Ukraine
Dem Krieg in der Ukraine gingen massive gesellschaftliche Proteste voraus, die unter dem Namen »Majdan« bzw. »Euromajdan« bekannt wurden. Auslöser dieser Proteste war die Entscheidung des damaligen Präsidenten Janukowytsch, das über Jahre ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Der Majdan kulminierte in der Flucht von Janukowytsch und der Bildung einer Übergangsregierung in Kiew im Februar 2014. Russland reagierte hierauf mit der Annexion der Krim und der Destabilisierung des Donbas.
Präsident Petro Poroschenko und die verschiedenen Regierungen, die die Ukraine seit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai bzw. Oktober 2014 geführt haben, bestanden und bestehen auf der territorialen Integrität der Ukraine – inklusive Krim –, die sie in einem nicht erklärten Krieg mit Russland bzw. den pro-russischen Separatisten zu verteidigen versuchen. Sie bekennen sich zudem, zumindest rhetorisch, zu ernsthaften Reformen in fast allen Bereichen des Gemeinwesens sowie zu einer pro-westlichen Außenpolitik. Diese zielt u.a. auf eine politische und ökonomische Annäherung an die EU und eine künftige NATO-Mitgliedschaft. Gleichzeitig koppeln sie das Land politisch und wirtschaftlich zunehmend von Russland ab.
Trotz beachtlicher Änderungen in etlichen Bereichen bleibt abzuwarten, ob die ukrainische Führung den Reformwillen aufbringt, der nötig ist, um ein zutiefst korruptes System zu überwinden. Vertreterinnen und Vertreter alter Eliten sind weiterhin Teil der Führung und profitieren vom Status quo. Der Krieg in der Ostukraine und die kontinuierlichen Anstrengungen Russlands, den ukrainischen Reformprozess zu vereiteln, stellen weitere fast unüberwindbare Hürden auf dem Weg zu einem Systemwandel dar. Gleichzeitig muss die Ukraine Reformfortschritte vorweisen, um gute Beziehungen zu ihren Partnern innerhalb der EU bzw. zum IWF beizubehalten und die notwendige Unterstützung zu sichern, um einen Staatsbankrott zu vermeiden. Zudem geht ein Reformdruck von wesentlichen Teilen der ukrainischen (Zivil)Gesellschaft aus, die bereit zu weiteren Protesten sind, falls eine grundlegende Erneuerung der Elite mit positiven sozioökonomischen Folgen für die Bevölkerung ausbleibt.