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Bruchlinien der Revolution

Akteure, Lager und Konflikte im neuen Libyen

SWP-Studie 2013/S 05, 14.03.2013, 37 Seiten Forschungsgebiete

Unter den Staaten des Arabischen Frühlings hat Libyen die bisher wohl tiefsten Umwälzungen erfahren. Eine solche Vielzahl von Akteuren ist auf den Plan getreten, dass die politische Arena des Landes kaum zu überblicken ist. Dass sich externe Beobachterinnen und Beobachter schwer damit tun, die einzelnen Personen und Gruppierungen zu identifizieren und einzuordnen, liegt nicht nur an unklaren Machtverhältnissen und institutionellem Chaos. Es mangelt auch an Untersuchungen zu den Kräften, die sich im Zuge der Revolution formiert haben. Die Studie soll hier Abhilfe schaffen. Sie bietet eine Analyse der Akteurinnen und Akteure, die heute das Geschehen in Libyen bestimmen – ihrer Interessen und Allianzen sowie der Konfliktlinien, die zwischen ihnen entstehen.

Das neue Libyen ist tief gespalten. Innerhalb einer zersplitterten, von lokalen Akteurinnen und Akteuren dominierten politischen Landschaft bilden sich zwei gegnerische Lager. Vertreterinnen und Vertreter jener Seite, die sich selbst als revolutionär bezeichnet, zielen auf einen umfassenden Elitenwechsel zu ihren Gunsten. Ihnen gegenüber steht ein heterogenes Lager aus etablierten, konservativen und moderaten Kräften, die um ihren Einfluss fürchten müssen und einen Schlussstrich unter die Umsturzphase ziehen wollen. Die Kluft zwischen beiden Seiten spaltet nicht nur den Nationalkongress. Sie verläuft auch zwischen Städten, Stämmen und verschiedenen Einheiten des Sicherheitssektors. Diese Bruchlinie wird aller Voraussicht nach den anstehenden Verfassungsprozess dominieren. Weitaus weniger Konfliktpotential birgt dagegen die Frage nach der Rolle des Islam. Eine Folge des Bürgerkriegs sind der Aufstieg lokaler Interessengruppen und die relative Schwäche der Zentralregierung – dies dürfte über Jahre hinweg ein prägendes Kennzeichen libyscher Politik bleiben.