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Interview: »Russland geht es um die Schwächung der neuen ukrainischen Führung«

Margarete Klein zu den Motiven Russlands auf der Krim: Vor allem gehe es dem Land um die Sicherung seiner Macht im postsowjetischen Raum. Mit einer Destabilisierung der Ukraine solle demonstriert werden, wie schädlich eine Abwendung von Russland ist.

Kurz gesagt, 03.03.2014 Research Areas

Margarete Klein zu den Motiven Russlands auf der Krim: Vor allem gehe es dem Land um die Sicherung seiner Macht im postsowjetischen Raum. Mit einer Destabilisierung der Ukraine solle demonstriert werden, wie schädlich eine Abwendung von Russland ist.

Was sind die Motive Russlands in der Krim-Krise? Geht es tatsächlich um die Sicherheit der ethnischen Russen?

Margarete Klein: Das ist eher ein vorgeschobenes Argument. Zwar kann man verstehen, dass Russland ein ausgeprägtes Interesse an der Krim hat. Schließlich gibt es enge historische, ethnische und kulturelle Verbindungen. Aber die russischsprachige Bevölkerungsmehrheit auf der Krim sieht sich ja keiner Bedrohung durch die neue ukrainische Regierung ausgesetzt. Vielmehr scheint es der russischen Führung darum zu gehen, die Krim im eigenen Einflussbereich zu halten und zugleich der neuen ukrainischen Regierung das Regieren so schwer wie möglich zu machen.

Es geht also auch nicht um die Sicherung des Standortes der Schwarzmeerflotte?

Nein, denn der ist von den neuen Entwicklungen gar nicht betroffen. Es gibt ein Stationierungsabkommen, das völkerrechtlich bindend ist und bis 2042 läuft, mit der Möglichkeit, es um fünf Jahre zu verlängern. Daran muss sich auch die neue ukrainische Regierung halten. Für die russische Seite ist da derzeit nichts in Gefahr. Es geht vielmehr darum, die ukrainische Regierung zu destabilisieren. Sie soll delegitimiert werden, indem man zeigt, dass es ihr weder gelingt, die Bevölkerung zu schützen, noch, die desolate wirtschaftliche Lage in den Griff zu bekommen.

Dient das russische Verhalten auch der Machtsicherung im postsowjetischen Raum?

In der Tat: Russland sendet gerade ein starkes Signal an die anderen postsowjetischen Staaten: »Falls ihr versucht, aus unserem Einflussbereich herauszukommen, haben wir Mittel, das zu verhindern«.

Was sagt das Vorgehen Russlands auf der Krim über die russische Außenpolitik?

Es zeigt, und das ist erschreckend, wie normal der Einsatz militärischer Hardpower als Instrument der russischen Außenpolitik geworden ist. Im Georgienkrieg gab es für das militärische Eingreifen Russlands ja noch den Anlass einer georgischen Provokation, auch wenn Russland hier im Vorfeld den Konflikt geschürt hatte. Auf der Krim gab es so einen Anlass nicht. Hier geht es schlicht darum, politische Ziele mit militärischer Macht durchzusetzen. Das ist eine neue Qualität. Auffällig ist außerdem, dass sich Russland wenig von westlicher Kritik einschüchtern lässt.

Man hatte in jüngere Vergangenheit, zum Beispiel beim Einfädeln des Chemiewaffendeals mit Syrien, schon den Eindruck, dass Russland an einem guten Image auf dem diplomatischen Parkett gelegen ist.

Ja, richtig, Russlands Führung ist schon an seinem Image in der Welt gelegen – an seinem Image als Großmacht, ohne deren Beteiligung internationale Krisen nicht gelöst werden können. Aber im Vergleich zu der Zeit nach der Jahrtausendwende hat die Bedeutung der westlichen Meinung für Russland deutlich abgenommen. In den Augen der russischen Führung sind Moskaus Interessen zu oft von westlichen Akteuren, allen voran den USA, übergangen worden. Die Schlussfolgerung daraus lautet, dass Russland nur dann ernst genommen wird, wenn es stark und eigenständig agiert.

Russland besteht in anderen Regionen regelmäßig auf der Souveränität von Staaten, die durch Interventionen von außen nicht verletzt werden dürfe, etwa in Syrien. Wieso gilt das nicht für die Ukraine?

Die Krim-Krise zeigt ganz deutlich, dass Russland mit unterschiedlichen Maßstäben misst. Auf der internationalen Ebene argumentiert es, dass Konflikte nur intern und nicht durch Einmischung von außen zu lösen seien. Schon gar nicht durch eine militärische Einmischung. Im postsowjetischen Raum ist es genau andersherum. Das hat Georgien gezeigt. Und das sieht man jetzt auf der Krim: Hier nimmt sich Russland sehr deutlich das Recht heraus zu intervenieren.

Wie ist dieser Unterschied zu erklären?

Russland sieht den postsowjetischen Raum immer noch als eine Art Einflusszone, als eine Region, in der es die Spielregeln definieren möchte. Hier ist es in einer starken Position und möchte diese auch nutzen. Dort, wo Russlands Macht dagegen schwächer ist, sind andere Prinzipien nützlicher für das Land.

Wie aussichtsreich sind Sanktionen, die gegen Russland verhängt werden könnten?

Kurzfristig können Sanktionen nicht wirksam sein und die Pläne der russischen Regierung in irgendeiner Weise verändern. Das, was die USA jetzt mit dem Einfrieren der militärischen Kooperation machen, wird keine großen Auswirkungen haben. Da geht es um Hafenvisiten, um hochrangige Treffen und um gemeinsame Militärübungen – das ist nichts, was Russland großartig schmerzt. Ein Ausschluss aus der G8 hingegen wäre ein internationaler Gesichtsverlust und damit schon schmerzhafter. Fraglich ist allerdings, ob das so wirken würde, wie wir uns das wünschen, oder ob es nicht die Selbstisolation Russlands noch verstärken würde.

Wie wirksam können Wirtschaftssanktionen sein?

Die können wirksam sein, allerdings nur mittel- und langfristig. Dazu kommt, dass sich manche Sanktionen aufgrund der engen Verflechtung zwischen Europa und Russland kaum umsetzen ließen, wie zum Beispiel Energieboykotte. Bei sogenannten Smart-Sanctions wie Einreisebeschränkungen müsste man sehr genau gucken, auf wen man sie überhaupt anwenden könnte und bei wem sie wirken würden.

Was wären denn geeignete Maßnahmen, mit denen der Westen Einfluss nehmen könnte?

Sicherlich ist es richtig, dass der Westen durch Sanktionen oder andere Maßnahmen den Druck erhöht, um deutlich zu machen, dass er das russische Verhalten nicht hinnimmt. Vor allem kommt es aber darauf an, eine politische Lösung zwischen Russland und der Ukraine zu flankieren. Man sollte einen Gesprächsprozess einfordern und begleiten. Zudem sollte der Westen die Ukraine finanziell, wirtschaftlich und politisch unterstützen, um sie zu stabilisieren. 

Das Interview führte Candida Splett von der Online-Redaktion. Es ist auch bei EurActiv.de erschienen.