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Afrikanische Entwicklung: Die EU-Handelspolitik wird es nicht richten können

Die Debatte um Probleme der afrikanischen Entwicklung macht zu häufig die EU-Handelspolitik als Hauptschuldige aus. Bettina Rudloff und Evita Schmieg legen dar, dass die Schwierigkeiten überwiegend jenseits der Handelspolitik liegen und von Afrika selbst zu bewältigen sind.

Kurz gesagt, 23.08.2018 Research Areas

Die Debatte um Probleme der afrikanischen Entwicklung macht zu häufig die EU-Handelspolitik als Hauptschuldige aus. Bettina Rudloff und Evita Schmieg legen dar, dass die Schwierigkeiten überwiegend jenseits der Handelspolitik liegen und von Afrika selbst zu bewältigen sind.

In einer aktuellen Debatte über gute Entwicklungsbedingungen für Afrika wird die Notwendigkeit betont, den EU-Markt durch Zollabbau für afrikanische Länder zu öffnen. Zugleich wird davor gewarnt, dass europäische Waren durch den Wegfall von afrikanischen Zöllen auf den afrikanischen Markt gelangen und den dortigen Produkten Konkurrenz machen. Dies suggeriert eine Abschottung Europas einerseits und eine Schutzlosigkeit Afrikas andererseits, die in dieser Eindeutigkeit nicht zutreffen. Ohnehin sind Zölle nicht der ausschlaggebende Grund, wieso Afrika im Welthandel nicht mithalten kann. Das zeigt etwa ein Vergleich mit den Entwicklungsländern Asiens, die ihre Exporte erheblich stärker ausweiten konnten, obwohl sie einen deutlich schlechteren Zugang zum EU-Markt haben. Es sind andere Faktoren, die in der Diskussion eine Rolle spielen sollten.

 

Begrenzter Spielraum für weitere EU-Marktöffnung

Die 32 ärmsten Länder Afrikas haben bereits seit dem Jahr 2001 freien Zugang zum EU-Markt für alle Produkte außer Waffen. Zwölf Länder setzen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU (WPA) um und liefern darunter ebenfalls zollfrei. Nennenswert von Zöllen belastet sind lediglich das weiter entwickelte Südafrika sowie die Staaten Nordafrikas. Letzteren hat die EU seit den 90er Jahren verbesserten Marktzugang für Industrieprodukte eingeräumt. Der Agrarhandel aber ist nach wie vor durch Zölle und Mengenbegrenzungen gekennzeichnet – auf beiden Seiten. Südeuropäische Produzenten etwa werden mittels Importquoten oder zeitlich auf die Erntezeit in der EU begrenzte Zölle vor der Konkurrenz aus Nordafrika vor allem bei Olivenöl, Obst und Gemüse geschützt. Durch ihr System flexibler Zölle für Obst und Gemüse benachteiligt die EU systematisch den günstigsten Anbieter, da der Zoll bei niedrigen Preisen automatisch steigt. In den derzeit verhandelten Freihandelsabkommen mit Tunesien und Marokko hat die EU also durchaus Spielraum, weiter zu liberalisieren. Die Herausforderung besteht darin, gleichzeitig einen Ausgleich für die in diesem Zuge zunehmender Konkurrenz ausgesetzten Südeuropäer zu schaffen – jenseits der Handelspolitik. Auch gegenüber Südafrika besteht Spielraum für eine Marktöffnung.

 

Kaum Gefahr durch EU-Exporte und bestehende Agrarsubventionen

Die WPAs regeln auch die Öffnung afrikanischer Märkte für EU-Produkte. Diese betrifft laut Abkommen allerdings nur 80 Prozent des Handels, so dass der Schutz sensibler Produkte möglich ist. Die Öffnung erfolgt zudem nur schrittweise über bis zu 25 Jahre – was im Übrigen auch für die nordafrikanischen Staaten gilt. Zudem bleiben Zollerhöhungen zum Aufbau von Industrien und flexible Schutzmechanismen möglich, um die Eigenproduktion zu stärken. Damit soll grundsätzlich vermieden werden, dass die Marktöffnung die Eigenproduktion der schwächeren afrikanischen Partnerländer zerstört. Im Rahmen der Umsetzung dieser Abkommen sollte wie vorgesehen genau beobachtet werden, ob diese Mechanismen zum gewünschten Ergebnis führen.

