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Russlands Militärpotential zwischen Großmachtanspruch und Wirklichkeit

Zustand, Reformen und Entwicklungsperspektiven der russischen Streitkräfte

SWP-Studie 2009/S 24, 15.10.2009, 34 Pages Research Areas

 

Um den eigenen Großmachtanspruch zu untermauern, verbreitet die russische Führung spätestens seit der zweiten Amtszeit Putins das Bild einer militärischen Renaissance des Landes. Mit großem Pomp werden Paraden und Großübungen abgehalten sowie umfangreiche Rüstungsprogramme angekündigt. Trotzdem stellt lediglich das Nukleararsenal einen realen Pfeiler des russischen Großmachtanspruchs dar. Den konventionellen Streitkräften fehlt es zum einen an Fähigkeiten zur globalen Machtprojektion. Zum anderen leiden sie an veralteter Ausrüstung, mangelhaftem Training und einer überholten Einsatzkonzeption, wie der Georgienkrieg offenlegte. Diese Defizite sollen durch die neue Militärreform, die Moskau im Oktober 2008 ankündigte, überwunden werden. Vorgesehen ist, die Mobilisierungsarmee zu einer modern ausgerüsteten, besser ausgebildeten und flexibleren Einsatzarmee umzubauen. Auch wenn dies am grundlegenden Kräfteverhältnis gegenüber der Nato nur wenig ändern würde, könnte Moskau damit seine Vormachtstellung im postsowjetischen Raum weiter ausbauen. Daraus ergibt sich ein europäisches Interesse an der Wiederbelebung der konventionellen Rüstungskontrolle. Insgesamt sind die Chancen für eine umfassende Verwirklichung der Militärreform aber skeptisch einzuschätzen. Erstens werden Russlands finanzielle und rüstungsindustrielle Ressourcen kaum ausreichen, um den enormen Modernisierungsbedarf zu decken. Zweitens ist angesichts der demographischen Krise des Landes davon auszugehen, dass sich das Rekrutierungsproblem weiter verschärft. Drittens fehlt es bislang an einem kohärenten Anforderungsprofil für die Streitkräfte. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Kluft zwischen Großmachtanspruch und realen Fähigkeiten im militärischen Bereich mittelfristig weiterbestehen wird.