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Die Prognose ungeregelter Wanderungen

Große Erwartungen, begrenzter Nutzen

SWP-Studie 2023/S 10, 18.07.2023, 41 Pages

doi:10.18449/2023S10

Research Areas

Dr. Steffen Angenendt ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Globale Fragen der SWP. Dr. Anne Koch ist Wissen­schaftlerin dieser Forschungsgruppe. Prof. Dr. Jasper Tjaden hat die Professur für angewandte Sozialforschung und Public Policy an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam inne.

Für die Studie wurden Gutachten in Auftrag gegeben. Wir bedanken uns bei Denis Kierans, Anna Schmidt und Rhea Ravenna Sohst für die wertvollen Informationen. Unser Dank gilt auch den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern aus Ministerien, Internationalen Organisationen, Wissenschaft und Praxis für ihre Einschätzungen. Mögliche Fehl­darstellungen sind allein den Autoren und der Autorin der Studie anzulasten.

Die Studie wurde verfasst im Rahmen des vom Bundes­ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geförderten Projekts »Flucht, Migration und Entwicklung – Herausforderungen und Handlungs­möglichkeiten für deutsche und europäische Politik«.

  • Die deutsche und europäische Migrationspolitik befindet sich im perma­nenten Krisenmodus. Plötzliche Anstiege ungeregelter Zuwanderung nähren ein Gefühl von Kontrollverlust, das wiederum von populistischen Kräften instrumentalisiert wird.

  • Daher hat die Politik großes Interesse an quantitativen Migrationsprognosen. Besondere Erwartungen wecken KI-gestützte Instrumente zur Vorhersage ungeregelter Wanderungsbewegungen, wie sie zurzeit entwickelt werden.

  • Die Anwendungsfelder dieser Instrumente sind vielfältig. Sie reichen von einer Stärkung der Aufnahmekapazitäten in der EU über die präventive Verschärfung von Grenzschutzmaßnahmen und eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Ressourcen in humanitären Krisen bis zur längerfristigen entwicklungspolitischen Programmplanung.

  • Allerdings besteht eine deutliche Kluft zwischen den Erwartungen an die neuen Instrumente und ihrem praktischen Mehrwert. Zum einen sind die technischen Möglichkeiten begrenzt, und mittelfristige Vorhersagen zu ungeregelten Wanderungen sind methodisch kaum möglich. Zum anderen mangelt es an Verfahren, um die Ergebnisse in politische Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen.

  • Die hohe Nachfrage nach Prognosen erklärt sich aus den politischen Funktionen quantitativer Migrationsvorhersage – beispielsweise ihrem Potential für die politische Kommunikation, die Mitteleinwerbung und die Legitimierung politischer Entscheidungen.

  • Investitionen in die Qualität der den Prognosen zugrunde liegenden Daten sind sinnvoller als die Entwicklung immer neuer Instrumente. Bei der Mittelvergabe für Prognosen sollten Anwendungen in der Nothilfe und der Entwicklungszusammenarbeit priorisiert werden. Zudem sollten die Krisenfrüherkennung und die Risikoanalyse gestärkt werden, und die beteiligten Akteure sollten sich besser vernetzen.

Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung und Empfehlungen

2 »Displacement Forecasting« als Politik- und Forschungsfeld

3 Methodische Ansätze

3.1 Migration – zu komplex für Vorhersagen?

3.2 Zentrale Ansätze und Methoden

3.2.1 Datengrundlagen

3.2.2 Zeithorizonte

3.2.3 Schätzmethoden

3.3 Vor- und Nachteile der Prognosemethoden

4 Die Prognose ungeregelter Wanderungen in der Praxis

4.1 Bedarfe und Anwendungsbereiche

4.1.1 Stärkung von Aufnahmekapazitäten

4.1.2 Grenzsicherung

4.1.3 Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit

4.2 Akteure und Instrumente

4.2.1 Initiativen auf nationaler Ebene

4.2.2 Europäische Initiativen

4.2.3 Internationale Akteure

4.3 Potentiale und Grenzen

5 Politische Funktionen und Risiken quantitativer Migrationsprognosen

5.1 Politische Funktionen quantitativer Wanderungsprognosen

5.1.1 Grundlage für mehr Ressortkohärenz und verbesserte Zusammenarbeit

5.1.2 Wissensvorsprung und Wettbewerbsvorteile

5.1.3 Politische Kommunikation und Legitimation politischen Handelns

5.1.4 Politische Interessenvertretung und Mitteleinwerbung

5.2 Risiken und normative Abwägungen

5.2.1 Politische Instrumentalisierung

5.2.2 Datenschutz und Sicherheitsrisiken

5.2.3 Kommerzialisierung der Datensammlung und fehlende demokratische Kontrolle

5.2.4 Neue Handlungszwänge

6 Fazit und Handlungsempfehlungen

6.1 1)  Möglichkeiten und Grenzen von Wande­rungsprognosen offen kommunizieren

6.2 2)  Auf Austausch und Vernetzung setzen

6.3 3)  Krisenfrüherkennung und Risikoanalyse stärken

6.4 4)  In Kontextanalysen und Szenarien­entwicklung investieren

6.5 5)  Normative Standards setzen und ihre Kontrolle vorantreiben

8 Abkürzungsverzeichnis

Problemstellung und Empfehlungen

In der Politik ist das Bedürfnis allgegenwärtig, Entwicklungen zu antizipieren und auf zukünftige Ereignisse vorbereitet zu sein. Seit der starken Zuwanderung der Jahre 2015/16 ist dieses Interesse in der deutschen und europäischen Flucht- und Migrationspolitik noch gewachsen. Jüngst haben der Wiederanstieg der Fluchtzuwanderung über die Balkanroute und das Mittelmeer, vor allem aber die Fluchtbewegung aus der Ukraine den Wunsch genährt, in Zukunft nicht mehr so stark wie bisher von Wanderungsbewegungen überrascht zu werden.

Investitionen in Wanderungsprognosen zielen darauf ab, bessere Vorkehrungen für künftige Wanderungsbewegungen zu ermöglichen. Betroffen davon sind zahlreiche flucht- und migrationspolitische Handlungsfelder. Dazu gehören die Fähigkeiten, in humanitären Krisen schnell und wirksam Hilfe zu leisten, eine Kontrolle der Außengrenzen sicherzustellen, ausreichende Kapazitäten zur Aufnahme und Versorgung Schutzsuchender vorzuhalten oder die arbeitsmarktbezogene Zuwanderung entsprechend dem tatsächlichen Arbeitskräftebedarf zu steuern.

Das außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Interesse an solchen Prognosen schlägt sich in einer dynamischen Forschungslandschaft nieder. Zu beobachten ist eine rasante Fortentwicklung quanti­tativer Prognoseinstrumente, die immer häufiger auf computergestützten Analysen großer Datenmengen (Big Data) beruhen. Hier bieten neue Datenquellen wie Handydaten im Zusammenspiel mit steigenden Rechnerkapazitäten neue Prognosemöglichkeiten. Dies führt zu einer Vielzahl konkurrierender Ansätze, und die Politik steht vor einem wachsenden Angebot unterschiedlicher Instrumente.

Die bisherige wissenschaftliche Auseinander­setzung mit Wanderungsprognosen beschränkt sich weitgehend darauf, die Aussagekraft dieser Instrumente zu bewerten. Weniger Aufmerksamkeit hat bislang die Frage gefunden, ob und wie die Wanderungsprognosen in politische Entscheidungsprozesse einfließen und welche Wirkung sie in der migrationspolitischen und humanitären Praxis entfalten. Hier besteht eine Forschungslücke, die mit der vorliegenden Studie gefüllt werden soll. Ziel ist es, zu einem besseren Verständnis der politischen Funktionen und des praktischen Nutzens von Wanderungsprognosen beizutragen. Als empirische Grundlage für die Studie dienen Hintergrundgespräche mit insgesamt 26 Ver­treterinnen und Vertretern von Bundesminis­terien, nachgeordneten Bundesbehörden, euro­päischen Institutionen und Agenturen, For­schungsverbünden und Nichtregierungsorganisatio­nen, die im Kontext ihrer jeweiligen Tätigkeit an Planung, Erstellung oder Nutzung quantitativer Migra­tionsprognosen beteiligt sind. Im Mittelpunkt der Studie stehen Prognosen zu ungeregelter Zuwanderung nach Deutschland und in die EU sowie von Flucht und Vertreibung in Kriegs- und Krisenregionen außerhalb der EU, einschließlich derjenigen, in denen es zu klimabedingten Vertreibungen kommt.

Dabei lässt sich Folgendes feststellen:

  • Es besteht eine deutliche Kluft zwischen den Erwartungen politischer Entscheiderinnen und Entscheider an quantitative, insbesondere KI-gestützte Wanderungsprognosen und dem prak­tischen Nutzen entsprechender Instrumente.

  • Trotz des begrenzten Nutzens ist die Bereitschaft groß, in die Erstellung von Wanderungsprognosen zu investieren. Ein Grund hierfür ist, dass Migra­tionsprognosen über den möglichen Zuwachs an Wissen hinaus weitere Funktionen erfüllen, die für politische Entscheiderinnen und Entscheider vor­teilhaft sind – etwa um das eigene Handeln zu begründen und zu legitimieren.

  • Der praktische Mehrwert gerade KI-gestützter Wanderungsprognosen ist in verschiedenen Politikfeldern unterschiedlich stark ausgeprägt. So lässt sich der asyl- und migrationspolitisch begründete Wunsch nach mehrmonatigen genauen Vorher­sagen von Ankünften in der EU nach der­zeitigem Kenntnisstand kaum erfüllen; eher hingegen der Bedarf an kurzfristigen Prognosen akuter Flucht- und Vertreibungsdynamiken sowie an Erkenntnissen über längerfristige strukturell bedingte Wanderungstrends für die Entwicklungszusammenarbeit.

Die Prognose ungeregelter Wanderungen birgt grundsätzliche Risiken und ethische Probleme. Im Kontext einer polarisierten und aufgeheizten Debatte über den richtigen Umgang mit Flucht und Migration sind auch quantitative Prognosen inhärent politisch und können instrumentalisiert werden – beispielsweise, um Bedrohungsszenarien heraufzubeschwören und migrationsbezogene Ängste zu schüren. Hinzu kommt, dass einige KI-gestützte Prognoseansätze den Charakter einer Blackbox haben und nicht nachvollziehbar ist, welche Faktoren ausschlaggebend für das jeweilige Resultat sind. Dies reduziert den möglichen Erkenntnisgewinn auf die reine Vorhersage, ohne weiterführende Einsichten in Kausalzusammenhänge zu bieten, die Migrationsbewegungen zugrunde liegen.

Aus diesen Befunden ergeben sich einige Empfehlungen für die Erstellung und Nutzung von Prognosen zu ungeregelten Wanderungen:

Erstens sollten die Möglichkeiten und Grenzen von Wanderungsprognosen offen kommuniziert und die Validität der verwendeten Ansätze kontinuierlich überprüft werden. Bei der Mittelvergabe sollten An­wendungsbereiche priorisiert werden, die besondere praktische Wirkungen versprechen, vor allem für die Nothilfe und die Entwicklungszusammenarbeit.

Zweitens sollten mögliche Synergien zwischen unterschiedlichen Prognoseinstrumenten besser ge­nutzt werden. Hierzu bedarf es der Verbesserungen im Datenaustausch sowie engerer Zusammenarbeit bei Datenerhebung und -aufbereitung. Grundsätzlich versprechen Investitionen in die Qualität der den Prognosen zugrunde liegenden Daten einen größeren Erkenntnisgewinn als die Entwicklung immer neuer Instrumente.

Drittens sollten Krisenfrüherkennung und Risikoanalyse gestärkt werden, weil Krisen und Konflikte weltweit immer noch die wichtigste Ursache von Flucht und Vertreibung darstellen. Eine Verzahnung von allgemeiner und migrationsspezifischer Krisenfrüherkennung könnte auch die Kluft zwischen den Erwartungen an die Prognosen und ihrem praktischen Nutzen verringern.

Viertens sollte in Bezug auf Wanderungsprognosen mehr in Kontextanalysen und Szenarien investiert wer­den – sowohl als Ergänzung quantitativer, insbesondere KI-gestützter Instrumente als auch unabhängig davon. Bei der Erstellung von Prognosen sollten die ihnen zugrunde liegenden Prämissen und Methoden offengelegt werden, um die für eine angemessene Nutzung notwendige Transparenz zu gewährleisten.

Fünftens sollten bei der Erstellung von Wanderungsprognosen hohe normative Standards beachtet und weiterentwickelt werden. Zum einen haben Prognosen immer einen Unsicherheitsgrad und können leicht politisch instrumentalisiert werden, wenn diese Unsicherheiten nicht klar kommuniziert werden. Zum anderen stellen sich gerade bei der Nutzung künstlicher Intelligenz für Wanderungsprognosen Fragen des Datenschutzes, die aus menschenrechtlicher Perspektive relevant sind.

»Displacement Forecasting« als Politik- und Forschungsfeld

In vielen Industriestaaten ist in den vergangenen Jahren das Interesse an der Prognose von Wanderungs­bewegungen gestiegen. Hierzu haben vor allem drei Entwicklungen beigetragen:

Erstens: Interne und grenzüberschreitende Wanderungen haben weltweit zugenommen. Nationale und internationale Statistiken zeigen immer neue Höchst­werte an Flüchtlingen und Vertriebenen. Wer Wan­de­rungen steuern und gestalten oder die Ursachen von Flucht und Vertreibung reduzieren möchte, braucht Informationen darüber, warum Menschen ihre Heimat verlassen, wo und unter welchen Bedingungen sie Schutz oder bessere Lebensbedingungen suchen und was dies für die Herkunfts- und Aufnahmeländer bedeutet. Für politische Entscheiderinnen und Entscheider wird das Wissen über zu erwartende Wanderungsbewegungen immer wichtiger, nicht zuletzt weil sich die öffentliche Debatte über Flucht, Migration und Integration zusehends polarisiert.

Zweitens: Wegen der multiplen und sich zum Teil überlappenden politischen, ökonomischen und öko­logischen Großkrisen ist der politische Handlungsdruck in vielen Ländern hoch. Vor diesem Hintergrund besteht ein Bedürfnis nach stärker evidenz­basierter und quantitativ begründeter Politik. Wähle­rinnen und Wähler erwarten, dass die Politik künf­tige Entwicklungen bestmöglich antizipiert – und dies geht auch mit einem Interesse an begründeten Prognosen zu künftigen Wanderungen einher.

Drittens: Wir leben in einer Ära der »datafication«, einer Zeit der schnellen Digitalisierung von Forschung, Technik und Alltagsleben und der exponentiellen Zunahme von Daten.1 Digitale Technologien treiben gesellschaftliche Veränderungen nicht nur an, son­dern können auch zu deren Verständnis beitragen und eine Grundlage für evidenzbasierte Politik bilden. Die neuen Technologien – vor allem die Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) – und nichttraditionelle Daten etwa aus sozialen Medien können die Detail­genauigkeit, den Umfang und die schnelle Verfügbar­keit von Daten (»Echtzeitdaten«) verbessern.

Wie schon frühere Zuwanderungen hat besonders die starke Fluchtzuwanderung von 2015 und 2016 viele politische Entscheider und Entscheiderinnen unvorbereitet getroffen. Gleiches gilt für die aktuell wieder wachsende Zuwanderung über das Mittelmeer und die Balkanroute in die Europäische Union (EU), und es gilt auch für die weitaus größere Herausforderung durch die Fluchtbewegung aus der Ukraine seit dem russischen Überfall im Februar 2022. Entsprechend dringlich ist der Wunsch politischer Entscheiderinnen und Entscheider, von krisenhafter und un­geregelter Migration nicht mehr so stark überrascht zu werden sowie institutionell und organisatorisch besser vorbereitet zu sein.2 Dies trifft sowohl auf Wanderungen nach Europa zu als auch auf konflikt- oder umweltbedingte Flucht und Vertreibung in Ländern des sogenannten Globalen Südens.

»KI-gestützt« suggeriert einen qualitativen Sprung in Exaktheit und Verlässlichkeit von Vorhersagen.

Bei den Investitionen in die Prognose von Flucht, Vertreibung und irregulärer Zuwanderung geht es im Kern um die rechtzeitige Allokation finanzieller Ressourcen und die Bereitstellung von Infrastrukturen, um die mit bereits eingetretenen und künftigen Wanderungen einhergehenden Herausforderungen zu bewältigen. Gleichzeitig besteht die Hoffnung, unerwünschte Entwicklungen vor ihrem Eintreten abwenden oder abmildern zu können. Besonders hohe Erwartungen werden an neue quantitative Vor­hersageinstrumente gestellt, die auf maschinellem Lernen und Agentenbasierter Modellierung beruhen: Der Sammelbegriff »KI-gestützt« suggeriert dabei einen qualitativen Sprung in der Exaktheit und Ver­lässlichkeit von Vorhersagen. Viele der in diesem Bereich verwendeten Begriffe wie »nowcast­ing«, »early warning« und »forecasting« stammen ursprünglich aus der Meteorologie und wecken in ihrem Bezug auf Wanderungsbewegungen Assozia­tionen von Kausalzusammenhängen, die auf Natur­gesetzen basieren und detailliert antizipiert werden könnten, wenn nur ausreichende Daten und Rechnerkapa­zitäten vorhanden wären.3 Große Erwartungen von Seiten der Politik bestehen auch hinsichtlich der Zeithorizonte: Die Prognosen sollen helfen, maß­geschneiderte Instrumente zu entwickeln, deren Zeit­horizonte an Planungszyklen angepasst sind und dadurch hohen praktischen Nutzen haben.

Diese Erwartungen beruhen zum Teil auf problematischen Annahmen. Zum einen liegt der Vorstellung, das soziale Phänomen Migration lasse sich mit naturwissenschaftlicher Objektivität vorausberechnen, ein mechanistisches und unrealistisches Ver­ständnis menschlicher Mobilität zugrunde. Zum ande­ren mangelt es an Bewusstsein für die Unterschiede zwischen Migrationsprognosen und Krisenfrüherkennung. So ist die Annahme verbreitet, dass die Vorher­sage plötzlicher großer Fluchtbewegungen wie jener aus der Ukraine im Februar und März 2022 zum Kern­geschäft des »migration forecasting« gehöre. Quanti­tative Modelle der Migrationsprognose sind aber nicht darauf ausgelegt, die gewaltsame Zuspitzung von Konflikten und ihre Auswirkungen vorherzusagen. Viele große Krisen der vergangenen Jahre – wie etwa der Einbruch der internationalen Mobilität infolge der Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine – haben die Grenzen quantitativer Prognosen auf­gezeigt und hätten mit den vorhandenen Modellen nicht vorausberechnet werden können.

Aufgabe der Krisenfrüherkennung ist es, Anzeichen für eine drohende gewalttätige Eskalation wahrzunehmen und zu einem Gesamtbild zusammenzuführen. Quantitative Modelle der Migrationsprognose bauen auf diesen Informationen aus der Krisenfrüherkennung auf, um auf dieser Basis die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Wanderungs­bewegungen zu berechnen. Um bei dem Beispiel Ukraine zu bleiben: Die Erwartung, man hätte durch algorithmusbasierte Modelle schon vor Ausbruch der Kampfhandlungen belastbare Hinweise auf große Fluchtbewegungen erlangen können, ist unrealistisch. Seit Kriegsbeginn aber ist es durchaus plausibel, in anderen Gewaltkontexten entwickelte quantitative Modelle auf die gegenwärtige Situation in der Ukra­ine anzuwenden und daraus Schlüsse über demnächst zu erwartende interne und grenzüberschreitende Fluchtbewegungen abzuleiten.

Schließlich basiert die Hoffnung, mit Hilfe von Wanderungsprognosen weniger von krisenhaften Migrationsbewegungen überrascht zu werden, auf der Annahme, dass es in früheren Fällen zuallererst an Daten gemangelt habe. Rekonstruiert man aber die Entwicklungen vor der sogenannten europäischen Flüchtlingskrise im Jahr 2015, wird klar, dass es nicht an Anzeichen für eine deutliche Zunahme der Wan­derungsbewegungen aus Jordanien, Libanon und der Türkei in Richtung EU fehlte, sondern an politischer Aufmerksamkeit für die daraus abgeleiteten Warnun­gen vor einer krisenhaften Zuspitzung.

