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Venezuela

States at Risk, 15.12.2003
  • Fallstudie Venezuela

Susanne Gratius

Venezuela

Abstract. Not for citation!

Venezuela hat eine Sonderstellung in Lateinamerika. Der fünftgrößte Erdölexporteur der Welt ist ein Rentenstaat und blickt auf vierzig Jahre demokratische Stabilität (1958-1998) zurück. Bis zum Amtsantritt des Populisten Hugo Chávez basierte das politische System auf einem breiten Elitenpakt und dem Machtwechsel zwischen zwei Parteien. Auslösender Faktor für den inzwischen fortschreitenden Staatszerfalls war die Wirtschaftskrise Anfang der 80er Jahre und der soziale Aufstand 1989. Der so genannte "Caracazo" markierte den Beginn des Aufstiegs des damaligen Oberstleutnants Chávez, der 1998 erstmals die Präsidentschaftswahlen gewann.

Heute ist Venezuela ein schwacher Staat und das Land zerfällt in zwei politische Lager. Die staatlichen Institutionen sind paralysiert und politisiert, die Wirtschaftskrise eklatant, Armut und Einkommenskonzentration steigen. Die extreme Polarisierung und die Verlagerung der Politik von den Institutionen auf die Straße erhöht die Gewalt im Land. Die Schwächung des Staates ist im Bereich der Sicherheit, der Wohlfahrt sowie Rechtsstaatlichkeit und demokratische Legitimität sichtbar. Kriminalität, politische Gewalt und die für Drogenmafia und Guerillagruppen durchlässige Grenze zu Kolumbien unterwandern die Sicherheit. Die prekäre Wirtschaftslage infolge rückläufiger Einnahmen aus dem Erdölsektor und die fortschreitende Armut im Land haben zu einem sozialen Notstand geführt. Die größten Defizite weist der Staat jedoch auf dem Gebiet Rechtsstaatlichkeit und Legitimation auf.

Hugo Chávez "Bolivarianischen Revolution" stützt sich auf das Militär, das in der Regierung vertreten ist und für den nationalen Entwicklungsplan verantwortlich zeichnet. Chávez betreibt einen umfassenden Staatsumbau: das Land wurde in Bolivarianische Republik umbenannt, eine neue Verfassung verabschiedet, das Mandat des Präsidenten auf sechs Jahre verlängert, eine Nationalversammlung gegründet, Chávez-Anhänger haben sich in militanten "bolivarianischen Zirkeln" organisiert und hochrangige Militärs sind in der Regierung vertreten. Das Ergebnis ist eine Frontstellung der "Plebiszitären Demokratie" von Hugo Chávez gegen die "repräsentative Demokratie" der "alten Oligarchie". Der Konflikt wird von Regierungsseite gefördert, denn Chávez zufolge ist "Politik die Fortsetzung des Krieges mit anderen Instrumenten". Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht ein von der Opposition gefordertes Abberufungsreferendum des Präsidenten, das 2004 stattfinden könnte.

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