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Deutschland und Südkorea auf dem Weg zur strategischen Partnerschaft

Perspektiven der bilateralen Beziehungen

SWP-Aktuell 2023/A 61, 05.12.2023, 6 Pages

doi:10.18449/2023A61

Research Areas

Deutschland und Südkorea verbinden nicht nur ähnliche historische Erfahrungen und enge wirtschaftliche Beziehungen, sondern auch gemeinsame Werte und Inter­essen. Lange waren die bilateralen Beziehungen von einem Austausch über tradi­tio­nelle Kooperationsthemen geprägt, etwa den Teilungs- und Wiedervereinigungserfahrungen sowie vor allem den wirtschaftlichen Verbindungen. Jüngst weiten sie sich auch auf den sicherheitspolitischen und strategischen Bereich aus. Um das Potential aus­zuschöpfen, bestehende Herausforderungen zu bewältigen und die bilateralen Beziehungen zukunftsfähig auszugestalten, sollten Berlin und Seoul diese weiter inten­sivieren und zu einer strategischen Partnerschaft aufwerten.

Am 26. November 2023 jährte sich die Aufnahme deutsch-koreanischer diplomatischer Beziehungen zum 140. Mal. Lange waren sie hauptsächlich in einer Reihe tra­ditioneller Ko­operationsbereiche angesiedelt. Heute aber spielt die Zusammenarbeit in nichttraditionellen Berei­chen eine immer größere Rolle, vor allem sicherheitsrelevante Themen wie Cyber-, Energie- und wirt­schaftliche Sicherheit sowie die Diversi­fi­zierung von Lieferketten. Dieser Wandel spricht dafür, dass Korea in Berlin heute als zunehmend wichtiger politischer und Wertepartner im Sinne demokratischer Rechte und Freiheiten sowie fairen inter­nationalen Handels wahrgenommen wird. Dennoch sind die bilateralen Beziehungen angesichts der Bedeutung, die beide Seiten ihnen bei­messen, noch immer nicht so weit ent­wickelt, wie sie es sein könnten. Bis dato wird ihr Potential nicht ausgeschöpft.

Olaf Scholz’ Aufenthalt im Mai 2023 war der erste offizielle Staatsbesuch eines deut­schen Bundeskanzlers in der Republik Korea seit Helmut Kohls Reise dorthin vor dreißig Jah­ren. Dagegen haben außer dem gegen­wärtigen Amtsinhaber Yoon sämt­liche süd­koreanischen Präsidentinnen und Präsi­den­ten seit der Demokratisierung Ende der 1980er Jahre Deutschland besucht. Deutsch­land hat die Beziehungen zu Korea histo­risch insbesondere jenen zu China und Japan untergeordnet. Dies wirft zum einen die Frage nach den konkreten Gründen für die Unterentwicklung der bilateralen Bezie­hun­gen auf. Zum anderen steht im Raum, ob die Bun­des­regierung bereit ist, in die jüng­­ste Aus­wei­tung der bilateralen Bezie­hun­gen politisch zu inve­stieren, und wie eine solche Ver­tiefung erreicht werden kann.

Traditionelle Kooperationsfelder: Handel, Wissenschaft und Kultur

Ihren offiziellen Anfang nahmen die Bezie­hungen zwischen Deutschland und Korea mit der Unterzeichnung des Handels-, Schiff­fahrts- und Freundschaftsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Korea vom 26. November 1883. 1954 etab­lierten die Republik Korea und die Bundes­republik Deutschland konsularische und 1957 vollumfängliche diplomatische Bezie­hungen. Seither hat sich das bilaterale Verhältnis sektoral sehr unter­schiedlich entwickelt.

Zweifellos bilden besonders die engen wirtschaftlichen Beziehungen das Fundament des bilateralen Verhältnisses. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von etwa 34 Milliarden Euro (2022) – ein Anteil von etwa 25% am gesamten Handel zwi­schen der EU und Südkorea – ist Südkorea Deutschlands drittwichtigster Handelspartner in Asien (nach China und Japan). Deutschland ist Südkoreas bedeutendster Handelspartner in Europa.

Auch der aktive Austausch über die Erfahrungen der deutschen Teilung und Wiedervereinigung ist ein Kernbereich der deutsch-koreanischen Beziehungen. Jähr­lich tagt ein hochrangig besetztes Konsultationsgremium zu Fragen der Wiedervereinigung. Außerdem unterstützt Deutschland südkoreanische Entscheidungsträger und Wissenschaftler, indem es Dokumente bereitstellt sowie Expertise im Rahmen regel­mäßig stattfindender Schulungsprogramme, Austauschprogramme und Forschungs­projekte vermittelt.