Methodische Ansätze

Wie erfolgversprechend sind Versuche, ungeregelte Wanderungsbewegungen vorherzusagen? Trotz aller Datenlücken ist Migration ein gut quantifizierbares Phänomen, und Statistiken zur Entwicklung der welt­weiten Flüchtlingszahlen oder der Zahl der Neuzuwanderungen in die EU werden in Politik und Öffent­lichkeit breit rezipiert. Hieraus abzuleiten, dass das Politikfeld in besonderem Maße – und eventuell dem Klimawandel vergleichbar – für Zukunftspro­gnosen geeignet ist, wäre allerdings ein Fehlschluss. Die einfache Fortschreibung vergangener oder gegen­wärtiger Migrationstrends in die Zukunft zeitigt kaum belastbare Ergebnisse. Komplexere Prognosen des Zusammenwirkens wirtschaftlicher, politischer, sozialer und umweltbezogener Faktoren in Hinblick auf individuelle Migrationsentscheidungen wiederum sind methodisch und empirisch äußerst voraussetzungsvoll.4

Generell ist die Prognose krisenhafter Wanderungs­bewegungen von erkenntnistheoretischen (epistemischen) und zufallsbezogenen (aleatorischen) Unsicher­heiten geprägt.5 So bestehen erkenntnistheoretische Unsicherheiten hinsichtlich der Fragen, welche Trieb­kräfte ungeregelte Wanderungsbewegungen beein­flussen und wie sich diese Triebkräfte künftig ent­wickeln, welche Qualität die verwendeten Daten haben, ob sie hinreichend messbar sind und ob die Erklärungsmodelle ausreichen. Hinzu kommen die zufallsbezogenen Unsicherheiten: Inwieweit sind die Wanderungen durch unvorhersehbare Schocks und deren Auswirkungen beeinflusst und daher unbestimmbar? Die epistemische Ungewissheit steht daher für das Unwissen über die Prozesse, und die aleatorische Unsicherheit spiegelt ihre inhärente Zufälligkeit wider.6

Für die Prognose ungeregelter Wanderungs­bewegungen ist grundsätzlich zu fragen, mit welchen Ansätzen und Methoden zumindest die epistemischen Unsicherheiten reduziert werden können.

Migration – zu komplex für Vorhersagen?

Seit Jahrzehnten stellt die schlechte Vorhersagbarkeit von Wanderungsbewegungen für Forschung und Politik ein Problem dar,7 vor allem aus zwei Gründen:

Zum einen sind Flucht und Migration sogenannte »wicked problems«. Es handelt sich um Phänomene, die aufgrund ihrer Komplexität und Dynamik nur schwer zu erklären und vorherzusagen sind. Ein Groß­teil der weltweiten Wanderung wird nicht durch strukturelle und langsame Veränderungen, sondern durch plötzliche Ereignisse verursacht, wie beispielsweise durch den Arabischen Frühling, den Krieg in Syrien, den russischen Überfall auf die Ukraine oder den neu ausgebrochenen Bürgerkrieg in Sudan. Solche Ereignisse können in kurzer Zeit Hundert­tausende Menschen zur Migration bewegen. Wanderungen sind somit stark kontextabhängig. Es gibt eine Vielzahl von Theorien zu Flucht und Migration, jedoch keine breite und validierte Übereinkunft darüber, welche Faktoren Flucht und Migration bedingen und wie sie in Vorhersagen berücksichtigt werden müssen.8

Aus unterschiedlichen Theorien leiten sich unterschiedliche Annahmen ab, die dann den Vorhersagemodellen zugrunde gelegt werden. So wurden bis in die 1980er Jahre häufig einfache Push-Pull-Modelle verwendet, bei denen zwischen Druckfaktoren, die im Abwanderungsland wirksam sind, und Sogfaktoren, die vom Aufnahmeland ausgehen, diffe­renziert wurde. Mit der Erkenntnis, dass sich diese Faktoren oft gegenseitig bedingen und analytisch nicht immer getrennt werden können, wurden diese Modelle durch komplexere ersetzt, die beispielsweise von Wanderungssystemen9 ausgehen oder das Spannungsfeld von Bestrebungen (»aspirations«) und Fähigkeiten (»capabilities«) in den Blick nehmen.10 Diese komplexeren Modelle verstehen Flucht und Migration als eine Funktion dieser beiden Faktoren, und gefragt wird insbesondere, wie makrostruktu­reller Wandel diese Bestrebungen und Fähigkeiten beeinflusst. Dies soll helfen, die komplexe und oft kontraintuitive Art und Weise zu verstehen, in der sozialer Wandel und Entwicklung Wanderungsmuster formen.

Zum anderen beruhen quantitative Vorhersagen überwiegend auf administrativen Daten zu Wanderungsbewegungen, und die internationale Datenlage zu Flucht, Vertreibung und Migration ist immer noch unzureichend. Viele Länder erheben bzw. veröffent­lichen keinerlei zentrale Kennzahlen wie Einreisen, Ausreisen und Wohnortswechsel. In anderen Ländern sind die vorhandenen Daten lückenhaft, basieren auf unterschiedlichen Definitionen, was die Vergleich­barkeit behindert, oder sind nicht hinreichend des­aggregiert, also nach Kriterien wie Geschlecht und Alter unterschieden.11 Dies erschwert genauere Schätzungen.

Trotz dieser Hürden werden immer mehr Versuche unternommen, Wanderungen zu prognostizieren. Vor allem drei Entwicklungen haben in den vergangenen Jahren eine neue Dynamik bei der Prognose von Wanderungsbewegungen ausgelöst: So sind inzwischen neue und bessere Daten verfügbar, unter anderem Mobilfunk- und Digitaldaten, und auch amtliche Statistiken sind leichter zugänglich, etwa über Internetportale. Zudem wurden und werden neue Methoden zur Auswertung von Statistiken ent­wickelt, auch mit Hilfe von KI.12 Schließlich gibt es aufgrund der zunehmenden Wanderungsbewegun­gen, die Regierungen zum Teil vor erhebliche Heraus­forderungen stellen, einen wachsenden Bedarf an evidenzbasierten politischen Handlungsempfehlungen.13 Gleichwohl sind die Ergebnisse der Prognoseversuche bislang durchwachsen und enttäuschen häufig die Erwartungen politischer Entscheiderinnen und Entscheidern.

Zentrale Ansätze und Methoden

Vorhersage, Vorausschau, Prognose, Frühwarnung – die Vielzahl an Begriffen für die Beschreibung künf­tiger Entwicklungen spiegelt die Heterogenität der methodischen Ansätze wider. Im Folgenden wird Pro­gnose als Oberbegriff für die Beschreibung künftiger Wanderungen verstanden. Diese kann als Vorhersage (»forecast«) oder als Vorausschau (»foresight«) erfolgen. Dabei wird unter Vorhersage eine – meist quantifizierbare – Schätzung des Umfangs einer Wanderung verstanden, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und mit einer geschätzten Wahrscheinlichkeit eintritt. Als Vorausschau wird hingegen die – meist quali­tative und narrative – Auseinandersetzung mit ver­schiedenen Zukunftsszenarien bezeichnet, die Risi­ken und Einflussfaktoren von Wanderungen bewusst machen und künftiges Verhalten antizipieren soll. Während Vorhersagen Informationen für die opera­tive Planung und Durchführung von Maßnahmen bieten, kann die Vorausschau der langfristigen stra­tegischen Planung und der Sensibilisierung für mög­liche künftige Entwicklungen dienen. In beiden Ansätzen werden zudem unterschiedliche Datengrundlagen, Zeithorizonte und Schätzverfahren verwendet.

Datengrundlagen

Komplexe Methoden wie das maschinelle Lernen sowie ökonometrische oder bayesianische (stochastische, auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen basie­rende) Modelle lenken von der Tatsache ab, dass methodische Fortschritte und technische Innovationen zwar Schätzungen präziser machen können, aber die Belastbarkeit der so erzielten Ergebnisse immer durch die Daten begrenzt bleibt, auf denen sie beruhen. Lückenhafte oder fehlende Daten bzw. tendenziöse, wenig stichhaltige Experteneinschätzungen führen zu wenig belastbaren Aussagen über die Zukunft. Dieser Datenqualität wird im politischen Tagesgeschäft nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Dies kann auch ein Risiko für die Akzep­tanz von Prognosemethoden in der Politik darstellen.

Datenqualität wird im politischen Tagesgeschäft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Vorhersagen basieren im Unterschied zur Vorausschau meist auf numerischen Daten, die systematisch über einen bestimmten Zeitraum erhoben wurden. Je länger der Zeitraum, umso präziser die Vorhersage. Verlässliche (statistische) Vorhersagen benötigen häu­fig Daten für einem Zeitraum von zehn bis 20 Jahren. Werden kleinteiligere Analysen auf Quartals-, Monats- oder sogar Tagesbasis durchgeführt, reichen auch kürzere Zeiträume aus. Relevante Informationen sind dabei vor allem Daten zur historischen Entwicklung jener Zielgröße, die vorhergesagt worden soll, also beispielsweise das Ausmaß von Vertreibungen, Grenz­übertritten, Zu- und Abwanderungen, Visaanträgen, Asylanträgen oder auch die Entwicklung von Wande­rungsabsichten.

Das Fundament für Vorhersagen bilden daher meist migrationsbezogene Daten, die von staatlichen Stellen erhoben werden. Hierzu zählen administra­tive Daten aus den Einwohnermelderegistern, der Grenzschutzbehörden und aus den Asyl- und Visa­statistiken. Wichtig sind zudem Zensusdaten, die Aus­kunft über Anzahl und Charakteristika der Neu­ankömmlinge insgesamt geben können. Im Kontext von Vertreibungen und humanitären Katastrophen, in denen staatliche Akteure selbst oft nicht die Mög­lichkeit oder den politischen Willen haben, Wanderungsdaten zu erfassen, werden Daten hingegen häufig von internationalen Organisationen erhoben und zur Verfügung gestellt, vorwiegend durch das Amt des VN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM). Wichtig ist häufig auch die Datenerhebung durch vor Ort tätige Nichtregierungsorganisationen (NGOs). In wachsendem Maße werden zudem Mobil­funkdaten und digitale Daten verwendet, zum Bei­spiel Google-Suchanfragen und soziale Medien, um den Umfang von Wanderungsbewegungen zu erfas­sen.14 Je nach angewandtem Vorhersageverfahren werden oft weitere migrationsrelevante Informationen berücksichtigt. Hierzu zählen Daten zu politischen Konflikten, zu Naturkatastrophen sowie Wetter­daten, Informationen zur Wirtschaftsleistung, Han­delsbilanz, Arbeitsmarktentwicklung und zum Bildungsstand des betreffenden Landes, aber auch demographische Kennzahlen wie Geburten- und Sterberaten. Hinzu kommen »Kontextdaten«, etwa Umfragedaten, beispielsweise aus Befragungen von Arbeitgebern zu ihrem Arbeitskräftebedarf. Solche Kontextinformationen können Vorhersagen ver­bessern.

Bei der Vorausschau hingegen stehen Einschätzungen von Expertinnen und Experten im Mittelpunkt. Das Resultat der Einschätzung können quantitative Größen sein, aber auch qualitative Informationen zum generellen Trend sowie zu Ausmaß und Rich­tung einer Wanderungsbewegung.15 Qualitativ bedeutet nicht, dass quantitative Daten nicht berück­sichtigt werden, sondern dass solche Daten nicht die einzige Grundlage für die Vorhersage darstellen. Auch Expertinnen und Experten beziehen sich meist auf eine Vielzahl quantitativer Indikatoren, um ihre Einschätzungen zu bilden. Qualitative Ansätze sind in der Regel weniger formalisiert als quantitative.

Zeithorizonte

Der Zeithorizont einer Vorhersage ist bedingt durch die verfügbaren Daten und die Bedarfe der Nutzer und kann sich zwischen wenigen Tagen und Jahr­zehnten bewegen (siehe Grafik 1).

Quantitative Ansätze der ZukunftsprognoseGrafik 1

Die Gegenwartsvorhersage (»nowcasting«) dient der Lageerkennung und soll ein unmittelbar bevorstehen­des Wanderungsgeschehen prognostizieren. Migra­tionsdaten werden meist mit einer gewissen Verzögerung veröffentlicht. Nowcasting verspricht hier Ab­hilfe, indem stunden-, tages- oder wochenaktuelle Entwicklungen vorausgesagt werden, bis tatsächliche Werte vorliegen. Der Ansatz ist in der Meteorologie gängig, wo Wetterveränderungen häufig stunden­weise geschätzt werden, findet aber immer öfter auch im Migrationsbereich Anwendung. Ein Beispiel sind Versuche, Vertreibung als Folge klimatischer oder politischer Katastrophen tagesaktuell zu prognostizieren.16 Kurzfristige Vorhersagen von einigen Wochen bis einigen Monaten fallen in den Bereich Early warning und sollen die Einsatzbereitschaft relevanter Akteure sicherstellen.17 Instrumente des Migration Forecasting haben üblicherweise einen Zeithorizont von einigen Monaten bis zu wenigen Jahren und dienen der operativen Planung. Noch langfristiger angelegt sind Schätzungen zu den auf demographischen Entwicklungen beruhenden Wanderungs­bewegungen über mehrere Jahrzehnte.

Schätzmethoden

Schätzmethoden bezeichnen die Verfahren, mit denen aus vorliegenden Informationen oder Daten Schlüsse für die Zukunft gezogen werden. Statistische Vorhersagen sind gemeinhin methodisch anspruchsvoll; ihre Erstellung und Interpretation erfordert ent­sprechende Fachkompetenz.18 Zu den häufig verwen­deten Methoden gehören Zeitreihenanalysen und Gravitationsmodelle. Hinzu kommen neuere Verfah­ren wie Agentenbasierte Modellierung und Maschinelle Lernalgorithmen, die derzeit viel Aufmerksamkeit erfahren. Auch die Methoden der Vorausschau sind vielfältig. Sie unterscheiden sich vornehmlich danach, wie die beteiligten Expertinnen und Experten zu ihren Einschätzungen gelangen, also auf welche Informationen sie Zugriff haben, ob sie eigene Schätzungen abgeben oder sich in einer Gruppe abstimmen.

Vorhersagen

Zeitreihenanalysen sind eine besonders verbreitete Methode für Vorhersagen. Sie werden unter anderem für Wettervorhersagen und Prognosen zur Entwicklung von Aktienkursen verwendet. Hierbei wird aus den bisherigen Erfahrungen ein künftiger Trend extrapoliert. Die Analysen beruhen häufig auf Infor­mationen zur Zielgröße, in Hinblick auf die Prognose von Wanderungsbewegungen beispielsweise auf der Anzahl an Vertriebenen an einem bestimmten Ort. Zeitreihenanalysen gewichten in der Regel Daten aus der jüngeren Vergangenheit höher und weiter zurück­liegende Daten niedriger, sie können saisonale Trends und den Einfluss bestimmter Ereignisse ebenso berücksichtigen wie Experteneinschätzungen.19

Gravitationsmodelle sind häufig verwendete ökonometrische Regressionsmodelle, die die Logik des Newtonschen Gravitationsgesetzes auf wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge übertragen. Die Aus­gangsvermutung lautet, dass sich Massen gegenseitig mit einer Kraft anziehen, die proportional zur Summe ihrer Massen ist – und sich mit zunehmender Entfernung abstoßen. Für die Migration zeigen die Daten ähnliche Muster. Länder, die für Migranten attraktiver sind, beispielsweise gemessen am Brutto­inlandsprodukt, verzeichnen größere Zuwanderung. Mit wachsender geographischer Distanz hingegen nehmen Wanderungsbewegungen zwischen Ländern ab. Gravitationsmodelle können schrittweise erwei­tert werden und werden oft angewandt, um Wanderungen in Abhängigkeit von zahlreichen Merkmalen im Herkunfts- und Zielland zu prognostizieren.20

Agentenbasierte Modellierungen (ABM) sind eine in­dividuenbasierte Methode der computergestützten Modellbildung und Simulation komplexer Systeme. Der Ansatz der Agentenbasierten Modellierung prognostiziert Wanderungsbewegungen, indem er simu­liert, wie sich Individuen (Agenten) mit verschiedenen Eigenschaften in unterschiedlichen Kon­texten ver­halten. In Bezug auf Wanderungsbewegungen wird diese Methode beispielsweise genutzt, um vorherzusagen, wie viele Flüchtlinge und Vertriebene nach Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts an bestimmten Orten ankommen werden.21

Maschinelle Lernalgorithmen (ML) sind ein Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz und werden ebenfalls vermehrt im Migrationsbereich eingesetzt. Der Ablauf der Vorhersage umfasst in der Regel mehrere Schritte. Zunächst werden Informationen zu vergangenen Wanderungsbewegungen in verschiedene Trainingsdatensätze aufgeteilt. In einem zweiten Schritt werden verschiedene Algorithmen daraufhin getestet, welcher von ihnen diese Wanderungen für bestimmte in der Vergangenheit liegende Zeiträume am genauesten replizieren kann. In einem dritten Schritt wird dann das erfolgreichste Modell dazu verwendet, zukünftige Wanderungsbewegungen vorherzusagen (»migration forecasting«). Ein Nachteil dieser Modelle ist, dass sie aufgrund der meist kontextspezifischen Trainingsdatensätze nur schwer übertragbar sind.

ML-Algorithmen sind in vielen Fällen »agnostisch«, das heißt die Forschenden treffen vorher keine An­nahmen darüber, welche Faktoren die Wanderungen besonders beeinflussen. Der Computer errechnet eigenständig durch interaktives Ausprobieren, welche Informationen für die Entwicklung der Wanderungen relevant sind. ML-Algorithmen sind besonders dort von Vorteil, wo viele Daten, aber keine klaren Annah­men oder Theorien über Wirkungszusammenhänge vorliegen.22 Ein Problem von ML-Ansätzen kann sein, dass nicht nachvollziehbar ist, welche Faktoren ausschlaggebend für das jeweilige Prognoseergebnis waren – die sogenannte Blackbox-Falle.23 Bei den meisten ML-basierten Tools ist zwar bekannt, welche Daten genutzt wurden, und auch die Ergebnisse sind offensichtlich. Aber durch die automatisierte Analyse ist nicht ersichtlich, wie einzelne Faktoren gewichtet wurden.

Vorausschau

In der Vorausschau gängig sind Ad-hoc-Einschät­zungen, die von Fachleuten angeboten werden. Um ein größeres Spektrum an Einschätzungen abzubilden, werden häufig auch Beratungsgremien, Beiräte oder Fachkommissionen befragt, um zu beurteilen, ob, wann und wo Wanderungen zu- oder abnehmen werden. Formalisierte Verfahren der Vorausschau umfassen eine Vielzahl von Methoden, unter ande­rem die Szenarienentwicklung, die Delphi-Methode, Vorhersage-Märkte und Rollenspiele.

Die Szenarienentwicklung ist eine weit verbreitete Methode, bei der zunächst die wichtigsten Einflussfaktoren für die betreffende Wanderung bestimmt werden.24 In einem weiteren Schritt werden dann zentrale Faktoren priorisiert und oft eine Vier-Felder-Matrix erstellt. Für jede Kombination der beiden Einflussfaktoren werden dann die Auswirkungen auf die Wanderungsentscheidungen diskutiert. Ziel der Szenarienerstellung ist nicht in erster Linie die präzi­se Vorhersage zukünftiger Entwicklungen, sondern vielmehr eine Auseinandersetzung darüber, wie aktuelles Handeln in Zusammenspiel mit gesellschaftlichen Entwicklungen verschiedene langfristige Auswirkungen beeinflussen könnte. Der Prozess der Szenarienentwicklung kann dazu beitragen, implizite Annahmen der Teilnehmenden offenzulegen, für mögliche Zukunftsszenarien zu sensibilisieren und auf diese Weise eine antizipative Politikgestaltung zu ermöglichen.25

Die Delphi-Methode ist eine Technik, um in einer Gruppe von Expertinnen und Experten einen Konsens über eine Vorausschau zu fördern und diese zu präzi­sieren.26 In einer ersten Runde geben die Teilnehmen­den ihre Schätzung zur künftigen Entwicklung eines Wanderungstrends ab, häufig auch als konkrete Zahl. In einer zweiten Runde werden dann alle Teilnehmenden mit den Antworten der anderen konfrontiert, und zwar im Rahmen einer moderierten Diskussion. Auch diese Auseinandersetzung bringt implizite An­nahmen ans Licht, macht das Meinungsspektrum sichtbar und erhöht den Konsens über die wahrscheinlichsten Szenarien.

Vorhersage-Märkte (»prediction markets«) sind Vorhersagebörsen, bei denen Expertinnen und Experten monetäre Anreize erhalten, um möglichst präzise Vorhersagen für ein bestimmtes Szenario zu treffen. Die Teilnehmenden stehen somit im Wettbewerb um die genaueste Schätzung. Einige Studien deuten darauf hin, dass eine solche Methode Zukunftsentwicklungen besser vorhersagen kann als herkömm­liche Verfahren.27

Bei Rollenspielen werden zunächst alle relevanten Akteure identifiziert, die Einfluss auf die betreffende Wanderungsbewegung haben könnten. Dann werden den Teilnehmenden diese Akteursrollen zugelost, damit sie die Interessen dieser Akteure vertreten und deren Verhalten antizipieren. Dieser Ansatz verspricht, ein besseres Verständnis der künftigen Wan­derung als Folge der Interaktion von Akteuren zu gewinnen.

Über diese Ansätze hinaus gibt es zahlreiche wei­tere Spielarten der Vor­ausschau, beispielsweise die Causal Layered Analysis,28 das Horizon Scanning29 oder das Stress Testing.

Vor- und Nachteile der Prognosemethoden

Es gibt in der Forschung keinen Konsens über die optimale Verwendung von Methoden der Vorhersage und Vorausschau. Die Wahl der Methode hängt stark von der jeweiligen Datengrundlage, dem Zeithorizont und den vorhandenen Ressourcen ab. Dennoch lassen sich zusammenfassend einige generelle Stärken und Schwächen der verschiedenen Methoden skizzieren,

Tabelle Vorhersage und Vorausschau: Vor- und Nachteile

Vorteile

Nachteile

Vorhersage
(quantitativ)

  • Liefert quantifizierbare und leicht interpretierbare, weiterverwertbare und handlungsnahe Schätzungen.

