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Das Militär in Tschetschenien: Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung

Arbeitspapier 2003/ Nr.02, 15.02.2003, 10 Pages

Hannes Adomeit

Das Militär in Tschetschenien: Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung

Diskussionspapier der Forschungsgruppe Russland/ GUS, 2003/ Nr.02, Februar 2003, ca. 10 Seiten

Diskussionspapiere sind Arbeiten im Feld der Forschungsgruppe, die nicht als SWP-Papiere herausgegeben werden. Dabei kann es sich um Vorstudien zu späteren SWP-Arbeiten handeln oder um Arbeiten, die woanders veröffentlicht werden.

Militäraktionen in Tschetschenien allein sind kein wirksames Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Der Nutzen der von den Streitkräften und Sondertruppen durchgeführten Säuberungsaktionen ist gering; sie verschaffen den tschetschenischen Kämpfern Zulauf. Der Krieg geht weiter. Er fordert immer wieder Opfer unter Zivilisten und Soldaten. Truppen sollten abgezogen und eine politische Lösung angestrebt werden.

Derartige Anschauungen und Forderungen sind nicht etwa von westlichen Politikern oder russischen Kritikern des Tschetschenienkriegs geäußert worden, sondern von der Duma am 24. Dezember 2002 in einer Resolution, welche mit überwältigender Mehrheit (360 Stimmen bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung) angenommen wurde.

In Anbetracht der diesem Gremium eigenen, gegenüber dem Präsidenten und seiner Politik willfährigen Haltung könnte die Kritik als eine kleine Sensation gewertet werden. Es ist aber nicht auszuschließen, daß die Resolution mit der Präsidialadministration abgestimmt war, um das für März in Tschetschenien geplante Referendum über eine Verfassung sowie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in dieser Republik politisch besser zu verankern.

Ganz überraschen sollte die Kritik der Duma zumindest nicht. In der Bevölkerung gibt es einen merklichen Stimmungsumschwung: Über 70 Prozent der befragten russischer Bürger halten die Tschetschenienpolitik Putins für erfolglos. Sogar der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef Tschetscheniens, Achmad Kadyrow, hat sich immer wieder kritisch über den von Moskau verfolgten Kurs geäußert. Er sieht nach dem Moskauer Geiseldrama im Oktober und dem daraufhin verschärften Vorgehen der russischen Streitkräfte und Sondertruppen in Tschetschenien keine Wende zum Besseren. Er scheint vielmehr der Ansicht zu sein, daß das Verhalten der föderalen Truppen einer echten Befriedung der Kaukasusrepublik entgegensteht.

In der Tat wirft das Vorgehen der russischen Streitkräfte und Sondertruppen in Tschetschenien ernste Fragen auf. Sie beziehen sich auf die Art der Kriegführung seit dem Beginn der »Antiterror-Operation« im September 1999, die Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel, die militärische und politische Wirksamkeit der »Säuberungsaktionen«, das Verhältnis Putins zu den Streitkräften und dem Geheimdienst sowie die Vereinbarkeit von Krieg und Militärreform.