Eine weitere tragende Säule der bilateralen Beziehungen ist traditionell die Wis­sen­schaftskooperation. Allein das Bundesmini­sterium für Bildung und For­schung förderte zwischen 2007 und 2019 über 280 gemein­same Projekte deutscher und koreanischer Forscher. Mehr als 170 deutsche Universitäten sowie zahl­reiche außeruniversitäre For­schungs­institutionen haben Partnerschaften mit südkoreanischen Uni­versitäten und For­schungseinrichtungen etabliert. Kultu­relle Kooperation ist eben­falls ein traditioneller Bereich der bilateralen Bezie­hungen.

Jüngste Veränderungen in den deutsch-koreanischen Beziehungen

In jüngerer Vergangenheit ist eine über­fällige Wende in den deutsch-koreanischen Beziehungen zu beobachten. Ausdruck dieses Wandels sind eine hochrangige Besuchs­diplomatie, die Etablierung neuer Dialogstrukturen sowie konkrete, praktische Kooperationen im strategischen und sicherheitspolitischen Bereich.

Hochrangige Besuchsdiplomatie

Nach einem Besuch von Bundespräsident Steinmeier im November 2022 reiste Außenministerin Baerbock im April 2023 anlässlich des dritten strategischen Dialogs (nach 2018 und 2020) in die Republik Korea. Baerbock betonte, Südkorea sei nicht nur eine gefestigte Demokratie, sondern auch einer von Deutschlands engsten und geschätz­ten Partnern außerhalb Europas. Deutschland bot Südkorea eine um­fassende Partnerschaft an, in deren Rahmen die Ko­operation in den Bereichen Klima, Wirt­schaft, aber auch Sicherheit ausgebaut werden soll.

Im Mai 2023, im Anschluss an den G7-Gipfel im japanischen Hiroshima, nahm Bundeskanzler Olaf Scholz an einem Gipfel­treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol in Südkorea teil. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz teilte Präsident Yoon mit, dass Südkorea und Deutschland den Abschluss eines Abkommens zum Schutz geheimer Militärinformationen gemeinsam vorantreiben wollen. Dar­über hinaus habe man sich darauf geeinigt, die soliden Handels- und Investi­tionsbeziehungen um hochmoderne Indu­strien zu erweitern, zum Beispiel um die Wirtschaftszweige Wasserstoff, Halbleiter, Biotechnologie und saubere Energien.

Darüber hinaus besuchten zuletzt Delegationen des Auswärtigen Ausschusses, der Generalinspekteur der Bundeswehr Carsten Breuer sowie der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil die Republik Korea.

Wachsende Bedeutung von Sicherheitsaspekten

Die jüngsten Veränderungen in den deutsch-koreanischen Beziehungen be­stehen vor allem darin, dass man sich ver­mehrt mit strategischen und sicherheits­relevanten Themen befasst. Die wachsende Bedeu­tung von Sicherheitsfragen in den bilatera­len Beziehungen hängt mit den Leh­ren aus der globalen Covid-19-Pandemie, mit Russlands Krieg gegen die Ukraine, aber auch mit dem Aufstieg der Volksrepublik China zusam­men. Südkorea und Deutschland stehen vor einem ähnlichen Dilemma: Für beide ist China dem Volumen nach wich­­tigster Handelspartner. Beide sind bei Export und Import von China abhängig und hochgradig verwundbar – Südkorea noch mehr als Deutschland.

Vor diesem Hintergrund streben beide Seiten unter anderem eine engere Zusammenarbeit im Bereich wirtschaftliche Sicher­heit an, um die Lieferketten zu diversifizieren. Das von Südkorea und Deutschland während des Besuchs von Kanz­ler Scholz angekündigte Abkommen zum Schutz militärischer Informationen zielt beispielsweise darauf ab, die praktische Zusam­men­arbeit im Verteidigungsbereich zu stärken und die Lieferketten der Verteidigungs­industrie in Zeiten weltweiter wirt­schaft­licher und politischer Instabilität zu stabi­lisieren.

Auch die Energiesicherheit stellt ein zunehmend wichtigeres Kooperationsfeld zwischen Berlin und Seoul dar. Bereits im Dezember 2019 wurde die Deutsch-Korea­nische Energiepartnerschaft beschlossen, mit deren Hilfe die energiepolitische Zu­sammenarbeit der beiden Länder vertieft werden soll. Zu diesem Zweck intensivieren diese den Austausch unter anderem in Bezug auf den Ausbau und die System­integration erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz, Energie­systeme der Zukunft, grünen Wasserstoff sowie den Ausstieg aus der Kernenergie.