  • Ist häufig formalisiert und replizierbar.

  • Ermöglicht Aussagen über Unsicherheiten der Schätzung.

  • Kann eine Vielzahl von Einfluss­faktoren berücksichtigen.

  • Ist zum Teil eine Blackbox, weil die Gründe für Veränderungen der Wanderungen nicht ersichtlich werden.

  • Stellt hohe Anforderungen an die Datengrundlage.

  • Erfordert methodisches Fachwissen.

  • Ist kontextarm.

  • Erlaubt in der Regel nur kurzfristige Prognosen.

Vorausschau
(qualitativ)

  • Lässt sich partizipativ gestalten.

  • Ermöglicht erweiterte Denkräume und fördert langfristige strategische Planung.

  • Erfordert wenig Vorwissen.

  • Erfordert wenig Ressourcen.

  • Erlaubt Berücksichtigung nicht­quantifizierbarer Einflussfaktoren.

  • Hat einen niedrigen Formalisierungsgrad und ist kaum replizierbar.

  • Bezieht sich meist auf langfristige Zeithorizonte, die für das operative Geschäft weniger relevant sind.

  • Ist angreifbar aufgrund der Subjek­tivität beteiligter Expertinnen und Experten.

  • Enthält keine Aussagen über die Unsicherheit der Schätzungen.

  • Oftmals bleibt unklar, wie die Expertin­nen und Experten zu ihren Erkennt­nissen gelangt sind.

die Entscheider und Entscheiderinnen helfen können, die Resulta­te der verschiedenen Ansätze einzuordnen oder sich für eine Variante zu entscheiden (siehe Tabelle).

Ein sich verstärkender Trend der Zukunfts­forschung ist die Kombination verschiedener (quan­titativer wie qualitativer) Methoden und Daten, wobei die Stärken der einen Vorgehensweise die Schwächen der jeweils anderen ausgleichen sollen. Dabei sollen gerade die Diskrepanzen zwischen statistischen Modellen und Einschätzungen von Expertinnen und Experten das Verständnis für Migrationsentwick­lungen schärfen. Statistische Modelle können auf Ent­wicklungen hinweisen, die der sub­jektiven Wahrnehmung der Expertinnen und Exper­ten entgehen, und diese können quanti­tative Vorher­sagen validieren und in einen politischen Kontext stellen.

Wegen des vor allem im Kontext der Zuwanderung von 2015/16 gestiegenen Interesses an einer besseren Vorhersage von Wanderungen haben die EU und deren Mitgliedsländer in den vergangenen Jahren in zahlreiche entsprechende Initiativen, Forschungs- und Pilotprojekte investiert. Nach wie vor befindet sich das Forschungsfeld allerdings in einer explora­tiven und experimentellen Phase.

Die Prognose ungeregelter Wanderungen in der Praxis

Der Überblick über die vorhandenen Ansätze und Methoden der Migrationsprognose zeigt, wie vielfältig die verfügbaren Instrumente inzwischen sind. Gleich­zeitig sind viele der im akademischen Raum diskutierten quantitativen Ansätze sehr voraussetzungsvoll – besonders die innovativen, auf maschinellem Lernen beruhenden Ansätze. Ihr praktischer Nutzen muss daran gemessen werden, inwieweit sie in politi­sche Entscheidungsprozesse einfließen und zu besse­ren Ergebnissen führen. Um dies zu beurteilen, ist ein genaueres Verständnis der Bedarfe und Anwendungsbereiche quantitativer Migrationsprognosen ebenso erforderlich wie die Kenntnis der in diesem Bereich aktiven Akteure und ihrer Instrumente.

Bedarfe und Anwendungsbereiche

Das Spektrum praktischer Anwendungsbereiche für Prognosen von Flucht, Vertreibung und irregulärer Migration ist breit, lässt sich aber im deutschen und europäischen Kontext schematisch in drei Ver­wen­dungszwecke unterteilen. Diese umfassen (1) die Stär­kung nationaler Aufnahmekapazitäten in Erwartung steigender Zahlen von Flüchtenden, (2) die Anpassung der Grenzsicherung bzw. des Grenzmanagements an die voraussichtlichen Herausforderungen und (3) die vorausschauende Planung von Maßnahmen der huma­nitären Hilfe und bisweilen auch der Entwicklungszusammenarbeit im Kontext krisenhafter Wanderungsbewegungen in Ländern des sogenannten Globalen Südens. In allen drei Bereichen ist der effiziente Ein­satz knapper Ressourcen eine zentrale Herausforderung. Insbesondere quantitative Vorhersageinstrumente versprechen dabei mehr Orientierung und Planungssicherheit.

Stärkung von Aufnahmekapazitäten

Mit der Ankunft von Schutzsuchenden gehen erheb­liche Pflichten auf Seiten des Staates einher. Diese sind besonders ausgeprägt, wenn die betroffenen Menschen einen Asylantrag stellen: Im EU-Kontext etwa verpflichtet eine Reihe von Richtlinien die EU-Mitgliedstaaten zur Einhaltung von Mindestnormen bei der Unterbringung, der medizinischen Grund­versorgung, dem Zugang zu Bildung und der Durch­führung von Asylverfahren.30 Ist ein Land innerhalb kurzer Zeit mit einer großen Zahl an Schutzsuchenden konfrontiert – wie beispielsweise Deutschland in den Jahren 2015/16 und 2022 –, stehen die staat­lichen Strukturen vor großen logistischen und ad-ministrativen Herausforderungen. So machen die EU-Mitgliedstaaten gegenüber der EU-Kommission immer wieder deutlich, dass sie gerade in Krisensituationen aktuelle und präzise Informationen über bevorstehen­de Wanderungsbewegungen und über die nationalen Aufnahmekapazitäten erwarten. Oft steht dabei die Frage im Vordergrund, ob die vorhandenen Kapazitäten ausreichen, um die Herausforderungen zu bewäl­tigen.31

Die Anpassung von Aufnahmekapazitäten ist eine vielschichtige Aufgabe, an der in Deutschland auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene viele Akteu­re beteiligt sind. Dabei müssen in der Regel nicht nur administrative Kapazitäten, sondern auch Infra­strukturen angepasst werden. Neben der kurzfristigen Bereitstellung von Notaufnahmeeinrichtungen um­fasst dies oft die Aufstockung von Plätzen in Sprach- und Integrationskursen, Schulen und Kindertages­stätten, die Einstellung zusätzlichen Personals zur Prüfung von Asylanträgen und mittelfristig auch an Gerichten, wenn Rechtsmittel gegen negative Beschei­de eingelegt werden. Hinzu kommen der Ausbau von Kapazitäten zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, die Planung der länger­fristigen Unterbringung sowie die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Bei all diesen Handlungsfeldern geht es nicht zuletzt um die Verteilung knapper finanzieller Ressourcen – im europäischen Kontext nicht nur innerhalb der Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen ihnen, etwa in Hinblick auf die Nut­zung der entsprechenden EU-Unterstützungsfonds. Dies verursacht regelmäßig Auseinandersetzungen zwischen den föderalen Ebenen um die Finanzierung der Leistungen. Angesichts stark schwankender Zuwanderungszahlen stellt sich zudem die Frage, in welchen Bereichen es sinnvoll sein kann, zusätzliche Kapazitäten für einen möglichen nächsten krisen­haften Anstieg der Zuwanderung vorzuhalten und was mit den in Krisensituationen aufgebauten Kapa­zitäten geschieht, wenn diese nicht mehr benötigt werden.

Investitionen in die Entwicklung quantitativer Vorhersagen von ungeregelten Wanderungen und Asylgesuchen beruhen vielfach auf der Erwartung, dass sich durch eine bessere Vorausschau der Pla­nungshorizont für die notwendigen Aufgaben erwei­tert, so dass die Ressourcen effektiver eingesetzt werden können. Dies kann helfen, eine Überforderung staatlicher Strukturen zu vermeiden – mit all ihren negativen Wirkungen auf die Betroffenen und das gesellschaftliche Klima.

Grenzsicherung

Ein weiterer praktischer Anwendungsbereich von Wanderungsprognosen besteht in der Grenzsicherung und im Grenzmanagement. Hier sollen quantitative Prognosen eine Anpassung der physischen Grenzschutzeinrichtungen und der Personalausstattung an die zu erwartenden Herausforderungen ermöglichen.

Mehr Kapazitäten können dazu dienen, Zuwanderung zu verhindern, aber auch, Menschenrechte zu schützen.

Was genau eine adäquate Ausstattung bei erhöhten Zahlen irregulärer Zuwanderung ausmacht, wird je nach Kontext und politischem Standpunkt unter­schiedlich beantwortet. Grundsätzlich können auf­­ge­stockte Kapazitäten an den Grenzen sowohl zur Ver­hinderung von Zuwanderung als auch zum Schutz von Menschenrechten verwendet werden – Letzteres etwa, wenn maritime Grenzpatrouillen primär der Seenotrettung dienen oder wenn zusätzliches Grenz­personal dafür eingesetzt wird, die Annahme von Asylgesuchen zu gewährleisten. In der gegenwärtigen europäischen Praxis ist das Ziel aber meist Abwehr und Abschreckung.

Vor diesem Hintergrund geht es bei der vorausschauenden Planung der Grenzinfrastruktur vielfach auch darum, Überwachungstechnologien beispielsweise durch Drohnen und Infrarotkameras zu erwei­tern, sowie um vorgelagerte Grenzkontrollen, die irreguläre Wanderungen in Richtung EU schon in Drittstaaten aufhalten sollen. Von besonderem Inter­esse ist dabei die genaue geographische Ver­ortung der prognostizierten Wanderungsbewegungen, um gezielt in die Aufstockung von Überwachungs­maßnahmen in bestimmten Grenzabschnitten oder in vorgelagerte Grenzkontrollen investieren zu können. Die EU-Mitgliedstaaten haben ein gesteigertes Interesse an der Entwicklung auf verschiedenen Migrationsrouten in die EU. Daher haben sie in den vergangenen Jahren deren Beobachtung unter anderem durch Frontex systematisch ausgebaut.32

Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit

Akute Vertreibungen stellen die humanitäre Hilfe oft vor immense logistische Herausforderungen. Bedarfe müssen erhoben, Gelder eingeworben, Hilfsgüter an die richtigen Orte geliefert und an Bedürftige verteilt werden. All diese Aufgaben müssen unter Zeitdruck bewältigt werden; die Planung dazu beruht immer auf Schätzungen der zu erwartenden Zahl von Neu­ankömmlingen. Während diese Schätzungen bisher überwiegend von den vor Ort tätigen Helferinnen und Helfern vorgenommen werden, besteht gleich­zeitig Bedarf an Instrumenten der quantitativen Vorhersage, die belastbarere Ergebnisse liefern und den Planungshorizont erweitern könnten.33 Dabei dienen Vorhersagen mit einem Zeithorizont von wenigen Tagen oder Wochen in erster Linie der bedarfsgerechten Bereitstellung von Ressourcen, um die Betroffenen unterzubringen, zu ernähren und medizinisch zu versorgen. Prognosen mit längeren Zeithorizonten hingegen können auf Belastungen aufnehmender Gemeinden aufmerksam machen und als Grundlage für entwicklungspolitische Maßnahmen fungieren. Auch in Zusammenhang mit den stetig wachsenden Herausforderungen von Migration im Kontext des Klimawandels – beispielsweise weil Metropolen in Küstenregionen besonders anfällig für Überschwemmungen sind – nimmt der Bedarf an Wanderungsprognosen zu, um für solche Fälle Notfall­pläne erarbeiten zu können.

Angesichts der großen praktischen Relevanz überrascht es wenig, dass das Feld der humanitären Hilfe eine rege Forschungstätigkeit und erhebliches Innovationspotential in Bezug auf Wanderungs­prognosen aufweist. In der Folge wurden zahlreiche quantitative Vorhersagemodelle erstellt, die meisten von ihnen zu dem Zweck, Flucht- und Vertreibungsmuster in einzelnen Ländern, Regionen oder Städten zu dokumentieren und zu analysieren.34 Diese Heran­gehensweise ermöglicht die Einbeziehung spezifi­scher Kontextfaktoren und damit eine hohe Passung an den jeweils untersuchten Fall. Die Übertragbarkeit auf andere geographische Kontexte ist dagegen in der Regel begrenzt.

Die drei skizzierten Anwendungsbereiche von Migrationsprognosen lassen sich in der Praxis nicht klar voneinander abgrenzen. Insgesamt ist aber neben der wachsenden Nachfrage nach quantitativen Vorhersagen eine steigende Zahl an Akteuren zu beobachten, die in diesem Bereich tätig sind und entsprechende Prognoseinstrumente entwickeln.

Akteure und Instrumente

Quantitative Aussagen über zukünftige Wanderungsbewegungen sind nicht neu, beruhten aber in der Ver­gangenheit meist auf einer Fortschreibung bestehender Trends.

Initiativen auf nationaler Ebene

Staatliche Akteure haben grundsätzlich ein Interesse daran, ungeregelte Wanderungsbewegungen zu anti­zipieren. Wie ausgeprägt dieses Interesse ist bzw. als wie dringlich belastbare Migrationsprognosen ange­sehen werden, unterscheidet sich allerdings von Land zu Land und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Hierzu gehören beispielsweise die geographische Lage, der aktuelle politische Kontext und die institu­tionelle Kultur, aber auch frühere Erfahrungen mit Bemühungen um eine quantitative Vorausschau. Im europäischen Kontext haben Norwegen, Schweden, die Schweiz und das Vereinigte Königreich vergleichs­weise früh – bereits Anfang der 2010er Jahre – begonnen, systematische Prognosen hinsichtlich der Zahl von Asylgesuchen zu erstellen.35 Einer Abfrage des European Migration Network (EMN) aus dem Jahr 2020 zufolge, an der sich neben Norwegen alle EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark, Griechenland, Ita­lien und Rumänien beteiligten, analysierten zu dem Zeitpunkt die Regierungen von mindestens zehn europäischen Staaten regelmäßig die Entwicklung zukünftiger Migrationstrends in einem umfassenden Sinne, also inklusive irregulärer Zuwanderung. Dabei beschränkten sich die praktischen Aktivitäten aber meist darauf, Verfahren zur Risikoanalyse zu er­arbeiten oder Szenarien zu entwickeln. Nur drei Länder (Bulgarien, Polen und Schweden) gaben an, quantitative Prognosemodelle anzuwenden.36 Einer weiteren Umfrage zufolge planten Anfang 2022 drei EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Lettland und Litauen) den Einsatz KI-gestützter Modelle zur Migrationsvorhersage.37

In Deutschland ist das Interesse an quantitativen Migrationsprognosen im Nachgang der starken Flücht­lingszuwanderung von 2015/16 deutlich gestiegen. Dieses Interesse steht im Einklang mit umfassenden deutschen Bemühungen um einen Ausbau an Kapazi­täten der Krisenfrüherkennung und der strategischen Vorausschau in der Außen- und Sicherheitspolitik.38 Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hat zu diesem Zweck schon 2018 ein durch maschinelles Lernen unterstütztes Instrument der Krisenfrüherken­nung entwickelt.39 Das Auswärtige Amt (AA) folgte 2020 mit der Einführung des ebenfalls auf maschinellem Lernen basierenden Instruments Preview, mit dem öffentlich verfügbare Daten auf Anzeichen für krisenhafte Entwicklungen untersucht werden kön­nen.40 Ende 2020 vereinbarten diese beiden Ministerien eine vertiefte Zusammenarbeit in der KI-gestütz­ten Krisenfrüherkennung, vor allem durch die gemeinsame Förderung eines an die Universität der Bundeswehr München angegliederten Kompetenzzentrums Krisenfrüherkennung, das durch Grund­lagenforschung die Weiterentwicklung der bestehenden Ansätze unterstützen soll.41 Flucht und Migration stehen bei diesen Prognosetätigkeiten nicht im Mittel­punkt, sondern werden als relevante Faktoren der Sicherheitslage miterfasst.42

Auf europäischer Ebene gilt Deutschland als Vorreiter im Bereich Wanderungsprognosen.

Die deutsche Antwort auf die erwähnte EMN-Umfrage zur Erfassung zukünftiger Migrationstrends aus dem Jahr 2020 verweist auf das Preview-Instru­ment des AA, ohne näher darauf einzugehen, wie das Instrument zur Vorhersage von Flucht und Migration beiträgt. Aufschlussreich ist der deutsche Beitrag zur EMN-Umfrage insbesondere deshalb, weil er als einzi­ger die Frage, ob die gegenwärtige Praxis der Voraus­schau den politischen Bedarfen gerecht wird, mit nein beantwortet und die Entwicklung verbesserter Instrumente in Aussicht stellt. Dies kann als Beleg für die Ambitionen gewertet werden, die die deutsche Regierung seit den Erfahrungen der Jahre 2015/16 in diesem Bereich hat und die ihr inzwischen auf euro­päischer Ebene den Ruf eines Vorreiters im Bereich Wanderungsprognosen eingebracht hat.43 Sichtbar wird dieses Bemühen in öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten wie einem von IOM und AA im Herbst 2019 gemeinsam ausgerichteten Workshop zur Vor­hersage krisenbedingter Wanderungsbewegungen.44 Auch die vom BMI angestoßene Initiative »Migration 4.0 – Digitale Transformation im Bereich Migra­tionsmanagement« der deutschen EU-Ratspräsident­schaft im zweiten Halbjahr 2020 und der fortgesetzte Ausbau von Kapazitäten in unterschiedlichen Minis­terien und nachgeordneten Behörden zeigen, wie wichtig der Bundesregierung Verbesserungen in diesem Bereich sind.45

Involviert in die Beobachtung von Wanderungsbewegungen und die Analyse von Wanderungstrends sind im deutschen Kontext neben AA und BMVg auch der Bundesnachrichtendienst (BND), das Kanzleramt, das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM). Bisher beruhen die jeweiligen Trendanalysen meist auf Einsichten aus früheren statistisch erfassten Entwicklungen, aus denen sich beispielsweise saisonale Wanderungs­muster ableiten lassen, auf Daten zu aktuellen Wan­derungsbewegungen, die von UNHCR, IOM und Frontex erhoben werden, sowie aus qualitativen Ein­schätzungen von Verbindungsbeamten und -be­amtinnen in relevanten Drittstaaten. Diese Erkenntnisse werden aber bislang nicht systematisch zusam­mengeführt. Das GASIM stellt regelmäßig Lagebilder zur Verfügung, doch eine systematische Vorhersage von Flucht, Vertreibung und irregulärer Migration findet nicht statt.

Dieses Defizit soll nun behoben werden. So ent­wickelt das BAMF im Auftrag des BMI ein neues IT-basiertes Instrument namens Vorausschauende Migrationsanalyse. Die Zielsetzung umfasst die Erstel­lung von weltweiten Analysen zur Migrationslage sowie Szenarien zu künftigen Migrationspotentialen aus relevanten Herkunfts- und Transitländern, »um mit Unterstützungsmaßnahmen möglichst frühzeitig bereits präventiv wirken zu können«.46 Grundsätzlich soll es darum gehen, Wanderungsbewegungen mittel­fristig zu antizipieren.

In dieses Instrument soll eine Vielzahl behörden­interner und -externer Daten einfließen, auch von GASIM und BND. Es ist gegenwärtig auf einen Zeit­horizont von sechs Monaten ausgerichtet, könnte aber auch auf zwölf Monate ausgeweitet werden, was besser zu den üblichen politischen Planungshorizonten passen würde. Das Instrument soll sowohl aktuel­le Lagebilder als auch eine Vorausschau bieten und dabei einen globalen Ansatz verfolgen, den Fokus aber auf asylrelevante Regionen legen, soweit dies von den Daten her machbar ist.

Angewandt werden soll ein dreistufiges Verfahren, wobei die erste Stufe sich auf die Situation in Her­kunftsländern konzentriert und eine KI-unterstützte Darstellung dortiger Wanderungstrends mit einem Zeithorizont von rund sechs Monaten liefern soll. Diese Tendenzen werden auf einer zweiten Stufe mit qualitativen Informationen zu Migrationsrouten, Schleusernetzwerken oder sogenannten Pull-Faktoren angereichert und validiert. Die dritte Stufe sieht vor, auf Basis dieser Datengrundlage plausible Szenarien zu entwickeln, woran BAMF, Bundespolizei und mög­liche weitere Akteure beteiligt werden sollen.47 Es geht also um eine systematische Verknüpfung quanti­tativer und qualitativer Ansätze, die zu belastbareren Szenarien zu zukünftigen Migrationspotentialen führen soll. Das Ziel dabei lautet, ein für die gesamte Bundesregierung relevantes Lage­bild zu erstellen.

Für bessere Prognosen müssen quantitative und qualitative Ansätze systematisch verknüpft werden.

