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»Wirtschaften unter Euro-Bedingungen«

Erfahrungen nach knapp drei Jahren

SWP-Studie 2001/S 33, 15.10.2001, 24 Seiten Forschungsgebiete

 

Wie haben sich die Akteure auf den Euro eingestellt, wie werden die Chancen des Euro genutzt und inwieweit entsteht durch den Euro politischer Handlungsbedarf?

»Wirtschaften unter Eurobedingungen« ist das Stichwort, um die bisherigen

Erfahrungen zu untersuchen.

Nach knapp drei Jahren kann die Bewertung nur vorläufig ausfallen. Dies gilt insbesondere für die wirtschafts- und stabilitätspolitische Annäherung der Mitgliedstaaten, die bereits vor der Euro-Einführung begann und neben den Regierungen auch bei den Tarifpartnern zu beobachten ist. Bisher ist es jedoch nicht gelungen, die »assets« Binnenmarkt und einheitliche Währung in eine stärkere Wachstumsdynamik umzuwandeln. Die zur Überwindung der europäischen Wachstumsschwäche notwendige Modernisierung der Wirtschaftssysteme ist sowohl konzeptionell als auch mit Blick auf die innenpolitische Durchsetzbarkeit der schwierigste Teil für die Wirtschafts- und Währungsunion.

 

 

Die im März 2000 vom Europäischen Rat in Lissabon verabschiedete Strategie, die die EU bis zum Jahr 2010 zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt« machen soll, muß im wesentlichen von den Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung in die Tat umgesetzt werden. Ein aufwendiges Verfahren des »benchmarking« und der Ermittlung von »best practices« soll die Reformen unterstützen, läuft aber auch Gefahr, von dem ordnungspolitischen Handlungsbedarf im europäischen Binnen- und Finanzmarkt abzulenken, der durch den Euro noch offensichtlicher geworden ist.

 

Der europäische Finanzmarkt hat durch den Euro einen Integrationsschub erhalten, der selbst Marktkenner überraschte. Seine Innovationsfähigkeit stößt damit bereits an die Grenzen der Möglichkeiten, die durch die nationalen Regulierungssysteme gesteckt werden. Das auf gegenseitige Anerkennung und Koordinierung gegründete EU-System reicht beim gegenwärtigen Integrationsstand vielleicht gerade noch aus, verhindert jedoch, daß der europäische Finanzmarkt sich in ähnlicher Weise vertiefen kann wie der attraktive amerikanische Markt.

 

Gegenüber dem Dollar hat der Euro zwei Handicaps, die sich auch im Euro-Dollar-Kurs widerspiegeln: Mit weit höheren Wachstumsraten als in Europa haben die USA in den vergangenen Jahren eine Leistungsfähigkeit vorgeführt, die den Reformbedarf in den Euroländern geradezu demonstriert. Die Märkte trauen den USA – in guten wie in schlechten Zeiten – die besseren Problemlösungen zu. Sie orientieren sich vornehmlich an Meldungen aus den USA und dürften ihre »Einäugigkeit« erst verlieren, wenn Euroland durch eigene Wachstumsdynamik überzeugen kann.

 

In den internationalen Währungs- und Finanzorganisationen und Koordinierungsgremien ist das Erscheinungsbild der EU durch die Euro-Einführung noch komplizierter geworden. Eine überzeugende Kompetenz, für den Euro zu sprechen, hat nur die Europäische Zentralbank. Gerade im Außenauftreten macht sich bemerkbar, daß die vertiefte Integration in der Währungsunion bisher keine Entsprechung in anderen Politikbereichen hat. An dieser Situation dürfte sich auf absehbare Zeit grundsätzlich wenig ändern. In einem Teilbereich, der globalen Finanzregulierung, könnte sich die EU jedoch wirkungsvoller in Verhandlungen einbringen, wenn sich die Mitgliedstaaten für ein gemeinschaftliches Ordnungskonzept im Finanzbinnenmarkt entscheiden würden.

 

Durch den Euro entsteht ein unmittelbarer integrationspolitischer Handlungsbedarf, die noch bestehenden Barrieren im Binnenmarkt abzubauen und für den europäischen Finanzraum einen gemeinschaftlichen Ordnungsrahmen einzuführen. Die institutionellen Voraussetzungen könnten durch die Regierungskonferenz 2004 geschaffen werden. Bestrebungen, die Kompetenzen der EU auf das derzeitige Niveau zu begrenzen, laufen Gefahr, die Anforderungen des Euro zu wenig zu berücksichtigen. Die Vorteile der einheitlichen Währung liegen gerade für Deutschland in den besseren Nutzungsmöglichkeiten des Binnenmarktpotentials. Deutsche Europapolitik sollte daher dem Abbau der noch bestehenden Barrieren und den ordnungspolitischen Aufgaben im Finanzbinnenmarkt eine hohe Priorität geben.