Ausgebaut wurden auch die cybersicherheitspolitische Zusam­menarbeit und der Dialog mit Süd­korea als einem der Schlüssel­partner der Region. Darauf verweist unter anderem auch der Fortschrittsbericht zur Umset­zung der Leitlinien der Bundesregierung zum Indo-Pazifik für das Jahr 2023. Im März 2023 ver­öffentlichten der deutsche Verfassungsschutz und der korea­nische National Intelli­gence Service erst­mals einen gemeinsamen Sicherheits­hinweis, um auf eine Cyber­spionagekampagne der nord­koreanischen Kimsuky-Gruppe aufmerksam zu machen – ein Novum in der cybersicher­heits­politi­schen Kooperation zwischen Europa und Südkorea. Für die gewachsene Bedeutung sicherheitspolitischer Aspekte im deutsch-koreanischen Verhältnis spricht ferner, dass die Deutsche Luft­waffe im Nachgang zu den multinationalen Militär­übungen Pitch Black und Kakadu in Australien an fliege­rischen Kooperationen mit Südkorea und Japan teil­nahm und die Fregatte Bayern sich an der Überwachung der Sanktionen gegen Nord­korea beteiligte.

Um die Zusammenarbeit in den zentralen Fragen der Digitalisierung zu vertiefen, richteten Berlin und Seoul den deutsch-koreanischen Digitaldialog ein, dessen erste Sitzung im September 2022 stattfand. Im Rahmen des Dialogs sollen unter anderem die jeweiligen politischen Strategien und Initiativen abgeglichen sowie gemeinsame An­strengungen in der Hochtechnologie und die Vernetzung von Tech-Startups der beiden Länder forciert werden.

Argumente für eine Aufwertung zu einer strategischen Partner­schaft

Unter anderem in den Leitlinien zum Indo-Pazifik hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, ihre Beziehungen zur Region zu diversifizieren und vor diesem Hintergrund die Partnerschaften in der Region auszubauen. Südkorea ist schon jetzt ein äußerst wichtiger Partner Deutschlands, der EU und der Nato im Indo-Pazifik. Gemeinsam von Seoul und Berlin vorangetriebene politische Anliegen sind unter anderem die Stärkung von Demokratie und Menschenrechten, von multilateralen Institutionen, einer regelbasierten internationalen Wirt­schafts- und Finanzordnung sowie inter­nationaler friedenserhaltender Maß­nah­men und des gemeinsamen Engagements im Kampf gegen die Folgen des Klima­wandels. Es ist davon aus­zugehen, dass die strategische Bedeutung Südkoreas für Deutschland weiter wachsen wird. Dafür sprechen Süd­koreas leistungsstarke Wirt­schaft, seine ausgeprägten technologischen Fähigkeiten und seine Spitzenstellung in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie in der Chip- und Halbleiterproduk­tion. Auch vor diesem Hinter­grund sprach sich der Deutsche Bundestag in einer Sitzung am 19. Oktober 2023 mehrheitlich für eine Stär­kung der deutsch-koreanischen Werte­partnerschaft aus. Dem Antrag der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP stimmte auch die CDU zu, während sich die AfD ent­hielt und die Linke dagegen votierte. Süd­korea sei als sta­bile Demokratie und erfolg­reiche Wirtschaftsnation einer der wichtig­sten Partner Deutschlands in Asien und spiele bei der Umsetzung der Indo-Pazifik-Leitlinien sowie der Indo-Pazi­fik-Strategie der Europäischen Union eine hervorgehobene Rolle. Daher for­dert der Bundestag die Bundesregierung unter ande­rem auf, »den 140. Jahrestag der Auf­nahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Korea zum An­lass zu neh­men, die Beziehungen der Bundes­republik Deutschland zur Republik Korea weiter zu stärken, (…) bei der Siche­rung resilienter Liefer­ketten und wirtschaftlicher Resilienz zusam­menzuarbeiten (…) [und] den Aus­tausch zu geopolitischen und geoökonomischen Ent­wicklungen im Indo-Pazifik zu fördern«.