Das quantitative Analysemodell wird mit Unterstützung eines externen Dienstleisters und in engem Austausch mit AA und BMVg entwickelt. Eine wich­tige Rolle in dieser Abstimmung spielt das an der Universität der Bundeswehr in München angesiedelte Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung, das über erhebliche methodische Expertise in der Entwicklung KI-gestützter Vorhersagemodelle verfügt. Eine opera­tive Nutzung des neuen Instruments ist kurzfristig nicht zu erwarten, aber aufgrund des starken Bedarfs mittelfristig angestrebt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die möglichen Anwendungsbereiche der Wanderungsprognosen vielfältig sind. Innenpolitisch können sie den Bundesländern eine bessere Lageeinschätzung ermöglichen und auf zukünftige Aufnahme- und Integrationsbedarfe hinweisen. Zugleich können sie auch in politische Entscheidungen zur Verstärkung von Grenzschutzmaßnahmen oder zur Einrichtung humanitärer Aufnahme­programme einfließen. In der operativen Arbeit der betreffenden Ressorts stellt sich immer wieder die Frage, ob Verbindungsbeamte und -beamtinnen sowie Projekte richtig eingesetzt werden – auch in Abstimmung zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Das BAMF hat aus den hohen Zuwanderungszahlen der Jahre 2015/16 die Lehre gezogen, das eigene Personal flexibler einzusetzen. So erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die außerhalb des Asylbereichs eingesetzt sind, Fort­bildungen, die sie im Fall eines neuen sehr starken Anstiegs der Asyl­antragszahlen befähigen, diesen Bereich zu unterstützen. Szenarien und Lagebilder würden es erlauben, eine solche temporäre Umschichtung von Personalressourcen rechtzeitig in die Wege zu leiten, um Engpässe bei der Bearbeitung von Asylanträgen zu verhindern. Diese geplante Verbindung von quantitativen und qualitativen Ansätzen im BAMF-Instrument zur vorausschauenden Migrationsanalyse spiegelt den neuesten Stand der Debatten über effektive Vorhersageansätze wider. Sollte das neue Instrument in naher Zukunft anwendungsbereit sein, würde sich die schon jetzt bestehende Außenwahrnehmung der deutschen Regierung als Vorreiter im Bereich Wanderungsprognosen durch verbesserte Synergien innerhalb der Bundesregierung bei der Migrationsanalyse auch auf operativer Ebene bestäti­gen. Offen bleibt dabei, ob das neue BAMF-Instru­ment Nachahmung in anderen europäischen Staaten oder auf europäischer Ebene finden wird.

Europäische Initiativen

Auch auf europäischer Ebene ist das Interesse an KI-gestützten Migrationsprognosen seit 2015/16 stark ge­stiegen. Zentrale operative Akteure sind die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) und die EU-Asylagentur (EUAA, ehemals European Asylum Support Office, EASO). Seit einigen Jahren prüft auch die EU-Kommission das Potential eines EU-weiten Instruments für Wanderungsprognosen.

Die EU-Asylagentur

Innerhalb der EUAA ist die Organisationseinheit Data Analysis and Research Sector (DARS) damit betraut, Pro­gnosen zur Entwicklung von Asylantragszahlen in den EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und der Schweiz zu erstellen. Das DARS ist eine Untereinheit der Situational Awareness Unit des Asylum Knowledge Centre der EUAA und beschäftigt derzeit unge­fähr 20 Personen.48 Die Aufgaben des DARS reichen von der Frühwarnung über die strategische Analyse bis hin zu Wanderungsprognosen. In diesen Bereichen ist das DARS sowohl mit der Sammlung, Bünde­lung und Verteilung relevanter Daten als auch mit der Weiterentwicklung von Modellen und Instrumenten befasst.

Die Bandbreite der aus dieser Arbeit hervorgehenden Dienstleistungen und Produkte ist groß. Zum einen unterstützt die EUAA den Austausch asylbezogener Daten zwischen den EU-Mitgliedstaaten, Nor­we­gen und der Schweiz. Im Rahmen des seit 2012 aktiven Early Warning and Preparedness System (EPS) werden disaggregierte Daten zu 19 Indikatoren er­hoben, von der Asylantragstellung bis zum Resettlement.

Ein weiterer Teil der Forschungstätigkeit betrifft die Zusammenstellung, Analyse und Überprüfung von Faktoren, welche die Asylzuwanderung in die EU beeinflussen. Die EUAA hat hierfür den sogenannten Push Factor Index (PFI) erstellt. Auf Basis einer com­putergestützten Auswertung von Medienberichten, die in der Global Database of Events, Language, and Tone (GDELT-Datenbank) erfasst sind,49 werden im PFI Informationen über disruptive politische, wirt­schaftliche und soziale Faktoren für jedes Land der Welt zusammengeführt.50

Um dem Ziel näherzukommen, ein belastbares Frühwarn- und Vorhersageinstrument zu schaffen, hat die EUAA ein KI-unterstütztes Modell erarbeitet, das der Komplexität von Wanderungsprozessen und der Interaktion verschiedener Faktoren gerecht werden soll. Der auf GDELT-Daten basierende PFI ist ein wichtiger Baustein dieses Modells. Er wird ergänzt durch weitere Daten, aus denen sich eine Wanderungsabsicht ablesen lässt. Hierzu gehören beispielsweise Analysen von Google-Trends-Themen zu Migra­tion und Asyl in den jeweiligen Herkunftsländern, aus Frontex-Daten abgeleitete Informationen zu ir­regulären Grenzübertritten und Informationen aus den EU-Mitgliedstaaten, Norwegen und der Schweiz über die Zahl neuer Asylanträge oder zu den An­erkennungsquoten für einzelne Nationalitäten in den EU-Staaten. Als besonderer Fortschritt gegenüber vorherigen Ansätzen gilt, dass Wanderungsbewegungen zwischen allen Dyaden aus Herkunfts- und Ziel­land separat und jeweils in einem gleitenden Zeit­intervall modelliert werden.51

Dies ermöglicht es, Charakteristika in den Migra­tionsbeziehungen zwischen zwei Ländern zu berück­sichtigen und die sich im Zeitverlauf ändernde Bedeu­tung einzelner Einflussfaktoren zu erfassen. In einem ersten Schritt fungiert das Modell als Frühwarn­system: Im Fall signifikanter Veränderungen von Ein­flussfaktoren in einzelnen Ländern (beispielsweise hinsichtlich der Konfliktintensität oder von Such­meldungen im Internet) wird eine automatisierte Warnung ausgelöst. Auf dieser Grundlage erstellt die EUAA im vierteljährlichen Turnus sogenannte »early warning reports«, die dazu beitragen sollen, dass der jeweiligen Entwicklung politische Aufmerksamkeit zuteilwird. In einem zweiten Schritt prognostiziert das Modell die zukünftige Zahl von Asylanträgen einzelner Nationalitäten in europäischen Zielländern für einen Zeitraum von vier Wochen. Eine Simula­tion, in der das Modell zur Vorhersage zurückliegender Wanderungsbewegungen eingesetzt wurde, belegt, dass es leistungsfähiger ist als bisherige Ansätze. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse wird das Instrument innerhalb der EUAA bisher als »work in progress« und als zu wenig verlässlich bewertet, um die konkreten Vorhersagen mit der EU-Kommission oder den Mitgliedstaaten zu teilen.52 Stattdessen beschränken sich die aus dem Modell hervorgehenden Berichte auf Erkenntnisse über die relative Bedeutung einzelner Triebkräfte von Wanderungen im Zeitverlauf, was wiederum für die mittelfristige strategische Planung außerordentlich wichtig ist.53

Die EUAA-Programmplanung für die Jahre 2022 bis 2024 sieht vor, die Nutzung von neuen Datenquellen und Big Data auszubauen sowie aussagekräftige Indi­katoren und KI-gestützte Vorhersagemodelle weiter­zuentwickeln. Zugleich spricht die Verdoppelung der jährlich in Auftrag gegebenen Country Intelligence Reports dafür, dass qualitativen Daten weiterhin große Bedeutung beigemessen wird.54 Geplant ist zudem, die strategische Vorausschau und die Szenarien­entwicklung partizipativer zu gestalten, das heißt sowohl Partnerorganisationen als auch die Mitgliedstaaten stärker einzubinden.55

Frontex

In der EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache56 ist festgeschrieben, dass die EU-Agentur Frontex verpflichtet ist, ein gemeinsames integriertes Risikoanalysemodell zu entwickeln, das von ihr und den EU-Mitgliedstaaten angewandt wird. Das seit Mitte der 2000er Jahre an­gewandte Common Integrated Risk Analysis Model (CIRAM) soll den In­formations­austausch und die Zusammenarbeit im Bereich der Grenzsicherheit fördern sowie zu einem gemeinsamen Verständnis der Risikoanalyse bei­tragen.57 Dies geschieht unter anderem in kolla­bora­tiven Risiko­analyse-Netzwerken. Neben dem Frontex Risk Ana­lysis Network (FRAN), in dessen Rah­men Frontex sich mit Expertinnen und Experten aus den EU-Mitgliedstaaten aus­tauscht, gibt es inzwischen vier regionale Netzwerke mit Beteiligung von Drittstaaten.58

Frontex betreibt Risikoanalyse, die eng mit der Entwicklung von Zukunftsszenarien verbunden ist.

Risikoanalyse ist also ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Frontex und eng mit der Entwicklung von Zukunftsszenarien verbunden. In der Risk Analysis Unit der Agentur, einer Untereinheit der Frontex Situational Awareness and Monitoring Division, be­fassen sich rund 70 Mitarbeitende mit unterschied­lichen Formaten der Risikoanalyse und der strategischen Vorausschau.59 Um die Aufgaben im Bereich Frühwarnung zu erfüllen, führt Frontex unter ande­rem im Rahmen des Europäischen Grenzüberwachungssystems Euro­sur sogenannte »impact level assessments«60 durch. Hierbei wird die EU-Außen­grenze in Abschnitte unterteilt, deren Anfälligkeit für irregulären Grenzübertritt oder grenzüberschreitendes Kriminalität jeweils als kritisch, hoch, mittel oder niedrig eingestuft wird.61 Entsprechende Warnungen werden dann mit den Mitgliedern des Frontex-Ver­waltungsrats, den Mitgliedstaaten und der EU-Kom­mission geteilt, um den betroffenen Staaten eine schnelle Reaktion zum Beispiel durch Aufstockung von Grenzpersonal zu ermöglichen, bei Bedarf auch mit Unterstützung von Frontex.

Neben dieser auf rasche Reaktion ausgerichteten Frühwarnfunktion erstellt Frontex auch Analysen zur Unterstützung von ein- bis zweijährigen Planungs­zyklen für die personelle und materielle Ausstattung der Grenzüberwachung. Zur strategischen Risiko­analyse veröffentlicht Frontex seit 2020 alle zwei Jahre einen Bericht mit einem Zeithorizont von zehn Jah­ren. Darin werden mit Methoden qualitativer Voraus­schau und in Konsultation mit Expertinnen und Ex­perten aus den Mitgliedstaaten Megatrends analysiert, die für die europäische Grenzüberwachung in den nächsten Jahren relevant werden könnten. Auf dieser Grundlage wird eine Reihe alternativer Zukunfts­szenarien erarbeitet. Diese zweijährlichen Berichte gehen unter anderem an die EU-Kommission, die sie für die strategische Ausrichtung des europäischen Grenz- und Küstenschutzes nutzt. Interesse an quan­titativen Migrationsprognosen zeigt Frontex schon einige Jahre.62 Inzwischen entwickelt die Agentur ein IT-unterstütztes Vorhersagemodell für Wanderungs­bewegungen auf relevan­ten Migrationsrouten mit einem Zeithorizont von ungefähr drei Monaten; über die genaue Ausgestaltung des Instru­ments gibt es bisher aber keine öffentlich verfügbaren Informationen. Eine Motivation für das Projekt ist, dass die immensen Datenmengen, die im Rahmen des Grenz­managements bei Frontex zusammen­fließen, die Kapazitäten menschlicher Analysefähigkeit zu­neh­mend übersteigen.63

EU-Kommission

Das im September 2020 von der EU-Kommission vor­gelegte Migrations- und Asylpaket enthält einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und »Situationen höherer Gewalt« im Bereich Migration und Asyl, die sogenannte Force-majeure-Verordnung, sowie eine Empfehlung für einen Vorsorge- und Krisenmanagementmechanismus der EU für Migration, den sogenannten Migration Preparedness and Crisis Blueprint.64 In beiden Doku­menten fordert die Kommission, die Prognoseaktivi­täten zu verstärken. Der Migration Preparedness and Crisis Blueprint enthält konkrete Anregungen für einen verbesserten Informationsaustausch zwischen relevanten EU-Akteuren, der auch den Bereich Früh­warnung und Prognose umfasst.65

Etwa zeitgleich mit diesen Vorschlägen veröffentlichte die EU-Kommission die Ergebnisse einer Mach­barkeitsstudie zur Entwicklung eines KI-gestützten Instruments: Es soll Richtung und Intensität irregu­lärer Migrationsbewegungen in die und innerhalb der EU mit einem kurzen (ein bis vier Wochen) und einem mittleren (ein bis drei Monate) Zeithorizont vorhersagen. Der Studie zufolge bildet der Aufbau einer adäquaten Governance-Architektur die größte Herausforderung bei der Verwirklichung des Vor­habens. Eine solche Architektur wiederum erfordert Investitionen in einen Koordinationsmechanismus für das KI-Instru­ment, inklusive neuer Arbeitsvereinbarungen zwischen den einschlägigen EU-Agenturen und einer zentralen Koordinationsstelle zum Daten­austausch.66

Generell stellt sich hier das Problem der Abstimmung und Koordination zwischen den EU-General­direktionen, die auch in Bezug auf Wanderungspro­gnosen teils in Konkurrenz untereinander stehen. So verfügt die Generaldirektion Inneres über die Situational Awareness Unit und leitet das Blueprint-Netzwerk, die Generaldirektion ECHO orga­nisiert das Emergency Response Coordination Centre (ERCC) und baut damit ihre Prognosekapazitäten aus, und der Auswärtige Dienst der EU erstellt ebenfalls Wan­derungsprognosen.

Mehr als zwei Jahre nach Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie steht die operative Umsetzung, also die Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Instruments zur Migrationsvorhersage, noch aus. Ein möglicher Grund hierfür ist der unklare Mehrwert gegenüber den von den EU-Agenturen EUAA und Frontex erarbeiteten Instrumenten, ein anderer sind Konkurrenzverhältnisse zwischen an Vorhersagen interessierten EU-Generaldirektionen.67 Derzeit ist es nach Aussagen der EU-Kommission noch nicht möglich, abschließend den Umfang an Ressourcen zu bestimmen, der für ein voll funktionsfähiges KI-gestütztes Prognoseinstrument erforderlich wäre. Geplant ist daher eine weitere Studie, die diesen Bedarf konkretisieren soll. Erwartet wird aber, dass ein solches Instrument erst in einigen Jahren einsatzfähig sein wird. Zunächst soll deshalb in einem Pilotprojekt ein Instrument entworfen werden, das auf eine spezifische Migrationsroute und auf die Prognose irregulärer Wanderungen beschränkt ist.

EU-Forschungsförderung

Im Rahmen des Joint Research Centre (JRC) verfolgt die Europäische Kommission den Forschungsschwerpunkt Migration und Demographie. In diesem Kon­text widmet sie sich seit einigen Jahren auch dem Potential neuer Datenquellen und des maschinellen Lernens zur Vorhersage von Wanderungsbewegungen. Darüber hinaus spiegelt sich das gewachsene Interesse an Methoden und Instrumenten der quan­titativen Vorhersage von Wanderungen in der Aus­wahl der EU-geförderten Forschungsprojekte wider. Aus der von 2014 bis 2020 laufenden EU-Förderlinie Horizont 2020 wurden mehrere direkt in diesen Themenbereich fallende große Verbundprojekte ge­fördert: DeepCube (Januar 2021 bis Dezember 2023) wertet KI-gestützt Daten des satellitenbasierten euro­päischen Erdbeobachtungsprogramm Copernicus aus.68 QuantMig (Februar 2020 bis Juli 2023) ent­wickelt Migrationsszenarien auf der Grundlage quan­titativer Analysen und bietet interaktive Anwen­dungen und Simulationen zur Prüfung migrations­politischer Optionen.69 HumMingBird (Dezember 2019 bis Mai 2024) soll zum besseren Verständnis der Ursachen von Migration beitragen, strebt eine Verknüpfung qualitativer und quantitativer Ansätze für eine holistische Sicht auf Migrationsprozesse an und testet dabei auch Big-Data-gestützte Methoden der quantitativen Vorhersage.70

Ziel des Projektes ITFlows (September 2020 bis August 2023) ist die Vorhersage krisenhafter Zuwan­derung in die EU sowie die Unterstützung der Inte­gration Betroffener.71 Zu diesem Zweck hat das For­schungskonsortium das sogenannte EUMigraTool entwickelt. Es soll zivilgesellschaftliche Initiativen und kommunale Akteure, die in der Erstaufnahme und Integration von Asylsuchenden tätig sind, auf die zu erwartenden Aufgaben vorbereiten. Dieses Instrument besteht aus zwei zurzeit in Testversion laufenden Komponenten. Die eine dient dazu, die Zahl von Asylsuchenden in der EU vorherzusagen, die andere dazu, gesellschaftliche Spannungen in Bezug auf Migration und Asyl in den EU-Mitglied­staaten zu identifizieren. Der ersten Komponente liegt das an der Brunel University entwickelte ABM-Instrument Flee zugrunde, die zweite Komponente basiert auf maschinellem Lernen und wertet unter anderem Twitter-Daten aus.72 Von zivilgesellschaft­licher Seite wird ITFlows dafür kritisiert, dass es das Missbrauchspotential des EUMigraTool ignoriert und dadurch Wegbereiter für Menschenrechtsverletzungen und Praktiken wie gesetzeswidrige Pushbacks an den EU-Außengrenzen sein kann.73 Die Konsortiumsmitglieder weisen diese Kritik mit Verweis auf die klar definierte Zielgruppe des EUMigraTool zurück. Aufgrund ihrer finanziellen Abhängigkeit von den EU-Fördertöpfen stehen sie aber durchaus unter Druck, das Instrument auch den einschlägigen EU-Agenturen zugänglich zu machen.74

Europäische Raumfahrtagentur

Außerhalb der EU-Strukturen hat sich nach 2015/16 die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) dafür ein­gesetzt, Instrumente zur quantitativen Prognose von Wanderungsbewegungen zu erarbeiten. So hat sie in den Jahren 2017 bis 2019 drei Machbarkeitsstudien zur Nutzung von Satellitendaten für die Migrationsprognose finanziert, die von privaten Unternehmen durchgeführt wurden, zum Teil unter Mitwirkung staatlicher Akteure.75

Internationale Akteure

Auch auf internationaler Ebene hatte der plötzliche und starke Anstieg der Zuwanderung in die EU während der Jahre 2015/16 zur Folge, dass mehr in die quanti­tative Vorhersage von Flucht und Migration investiert wurde. Zudem ruft der Globale Pakt für Flüchtlinge vom Dezember 2018 dazu auf, Wanderungsprognosen zu verbessern. UNHCR, IOM und Weltbank sind dabei, sich in diesem Feld zu positionieren, und eini­ge internationale NGOs entwickeln ebenfalls eigene Prognoseinstrumente.

UNHCR

Innerhalb des UNHCR stellt das 2017 initiierte Project Jetson die erste auf maschinellem Lernen basierende Anwendung zur Vorhersage interner und grenzüberschreitender Flucht und Vertreibung dar.76 Auslösender Impuls für diese Initiative waren die Anzeichen einer drohenden Hungersnot in Somalia und die noch frischen Erinnerungen an die vorausgegangene Hungersnot im Jahr 2011, während der die huma­nitären Helferinnen und Helfer nicht hinreichend ausgerüstet waren, um die in die Nachbarländer fliehenden Menschen zu versorgen. Zwei Jahre nach Beginn der Entwicklung des Modells, dessen Hauptzweck nicht in der opera­tiven Anwendung, sondern im Testen der Leistungsfähigkeit KI-gestützter Pro­gnoseansätze lag, lieferte es zuverlässige Vorhersagen für Ankünfte in elf der 18 somalischen Regionen.77

Auch die jüngste Prognose-Initiative des 2012 gebildeten und seit 2017 mit einem eigenen Fonds ausgestatteten UNHCR Innovation Service reagierte auf eine akute Krise. Als die pandemiebedingten Grenzschließungen im Jahr 2020 die Wanderungs­bewegungen zwischen Venezuela und Brasilien unterbrachen, stand die brasilianische Regierung vor der Frage, mit wie vielen venezolanischen Neuan­kömmlingen und mit welchen humanitären Bedarfen nach einer Wiederöffnung der Grenze zu rechnen wäre. Um hierfür tragfähige Prognosen zu erstellen, schuf der UNHCR in Kooperation mit UN Global Pulse, einer Initiative des VN-Generalsekretärs zur Nutzung von KI und Big Data, ein auf maschinellem Lernen basierendes Vorhersageinstrument sowie ein inter­aktives Modell, mit dem sich der Wohn- und Versor­gungsbedarf für unterschiedliche Szenarien simu­lieren lässt.78 Während der UNHCR über große Mengen an für solche Ansätze relevanten Daten verfügt, mangelt es in der Praxis oft an Kapa­zitäten, diese umfassend zu analysieren und zur vorausschauenden Planung zu nutzen. Die Partnerschaft mit UN Global Pulse soll diese Verwendung ermög­lichen und laut UNHCR ein Vorbild für den Gebrauch in anderen Länderkontexten sein.79

IOM

Mit der gemeinsamen Gründung der Big Data for Migration Alliance (BD4M) durch das Global Migra­tion Data Analysis Center (GMDAC) der IOM und das Joint Research Center (JRC) der Europäischen Union im Jahr 2018 hat sich die IOM als wichtiger Akteur hinsichtlich der Erschließung neuer Datenquellen für Flucht und Migration positioniert. In diesem Kontext beschäftigt sich die Organisation auch mit dem Ein­satz Künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens zur Vorhersage von Wanderungsbewegungen.80

Technische Experten und Expertinnen äußern ethische Bedenken gegenüber quantitativen Prognoseinstrumenten.

