Jump directly to page content

Kolumbiens Guerilla vor dem Aus

Mit dem Tod des Farc-Anführers Alfonso Cano erhöhen sich die Chancen der Regierung, die Rebellenorganisation zu demobilisieren, schreibt Günther Maihold. Doch damit Frieden herrscht, braucht es mehr.

Kurz gesagt, 07.11.2011 Research Areas

Mit dem Tod des Farc-Anführers Alfonso Cano erhöhen sich die Chancen der kolumbianischen Regierung, die Rebellenorganisation zu demobilisieren, schreibt Günther Maihold. Doch damit wirklich Frieden herrscht, braucht es noch mehr.

Mit dem Militärschlag vom vierten November, bei dem der Anführer der FARC-Guerilla Alfonso Cano ums Leben kam, zeichnet sich ein Ende der als „Steinzeit-Guerilla“ bezeichneten linken Rebellen in Kolumbien ab. Die Führungsstruktur der FARC ist – erneut – massiv getroffen worden, von einem einheitlichen Kommando kann heute nicht mehr ausgegangen werden. Vielmehr haben sich die einzelnen „Fronten“ verselbstständigt und sind kaum mehr Teil eines gemeinsamen strategischen Planes. Geographisch isoliert sind sie darauf angewiesen, ihr eigenes Überleben zu sichern und dem Druck des Militärs stand zu halten. Trotz möglicher Nachfolger für Alfonso Cano dürften jetzt die Chancen für eine Demobilisierung der FARC wachsen, sei es durch Auflösung einzelner Einheiten, desertierende Kämpfer oder den Versuch der Regierung, Friedensangebote zu unterbreiten.

Von der kommunistischen Bewegung zur Narco-Guerilla

Die FARC war ursprünglich als kommunistische Bewegung aus dem Widerstand gegen die etablierten Machtstrukturen Kolumbiens entstanden. Zu ihrer Hochzeit in den 1980er Jahren kontrollierten bis zu 20 000 Kämpfer weite Teile des Landes. In ihrem Kampf setzte die FARC nicht nur auf Guerilla-Taktiken sondern nahm in großen Teilen ihres Territoriums de facto staatliche Funktionen wahr. Jenseits ihres ideologisch motivierten Vorgehens beteiligte sie sich bald am Drogengeschäft, das ihr neben Entführungen, Schutzgelderpressung und der Revolutionssteuer, die sie in den von ihr kontrollierten Gebieten erhob, erhebliche Einnahmen verschaffte.

International konnte sich die FARC auf die Allianz mit anderen revolutionären Strömungen verlassen. Insbesondere die Kontakte nach Kuba und Nicaragua erwiesen sich lange Zeit nicht nur für die Logistik der Guerilla als zentral, auch ideologisch wurden hier immer wieder Anknüpfungspunkte gesucht. Mit dem Ende der traditionellen Guerilla-Bewegungen in Lateinamerika blieb die FARC als anachronistische Reminiszenz bestehen, die sich aufgrund ihrer gesicherten Einkünfte aus dem Drogenhandel autark entwickeln konnte. Hinzu kam um die Jahrtausendwende der gescheiterte Versuch der Regierung des damaligen Präsidenten Andrés Pastrana, Friedensverhandlungen voranzubringen. Die FARC nutzte diese nur zur Ausdehnung ihrer Herrschaft, vor allem in der sogenannten Zona de distensión, der entwaffneten Zone. Gleichzeitig verstärkte sich die Präsenz der Paramilitärs, die sich angesichts des Versagens des Staates in den ländlichen Gebieten ausbreiteten.

Die FARC entwickelte sich immer mehr zu einer Narco-Guerilla, die von den Einnahmen aus dem Drogengeschäft lebte, ihr ideologisches Programm verblasste zusehends. Gleichzeitig stieg auch ihre Selbstüberschätzung, die Kontrolle des Landes übernehmen zu können. Es gelang ihr, immer weitere Bereiche des nationalen Territoriums zu kontrollieren und die Präsenz der Regierung zurückzudrängen. Doch mit der massiven Bekämpfung unter Präsident Álvaro Uribe, unterstützt durch die USA im Rahmen des „Plan Colombia“, begann der Niedergang der militärischen Organisation der FARC: Wichtige Führer wurden gefangen genommen oder getötet, wie etwa der Sprecher des Oberkommandos Raúl Reyes im März 2008.

Trotz neuer Unterstützung, etwa durch den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez, gelang es der FARC nicht mehr, ihre eigene Struktur zu bewahren; der Tod ihres Anführers Manuel Marulanda im Jahr 2008 markierte den Anfang vom Ende einer Guerilla, die sich durch die Verbindung zum Drogengeschäft ihres eigenen revolutionären Anspruchs entkleidet hatte. International wurde sie auf die „Terroristen-Liste“ gesetzt und damit politisch und logistisch isoliert.

Auf dem Weg zum Frieden

Für Präsident Juan Manuel Santos wird es nun darauf ankommen, die Schwäche der FARC zu nutzen, um seinem Land den Weg zum Frieden zu bahnen. Mit dem Schlag gegen Alfonso Cano hat er bewiesen, dass er seinem Vorgänger in der Entschlossenheit zum militärischen Kampf in nichts nachsteht. Nun ist er gefordert, einen Prozess der Demobilisierung der irregulären Kräfte im Lande zu gestalten, der die Gewalt als alltägliche Erfahrung beendet. Dies wird die Bereitschaft des ganzen Landes erfordern, sich dieser Herausforderung zu stellen, die Vergangenheit zu bewältigen, alte Wunden zu schließen und gemeinsame Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Dass dies nicht ohne Strukturveränderungen etwa beim Landbesitz und im Zugang zu Entscheidungspositionen im Lande möglich sein wird, dürfte allen Beteiligten klar sein. Auch die Reintegration der Binnenflüchtlinge ist nach wie vor eine offene Frage, die etablierte Machtkartelle berührt. Ob etwa die regionalen Eliten zu solchen Zugeständnissen bereit sind, ist die entscheidende Zukunftsfrage Kolumbiens.