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Irans Unsicherheit wächst

Der IS-Doppelanschlag in Teheran ist für den iranischen Sicherheitsapparat ein herber Rückschlag. Insbesondere die Revolutionsgarden stehen nun unter Zugzwang. Dieser Druck wird innen- und außenpolitische Spuren hinterlassen, meint Azadeh Zamirirad.

Kurz gesagt, 09.06.2017 Research Areas

Der IS-Doppelanschlag in Teheran ist für den iranischen Sicherheitsapparat ein herber Rückschlag. Insbesondere die Revolutionsgarden stehen nun unter Zugzwang. Dieser Druck wird innen- und außenpolitische Spuren hinterlassen, meint Azadeh Zamirirad.

Erstmals soll der sogenannte Islamische Staat (IS) erfolgreich Selbstmordanschläge auf iranischem Boden verübt haben. Mindestens siebzehn Menschen sollen dabei ihr Leben verloren haben und Dutzende verletzt worden sein.

Anschläge keine Seltenheit

In Iran kommt es immer wieder zu Anschlägen. Allein 2015 gab es neun gewaltsame Übergriffe, bei denen mindestens 38 Menschen ums Leben kamen. Die meisten Anschläge verzeichnete dabei die Provinz Sistan-Belutschestan im Südosten des Landes, aber auch Kurdistan und Khusestan waren betroffen. Meist werden Übergriffe von Autonomie- und Separatistenbewegungen ethnischer oder religiöser Minderheiten verübt. Sie operieren im Grenzgebiet zum Irak, zu Afghanistan oder Pakistan, darunter militante Gruppierungen wie die Jaish al-Adl (Armee der Gerechtigkeit), Jundallah (Gotteskrieger) oder die PJAK (Partei für ein freies Leben in Kurdistan). Nur selten erreichen Anschläge iranische Großstädte im Zentrum des Landes. Nun ist die iranische Hauptstadt Teheran  Opfer von gleich zwei Anschlägen geworden. Den Angreifern ging es dabei augenscheinlich nicht um die größtmögliche Opferzahl oder den maximalen Verunsicherungseffekt innerhalb der Bevölkerung. Ihr Angriff galt den politischen Eliten. Als Ziele wählten sie das iranische Parlament und symbolträchtig auch das Mausoleum des Staatsgründers Ayatollah Khomeini. Der IS reklamierte die Übergriffe noch während des Schusswechsels zwischen den Eindringlingen und iranischen Sicherheitskräften im Parlament für sich.

Teheran gibt sich gelassen

Irans politische Akteure zeigten sich unbeeindruckt. Das Parlament führte seine Sitzung unbeirrt fort, als außerhalb des abgeriegelten Sitzungssaals weiterhin Schüsse zu vernehmen waren. Parlamentspräsident Ali Larijani tat die Ereignisse als »triviale Angelegenheit« ab, während einzelne Abgeordnete Selfies aus dem Saal verschickten. Auch im staatlichen Fernsehen nahmen die Anschläge keinen großen Raum ein. Gegenüber Studenten bezeichnete Revolutionsführer Khamenei die Anschläge schließlich als »Feuerwerksspielereien«, von denen man sich nicht beeindrucken lasse. Doch hinter der Fassade der Gelassenheit macht sich Nervosität breit. Scharfe Worte fanden die Revolutionsgarden. In einer schriftlichen Stellungnahme kündigten sie an, dass das »Blutvergießen nicht ungesühnt bleiben wird«, ohne jedoch konkrete Gegenmaßnahmen zu benennen.

Sicherheitsapparat unter Druck

Mit dem Bekenntnis des IS zu den Anschlägen gerät der iranische Sicherheitsapparat unter Druck. Denn schon seit 2015 wird in Iran offen über die Gefahr eines IS-Anschlags gesprochen. Seither haben iranische Medien immer wieder von vermeintlichen IS-Zellen im Land berichtet, die aufgelöst worden seien. Reguläre Streitkräfte und die Revolutionsgarden rühmten sich damit, den IS erfolgreich von iranischen Grenzen fernhalten und innerhalb des Landes im Keim ersticken zu können. Das iranische Engagement in Syrien wurde nicht zuletzt mit der Behauptung gerechtfertigt, den IS außerhalb Irans bekämpfen zu müssen, damit er Iran nie erreichen könne. Mit einem IS-Anschlag ist dieses Narrativ hinfällig. Nun steht der Sicherheitsapparat unter Zugzwang. Schon 2015 warb der stellvertretende Oberbefehlshaber der regulären Streitkräfte vor dem Parlament für eine bessere Ausstattung. Auch die Garden werden zusätzliche Mittel und einen noch größeren Handlungsspielraum einfordern. Es ist zu erwarten, dass iranische Minderheiten insbesondere in den Grenzgebieten verstärkt in den Fokus sicherheitspolitischer Überprüfung geraten. Teheran befürchtet, dass sich aufständische Bewegungen bestärkt fühlen könnten. Insbesondere mit Blick auf die kurdische Minderheit dürfte sich diese Sorge zuspitzen, nachdem die irakische Autonome Region Kurdistans unlängst ein Unabhängigkeitsreferendum für September ankündigte.

Außenpolitische Reaktion

Außenpolitisch schlägt sich vor allem die bestärkte Allianz zwischen Washington und Riad auf Irans Bedrohungswahrnehmung nieder. Erst vor wenigen Wochen hatte US-Präsident Donald Trump in Riad dazu aufgerufen, die Islamische Republik zu isolieren, und stellte hierfür eine engere Kooperation mit arabischen Staaten in Aussicht. Nur kurze Zeit später brachen Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar ab und warfen dem Land vor, terroristische Organisationen zu unterstützen. In Iran wurde dies als Versuch aufgefasst, einzelne arabische Staaten in eine anti-iranische Front zu zwingen. Aus Sicht der Garden waren die Teheraner Anschläge daher kein Zufall. In einem Brief an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen rief der iranische UN-Botschafter Gholamali Khoshroo die internationale Gemeinschaft dazu auf, vehement gegen extremistische Ideologien und deren Unterstützer vorzugehen. Gemeint war Saudi-Arabien, das Iran als größter Unterstützer islamistischen Terrors gilt. Khoshru verwies auf die Bemerkung des saudischen Vize-Kronprinzen Mohammed bin Salman von Anfang Mai. Dieser hatte in einem Interview davon gesprochen, den Kampf mit dem Erzrivalen in Iran selbst austragen zu wollen. Die Äußerungen wurden in Teheran als offene Drohung aufgefasst. Die Doppelanschläge gelten vielen daher als logische Konsequenz. Präsident Hassan Rohani äußerte sich gegenüber Saudi-Arabien bislang zurückhaltend. Doch wird es ihm nach den Anschlägen schwerfallen, eine Entspannungspolitik gegenüber den Golfstaaten einzuleiten. Mit Verweis auf eine zunehmende Bedrohung durch den IS werden die unter Zugzwang geratenen Revolutionsgarden ihre regionalen Aktivitäten weiter ausbauen und dabei auch die Konfrontation mit Saudi-Arabien nicht scheuen. Die Gefahr einer zusätzlichen Eskalation in der Region hat sich damit vorerst verschärft. 

Der Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.