen einleiten. Eine Erweiterung ihres Mandats wurde 2022 von Frank­reich und Deutschland im Zusammenhang mit Verstößen gegen EU-Sanktionen vor­geschlagen. Diese Empfehlung sollte unter anderem auch deshalb umgesetzt werden, weil Europol in diesem Bereich gerade zu­ständig wird.

Jenseits der Debatten über EU-Agenturen bedürfte es eines größeren Handlungsspielraums in den Haushalten der primär zu­ständigen Mitgliedstaaten, um die europäische Architektur der inneren Sicherheit zu stärken. Im Bereich der Verteidigung wird die »nationale Ausweichklausel« – ein Instrument im reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU, mit dem Mitgliedstaaten vorübergehend von den Haushaltsregeln abweichen können – entscheidend für die Zukunft europäischer Sicherheit sein. Diese ist jedoch unteilbar und unter­liegt einem extern-internen Kontinuum.

Im März 2025 hat der Bundestag beschlossen, dass bestimmte Ausgaben für die innere Sicherheit Deutschlands (für den Bevölkerungsschutz, den Schutz von IT-Systemen und die Nachrichtendienste) ober­halb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht mehr der Schuldenbremse unterliegen. Eine solche Vorgabe wäre auch auf europäischer Ebene möglich. Deutschland und Frankreich könnten in Brüssel gemeinsam eine »Zeitenwende« auf diesem Feld des Integrationsprozesses forcieren. Die Bedrohung demokratischer Grundwerte durch Drogenhandel, Cyberkriminalität, Terrorismus oder Sabotage könnte hier schneller als erwartet Handlungsbedarf er­zeugen.

Elie Cavigneaux ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe EU / Europa.

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