Im Jahr 2022 wurde das GMDAC zum Global Data Institute weiterentwickelt, das perspektivisch zur zentralen Anlaufstelle für alle migrationsbezogenen Datenbedarfe werden soll. Dennoch mangelt es der Organisation aufgrund ihrer projektbasierten Finan­zierungsstruktur bislang an personellen Kapazitäten und finanziellen Mitteln, die primär der Forschung und der Entwicklung neuer Instrumente gewidmet werden können.81 Hinzu kommt ein latenter Dissens zwischen Leitungsebene und Arbeitsebene, der an die Diskussionen innerhalb des UNHCR erinnert: Das IOM-Management rückt das Potential quantitativer Zukunftsprognosen als neues Betätigungsfeld der Organisation in den Vordergrund. Dagegen verweisen die technischen Experten und Expertinnen auf den begrenzten praktischen Nutzen dieser Instrumente und äußern ethische Bedenken wegen möglicher Ver­letzung des Datenschutzes und wegen der Gefahr, dass Ergebnisse für Migrationskontrolle und -abwehr verwendet werden könnten.

Diese Sorgen verweisen ein weiteres Mal auf das grundsätzlich ambivalente Potential von Wande­rungsprognosen, die sowohl die humanitäre Auf­nahme als auch Maßnahmen zur Verhinderung von Migration unterstützen können. Derzeit laufen IOM-interne Abstimmungsprozesse zur Positionierung der Organisation im Bereich der Wanderungsprognosen. Dabei sollen auch die hausinternen Zuständigkeiten geklärt werden. Die Ergebnisse dieser Konsultationsrunden sollen im Laufe des Jahres 2023 veröffentlicht werden.

Weltbank

Die Weltbank entwickelt keine KI-gestützten Instru­mente im engeren Sinne, produziert aber dennoch wichtige quantitative Vorhersagen möglicher zu­künf­tiger Migration, Flucht und Vertreibung, ins­besondere im Kontext des Klimawandels. Als entwicklungspolitischer Akteur hat die Weltbank sich lange nur am Rande mit flucht- und migrationsbezogenen Themen auseinandergesetzt. Doch mit der Veröffentlichung ihrer zwei breit rezipierten Grounds­well Reports aus den Jahren 2018 und 2021 hat sie der Debatte um zukünftige klimabedingte Wanderungsbewegungen entscheidende Impulse gegeben.82 Beide Berichte enthalten auf Gravitationsmodellen basierende Zu­kunftsszenarien klimabedingter Migra­tion und Ver­treibung innerhalb von Ländern des sogenannten Globalen Südens. Groundswell I kon­zentriert sich auf Subsahara-Afrika, Südasien und Lateinamerika, während Groundswell II auch Ost­asien, Nordafrika und Osteuropa/Zentralasien berücksichtigt. Allein­stellungsmerkmal dieser Bei­träge ist die Fokussierung auf Wanderungsbewegungen in Reaktion auf lang­sam einsetzende Umwelt­veränderungen und die Potentiale entwicklungs­politischer Interventionen, um Menschen das Bleiben zu ermöglichen.

African Climate Mobility Initiative

Die 2021 von der AU-Kommission, den VN und der Weltbank gegründete African Climate Mobility Initia­tive (ACMI) hat ein eigenes Modell zur Prognose inner­afrikanischer Wanderungsbewegungen ent­worfen. Es baut auf das Gravitationsmodell der Groundswell Reports der Weltbank auf, wurde aber durch einige neue Aspekte wie der Berück­sichtigung gewaltsamer Konflikte weiter ausdifferenziert. Mit Hilfe einer Kom­bination aus Daten zu unterschiedlichen Entwicklungspfaden (stark versus schwach) und Daten zu unterschiedlichen Emissionsverläufen (hoch versus niedrig) lassen sich mit dem Modell vier plausible quantitative Mobilitätsszenarien für den afrikanischen Kontinent erstellen, die sowohl Wanderungsbewegungen innerhalb einzelner Länder als auch grenzüberschreitende Migration einbeziehen. Der Zeithorizont der Szenarien reicht bis 2050. Die Ergebnisse ähneln denen der Groundswell Reports insofern, als unter allen vier Szenarien das Gros der Wanderungen innerhalb von Ländern stattfinden wird. Darüber hinaus ergibt die Modellierung, dass die Szenarien mit niedrigen Emissions­werten mehr Mobilität aufweisen als die mit hohen – ein Hinweis darauf, dass die negativen Folgen des Klimawandels viele Menschen immobilisieren.83

Internal Displacement Monitoring Centre

Das 1998 als Teil des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) gegründete Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) bietet Daten und Analysen zu Binnen­vertreibungen. Neben der Erstellung tagesaktueller Analysen zu einzelnen Vertreibungssituationen und der Veröffentlichung des jährlichen Global Report on Internal Displacement (GRID), der inzwischen als globales Referenzwerk zur Binnenvertreibung gilt, hat das IDMC vor einigen Jahren ein Modell zur Be­rechnung des katastrophenbedingten Vertreibungs­risikos entwickelt. Das Vertreibungsrisiko wird hier­bei als Funktion von Gefahrenereignis, Exposition und Vulnerabilität betrachtet. Auf Basis von Daten zu früheren und voraussichtlichen Naturkatastrophen und dem zu erwartenden Schadensniveau an Wohngebäuden berechnet das IDMC Wahrscheinlichkeit und Umfang katastrophenbedingter Ver­treibungen pro Land für variable Zeiteinheiten. Diese Informationen sollen dazu beitragen, dass gezielte Maßnahmen zur Reduzierung des Vertreibungsrisikos ergriffen, Frühwarnsysteme eingerichtet und prä­­ventive Evakuierungen veranlasst werden.84 Im Rah­men des EU-finanzierten Projektes Habitable bringt das IDMC diese Erfahrungen in einen größeren Forschungsverbund ein, der unter anderem zum Ziel hat, Modelle zukünftiger Wanderungsbewegungen in Reaktion sowohl auf akute Naturkatastrophen als auch lang­sam einsetzende Umweltveränderungen auszu­arbeiten.85

Danish Refugee Council

Mit technischer Unterstützung von IBM und durch eine Finanzierung von Seiten des schwedischen Außen­ministeriums hat die humanitäre und entwicklungspolitische NGO Danish Refugee Council (DRC) mit dem Foresight Model ein KI-gestütztes Instrument geschaffen, das dazu genutzt wird, kon­fliktbedingte interne und grenzüberschreitende Flucht und Ver­treibung in derzeit 26 Ländern vorherzusagen. In die Berechnungen fließen mehr als 120 soziale, wirtschaftliche, politische, konflikt- und umweltbezogene Faktoren und intervenierende Variablen ein, die auf Basis öffentlich verfügbarer Daten erhoben werden.86 Das Instrument soll länderspezifische Vorhersagen mit einem Zeithorizont von ein bis drei Jahren treffen. Dieser Zeitraum ist deswegen vergleichsweise lang, da die Ergebnisse für die DRC-interne Jahres­planung sowie für die Abstimmung der Arbeit unter­schiedlicher Akteure im Kontext des Humanitarian Programme Cycle (HPC) genutzt werden sollen. Seit 2021 veröffentlicht87 der DRC jährliche Forecast Reports, die sowohl einen globalen Überblick als auch vertiefte Länderfallstudien beinhalten.

Neben dem Foresight Model verwendet der DRC ein weiteres Prognoseinstrument, das West Africa Context Analysis and Foresight Initiative Model (WACAFI), das speziell der Vorher­sage von Binnen­vertreibung in 15 ausgewählten Regionen in Burkina Faso, Mali und Niger dient. Das WACAFI soll viertel­jährlich Prognosen mit einem Zeithorizont von drei bis vier Monaten erstellen, um die operative Arbeit humanitärer Akteure in den betreffenden Ländern zu unterstützen.88

Save the Children

Auch die NGO Save the Children investiert seit einigen Jahren in die Vorhersage von Flucht, um ihre Programmarbeit zu unterstützen und auf zukünftige Bedarfe hinzuweisen. Mit Unterstützung der Boston Consulting Group (BCG) entwickelte die Organisation 2018 ein auf maschinellem Lernen beruhendes Instrument, das Dauer und Umfang von Vertreibungen vorhersagt. Seitdem wird es kontinuierlich weiterentwickelt. Zu den zentralen Lernerfahrungen gehört die Erkenntnis, dass lokal angepasste, kontext­spezifische Modelle aussagekräftiger sind als ein generalisiertes, weltweit anzuwendendes Modell, und dass Datenlücken aus der Agentenbasierten Model­lierung zum Teil kompensiert werden können.89 Für Letzteres kooperiert Save the Children mit der Migra­tion and Simulation Group der Brunel University, aus der mit Flee einer der am weitesten fortgeschrittenen Algorithmen zur Vorhersage von Flucht hervorgegangen ist.90 Testversionen des Instruments wurden unter anderem in Burundi, Äthiopien, Südsudan und Mali angewandt.91

Potentiale und Grenzen

Wie im Unterkapitel »Akteure und Instrumente« dargestellt, engagiert sich eine Vielzahl an Akteuren in der quantitativen Vorhersage ungeregelter Migra­tion, und die Zahl der bestehenden oder in Entwicklung begriffenen Prognoseinstrumente ist groß. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei Gruppen von Instrumenten unterscheiden: jene, die im Dienst der Asyl- und Migrationspolitik stehen und darauf ausgerichtet sind, Ankünfte in der EU prognostizieren, und jene, die humanitären oder entwicklungspolitischen Zwecken dienen und in Drittstaaten zum Einsatz kommen (siehe Grafik 2).

Ungeachtet des generellen Interesses, besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet zu sein, folgen die Investitionen in beide Bereiche unterschiedlichen Zielsetzungen: In der Asyl- und Migra­tionspolitik geht es in erster Linie um einen Zuwachs an Steuerungskompetenz, in der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit um die Unter­stützung der von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen. Die Gesamtschau zeigt, dass der praktische Nutzen gerade innovativer, KI-gestützter Instrumente beim jetzigen Stand der Technik in beiden Bereichen unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Im europäischen Kontext werden derzeit mehrere Vorhersageinstrumente mit ähnlichen Zeithorizonten entwickelt. Dass bislang keines dieser Instrumente anwendungsreif ist, deutet auf Herausforderungen hin, die auch mit Methoden maschinellen Lernens nur schwer zu bewältigen sind. Die von Frontex, EUAA, BAMF, ITFlows und perspektivisch auch der EU-Kommission weitgehend geteilte Ambition, ein umfassendes Vorhersage- und Frühwarnsystem für ungeregelte Migrationsbewegungen in Richtung EU (bzw. im Fall des BAMF nach Deutschland) zu ent­wickeln, stößt in zweierlei Hinsicht an die Grenzen des technisch Machbaren. Zum einen zeigt das Bei­spiel der EUAA, dass selbst die am weitesten ent­wickelten KI-gestützten Instrumente das komplexe Zusammenspiel der zahlreichen Faktoren, die Migrationsentscheidungen beeinflussen, bisher nicht adäquat erfassen können – besonders dann nicht, wenn das jeweilige Instrument länderübergreifend auf jedes mögliche Herkunftsland und jede Migra­tionsroute in Richtung Europa anwendbar sein soll. Zum anderen ist die Vorhersagekraft aufgrund der im Kapitel »Methodische Ansätze« erwähnten alea­torischen Unsicherheit von Wanderungsprozessen begrenzt. Viele der aus europäischer Perspektive relevantesten Wanderungsbewegungen der letzten Jahre waren durch disruptive Ereignisse bedingt, die Flucht und Migration auf unvorhersehbare Weise beeinflusst haben.

Grafik 2

Akteure und existierende oder geplante Instrumente KI-gestützter Migrationsprognose

Für die Anwendung von Wanderungsprognosen in humanitären Kontexten außerhalb der EU zeigt sich ein etwas anderes Bild. Hier gibt es mit den vom UNHCR entwickelten Prognoseansätzen für Somalia und für die venezolanisch-brasilianische Grenze sowie mit den Projekten von Save the Children und des Danish Refugee Council eine Reihe von Instrumenten, die praktische Anwendung in der jeweiligen Organisation finden. Auch hier sind die technischen Herausforderungen groß, aber die Vorhersageziele sind wegen konkreter operativer Bedarfe meist räum­lich und zeitlich begrenzter und die Lernerfahrungen unmittelbarer als bei den oben angesprochenen um­fassenden Ansätzen, die für den europäischen Raum verwendet werden. Zudem lassen sich Fluchtbewegungen infolge plötzlich auftretender Ereignisse wie Naturkatastrophen oder neu ausbrechenden Gewalt­konflikten in der Regel leichter modellieren und durch maschinelles Lernen erfassen als andere Wan­derungsbewegungen, die vom Zusammenspiel einer weitaus größeren Anzahl von Faktoren beeinflusst werden.92 Dennoch ist die Entwicklung kontextbezogener Prognose­instrumente zeitaufwendig und erfordert nach Einschätzung der UNHCR Innovation Unit etwa ein Jahr. Besonders geeignet sind bestehende Ansätze quantitativer Wanderungsprognosen daher für die längerfristige Beobachtung fragiler Kontexte, die auch für die Entwicklungszusammenarbeit relevant ist.93

Auch wenn der praktische Mehrwert quantitativer Migrationsprognosen in verschiedenen Politikfeldern unterschiedlich stark ausgeprägt ist, bestehen doch in allen Bereichen ähnliche Hürden, sie in politische Entscheidungsprozesse einfließen zu lassen. Trotz des großen und auf allen Ebenen geäußerten Bedarfs an mehr Vorausschau mangelt es in nationalen Verwal­tungen an Ressourcen und Strukturen, um die Ergeb­nisse quantitativer Prognoseinstrumente zu verwerten. Dies liegt zum einen an knappen personellen Kapazitäten in den betreffenden Ministerien: Gerade im schnelllebigen Alltag der Außenpolitik fehlt in der Regel die Zeit, um Ergebnisse der Krisenfrüherken­nung oder der Migrationsvorhersage zu rezipieren, in Planungs- und Entscheidungsprozesse zu integrieren und die Instrumente zu validieren und zu ver­bessern.94 Zum anderen schmälert die unvermeid­liche Unsicherheit von Prognosen ihren Wert für den politischen Prozess, der in erster Linie darauf aus­gelegt ist, mit gesicherten und möglichst eindeutigen, präzisen und wenig komplexen Einschätzungen umzugehen. Und schließlich mangelt es an etablierten Prozessen, um Vorhersagen in politische Entschei­dungsprozesse einzuspeisen.95

Politische Funktionen und Risiken quantitativer Migrationsprognosen

Das Kapitel »Die Prognose ungeregelter Wanderungen« zeigt, dass der praktische Nutzen quantitativer Migrationsprognosen für die vorausschauende Pla­nung und effektive Umsetzung migrationspolitischer Maßnahmen im europäischen Kontext bislang be­grenzt ist. Da aber gleichzeitig die politische Nach­frage gerade nach KI-gestützten Vorhersageinstrumen­ten ungebrochen ist und sowohl in den EU-Mitglied­staaten als auch auf europäischer Ebene weiter in solche Instrumente investiert wird, stellt sich die Frage nach den Gründen und Motiven für die Ent­wicklung solcher Instrumente.

Ein wichtiger Faktor sind sicherlich die nach wie vor hohen Erwartungen, die gerade im Kontext der europäischen Asyl- und Migrationspolitik an die quantitative Vorhersage von Wanderungsbewegungen gestellt werden: Während die technischen Expertinnen und Experten, die mit der Entwicklung entsprechender Prognoseinstrumente befasst sind, ein ausgeprägtes Bewusstsein für deren technische Limitierungen haben, ist dies auf der Ebene höherer Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen nicht in gleichem Maße gegeben.

Darüber hinaus aber zeigen die für diese Studie geführten Gespräche mit Entscheiderinnen und Entscheidern in Deutschland und auf europäischer Ebene, dass quantitative Wanderungsprognosen im politischen Raum eine Reihe von Funktionen erfül­len, die über die Bereitstellung von Zahlen und einen Zuwachs an empirischer Evidenz hinausgehen. Diese politischen Funktionen wiederum gehen mit Risiken einher, die normative Abwägungen erfordern.

Politische Funktionen quantitativer Wanderungsprognosen

Welche Erwartungen jenseits des reinen Erkenntnisgewinns sind mit quantitativen Wanderungsprognosen verknüpft, und welche Anwendung finden sie im politischen Prozess? Neben der Hoffnung auf eine verbesserte ressortübergreifende Zusammenarbeit zählen hierzu auch Wettbewerbsvorteile einzelner Ministerien aufgrund eines durch die Prognosen erreichten Wissensvorsprungs, die Legitimation bereits getroffener Entscheidungen sowie die Verwen­dung von Vorhersagen für die politische Interessenvertretung und die Einwerbung finanzieller Mittel.

Grundlage für mehr Ressortkohärenz und verbesserte Zusammenarbeit

Entscheiderinnen und Entscheider sowohl in Deutschland als auch in EU-Institutionen berichten, dass der Austausch von Flucht- und Migrationsdaten zwischen unterschiedlichen Akteuren bisher wenig strukturiert und unsystematisch ist. In Deutschland finden der Abgleich und die Zusammenführung der migrationsbezogenen Informationen, die den unterschiedlichen Ministerien vorliegen, weitgehend anlassbezogen statt und sind bisweilen von der Initia­tive Einzelner abhängig.96

Was die Krisenfrüherkennung betrifft, gibt es in Gestalt des Ressortkreises Krisenfrüherkennung mit Beteiligung unter anderem von AA, BMVg, BMI und Kanzleramt einen institutionalisierten Prozess, um ein ressortübergreifendes Lagebild zu erstellen. Dagegen beschränkt sich die Abstimmung zu Flucht und Migration in der Regel auf ein Mapping der Aktivitäten in den unterschiedlichen Ministerien.97

Der Austausch von Flucht- und Migrationsdaten erfolgt unsystematisch und wenig strukturiert.

Hier besteht nach wie vor großer Abstimmungs­bedarf, und es fehlen übergreifende Lagebilder, die die Erkenntnisse der einschlägigen Ressorts und ihrer nachgeordneten Behörden zusammenbringen und mit den Erkenntnissen anderer fachlich oder regional spezialisierter Institutionen verbinden. Das Problem ist der Regierung bekannt, und in jüngerer Zeit haben die Bestrebungen insbesondere von AA, BMI und BMVg zugenommen, die Abstimmung auch auf die Themen Flucht und Migration auszudehnen.98

Zum Teil haben diese unzulänglichen Informa­tionsflüsse datenschutzrechtliche Gründe oder erklä­ren sich aus unterschiedlichen Sicherheitsstufen, denen beispielsweise Analysen des AA und des BMVg unterliegen können. Insgesamt fehlt ein System zur Bündelung der Erkenntnisse.99 So steht der uneinheitliche Informationsstand zu Flucht und Migration einer gemeinsamen Entscheidungsfindung im Wege und stellt gerade in Krisensituationen, in denen wenig Zeit für einen detaillierten Abgleich besteht, ein Problem dar. Vor diesem Hintergrund erhoffen sich politische Entscheiderinnen und Entscheider von den in der Entwicklung begriffenen KI-gestützten Prognoseinstrumenten zweierlei: Sie sollen zu einem System zur Erstellung eines gemeinsamen Migrationslagebilds beitragen, in dem Zuständigkeiten klar verteilt sind und das von allen relevanten Akteuren als Entscheidungsgrundlage akzeptiert wird. Zudem sollen sie den im Krisenfall immer bestehenden Zeit­druck mindern, indem sie eine frühzeitigere Diskus­sion und Konsensfindung ermöglichen.100 Ein solcher Zeitgewinn wäre in vielen akuten Krisen wünschenswert, besonders wenn menschenrechtliche Verpflichtungen und Sicherheitsbedenken gegeneinander abgewogen werden müssen, wie im Fall der Evakuierungen von Ortskräften aus Afghanistan im Sommer 2021.

