Die letzte Runde der Atomverhandlungen mit Iran ist in erster Linie an den innenpolitischen Blockaden in Iran und den USA gescheitert. Oliver Meier erläutert, wie eine von den Europäern geführte Vermittlungsmission doch noch zu einem Durchbruch führen könnte.
Kurz gesagt, 26.11.2014 Research AreasDie letzte Runde der Atomverhandlungen mit Iran ist in erster Linie an den innenpolitischen Blockaden in Iran und den USA gescheitert. Oliver Meier erläutert, wie eine von den Europäern geführte Vermittlungsmission doch noch zu einem Durchbruch führen könnte.
Am 24. November scheiterte die letzte Runde in den Verhandlungen der E3+3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien + China, Russland, USA) mit Iran über ein Abkommen zur Beilegung des Konflikts über das iranische Atomprogramm. Die Verhandlungsteilnehmer konnten sich in Wien erneut nur auf eine Verlängerung der Gespräche verständigen. Einige der Teilnehmer verwiesen auf neue Ideen und Kompromissvorschläge, die in der Schlussphase präsentiert worden seien. Diese sollen in den nächsten sieben Monaten diskutiert werden, bis Anfang Juli 2015 die nächste Frist abläuft. Allerdings steht zu befürchten, dass die bisher erzielten Fortschritte schnell wieder in Frage gestellt werden, da es nicht gelungen ist, Eckpunkte für ein künftiges Abkommen festzuschreiben.
Tatsächlich lag es weniger an einem Mangel an Ideen, als vor allem an den innenpolitischen Hürden in Iran und den USA, dass es bei den Wiener Verhandlungen erneut keine Einigung gegeben hat. Gerade in den letzten Wochen hatten sowohl der US-Kongress als auch Revolutionsführer Chamenei die Delegationen an die kurze Leine genommen und klare Bedingungen für einen Verhandlungserfolg benannt. Die amerikanischen und iranischen Diplomaten trauten sich offenbar nicht, diese roten Linien zu überschreiten.
Schon vor elf Jahren hatte ein Vorstoß der Europäer zum Erfolg geführt
Da die Kompromissbereitschaft in den nächsten Monaten eher ab- denn zunehmen wird, wäre es nun an der Zeit, dass die europäischen Verhandlungsteilnehmer das Heft des Handels in die Hand nehmen, so wie sie es vor elf Jahren schon einmal taten. Als der damalige Außenminister Joschka Fischer und seine Amtskollegen aus Großbritannien und Frankreich, Jack Straw und Dominique de Villepin, im Oktober 2003 zu Atomgesprächen nach Teheran fuhren, gingen sie ein hohes politisches Risiko ein. Sie ignorierten heftige Widerstände der damaligen US-Regierung gegen den Vorstoß und konnten sich eines Verhandlungserfolges keineswegs sicher sein. Im Rückblick war die Unterzeichnung des Teheraner Abkommens eine Erfolgsgeschichte europäischer Diplomatie. Die Reise der drei Minister trug maßgeblich dazu bei, dass die militärische Karte in dem Konflikt mit Iran nie wirklich auf dem Tisch lag und Iran heute bereit ist, an einer friedlichen Lösung mitzuwirken.
Derzeit liegt die Gefahr für die Gespräche vor allem im drohenden Verlust des politischen Momentums. Eine hochrangige Vermittlungsmission der EU könnte den Verhandlungen den dringend benötigten Anschub geben. Sie sollte versuchen, bei den drei strittigsten Themen – Umfang der iranischen Anreicherungskapazitäten, Aufhebung der Sanktionen und Aufklärung der iranischen Atomwaffenforschung – neue Impulse zu setzen und vorhandene Interessengegensätze zu überbrücken.
Mehr Inspektionen statt weniger Zentrifugen
Der bisherige Fokus der Verhandlungen auf eine Begrenzung der iranischen Anreicherungskapazitäten ist nach Ansicht vieler Beobachter vor allem auf die Einflussnahme innenpolitischer Akteure in Washington und Teheran zurückzuführen. Der US-Kongress verlangt einen Rückbau der insgesamt rund 10.000 funktionierenden Zentrifugen. Chamenei hat genau dies ausgeschlossen und erklärt, Iran wolle seine Urananreicherungskapazitäten künftig noch erheblich ausbauen.
Die Europäer könnten nun den Iranern in der Frage der Reduktion von Zentrifugen entgegenkommen, wenn Iran verbindlich zusagt, das eigene Atomprogramm umfassender und länger kontrollieren zu lassen. Im Sinne der Atomwaffenkontrolle wäre dies sinnvoll, denn die Gefahr des militärischen Missbrauchs von Atomtechnologie geht eher davon aus, dass Iran im Geheimen an der Atomwaffe baut, als dass es vorhandene Anlagen dafür verwendet. Entsprechend braucht es mehr Inspektionen, nicht weniger Zentrifugen.
Europäer können glaubwürdiger Aufhebung von Sanktionen anbieten
Anders als Obama können die Europäer verlässliche Zusagen zur Aufhebung von Sanktionen machen und haben damit mehr Verhandlungsmasse. Denn der amerikanische Präsident kann von dem republikanisch dominierten Kongress wenig Zustimmung für seine Iran-Politik erwarten; einige US-Abgeordnete drohen schon jetzt mit neuen Sanktionen.
Insofern könnten die Europäer glaubwürdiger fordern, dass Iran im Gegenzug für die Aufhebung von Sanktionen offenlegt, in welchem Umfang es in der Vergangenheit an der Entwicklung von Atomwaffen geforscht hat. Eine Aufarbeitung dieser verbotenen Aktivitäten muss nicht unbedingt öffentlich erfolgen. Sie ist aber für eine Lösung des Konflikts unabdingbar, weil sie das Vertrauen in die friedlichen Absichten Irans stärken würde. Darüber hinaus sollte von Iran verlangt werden, seine bereits gegebene Zusage, auf die Gewinnung von waffenfähigem Plutonium zu verzichten, rechtsverbindlich zu machen. Erfolge in diesen Punkten würden vielen Kritikern eines Abkommens den Wind aus den Segeln nehmen, gerade in Washington.
Eine europäische Vermittlungsmission könnte von Catherine Ashton geleitet werden. Durch ihre Verhandlungsführung hat Lady Ashton in den letzten Jahren den Respekt aller Teilnehmer erlangt. Erst kürzlich wurde sie im Amt der EU-Außenbeauftragten durch Federica Mogherini abgelöst und hat dadurch mehr Handlungsfreiheit erhalten.
Aus europäischer Sicht gibt es wenig zu verlieren und viel zu gewinnen. Schlimmstenfalls holen sich die Europäer diplomatisch eine blutige Nase und handeln sich den Ärger der USA ein. Das Risiko langsam vor sich hinsiechender Gespräche aber wiegt schwerer. Bei einem Erfolg könnten die Europäer stolz darauf verweisen, dass sie nun zu Ende gebracht haben, was der britische, der deutsche und der französische Außenminister im Oktober 2003 in Teheran begannen. Es wäre eine Sternstunde europäischer Abrüstungspolitik.
Dieses »Kurz gesagt« ist auch bei Euractiv.de erschienen.
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