In einer Zeit, in der sich die globale Ord­nung grundlegend ändert und Deutsch­land und Südkorea sich mit ähnlichen Unsicher­heiten und Herausforderungen konfrontiert sehen, sollte die Bundesregierung, um diese Ziele zu erreichen, der gestiegenen poli­ti­schen Bedeutung Koreas Ausdruck ver­leihen, indem sie die bilateralen Beziehungen zu einer strategischen Partnerschaft aufwertet. Das Auswärtige Amt unterhält bis dato acht solcher Partnerschaften – mit Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Vietnam, Südafrika und den Ver­einigten Arabischen Emiraten. Im Gegensatz zu einigen anderen als strategisch bezeichneten Partnerschaften des Auswärtigen Amts erfüllen die deutsch-koreani­schen Beziehungen in vielen Berei­chen bereits das, was man von einem tat­säch­lichen strategischen Partner erwartet: eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit in für beide Seiten zentralen Berei­chen. Mehr noch: Südkorea teilt nicht nur wirt­schaftliche und poli­tische Interessen mit der Bundesrepublik, sondern ist ein zu­neh­mend bedeutsamer politischer, Werte- und Sicherheitspartner:

  • Als eines der wenigen asiatischen Länder verhängte Südkorea als Reaktion auf den russi­schen Angriffskrieg gegen die Ukra­ine Sanktionen gegen Russland.

  • Als eines der vier indo-pazifischen Part­nerländer (zusammen mit Australien, Japan und Neuseeland) vertieft Südkorea sukzessive die Kooperation mit der Nato und im Rahmen einer strategischen Part­nerschaft auch mit der EU.

  • Südkorea als Exportnation setzt sich wie Deutschland für die regelbasierte internationale Ord­nung und für starke multilaterale Institutionen ein.

  • Im Lichte der Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie, dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen den USA und China sowie Russlands Krieg gegen die Ukraine ist Südkorea wie Deutschland bestrebt, mehr Diversifizierung in der Außen- und Wirtschaftspolitik zu schaffen, einseitige Ab­hängigkeiten zu verringern und nach­haltige Partnerschaften, besonders mit Wertepartnern, zu festigen.

  • Südkorea hat eine Indo-Pazifik-Strategie ver­öffentlicht, die sich in zahlreichen Punkten mit der einschlägigen deutschen Strategie überlappt. Das betrifft sowohl den Umgang mit China als auch das Bestreben, regionale Kooperationsmöglich­keiten auszuweiten und mehr Kooperationspartner zu finden.

Eine strategische Partnerschaft wäre nicht bloß ein Symbol dafür, dass die Bezie­hungen zu Südkorea für Deutschland immer bedeutsamer werden. Sie würde vielmehr auch bewirken, dass die Beratungen über regionale wie globale Angelegenheiten auf allen Ebenen weiter intensiviert und institutionalisiert werden. So trüge sie dazu bei, dass die Beziehungen resilien­ter und robuster gegenüber politischen Dyna­miken werden. Mit einer strategischen Partnerschaft ließe sich perspektivisch auch der Weg zu einer umfassenderen Sicherheitspartnerschaft ebnen. Sie wäre ein Instrument, um gemeinsam etwa Bedrohungen der Cybersicherheit zu bewältigen, mit ausländischer Einmischung umzu­gehen und die Resilienz der Gesellschaften und Volkswirtschaften zu erhöhen. Schließ­lich würde eine strategische Partnerschaft mit einem weiteren Land des Indo-Pazifiks auch Deutschlands Standing als politischer Akteur in der Region weiter verbessern.

Herausforderungen für die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen

Es gibt vielfältige Gründe dafür, dass die beiden Seiten das Potential ihrer Bezie­hun­gen nicht ausschöpfen. Sowohl politische als auch institutionelle Dynamiken spielen dabei eine Rolle.

Zum einen hat Berlin die politische Bedeu­tung Koreas lange übersehen und das Land diplomatisch vernachlässigt. Das hängt damit zusammen, dass Deutschland sich mehr auf seine Beziehungen zu Japan und China konzentrierte.

Zum anderen ist aber an dieser Stelle auch auf die Volatilität der politischen Kul­tur in Südkorea zu verweisen. Sie ergibt sich in erster Linie aus einer traditionellen Spaltung in zwei politische Lager – ein konservatives, ein liberales–, die sich jüngst zunehmend verschärft. Aufgrund dieser Spaltung, in Südkorea als namnamgaldŭng (Süd-Süd-Konflikt) bezeichnet, können Regierungswechsel weitreichende Ver­änderungen in einzel­nen Politikfeldern nach sich ziehen. Gerade in der Außenpolitik lässt sich dies besonders gut beobachten. Traditionell fokussieren liberale Regierungen ihre Außen­politik auf die unmittel­baren Ent­wicklungen auf der koreanischen Halbinsel sowie auf die Hauptakteure der (Nord-)Korea-Frage. Direkt oder indirekt beeinflusst dies auch Ausrichtung und Tiefe der Kooperation mit Europa und mehr noch mit den USA und China. Das macht es für Länder wie Deutschland schwierig, Zusam­menarbeit mit Südkorea längerfristig zu planen. Dessen Verhalten als internationa­ler Partner, erst recht in sensibleren Politik­bereichen, ist mitunter schwer kalkulierbar.