Ähnliches gilt auf europäischer Ebene, wo vor allem Strukturen zur Verknüpfung der vielfältigen Migrationsdaten aus unterschiedlichen Ländern fehlen.101 Mitarbeitende der EUAA betonen den Wert gemeinsamer Analysen, die sowohl zu besseren Ergeb­nissen führen als auch die Ownership der beteiligten Staaten und Organisationen erhöhen würden und dadurch wiederum zu verstärktem Engagement bei der Sammlung und Aufbereitung von Daten beitragen könnten.102 Auch die Europäische Kommission legt Wert auf einen kollaborativen Ansatz unter Beteiligung der Mitgliedstaaten und der relevanten EU-Agen­turen. Der Migration-Blueprint-Mechanismus hat schon jetzt große Bedeutung für die Vorbereitung auf Fluchtsituationen.103 KI-gestützte quantitative Migrationsprognosen könnten bei einem absehbaren starken Anstieg der Zuwanderung auf einzelnen Routen eine frühzeitige Abstimmung zwischen Erst­aufnahmeland, EU-Kommission und den EU-Agen­turen erleichtern. Auf diese Weise könnten sie zu einem schnellen Aufbau von Kapazitäten für Unter­bringung und Versorgung von Geflüchteten beitragen – ebenso zu einem Abbau von Kapazitäten, wenn sie wegen eines Rückgangs der Flüchtlingszahlen nicht mehr benötigt werden, wie etwa nach dem Ende der Kriege im früheren Jugoslawien in den 1990er Jahren oder nach der starken Zuwanderung 2015/16.104

Wissensvorsprung und Wettbewerbsvorteile

Ungeachtet des von allen befragten Akteuren hervor­gehobenen Bedarfs an mehr Kooperation und Abstim­mung bei der Entwicklung von Instrumenten der KI-gestützten Migrationsvorhersage gibt es auch gegen­läufige Motivationen. Neben dem gemeinsamen Ziel einer verbesserten Prognosefähigkeit ist das Verhalten der deutschen und europäischen Akteure auch von Konkurrenz um Einfluss auf asyl- und migrationspolitische Entscheidungen geprägt. In diesem andauernden Konkurrenzverhältnis kann ein Wissensvorsprung einen signifikanten Wettbewerbsvorteil darstellen. Quantitative Instrumente haben hierbei einen hohen Wert, da sie als besonders aussagekräftig gelten.105 Im Einklang hiermit berichten Vertreter und Vertre­terinnen unterschiedlicher Ministerien über das kom­petitive statt kooperative Verhalten anderer Ressorts im Bereich der Migrations­prognose.

Eine ähnliche Dynamik ist auch auf europäischer Ebene zu beobachten. Hier gehören Frontex und EUAA zu den wichtigsten Produzenten von Wanderungsprognosen sowie der dafür nötigen Daten und Informationen. Beide Agenturen nutzen sowohl quantitative als auch qualitative Ansätze, um ihre Wissensgrundlage zu verbreitern. Zudem bemühen sie sich, Akteure aus den Mitgliedstaaten in Kontakt und Austausch zu bringen. Dabei ist auch hier offen­sichtlich, dass es eine Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Politik für die jeweiligen Wanderungsprognosen gibt, dass die Agenturen entsprechend ihrem Mandat unterschiedliche Schwerpunkte und Interessen verfolgen und dass sie ihre Fähigkeiten zur Prognoseerstellung auch zur Stärkung ihrer Institution einsetzen. So bereitet Frontex vor allem Informationen über die Entwicklung auf einzelnen Wanderungsrouten und über irreguläre Zuwanderung auf und versucht, damit weitere Unterstützung für den Ausbau der Organisation zu generieren. Die EUAA wiederum ist auf den asylpolitischen Kapazitätsaufbau in den Mitgliedstaaten und den Ausbau der eigenen Unterstützungsfähigkeiten fokussiert und sammelt Informationen über aktuelle Wanderungstrends in verschiedenen Ländern, auch über Rückkehr und Sekundärmigration. Zwar wären Synergien zwischen den beiden Bereichen möglich, doch statt gemeinsamer Analyse erschöpft sich die Zusammenarbeit meist in der gegenseitigen Präsentation von Forschungsergebnissen.106 So dient die Arbeit an der Entwicklung quantitativer Migrationsprognosen oft auch dem Ziel, die eigene politische Wirksamkeit zu erhöhen. Das hierin zum Ausdruck kommende »Silodenken« bildet auch eine Hürde für die Ent­wicklung eines bei der EU-Kommission angesiedelten quantitativen Prognoseinstruments.

Politische Kommunikation und Legitimation politischen Handelns

Besonders im Migrationsbereich sind Rufe nach einer stärker evidenzbasierten Politik und mehr Investitionen in die Sammlung und Analyse von Daten omni­präsent. Gerechtfertigt werden sie mit dem Ziel, die häufig sehr emotional aufgeladenen Debatten in diesem stark polarisierten Politikfeld zu versachlichen, Entscheiderinnen und Entscheidern evidenzbegründete Handlungsoptionen vorzuschlagen und damit auch populistischen Bestrebungen entgegenzuwirken.107 Gleichzeitig erfüllen Zahlen im politischen Raum aber auch eine wichtige kommunikative und legitimatorische Funktion. So dienen sie statt zur unvoreingenommenen Auslotung unterschiedlicher Handlungsoptionen häufig in erster Linie dazu, schon getroffene Entscheidungen zu legitimieren oder zu untermauern.108 In die Zukunft gerichtete Aussagen wiederum haben eine zusätzliche Funktion: So können Investitionen in Migrationsprognosen in einem von Unsicherheit und periodischen Schocks geprägten Politikfeld den Anschein von Kontrolle suggerieren und Bemühungen um vorausschauende Planung signalisieren.

Um in politische Entscheidungsprozesse einzufließen, müssen die Ergebnisse quantitativer Prognosen so aufgearbeitet werden, dass sie auch unter Zeitdruck leicht rezipiert werden können. Vor allem Aus­sagen über künftige Wanderungsbewegungen müssen sorgfältig kommuniziert werden. Diese Kommunikation erfordert Kürze, Vereinfachung und eine anspre­chende visuelle Präsentation, die zentrale Tendenzen auf einen Blick sichtbar machen.109 Solche simpli­fizierten Darstellungen können allerdings falsche Gewissheiten insinuieren, weil die Vermittlung der allen Prognoseinstrumenten inhärenten und im Migrationsbereich besonders ausgeprägten Unsicherheit in den Hintergrund tritt. Gleichzeitig müssen quantitative Ergebnisse in Narrative eingebettet wer­den, die deutlich machen, dass Handlungsmöglichkeiten bestehen und dass diese Handlungen auch wirkungsvoll sein können.110 Diese Narrative werden meist von den Produzentinnen und Produzenten der Prognoseinstrumente in unterschiedlichen Formaten wie Schriftprodukten oder Präsentationen mitgeliefert. Dabei werden zwangsläufig Setzungen vor­ge­nommen, etwa die Entscheidung, bestimmte Wande­rungsbewegungen als krisenhaft zu bezeichnen.

Politische Interessenvertretung und Mitteleinwerbung

Gerade im humanitären Bereich besteht eine wichtige zusätzliche Funktion quantitativer Prognosen von Flucht und Vertreibung darin, politische Aufmerksamkeit für sich abzeichnende Krisensituationen zu schaffen und die zur Unterstützung der Betroffenen notwendigen finanziellen Mittel einzuwerben. Die Nichtregierungsorganisationen DRC und Save the Children beispielsweise nennen die Mitteleinwerbung explizit als eine der Motivationen für die Entwicklung ihrer Prognoseinstrumente.111 Zugleich bemühen sie sich aber darum, nicht das Narrativ einer wachsenden Bedrohung wohlhabender Staaten durch große Fluchtbewegungen aus dem sogenannten Globalen Süden zu bedienen.

Auch staatlichen Akteuren können Wanderungsprognosen die Allokation von finanziellen Mitteln und Ressourcen erleichtern. So weisen Finanzmittel, die vor einer Krise investiert werden, im Vergleich zur Nothilfe nach Eintritt des Krisenfalles eine deutlich höhere Effizienz auf. Dies ist in der humanitären Hilfe seit langem bekannt und spricht für die verstärkte Nutzung von Instrumenten der prognosegestützten Finanzierung (»forecast-based financing«):112 Es ist beispielsweise weit weniger kostspielig, Vieh zu retten, bevor es verdurstet, als den betroffenen Bauern und Bäuerinnen nachträglich den Verlust zu ersetzen. Die voraussichtlich größere Wirksamkeit der eingesetzten Mittel ist ein wichtiges Argument im Wettbewerb um öffentliche Ressourcen.

Praktiker und Praktikerinnen der humanitären Hilfe betonen zudem, dass verlässliche Prognosen die Vergabe bedingungsloser (»unearmarked«) oder nur schwach bedingter (»soft earmarked«) Finanzierungen von Hilfeleistungen erleichtern können. Dies wäre für die betroffenen Hilfsorganisationen vorteilhaft, weil sie dadurch größere Handlungsspielräume gewännen und Maß­nahmen anbieten könnten, die besser auf die jewei­li­ge Notsituation zugeschnitten seien. Damit verbunden ist die grundsätzliche Erwartung, dass die Legi­timität bedingungsloser Finanzierungen steigt, wenn die Prognosemodelle besser werden.113

Die hier skizzierten politischen Funktionen quan­titativer Wanderungsprognosen verdeutlichen die vielfältigen, zum Teil widersprüchlichen Motive, die hinter dem Interesse an Wanderungsprognosen stehen, und ergänzen so die im Kapitel »Die Prognose ungeregelter Wanderungen« dargestellten praktischen Anwendungen. Das Zusammenspiel der beiden Dimensionen erklärt das Nebeneinander von Koope­ration und Wettbewerb in der Entwicklung neuer Instrumente: Während inhaltliche Abstimmung und die Nutzung von Synergien den Erkenntnisgewinn steigern, sprechen der Wunsch nach Wettbewerbsvorteilen und die Legitimation bestehender Politik­ansätze für Alleingänge. Grundsätzlich können diese politischen Funktionen quantitativer Migrationsprognosen (vor allem die Legitimation bereits exis­tie­render Politikansätze) dazu beitragen, dass es anstelle der vielfach eingeforderten stärker evidenzbasierten Politikgestaltung lediglich zu einer politisch moti­vierten – und daher möglicherweise selektiven – Sammlung empirischer Evidenz kommt.114

Risiken und normative Abwägungen

Die Erstellung und Nutzung quantitativer Wanderungsprognosen – insbesondere solcher, die auf maschinellem Lernen beruhen – geht mit Risiken einher und wirft eine Reihe normativer Fragen auf. Hierzu gehören die Gefahr politischer Instrumen­talisierung und Datenschutzfragen ebenso wie die unbeabsichtigte Schaffung neuer Handlungszwänge. Diese Risiken und Abwägungserfordernisse werden von den befragten Entscheiderinnen und Entscheidern durchaus wahrgenommen und fließen in die Erstellung und Nutzung von Wanderungsprognosen ein.

Politische Instrumentalisierung

Ungeregelte Wanderungsbewegungen in Richtung Europa werden häufig als Bedrohung wahrgenommen. In der Vergangenheit haben populistische Akteure in Deutschland und anderen EU-Mitglied­staaten Perioden starker Zuwanderung dazu genutzt, Ängste zu schüren und eine oft xenophobe Agenda zu propagieren.115 Dies wird unterstützt durch die typische visuelle Aufbereitung quantitativer Daten zu Migration, beispielsweise in Form dicker Pfeile, die nach Europa zeigen und Assoziationen mit feind­lichen Invasionen evozieren.116 Bei der Entwicklung neuer quantitativer Instrumente zur Vorhersage von Wanderungsbewegungen besteht die Gefahr, dass die so erstellten Vorhersagen ebenfalls für populistische Zwecke instrumentalisiert werden. Dies geschieht beispielsweise, indem statistische und methodische Unsicherheiten nicht kommuniziert, sondern Pro­gnosen als Beleg für eine immanente Bedrohung präsentiert werden, die Maßnahmen zur Verstärkung von Grenzschutzmaßnahmen und zur Abschreckung potentieller Migrantinnen und Migranten erfordere.

Im Gegensatz zu hauptsächlich in die technische Entwicklung involvierten IT-Fachleuten sind sich Migrationsexperten und -expertinnen der Gefahr einer solchen Instrumentalisierung in der Regel sehr bewusst.117 Vor dem Hintergrund dieser Risiken hat der DRC beispielsweise die recht weitreichende Ent­scheidung getroffen, sein Prognosemodell auf die Vor­hersage der Zahl von Flüchtlingen und Binnen­vertrie­benen zu beschränken, die ihre jeweilige Heimat verlassen, nicht aber wie ursprünglich geplant auch Vorhersagen zu den voraussichtlichen Zielorten zu erstellen.118 In anderen Fällen wird aufgrund des Instrumentalisierungsrisikos von einer Veröffent­lichung der Daten abgesehen.119

Vor ähnlichen Abwägungen stehen EU-finanzierte Forschungsprojekte zu quantitativen Wanderungsprognosen. Das vom Forschungskonsortium ITFlows entwickelte KI-gestützte Vorhersageinstrument EUMigraTool etwa wird aus einem dem Thema Sicher­heit gewidmeten Titel der EU-Forschungs­förderung finanziert. Der Konzeption des Projekts zufolge soll es aber ausschließlich für humanitäre Zwecke eingesetzt werden sowie zivilgesellschaftlichen und kommu­nalen Akteuren dabei helfen, sich frühzeitig auf die Aufnahme und Unterstützung von Asylsuchenden vorzubereiten. Gleichzeitig haben sowohl die Euro­päische Kommission als auch Frontex Interesse an einer weitreichenderen migrationspolitischen Ver­wendung des Instruments. Dies weist das Konsortium von sich, steht aber unter Druck, eine Anschluss­finanzierung zu sichern.120 In einem offenen Brief haben etliche zivilgesellschaftliche Organisationen gefordert, das EUMigraTool sofort einzustellen. Sie argumentieren, die Entwicklung prädiktiver Technologien sei ohne ausreichende rechtliche Schutz­mechanismen im Migrationsbereich grundsätzlich nicht zu verantworten, da hierdurch eine Infra­struktur aufgebaut werde, die Menschenrechts­verletzungen, beispielsweise in Form rechtswidriger Pushbacks, den Weg bereite.121 Bislang gibt es allerdings keine unabhängige nationale oder euro­päische Institution, die ein Mandat zur Evaluierung und Regulierung entsprechender Ansätze hat.

Datenschutz und Sicherheitsrisiken

Im Bereich ungeregelter Migration ist das Macht­gefälle zwischen den an lückenloser Erfassung und Kontrolle interessierten staatlichen Autoritäten und den betroffenen Personen stark ausgeprägt. Deshalb geht die Erhebung personenbezogener Daten in diesem Bereich mit besonderen datenschutzrecht­lichen Herausforderungen sowie möglichen zusätz­lichen Sicherheitsrisiken für Migrantinnen und Migranten einher.122

Es fehlt das Bewusstsein für die menschenrechtlichen Risiken bei Sammlung und Nutzung gruppenbasierter Daten.

Dabei ist es sinnvoll, zwischen Daten zu Individuen (wie biometrischen Daten) und gruppenbezogenen Daten (wie sie den in dieser Studie diskutierten Vorher­sageinstrumenten zugrunde liegen) zu unterscheiden.123 In beiden Bereichen wird die Datensammlung vorangetrieben, allerdings sind sie nicht in gleichem Maße reguliert: Während es im europäischen Kontext inzwischen eine sehr weitreichende Gesetzgebung zum Schutz der Daten von Einzelpersonen gibt, ist dies hinsichtlich gruppenbezogener Daten nicht der Fall.124 Auch im Zuge der aktuell laufenden Ver­handlungen über einen EU Artificial Intelligence Act (AIA)125 wird das Thema weitgehend ausgespart. Dies verweist auf das fehlende Bewusstsein für die men­schenrechtlichen Risiken, die der Sammlung und Nutzung gruppenbasierter Daten innewohnen. Dazu zählen die präventive Schließung von Grenzüber­gängen für Schutzsuchende, die wachsende Gefahr tätlicher Angriffe oder ausbeuterischer Aktivitäten im Kontext von Menschenhandel und das Schüren rassis­tischer Ressentiments gegenüber Gruppen bestimmter Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit.126 Datenschutzrechtlich problematisch kann auch die Nutzung von Daten aus sozialen Medien für Wanderungsprognosen sein, wie der Europäische Datenschutzbeauftragte im September 2021 gegenüber dem EASO deutlich gemacht hat.127

Etwas ausgeprägter ist das Bewusstsein für diese Gefahren im humanitären Bereich, wo zusätzliche Risiken wie gezielte Angriffe auf Hilfskonvois hinzu­kommen können. Organisationen wie OCHA, IOM, UNICEF und WFP etwa beteiligen sich an der Entwick­lung ethischer Standards zum Einsatz neuer Methoden der Datenerhebung und -analyse in der humanitären Hilfe.128 Save the Children hat die Migration and Displacement Initiative (MDI) gegründet, ein multidisziplinäres Team, das Forschung, Program­mierung und Innovation im Bereich Migration und Ver­treibung von Kindern vorantreiben und dabei auch die ethischen Risiken in den Blick nehmen soll, die von digitalen Technologien ausgehen können.129 Auch die IOM arbeitet seit längerem an ethischen Standards für Wanderungsprognosen, sowohl bei ver­arbeiteten Daten als auch bei Open-Source-Lösungen. Dennoch gibt es auf Arbeitsebene in großen Insti­tutionen wie EUAA, IOM und UNHCR die Sorge, mit technisch begründeten Bedenken gegenüber Sicher­heitsrisiken der Vorhersageinstrumente nicht auf die Leitungsebene der Organisationen vorzudringen, weil dort politische Erwägungen im Vordergrund stehen und das Hauptaugenmerk darauf liegt, die starke Nachfrage nach quantitativen Wanderungsprognosen zu bedienen.130

Zusätzliche Unklarheiten bestehen darüber, welche Rechte Vertriebene und Geflüchtete hätten, wenn sie verhindern wollten, dass ihre Daten als Trainingsdaten zur Modellierung von Wanderungsprognosen verwendet werden bzw. welche Rechte auf Korrektur und Wiedergutmachung die Betroffenen haben, wenn ihnen durch die Nutzung von Modellen unbeabsichtigt Schaden zugefügt wird oder ihre Daten missbräuchlich für andere Zwecke verwendet werden.

Kommerzialisierung der Datensammlung und fehlende demokratische Kontrolle

Die »Datafizierung« von Migration ist ein vieldiskutiertes Phänomen, im Zuge dessen Migrationsdaten ein Wachstumsmarkt geworden sind.131 Allen voran der Einsatz maschinellen Lernens erfordert umfangreiche technische Expertise, über die Mitarbeitende in öffentlichen Verwaltungen häufig nicht verfügen. Das kann zur Folge haben, dass wichtige Entscheidungen über die Ausgestaltung neuer Prognose­instrumente an kommerzielle IT-Dienstleister aus­gelagert werden. Diese Beteiligung privatwirtschaft­licher Akteure birgt neben operativen Vorteilen auch zusätzliche Risiken. Zum einen wächst so die Distanz zwischen Konzeption und Entwicklung neuer quan­titativer Prognoseinstrumente einerseits und demo­kratischen Kontrollmechanismen andererseits, und Entscheidungsprozesse werden schwerer nach­vollziehbar. Zum anderen kann es bei IT-Expertinnen und -Experten ohne spezifische Fachkenntnis an Gespür für die menschenrechtliche Sensibilität migra­tionsbezogener Daten mangeln, was die im Abschnitt »Datenschutz und Sicherheitsrisiken« angesprochenen Gefahren verstärken kann. Zudem schaffen Modelle, die digitale Daten nutzen, etwa von Google Search, Twitter oder Facebook, möglicherweise Abhängigkeiten von den betreffenden Unternehmen. Diese können einseitig den Zugang zu den Daten einschränken oder deren Qualität ändern. Und schließ­lich kann die Eigendynamik des Marktes dazu führen, dass ein zunehmend ausdifferenziertes Angebot an Migrationsprognosen die politische Nachfrage nach solchen Instrumenten verstärkt und dieses ausgeweitete Angebot mehr Aufmerksamkeit für migrationsbezogene Sicherheitsprobleme erzeugt.132

Jenseits der ethischen Probleme einer einseitigen Darstellung von Migration als Bedrohung, die kon­trolliert und wenn möglich verhindert werden muss, stellen sich angesichts der im Unterkapitel »Potentiale und Grenzen« skizzierten praktischen Grenzen dessen, was Instrumente KI-gestützter Migrations­vorhersage leisten können, auch Fragen nach dem sinnvollen Ein­satz knapper finanzieller und personeller Ressour­cen.

