Direkt zum Seiteninhalt springen

Menschenrechte und Souveränität: Zur normativen Problematik "humanitärer Intervention"

SWP-Studie 2001/S 40, 15.12.2001, 25 Seiten Forschungsgebiete

Gegenwärtig dominiert zwar der "Krieg" gegen den Terrorismus die Diskussion über den Einsatz militärischer Mittel; doch die geradezu klassische Problematik "humanitärer Intervention" sollte darüber nicht ganz in Vergessenheit geraten. Sicher werden humanitär begründete Militärinterventionen wie im Kosovo ein seltener, extremer Fall bleiben. Aber die Notwendigkeit, über ihre Problematik weiter nachzudenken, besteht fort. Denn mit dem Aufbau eigenständiger militärischer Fähigkeiten stellt sich auch für die EU perspektivisch die Frage nach den Bedingungen, unter denen sie zu einer "humanitären Intervention" bereit ist. In Europa ist vor allem die britische Regierung an der Entwicklung von Prinzipien für humanitäre Intervention interessiert; sie hat dazu dem VN-Generalsekretär einen Katalog von Leitlinien unterbreitet. International geht der politiknahe Diskurs vor allem auf Initiative der kanadischen Regierung voran, durch die von ihr eingerichtete International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), die dem VN-Generalsekretär einen Bericht vorlegen soll.

Wann ist es gerechtfertigt, ja geboten, zur Verhinderung massiver Menschenrechtsverletzungen in einem Land gegen den Widerstand der dortigen Regierung militärisch zu intervenieren und die Wahrung der Menschenrechte über die Respektierung staatlicher Souveränität zu stellen? Welche Kriterien sollten bei einer solchen Intervention leitend sein? Welche politischen Konsequenzen sind aus den mit einer "humanitären Intervention" aufgeworfenen Problemen und Dilemmata zu ziehen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der vorliegenden normativen Analyse, die völkerrechtliche, ethische und politische Überlegungen verbindet.

In einem ersten Schritt wird der normative Gehalt des Souveränitätsprinzips und der darin enthaltenen Norm der Nichteinmischung rekonstruiert. Im zweiten Schritt werden die Konsequenzen des durch Menschenrechtsnormen veränderten Souveränitätsverständnisses im Hinblick auf das Interventionsverbot analysiert. Im dritten Schritt folgt eine an die Bellum-iustum-Tradition anknüpfende Diskussion normativer Kriterien für menschenrechtlich begründete Interventionsentscheidungen. Im vierten Schritt schließlich geht es um das in der Diskussion "humanitärer Intervention" nur allzuoft ausgeblendete Wie einer Intervention, um die leitende Militärdoktrin und ihre moralische Problematik. Die Arbeit endet mit einer kritischen Einschätzung der Bestrebungen, eine Doktrin humanitärer Intervention im Sinne eines Interventionsrechts zu entwickeln.