Im Unterschied dazu wird die Außen­politik des G7-Partners Japan von Berlin aus als äußerst konsistent und weitaus berechen­barer wahr­genommen. Dies drückt sich nicht zuletzt in einer stabileren und hoch­rangigeren Besuchsdiplomatie mit Japan aus, wie die ersten Regierungskonsultationen 2023 veranschaulichen. Angesichts dessen sind die gegenwärtigen Fortschritte in den deutsch-koreanischen Beziehungen auch ein Ergeb­nis der stärker global orien­tierten Außenpolitik der amtierenden Yoon-Administra­tion. Deren außen­politi­sches Selbstverständnis, das sich von jenem der Vorgänger­regierung unterscheidet, drückt sich in erster Linie in der Vision von Süd­korea als »glo­balem Schlüsselstaat« (global pivotal state) aus. Die Regierung Yoons unterstreicht damit die Absicht, Südkoreas Außenpolitik, die ausdrücklich auf einer Förderung libe­raler demokratischer Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit basiert, mit dem wachsenden wirtschaftlichen und militärischen Einfluss des Landes in Ein­klang zu bringen. Beson­ders fällt hier ins Gewicht, dass Yoons Strategie darauf hinausläuft, die traditionell auf die Halb­insel konzentrierte Politik Seouls neu zu kalibrieren, nämlich hin zu einer expansiveren, globalen Rolle. Folge­richtig materialisiert sich die Idee eines globalen Schlüsselstaates im sichtbaren Ausbau von Netzwerken und in der Zusam­menarbeit mit gleichgesinnten Nationen, die Südkoreas Identität, Werte und strate­gische Interessen teilen.

Für die deutsch-koreanischen Beziehungen hatte dies zur Folge, dass sich die stra­tegischen Inter­essen zwischen Berlin und Seoul zusehends überlappten. Das galt etwa für den beiderseitigen Wunsch nach Diversifizierung und die damit verbundene größere Konzentration beider Regie­rungen auf die Stärkung von Wertepartnerschaften. Da sich Südkoreas außenpolitischer Fokus nach einem mög­lichen Regierungswechsel durchaus wieder ändern könnte, besteht eine zentrale Her­ausforde­rung nun darin, die gegenwärtigen Errungen­schaften in den bilateralen Bezie­hungen zu versteti­gen.

Fazit

Deutschlands bilaterale Beziehungen zu Süd­korea, lange vornehmlich von wirtschaft­lichen Überlegungen geprägt, weiten sich derzeit in neue, nichttraditionelle Bereiche aus. Geopolitische Transformationen werden die Beziehungen Deutschlands zu Südkorea künftig höchstwahrscheinlich noch weitaus wichtiger machen. Das be­trifft Fragen der wirtschaftlichen Sicherheit und der Stabili­sierung von Lieferketten, der Digitalisierung, aber auch der Zusammenarbeit im Bereich der Cyber- sowie mariti­men Sicher­heit. Andere europäische Länder wie etwa Österreich (2021) und zuletzt das Vereinigte Königreich (2023) haben ihre bilateralen Beziehungen zu Korea vor die­sem Hintergrund bereits zu strategischen Partnerschaften vertieft. Bemerkenswert ist, dass die globale strategische Partnerschaft zwischen dem Vereinigten Königreich und der Repu­blik Korea neben der Kooperation in den Bereichen Verteidigung und Cybersicherheit auch eine vertiefte Zusammenarbeit in der maritimen Sicherheit umfasst, vor allem gemeinsame Seepatrouillen zur Bekämpfung der illegalen Aktivitäten Nordkoreas.

Um das Potential der bilateralen Beziehungen auszuschöpfen und sie nachhaltig auszugestalten, sollten Berlin und Seoul sie intensivieren und zu einer strategischen Partnerschaft ausweiten. Auf diese Weise ließe sich die Kooperation, allen voran in sensibleren Bereichen, auch gegen wechsel­hafte politische Dynamiken wappnen. Außerdem ließe sich so die Rolle Deutschlands als politischer Akteur in der Region auf­werten. Das gegenwärtige »win­dow of opportunity«, welches sich durch eine unmittelbarere Überlappung der strategischen Interessen Deutschlands und Süd­koreas ergibt, sollte daher unbedingt genutzt werden.

Dr. Eric J. Ballbach ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Asien. Diese Publikation wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Korea Foundation.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2023

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