Neue Handlungszwänge

Investitionen in die Entwicklung neuer Prognose­instrumente werden meist mit der Hoffnung begrün­det, sich frühzeitiger auf Wanderungsbewegungen einstellen zu können und so vom bisher eher reakti­ven Modus der Migrations- und Asylpolitik zu einer vorausschauenden Politik zu gelangen. Wenig Auf­merksamkeit gilt allerdings der Tatsache, dass aus Zukunftswissen auch neue Handlungszwänge ent­stehen können. Für öffentliche Verwaltungen kann Zukunftswissen insofern problematisch sein, als damit öffentliche Erwartungen an vorausschauendes Handeln genährt werden, die aufgrund der Vielzahl anderer Prioritäten und des Wissens um die allen Prognosen inhärente Unsicherheit nicht erfüllt werden können. In den Rechtswissenschaften wird zudem diskutiert, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen etwa im Bereich Seenotrettung sich aus Erkenntnissen über mögliche zukünftige Migrationsbewegungen über das Mittelmeer ableiten könnten.133

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Zuwanderung der Jahre 2015/16 nach Deutschland und in die EU und der damals entstandene Eindruck eines staatlichen Kontrollverlusts hat bei vielen politischen Entscheiderinnen und Entscheidern den Wunsch gestärkt, von künftigen krisen­haften Migrationsbewegungen weniger überrascht zu werden. Das Interesse an neuen Ansätzen zur quantitativen Vorhersage ungeregelter Wanderungsbewegungen ist seitdem deutlich gestiegen, und nationale und europäische Akteure treiben insbesondere die Entwicklung KI-gestützter Vorhersage­instrumente voran.

Zur Erstellung und Nutzung von Wanderungsprognosen enthält die vorliegende Studie drei zentrale Erkenntnisse.

Erstens besteht zwischen den hohen Erwartungen, die in die neuen Vorhersagemodelle gesetzt werden, und dem praktischen Nutzen der Prognoseinstrumente eine erhebliche Kluft. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Zum einen sind dies technische Limitierungen, denn auch die Verlässlichkeit algorithmus­basierter Modelle, die Korrelationen zwischen Wan­derungsbewegungen und einer beliebigen Anzahl anderer Faktoren in großen Datensätzen identifizieren sollen, ist durch die zur Verfügung stehenden Trainingsdatensätze beschränkt. Die auf diese Weise generierten Vorhersagen bleiben letztlich immer Fortschreibungen bestehender Trends, wenngleich diese Methode deutlich differenziertere Ergebnisse produziert, als wenn Wanderungszahlen einfach in die Zukunft extrapoliert werden. Im Fall disrup­tiver Ereignisse wie der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine oder einer schweren Naturkatastrophe geraten auch KI-gestützte Vorhersagemodelle an ihre Grenzen. Zum anderen reduzieren institutionelle Hürden den praktischen Mehrwert von Migrationsprognosen. So mangelt es in den betreffenden Minis­terien in der Regel an Ressourcen und Strukturen, um quantitative Prognoseinstrumente zu verwenden. Aufgrund der knappen personellen Kapazitäten fehlt gerade im schnelllebigen Alltag der Außenpolitik oft die Zeit, um Ergebnisse der Krisenfrüherkennung oder der Migrationsvorhersage zu rezipieren und in Planungs- und Entscheidungsprozesse zu integrieren. Schließlich schmälert die unvermeidliche Unsicherheit von Prognosen ihren Wert für den politischen Prozess, der in erster Linie darauf ausgelegt ist, Ent­scheidungen anhand gesicherter und möglichst ein­deutiger, präziser und wenig komplexer Einschätzungen zu treffen.

Die zweite zentrale Erkenntnis der Studie betrifft die Frage, warum politische Entscheiderinnen und Entscheider trotzdem großes Interesse an Wanderungsprognosen haben und beträchtliche Mittel in die Entwicklung neuer Vorhersageinstrumente investieren. Eine Erklärung hierfür ist, dass Migra­tionsprognosen eine Reihe politischer Funktionen erfüllen, die politischen Entscheiderinnen und Ent­scheidern Wettbewerbsvorteile bieten können – im Verhältnis zu anderen Akteuren, aber auch in Hinblick auf die Begründung und Legitimierung der eigenen Politik gegenüber der Öffentlichkeit. Solche politischen Funktionen von Wanderungsprognosen umfassen die Stärkung der eigenen Auto­rität, die Mobilisierung finanzieller Ressourcen und Impulse für mehr ressortübergreifende Zusammenarbeit.

Ein dritter Befund der Studie lautet, dass der prak­tische Mehrwert KI-gestützter Migrationsprognosen von der jeweiligen Zielsetzung abhängt und daher in verschiedenen Politikfeldern unterschiedlich groß ist. Die Hoffnungen der deutschen und europäischen Migrationspolitik, Ankünfte in Europa vorherzusagen, lassen sich voraussichtlich nur begrenzt erfüllen – zum einen weil die kausalen Zusammenhänge zwischen auslösenden Faktoren und einer Ankunft in Europa zu komplex sind, zum anderen weil die zu einem rapiden Anstieg der Ankunftszahlen in Europa führenden Krisen häufig in den Bereich aleatorischer Unsicherheit fallen. Zweifellos besteht auch hier ein Nutzen quantitativer Wanderungsprognosen, aber im Bereich der humanitären Hilfe ist der Mehrwert deutlich größer: Hier geht es meist um ein kontinuierliches Monitoring fragiler Kontexte, und die für die operative Planung akuter Nothilfe erforderlichen Vorhersagen sind räumlich begrenzt (innerhalb von Ländern oder Regionen), was die Prognosen erleichtern kann. Ähnliches gilt für die Entwicklungs­zusammenarbeit, denn quantitative Einschätzungen des konflikt- oder klimawandelbedingten mittel­fristigen Vertreibungsrisikos in einzelnen Ländern, wie sie beispielsweise Nichtregierungsorganisationen wie DRC und IDMC zur Verfügung stellen, haben direkte praktische Relevanz für die entwicklungs­politische Programmplanung.

Vor diesem Hintergrund lassen sich folgende Empfehlungen für die deutsche und europäische Politik formulieren:

1) Möglichkeiten und Grenzen von Wande­rungsprognosen offen kommunizieren

Um keine falschen Erwartungen zu wecken und um eine Fehlallokation finanzieller und anderer Mittel zu vermeiden, sollte der Einsatz von Wanderungsprognosen immer mit einer realistischen Bewertung des potentiellen Nutzens und einer systematischen Risikoabwägung einhergehen. Dazu ist ein klarer Blick für die Anwendungsfelder, die jeweiligen poli­tischen Zielsetzungen und die praktischen und legitimatorischen Funktionen von Migrationsprognosen erforderlich. Die finanziellen und personellen Ressourcen, die für Wanderungsprognosen notwendig sind, sollten auf Bereiche konzentriert werden, die große Praxiswirkung versprechen. Hierzu zählt unter anderem die Planung und Bereitstellung akuter Nothilfe für Flüchtlinge und Vertriebene in konflikt- oder katastrophenbedingten Krisensituationen sowie die Identifizierung perspektivisch von klimawandel­bedingter Vertreibung betroffener Regionen, um dort frühzeitig entwicklungspolitische Maßnahmen zur Stärkung von Resilienz, zur Einrichtung von Früh­warn­systemen oder zur Umsiedelung gefährdeter Gruppen zu ergreifen.

2) Auf Austausch und Vernetzung setzen

Die Akteure der deutschen und europäischen Migra­tionspolitik sollten in Hinblick auf Wanderungs­prognosen prozessorientiert vorgehen, statt auf »magic bullets« in Form einzelner besonders erfolg­versprechender Instrumente zu setzen. Die große Zahl der Akteure, die mittlerweile in Deutschland und der EU mit der Erstellung von Migrationsprognosen befasst sind, legt nahe, die möglichen Synergien effektiver als bisher zu nutzen. Daher sollten mehr Ressourcen in einen besseren Datenaustausch und in eine engere ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Datenerhebung und -aufbereitung investiert werden. Zusätzlich bedarf es institutionalisierter Strukturen wie des Migration Preparedness and Crisis Blueprint der EU, um die Erkenntnisse aus den Wan­derungsprognosen systematisch und differenziert in politische Entscheidungsprozesse einzuspeisen, einschließlich der Unsicherheiten, die zwangsläufig mit allen Wanderungsprognosen verbunden sind.

3) Krisenfrüherkennung und Risikoanalyse stärken

Gewalthaltige Konflikte und politische Verfolgung sind immer noch die wichtigsten Ursachen für ungeregelte Wanderungen. Um krisenhafte Wanderungsbewegungen besser zu antizipieren, sind daher Investitionen in die allgemeine Krisenfrüherkennung (sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene) zielführender als die Entwicklung spezifischer Instrumente der Migrationsvorhersage. Um den migrationspolitischen Erkenntnisgewinn zu maximieren, sollte die Krisenfrüherkennung insbesondere im AA und in der EU-Kommission gestärkt werden und immer auch eine Komponente zur Erstellung von Wanderungsszenarien beinhalten. In den Ministerien und anderen Institutionen sollten die technischen Kompetenzen ausgebaut werden, die für die Nutzung der Prognosen erforderlich sind.

4) In Kontextanalysen und Szenarien­entwicklung investieren

Quantitative Wanderungsprognosen werden von den jeweiligen Produzenten meist nicht in Form reiner Zahlen kommuniziert, sondern sind in Narrative ein­gebettet. Eine solche Kontextualisierung von Zahlen ist immer politisch. Die Erstellerinnen und Ersteller der Prognosen tragen daher eine Mitverantwortung für die politische Ver­wendung der Analysen. Um einen echten Erkenntnisgewinn zu gewähren und für politisches Handeln hilfreich zu sein, sollten quanti­tative Prognosen in sorgfältige Kontextanalysen eingebunden sein. Darauf sollten auch die Bundes­regierung und die Europäische Kommission in ihren Bemühungen um Migra­tionsprognosen achten, und alle Akteure sollten die Prämissen und Annahmen ihrer Prognosemodelle offenlegen und verständlich kommunizieren. Grund­sätzlich sollten quantitative Vorhersagemodelle durch die Entwicklung qualitativer Szenarien ergänzt werden, um besser auf unvor­hersehbare Krisensituationen vorbereitet zu sein.

5) Normative Standards setzen und ihre Kontrolle vorantreiben

Generell ist zu bedenken, dass auch bei besseren Prognosefähigkeiten Flucht und Migration Bereiche bleiben, in denen schwierige politische Entschei­dungen getroffen und vertreten werden müssen. Bei der Anwendung quantitativer Migrationsprognosen müssen mögliche Gefahren für die direkt betrof­fenen Personen bedacht und berücksichtigt werden. Zum einen muss dafür Sorge getragen werden, dass mit Unsicherheit behaftete Prognosen nicht politisch instrumentalisiert und dazu genutzt werden, Migra­tion einseitig als Sicherheitsrisiko darzustellen. Zum anderen müssen gruppenbasierte Datenschutzrisiken über Maßnahmen des individu­ellen Datenschutzes hinaus berücksichtigt werden. Im europäischen Kon­text sollte sich dies im Artificial Intelligence Act (AIA) widerspiegeln, der zurzeit im Rahmen der EU-Digital­strategie verhandelt wird. Ferner sollte ein technisches Kontrollgremium zur Evaluierung und Regulie­rung neuer Vorhersagetools eingerichtet werden. Im Bereich der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit sollten die Prinzipien des Responsible Data Movement weiterentwickelt und an den technologischen Fort­schritt der Vorhersagemodelle angepasst werden.

Abkürzungsverzeichnis

AA Auswärtiges Amt

ABM Agentenbasierte Modellierung

ACMI African Climate Mobility Initiative

AIA Artificial Intelligence Act

AU Afrikanische Union

BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

BCG Boston Consulting Group

BD4M Big Data for Migration Alliance

BMI Bundesministerium des Innern und für Heimat

BMVg Bundesministerium der Verteidigung

BND Bundesnachrichtendienst

CIRAM Common Integrated Risk Analysis Model

DARS Data Analysis and Research Sector (EUAA)

DG Home Directorate-General for Migration and Home Affairs (Generaldirektion Migration und Inneres, EU)

DRC Danish Refugee Council

EASO European Asylum Support Office

ECHO European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz, EU)

EMN European Migration Network (EU)

EPS Early Warning and Preparedness System

ERCC Emergency Response Coordination Centre

ESA European Space Agency (Europäische Raumfahrtagentur)

EU Europäische Union

EUAA European Union Agency for Asylum (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen)

FRAN Frontex Risk Analysis Network

Frontex European Border and Coast Guard Agency (Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache)

GASIM Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration

GDELT Global Database of Events, Language, and Tone

GMDAC Global Migration Data Analysis Center

GRID Global Report on Internal Displacement

HPC Humanitarian Programme Cycle

IDMC Internal Displacement Monitoring Centre

ILO International Labour Organization (Genf)

IOM International Organization for Migration (Genf)

IT Informationstechnologie

JRC Joint Research Centre

KI Künstliche Intelligenz

MDI Save the Children’s Migration and Displacement Initiative

ML Maschinelle Lernalgorithmen

NGO Non-Governmental Organization

NRC Norwegian Refugee Council (Norwegischer Flüchtlingsrat)

OCHA UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten)

PFI Push Factor Index

UN United Nations

UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees

UNICEF United Nations Children’s Fund (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen)

WACAFI West Africa Context Analysis and Foresight Initiative Model

WFP UN World Food Programme (Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen)

Endnoten

1

 Vgl. Marina Micheli u.a., »Emerging Models of Data Governance in the Age of Datafication«, in: Big Data & Society, 7 (2020) 2, <https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/ 2053951720948087> (eingesehen am 7.6.2023).

2

 Vgl. Sulin Sardoschau, The Future of Migration to Germany: Assessing Methods in Migration Forecasting, Berlin: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), 19.8.2020 (DeZIM Briefing Notes, Nr. 4), <https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/Demo_FIS/publikation _pdf/FA-5005.pdf> (eingesehen am 2.11.2022).

3

 Vgl. zur Meteorologie Elliot Jacks u.a., Guidelines on Early Warning Systems and Application of Nowcasting and Warning Operations, Genf: World Meteorological Organization (WMO), 2010 (WMO/TD, Nr. 1559).

4

 Mathias Czaika/Constantin Reinprecht, Drivers of Migration: A Synthesis of Knowledge, Oxford: International Migration Institute (IMI), April 2020 (IMI Working Papers, Nr. 163).

5

 Jakub Bijak/Mathias Czaika, Assessing Uncertain Migration Futures: A Typology of the Un­known, Southampton/Krems: University of Southampton/Danube University Krems, Juni 2020 (Deliverable, Nr. 1.1).

6

 Ebd., S. 4.

7

 Frans Willekens u.a., »International Migration under the Microscope«, in: Science, 352 (2016) 6288, S. 897–899; Richard E. Bilsborrow u.a., International Migration Statistics. Guidelines for Improving Data Collection Systems, Genf: Inter­national Labour Organization (ILO), 1997; Jakub Bijak/ Arkadiusz Wiśniowski, »Bayesian Forecasting of Immigration to Selected European Countries by Using Expert Knowledge«, in: Journal of the Royal Statistical Society: Series A (Statistics in Society), 173 (2010) 4, S. 775–796.

8

 Zum Stand der Fluchtursachenforschung siehe Fachkommission Fluchtursachen, Krisen vorbeugen, Perspektiven schaffen, Menschen schützen. Bericht der Fachkommission Flucht­ursachen, Berlin 2021, <https://www.fachkommission-fluchtursachen.de/fileadmin/user_upload/pdfs/FK-Flucht ursachen-Bericht-2021.pdf> (eingesehen am 7.11.2022).

9

 Akim L. Mabogunje, »Systems Approach to a Theory of Rural-Urban Migration«, in: Geographical Analysis, 2 (1970) 1, S. 1–18; Douglas S. Massey u.a., »Theories of International Migration: A Review and Appraisal«, in: Population and Development Review, 19 (1993) 3, S. 431–466; Oliver Bakewell u.a., Migration Systems, Pioneers and the Role of Agency, Oxford 2011 (Norface Migration Discussion Paper, Nr. 23).

10

 Hein de Haas, »A Theory of Migration: The Aspirations-Capabilities Framework«, in: Comparative Migration Studies, 9 (2021) 1, S. 8.

11

 Willekens u.a., »International Migration under the Microscope« [wie Fn. 7].

12

 Carl Friedrich Gethmann u.a., Künstliche Intelligenz in der Forschung, Berlin: Springer Nature, 2021 (Ethics of Science and Technology Assessment, Bd. 48).

13

 Joint Research Centre, Data Innovation in Demography, Migration and Human Mobility. Opportunities and Challenges of Non-traditional Data, Luxemburg 2022, S. 3.

14

 Jasper Tjaden, »Measuring Migration 2.0: A Review of Digital Data Sources«, in: Comparative Migration Studies, 9 (2021) 1; Marcus H. Böhme u.a., »Searching for a Better Life: Predicting International Migration with Online Search Keywords«, in: Journal of Development Economics, 142 (2020) 102347; Nina Cesare u.a., »Promises and Pitfalls of Using Digital Traces for Demographic Research«, in: Demography, 55 (2018) 5, S. 1979–1999; Alina Sîrbu u.a., »Human Migration: The Big Data Perspective«, in: International Journal of Data Science and Analytics, 11 (2021) 4, S. 341–360.

15

 Eduardo Acostamadiedo u.a., Assessing Migration Scenarios for the European Union. Relevant, Realistic, and Reliable?, Berlin: IOM, 2020; Rhea Ravenna Sohst u.a., The Future of Migration to Europe: A Systematic Review of the Literature on Migration Scenarios and Forecasts, Berlin: IOM, 2020.

16

 Ayaka Oishi u.a., »Forecasting Internally Displaced People’s Movements with Artificial Intelligence«, in: Richard Boateng u.a. (Hg.), Digital Innovations, Business and Society in Africa, Cham: Springer International Publishing, 2022 (Advances in Theory and Practice of Emerging Markets), S. 311–339.

17

 In der humanitären Hilfe etablieren sich zunehmend Frühwarnsysteme, die anschlagen, wenn bestimmte Richtwerte übertroffen werden und sich eine humanitäre Katastrophe abzeichnet. Frühwarnsysteme werden auch für die operative Planung und Finanzierungsallokation der Geberländer verwendet, insbesondere für vorhersagebasierte Finanzierungsansätze (»forecast-based financing« oder »anticipatory financing«). Siehe E. Coughlan De Perez u.a., »Forecast-based Financing: An Approach for Catalyzing Humanitarian Action Based on Extreme Weather and Climate Forecasts«, in: Natural Hazards and Earth System Sciences, 15 (2015) 4, S. 895–904.

18

 George Disney u.a., Evaluation of Existing Migration Fore­casting Methods and Models. Report for the Migration Advisory Committee, Southampton: University of Southampton, 2015; Sulin Sardoschau, The Future of Migration to Germany. Assessing Methods in Migration Forecasting, Berlin: DeZIM, 2020 (DeZIM Project Report, Nr. 1); Tobias Heidland u.a., Analyse und Prognose von Migrationsbewegungen, Kiel: Institut für Welt­wirtschaft, Mai 2021 (Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Nr. 34).

19

 Bijak/Wiśniowski, »Bayesian Forecasting of Immigration« [wie Fn. 7]; Jakub Bijak, Forecasting International Migration in Europe: A Bayesian View, Dordrecht: Springer Netherlands, 2011 (The Springer Series on Demographic Methods and Population Analysis, Bd. 24), doi: 10.1007/978-90-481-8897-0.

20

 Heidland u.a., Analyse und Prognose von Migrationsbewegungen [wie Fn. 18]; Michel Beine u.a., »A Practitioners’ Guide to Gravity Models of International Migration«, in: The World Economy, 39 (2016) 4, S. 496–512.

21

 Christa Searle/Jan H. van Vuuren, »Modelling Forced Migration: A Framework for Conflict-induced Forced Migration Modelling According to an Agent-based Approach«, in: Computers, Environment and Urban Systems, 85 (2021) 101568; Diana Suleimenova u.a., »A Generalized Simulation Development Approach for Predicting Refugee Destinations«, in: Scientific Reports, 7 (2017) 1.

22

 Spyros Makridakis u.a., »Statistical and Machine Learning Forecasting Methods: Concerns and Ways Forward«, in: PloS one, 13 (2018) 3.

23

 Yavar Bathaee, »The Artificial Intelligence Black Box and the Failure of Intent and Causation«, in: Harvard Journal of Law and Technology, 31 (2018) 2, S. 890–938.

24

 Sohst u.a., The Future of Migration to Europe [wie Fn. 15].

25

 Rhea Ravenna Sohst/Jasper Tjaden, »Forecasting Migration: A Policy Guide to Common Approaches and Models«, in: Migration Policy Practice, 10 (2020) 4, S. 8–13.

26

 Acostamadiedo u.a., Assessing Migration Scenarios for the European Union [wie Fn. 15].

27

 Kenneth J. Arrow u.a., »Economics. The Promise of Prediction Markets«, in: Science, 320 (2008) 5878, S. 877–878; Philip E. Tetlock/Dan Gardner, Superforecasting. The Art and Science of Prediction, London: Random House, 2016.

28

 Sohail Inayatullah/Ivana Milojević (Hg.), CLA 2.0. Transformative Research in Theory and Practice, Tamsui: Tamkang University Press, 2015.

29

 European Commission, Models of Horizon Scanning. How to Integrate Horizon Scanning into European Research and Innovation Policies, Brüssel: Publications Office of the Euro­pean Union, 2016.

30

 Hierzu gehören insbesondere die EU-Aufnahmerichtlinie (siehe Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für Aufnahmen von Personen, die internationalen Schutz beantragen [Neufassung], in: Amtsblatt der Europäischen Union, L 180/96, 29.6.2013) und die EU-Asylverfahrensrichtlinie (siehe Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes [Neufassung], in: Amtsblatt der Europäischen Union, L 180/60, 29.6.2013).