Auch die häufig als Gefahr ins Feld geführten EU-Agrarsubventionen können in ihrer aktuellen Ausgestaltung nicht mehr für eine schwache afrikanische Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich gemacht werden. Zwar sind afrikanische Produkte gegenüber den günstigen europäischen Agrarprodukten nicht konkurrenzfähig. Dies liegt jedoch nicht mehr am bestehenden EU-Subventionssystem: EU-Exportsubventionen wurden abgeschafft. Als interne Subvention erhalten Landwirte seit 15 Jahren fast ausschließlich produktionsunabhängige Einkommenshilfen, die kaum noch Mengen bzw. Preise beeinflussen; so würde selbst eine völlige Abschaffung aller Subventionen kaum die Erzeugung senken. Kostenunterschiede im Vergleich zu Afrika erklären sich vor allem durch die dortigen sehr hohen Produktionskosten, die wesentlich auf teure Inputs wie Strom und Futter sowie Probleme mit der Infrastruktur zurückzuführen sind. Gleichwohl könnte eine Modernisierung der europäischen Agrarpolitik den Wettbewerbsvorteil gegenüber der afrikanischen Produktion verringern: So sollten alle Umwelt- und Klimakosten der landwirtschaftlichen Erzeugung stärker in den Preisen berücksichtigt werden. Die anstehende EU-Agrarreform sollte die dann steigenden Erzeugerkosten für europäische Landwirte auffangen, indem Subventionen gezielt für diese Umwelt- und Klimakosten gezahlt werden.

 

Bessere Rahmenbedingungen mindestens ebenso wichtig, aber viel komplexer als Zölle

Um Produktion und Exporte in Afrika zu steigern, müssen Investitionen ins Land geholt und Arbeitsplätze geschaffen werden. In diesem Sinne müssen afrikanische Länder weiter an den notwendigen Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaften arbeiten. Der »G20 Compact with Africa«, der für Investitionen in Afrika sorgen soll, ist deshalb eine wichtige Initiative. Investitionen spielen auch als flankierende Maßnahme beim Schutz der Eigenproduktion durch Zölle eine wichtige Rolle. Zölle allein können nur in Ausnahmefällen ein sinnvoller Schutz sein, und sie belasten durch steigende Preise vor allem arme Verbraucher. Kamerun konnte seine Geflügelproduktion im Schatten extremen Zollschutzes ausdehnen – aber nur, weil gleichzeitig in verbesserte Produktionsbedingungen investiert wurde.

Im Sinne einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit kann Europa Afrika ferner dabei unterstützen, Kapazitäten zu entwickeln, mittels derer afrikanische Erzeuger in die Lage versetzt werden, schwer einzuhaltende EU-Importstandards einzuhalten. Da diese Standards wichtigen Politikzielen wie etwa dem Verbraucherschutz dienen, sind sie nicht beliebig verhandelbar. Beim Kapazitätsaufbau geht es neben Prüflaboren und anderen Institutionen der Qualitätsinfrastruktur dabei auch um sehr grundlegende Dinge wie Transportwege oder Lagerhallen, bei Nahrungsmitteln auch um Kühlkapazität oder Tierhygiene. Tierseuchen etwa werden als Hauptgrund für die schlechte Wettbewerbsfähigkeit der Geflügelproduktion in Ghana angesehen.

Und schließlich müssen afrikanische Staaten auch ihre Regionalintegration weiter vorantreiben. Afrika expor-tiert überwiegend Rohstoffe, zuletzt zunehmend nach China. Diese sind aber keine Grundlage für Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Der innerafrikanische Handel dagegen besteht bereits zu mehr als 40 Prozent aus Fertigwaren und bietet damit ein Potential für die Entwicklung komplexerer Produkte auch durch regionale Produktionsketten. Die kontinentale Freihandelszone ist daher ein wichtiges Projekt Afrikas mit dem Ziel, über gegenseitige Marktöffnung und die Angleichung von Standards den eigenen Markt zu vergrößern sowie Handel und gemeinsame Wertschöpfung anzuregen. Hier bedarf es einer gewissen Flexibilität der EU, über die Zollsätze einzelner afrikanischer Staaten zu verhandeln, sollten diese künftig in Widerspruch zu regionalen Integrationsbemühungen geraten.

Dieser Text ist auch auf EurActiv.de erschienen.