31

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter der Gene­raldirektion Migration und Inneres (DG Home), März 2022.

32

 Frontex veröffentlich regelmäßig Vierteljahres- und Jahresberichte zu den Entwicklungen der Wanderungs­routen in die EU und bewertet die damit aus Sicht der Agen­tur verbundenen Sicherheitsrisiken. Das Flaggschiff ist die im Herbst erscheinende jährliche »Risk Analysis«, zuletzt Frontex, »Strategic Risk Analysis 2022«, Warschau, Juli 2022, <https://frontex.europa.eu/assets/Publications/Risk_Analysis/ Risk_Analysis/Strategic_Risk_Analysis_2022.pdf> (eingesehen am 15.11.2022).

33

 Katherine Hoffmann Pham/Miguel Luengo-Oroz, »Predictive Modelling of Movements of Refugees and Internally Displaced People: Towards a Computational Framework«, in: Journal of Ethnic and Migration Studies, 49 (2023) 2, S. 408–444 (409).

34

 Xin Lu u.a., »Predictability of Population Displacement after the 2010 Haiti Earthquake«, in: PNAS, 109 (2012) 29, S. 11576–11581; Benjamin Q. Huynh/Sanjay Basu, »Fore­casting Internally Displaced Population Migration Patterns in Syria and Yemen«, in: Disaster Medicine and Public Health Preparedness, 14 (2020) 3, S. 302–307; John A. Sokolowski u.a., »Modeling Population Displacement in the Syrian City of Aleppo«, in: Proceedings of the Winter Simulation Conference 2014, (2014), S. 252–263.

35

 Jakub Bijak u.a., Quantitative Assessment of Asylum-related Migration. A Survey of Methodology, Luxemburg: Publications Office of the European Union, August 2017, <https://euaa. europa.eu/sites/default/files/publications/Quantitative_assess ment_of_asylum_related_migration_1.pdf> (eingesehen am 9.11.2022).

36

 European Migration Network, Ad-Hoc Query on Forecasting Methods That Inform Policy Making at EU and National Level, Brüssel: Europäische Kommission, September 2020 (EMN Ad-Hoc Queries, Nr. 49), <https://www.emnnetherlands.nl/sites/ default/files/2020-10/WIDER%202020.49%20Forecasting%20 methods%20that%20inform%20 policy%20making%20at% 20EU%20and%20national%20 level.pdf>.

37

 European Migration Network, The Use of Digitalisation and Artificial Intelligence in Migration Management, Brüssel, Februar 2022 (EMN-OECD INFORM), S. 11f.

38

 Die Bundesregierung, Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern. Leitlinien der Bundesregierung, Berlin 2017; dies., Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern. Bericht über die Umsetzung der Leitlinien der Bundesregierung, Berlin, März 2021, <https://www.auswaertiges-amt.de/blob/ 2451522/d63bc74e7deedbccd83872f674c83eca/210330-umsetzungsbericht-krisenleitlinien-data.pdf>.

39

 »Blick in die Zukunft: Big-Data-Software für die Bundes­wehr«, in: bundeswehr-journal (online), 2.6.2018, <https:// www.bundeswehr-journal.de/2018/blick-in-die-zukunft-big-data-software-fuer-die-bundeswehr/>.

40

 Auswärtiges Amt, »Krisenfrüherkennung, Konflikt­analyse und Strategische Vorausschau«, Berlin, 7.2.2020, <https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/krisen praevention/-/2238138> (eingesehen am 5.6.2023).

41

 Sylvia Börner, »Auswärtiges Amt und BMVg stärken gemeinsame Krisenfrüherkennung«, Berlin, 18.12.2020, <https://www.bmvg.de/de/aktuelles/bmvg-auswaertiges-amt-staerken-gemeinsame-krisenfrueherkennung-4960694> (eingesehen am 5.6.2023).

42

 Dabei verwenden beide Häuser zwar ähnliche Algorith­men, doch die Art der Erfassung unterscheidet sich: Während in den Analysen des AA Migrationsbewegungen selbst einen Krisentyp darstellen und sich die Prognosen auch direkt darauf beziehen, werden sie im BMVg als Krisentreiber verstanden, das heißt Migration wird eher indirekt berücksichtigt. Die beiden Instrumente unterscheiden sich auch hinsichtlich ihres Grades an Transparenz. So bietet das BMVg-Tool einen Überblick über die Faktoren, die in das jeweilige Ergebnis eingeflossen sind, und ermöglicht es, die jeweilige Gewichtung nachzuvollziehen.

43

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern von EUAA und EU-Kommission, März 2022.

44

 The UN Migration Agency, Workshop Report on Forecasting Human Mobility in Contexts of Crises. Berlin, 22–24 October 2019, Berlin: Global Data Institute, 2019, <https://dtm.iom.int/sites/ g/files/tmzbdl1461/files/reports/17022020%20FFO-IOM%20 Workshop%20on%20Forecasting%20Human%20Mobility %20in%20Contexts%20of%20Crises.pdf>.

45

 Bundesministerium des Innern und für Heimat, »Startschuss für ›Migration 4.0 – Digitale Transformation im Bereich Migrationsmanagement‹«, Berlin, 23.7.2020, <https:// www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2020/07/migration-4-0.html> (eingesehen am 5.6.2023).

46

 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Entscheider­brief 07/2021, Nürnberg, Juli 2021, S. 7.

47

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des BAMF, März 2022.

48

 European Asylum Support Office (EASO), Single Programming Document. Multi-annual Programming 2022–2024. Work Programme 2022, Revision 1, Valletta, 20.12.2021, S. 3, <https://euaa.europa.eu/sites/default/files/SPD_2022-24_ Rev_1_final.pdf> (eingesehen am 16.11.2022).

49

 Vgl. The GDELT Project, »A Global Database for Society«, <https://www.gdeltproject.org/> (eingesehen am 5.6.2023).

50

 Constantinos Melachrinos u.a., »Using Big Data to Estimate Migration ›Push Factors‹ from Africa«, in: Inter­national Organization for Migration (Hg.), Migration in West and North Africa and across the Mediterranean. Trends, Risks, Development and Governance, Genf 2020, S. 98–116, <https:// euaa.europa.eu/sites/default/files/ch08-using-big-data-to-estimate-migration.pdf> (eingesehen am 16.11.2022).

51

 Marcello Carammia u.a., »Forecasting Asylum-Related Migration Flows with Machine Learning and Data at Scale«, in: Scientific Reports, 12 (2022) 1457.

52

Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertretern der EUAA, November 2022.

53

 Anthony Albertinelli u.a., »Forecasting Asylum-related Migration to the European Union, and Bridging the Gap between Evidence and Policy«, in: Migration Policy Practice, 10 (2020) 4, S. 35–41 (37).

54

 EASO, Single Programming Document [wie Fn. 48], S. 117.

55

 Ebd., S. 26.

56

 »Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Euro­päische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) Nr. 1052/2013 und (EU) 2016/1624«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, L 295, 14.11.2019, <https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:320 19R1896&from=PT>.

57

 Frontex, Gemeinsames integriertes Risikoanalysemodell. Kurzfassung, Warschau 2013, S. 3ff, <https://frontex.europa. eu/assets/CIRAM/de_CIRAM_brochure_2013.pdf>.

58

 Siehe Frontex, »Risk Analysis«, <https://frontex.europa. eu/what-we-do/monitoring-and-risk-analysis/risk-analysis/risk-analysis/> (eingesehen am 5.6.2023).

59

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter von Frontex, Februar 2022.

60

 Art. 34 Verordnung (EU) 2019/1896.

61

 Siehe Frontex, »Monitoring and Risk Analysis«, <https:// frontex.europa.eu/what-we-do/monitoring-and-risk-analysis/ monitoring-and-risk-analysis/> (eingesehen am 5.6.2023).

62

 Siehe Frontex, »Announcements. Invitation to Industry – Forecasting Changes in the Migration Flows Using Open Sources«, Warschau, 8.8.2018, <https://frontex.europa.eu/ innovation/announcements/invitation-to-industry-forecasting -changes-in-the-migration-flows-using-open-sources-7uzal2> (eingesehen am 5.6.2023).

63

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter von Frontex, Februar 2022.

64

 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migra­tion und Asyl, 2020/0277 (COD), Brüssel, 23.9.2020, <https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52 020PC0613&from=de> (eingesehen am 22.11.2022).

65

 »Empfehlung (EU) 2020/1366 der Kommission vom 23. September 2020 über einen Vorsorge- und Krisen­managementmechanismus der EU für Migration (Vorsorge- und Krisenplan für Migration)«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, L 317, 1.10.2020, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020H1366&from=de>.

66

 Ecorys, Feasibility Study on a Forecasting and Early Warning Tool for Migration Based on Artificial Intelligence Technology. Executive Summary, Brüssel, November 2020, S. 2, <https:// op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/5afa29f0-700a-11eb-9ac9-01aa75ed71a1>.

67

 Helena Hahn, Keeping a Cool Head: How to Improve the EU Migration Crisis Response, Brüssel, 20.10.2022 (Discussion Paper), <https://www.epc.eu/content/PDF/2022/Crisis_man agement_DP_v2.pdf> (eingesehen am 22.11.2022).

68

 Deep Cube, »Climate Induced Migration in Africa«, <https://deepcube-h2020.eu/use-cases/climate-induced-migration-in-africa/> (eingesehen am 5.6.2023).

69

 Website von QuantMig, <http://www.quantmig.eu/> (eingesehen am 5.6.2023).

70

 Website von HumMingBird, <https://hummingbird-h2020.eu/> (eingesehen am 5.6.2023).

71

 Website von ITFlows, <https://www.itflows.eu/> (ein­gesehen am 5.6.2023).

72

 Siehe »FabFlee Tutorial for Multiscale Migration Pre­diction«, <https://github.com/djgroen/FabFlee/blob/master/doc/ FabFlee.md> (eingesehen am 5.6.2023).

73

 »Open Letter to the ITFlows Consortium: Stop Tech Tools for Predicting Migration That Can Be Repurposed to Violate Fundamental Rights«, accessnow, 27.9.2022 (aktualisiert 7.3.2023), <https://www.accessnow.org/open-letter-itflows-consortium/> (eingesehen am 5.6.2023).

74

 Hintergrundgespräch mit Mitglied des ITFlows-Konsor­ti­ums, Januar 2023.

75

 Vgl. ESA, »Migration Radar 2.0«, <https://business.esa. int/projects/migration-radar-20>, ESA, »BigMig«, <https:// business.esa.int/projects/bigmig>, und ESA, »Big Data Appli­cations to Boost Preparedness and Response to Migration«, <https://business.esa.int/projects/big-data-applications-to-boost-preparedness-and-response-to-migration> (eingesehen am 5.6.2023).

76

 UNHCR Innovation Service, »Project Jetson«, <https:// jetson.unhcr.org/> (eingesehen am 5.6.2023).

77

 UNHCR Innovation Service, »Is It Possible to Predict Forced Displacement?«, Genf, 13.5.2019, <https://medium. com/unhcr-innovation-service/is-it-possible-to-predict-forced-displacement-58960afe0ba1> (eingesehen am 5.6.2023).

78

 UN Global Pulse, »Understanding Population Movement from Venezuela to Brazil Related to COVID-19 Border Closures. Pulse Lab New York«, New York 2020, <https:// www.unglobalpulse.org/project/understanding-population-movement-from-venezuela-to-brazil-related-to-covid-19-border-closures/> (eingesehen am 5.6.2023).

79

 Amy Lynn Smith, »Predicting the Unpredictable: Preparing for Potential Future Scenarios«, Genf: UNHCR Innovation Service, 29.9.2021, <https://medium.com/unhcr-innovation-service/predicting-the-unpredictable-preparing-for-potential-future-scenarios-1b22cd7f8da2> (eingesehen am 5.6.2023).

80

 Jasper Tjaden u.a., Using »Big Data« to Forecast Migration. A Tale of High Expectations, Promising Results and a Long Road Ahead, Genf: IOM – UN Migration, 27.1.2021, <https:// medium.com/@UNmigration/using-big-data-to-forecast-migration-8c8e64703559>.

81

 Hintergrundgespräche mit Vertreterin/Vertreter der IOM, Januar 2023.

82

 Kanta Kumari Rigaud u.a., Groundswell. Preparing for Internal Climate Migration, Washington, D.C.: The World Bank, 2018, <https://openknowledge.worldbank.org/bitstreams/ 0804521a-3318-565e-ad8a-5924f75c3cf2/download>; Viviane Clement u.a., Groundswell, Part II. Acting on Internal Climate Migration, Washington, D.C.: The World Bank, 2021, <https:// openknowledge.worldbank.org/bitstreams/158b2f56-a4db-5a2d-93b9-0070068fa084/download>.

83

 Africa Climate Mobility Initiative, African Shifts. The Africa Climate Mobility Report: Addressing Climate-Forced Migration & Dis­placement, Februar 2023, S. 76ff, <https://cdn.sanity.io/files/ pd7x7lde/production/2a4ad38091846247068faf2d2493413f88b607d8.pdf?dl=> (eingesehen am 17.5.2023).

84

International Displacement Monitoring Centre, »Disaster Displacement Risk Model«, <https://www.internal-displace ment.org/disaster-risk-model> (eingesehen am 6.6.2023).

85

 Maria Teresa Miranda Espinosa/Sylvain Ponserre, »Esti­mating Displacement Risk in a Changing Climate«, Habitable (Blog), 19.4.2022, <https://habitableproject.org/news/estimat ing-displacement-risk-in-a-changing-climate/> (ein­gesehen am 6.6.2023).

86

 Inzwischen wird das Foresight Model auch von der schwedischen Entwicklungsagentur Sida und der General­direktion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) der Europäischen Kommission finanziert.

87

International Displacement Monitoring Centre, »Disaster Displacement Risk Model« [wie Fn. 84].

88

 Danish Refugee Council, »West Africa Context Analyses and Foresight Initiative (WACAFI)«, <https://pro.drc.ngo/what-we-do/innovation-and-climate-action/predictive-analysis/ wacafi/> (eingesehen am 6.6.2023).

89

 Save the Children, Predictive Displacement. Harnessing the Power of Data to Transform Support to Displaced Children, Save the Children, Migration and Displacement Initiative, 2021, S. 2, <https://resourcecentre.savethechildren.net/pdf/pd_brief_on_phase_iii.pdf/>.

90

 Suleimenova u.a., »A Generalized Simulation Development Approach« [wie Fn. 21].

91

 Stuart Campo/Nathaniel Raymond, Displaced Children and Emerging Technologies: Save the Children’s Opportunities for Investment and Impact, London 2019, S. 19, <https://resource centre.savethechildren.net/pdf/stc_tech_innovation_study_ v7_digital.pdf/> (eingesehen am 6.6.2023).

92

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des ITFlows-Konsortiums, Januar 2023.

93

 Hintergrundgespräch mit Vertreterinnen/Vertretern des UNHCR, Januar 2023.

94

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des AA, Februar 2022, und der EUAA, März 2022.

95

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des AA, März 2022.

96

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des BAMF, März 2022, und des Kanzleramtes, Februar 2022.

97

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des BMVg, Februar 2022, und des BAMF, März 2022.

98

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern von AA, BMI und BMVg, Februar und März 2022.

99

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des BAMF, März 2022, und des BMVg, Februar 2022.

100

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des BAMF, Februar 2022.

101

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter der EUAA, März 2022.

102

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern der EUAA, März und November 2022.

103

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter der Generaldirektion Migration und Inneres (DG Home), März 2022.

104

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des Kanzleramtes, Februar 2022.

105

 Andrea Mennicken/Robert Salais, »The New Politics of Numbers: An Introduction«, in: Mennicken/Salais (Hg.), The New Politics of Numbers. Utopia, Evidence and Democracy, Cham: Palgrave Macmillan (Springer Nature Switzerland AG), 2022, S. 1–42.

106

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter der EUAA, März 2022.

107

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des AA, Februar 2022.

108

 Christina Boswell, The Political Uses of Expert Knowledge. Immigration Policy and Social Research, Cambridge: Cambridge University Press, 2009; Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Ver­tretern des AA, Februar 2022.

109

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des BMVg und des BMI, Februar 2022.

110

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des AA und des Kanzleramtes, Februar 2022.

111

 Save the Children, Predictive Displacement [wie Fn. 89], S. 2; Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertretern des DRC, Februar 2022.

112

 IFRC/German Red Cross, »What Is Forecast-based Financing?«, <https://www.forecast-based-financing.org/ about/> (eingesehen am 6.6.2023).

113

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des AA, Februar 2022.

114

 Holger Straßheim/Pekka Kettunen, »When Does Evi­dence-based Policy Turn into Policy-based Evidence? Con­figurations, Contexts and Mechanisms«, in: Evidence & Policy, 10 (2014) 2, S. 259–277.

115

 Frank Decker, »The ›Alternative for Germany‹: Factors Behind Its Emergence and Profile of a New Right-wing Popu­list Party«, in: German Politics and Society, 34 (2016) 2, S. 1–16; Francesco Campo u.a., »The Refugee Crisis and Right-wing Populism: Evidence from the Italian Dispersal Policy«, in: IZA, (2021) 14084, <https://repec.iza.org/dp14084.pdf> (ein­gesehen am 3.5.2023).

116

 Elsa C. Gomis, »Cartographies of Migration and Mobil­ity as Levers of Deferral Policies«, in: Convergence: The Inter­national Journal of Research into Media Technologies, 28 (2022) 1, S. 52–69; Henk van Houtum/Rodrigo Bueno Lacy, »The Migration Map Trap. On the Invasion Arrows in the Cartography of Migration«, in: Mobilities, 15 (2020) 2, S. 196–219.

117

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter der IOM, Januar 2023.

118

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des DRC, Februar 2022.

119

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern der EUAA, November 2022, und des BAMF, Januar 2023.

120

 Hintergrundgespräch mit Vertreterin/Vertreter des ITFlows-Konsortiums, Januar 2023.

121

 »Open Letter to the ITFlows Consortium« [wie Fn. 73].

122

 Petra Molnar, »Technology on the Margins: AI and Global Migration Management from a Human Rights Per­spective«, in: Cambridge International Law Journal, 8 (2019) 2, S. 305–330.

123

 Bruno Oliveira Martins/Maria Gabrielsen Jumbert, »EU Border Technologies and the Co-production of Security ›Problems‹ and ›Solutions‹«, in: Journal of Ethnic and Migration Studies, 48 (2022) 6, S. 1430–1447 (1431).

124

 Linnet Taylor, »No Place to Hide? The Ethics and Ana­lytics of Tracking Mobility Using Mobile Phone Data«, in: Environment and Planning D: Society and Space, 34 (2016) 2, S. 319–336 (321).

125

 Europäische Kommission, »Ein europäischer Ansatz für künstliche Intelligenz«, <https://digital-strategy.ec. europa.eu/de/policies/european-approach-artificial-intelli gence> (eingesehen am 6.6.2023).

126

 Ana Beduschi, »The Big Data of International Migration: Opportunities and Challenges for States under Inter­national Human Rights Law«, in: Georgetown Journal of Inter­national Law, 49 (2018) 4, S. 981–1017 (1009).

127

 Siehe European Data Protection Supervisor, »Formal Consultation on EASO’s Social Media Monitoring Reports (Case 2018-1083)«, <https://edps.europa.eu/sites/default/ files/publication/19-11-12_reply_easo_ssm_final_reply_ en.pdf> (eingesehen am 5.6.2023).

128

 Vgl. u.a. 510 – An Initiative of the Netherlands Red Cross, Data Responsibility Policy, November 2018, <https:// www.510.global/wp-content/uploads/2018/12/510-Data-Responsibility-policy-V2.2-20181211-PUBLIC-USE.pdf>; Kate Dodgson u.a., A Framework for the Ethical Use of Advanced Data Science Methods in the Humanitarian Sector, Data Science & Ethics Group, April 2020, <https://www.humanitarian response.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/ documents/files/dseg_ethical_framework_april_2020.pdf> (eingesehen am 7.6.2023).

129

 Campo/Raymond, Displaced Children and Emerging Technologies [wie Fn. 91].

130

 Hintergrundgespräche mit Vertreterinnen/Vertretern des UNHCR, Januar 2023, der IOM, Januar 2023, und der EUAA, November 2022.

131

 Dennis Broeders/Huub Dijstelbloem, »The Datafication of Mobility and Migration Management: The Mediating State and Its Consequences«, in: Irma van der Ploeg/Jason Pridmore (Hg.), Digitizing Identities. Doing Identity in a Networked World, London: Routledge, 2016, S. 242–260; Linnet Taylor/ Fran Meissner, »A Crisis of Opportunity: Market-making, Big Data, and the Consolidation of Migration as Risk«, in: Antipode, 52 (2020) 1, S. 270–290.

132

 Oliveira Martins/Gabrielsen Jumbert, »EU Border Technologies and the Co-production of Security ›Problems‹ and ›Solutions‹« [wie Fn. 123].

133

 Beduschi, »Big Data of International Migration« [wie Fn. 126].

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