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Konferenzbericht: Mehr Demokratie und Rechenschaftspflicht in der Europäischen Union: Aufgaben für den Europäischen Konvent?

Conveu 30, 15.03.2003

Der Konvent über die Zukunft der Europäischen Union ist seit März 2002 auf der Suche nach Instrumenten und Institutionen, um die demokratische Legitimation und die Transparenz der auf 25 Staaten anwachsenden Europäischen Union zu stärken. Dreh- und Angelpunkt der Konventsdebatte ist die Auseinandersetzung über Ziele, Methoden und Instrumente zur weiteren Demokratisierung der EU. Im Kern geht es hierbei um die Stärkung der Mitwirkungsfunktionen der Parlamente im europäischen Entscheidungssystem. Ob dies durch die weitere Aufwertung des Europäischen Parlamentes als Gesetzgebungs-, Kontroll- und Ernennungsorgan der Europäischen Union, durch die Anhebung der Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente gegenüber ihren Regierungen, durch die Schaffung eines zusätzlichen Gremiums der nationalen Parlamente, durch die pragmatische Weiterentwicklung bestehender Kooperationsstrukturen zwischen den Parlamenten, oder durch die Ermöglichung direktdemokratischer Bürgerbeteiligungsrechte geschehen kann, ist offen und wird im Konvent über die Zukunft der Europäischen Union intensiv diskutiert.

Diese Fragen wurden von Akademikern und Politikern am 7. und 8. März 2003 in Berlin anläßlich einer von der Stiftung Wissenschaft und Politik organisierten internationalen Tagung erörtert. Diese stellte den Auftakt einer Konferenzreihe im Rahmen des von fünf europäischen Forschungsinstituten veranstalteten und von der Europäischen Kommission geförderten Programms *link_data|a:4:{s:10:"modules_id";i:31;s:11:"module_name";s:13:"Projektseiten";s:7:"link_id";i:43;s:8:"linktext";s:21:"CONVEU-30 (CONVEU-30)";}*>CONVEU – 30 */link*>dar. Sie fand in Kooperation mit dem „Arbeitskreis Europäische Integration" statt.

Demokratisierungsstrategien

Nach einer Einführung in das *link_data|a:4:{s:10:"modules_id";i:31;s:11:"module_name";s:13:"Projektseiten";s:7:"link_id";i:43;s:8:"linktext";s:21:"CONVEU-30 (CONVEU-30)";}*>CONVEU – 30 */link*>Projekt stellte *document_data|a:3:{s:15:"asset_fieldname";s:0:"";s:13:"img_module_id";s:1:"3";s:10:"asset_data";a:3:{s:2:"id";s:3:"689";s:12:"thumbnail_id";i:585;s:7:"caption";s:22:"32 pages (PDF, 129 KB)";}}*>Andreas Maurer */document*>die Frage, inwiefern es in einer auf 25 und mehr Staaten anwachsenden Europäischen Union möglich ist, ein gemeinsames Verständnis von Demokratie zu entwickeln. In diesem Zusammenhang, erläuterte Maurer dürfte Konsens darüber zu erzielen sein, daß der Kern des Demokratieproblems in einer Negativbilanz der letzten vier Vertragsreformen bestünde. Dabei seien durch die schrittweise Vertiefung der europäischen Integration immer mehr Legislativbefugnisse der nationalen Parlamente auf die europäische Ebene verlagert, ohne diese zeitgleich, vollständig und unmittelbar dem Europäischen Parlament zuzuschreiben. Vielmehr seien sie in der Regel zuerst in die Regelungsgewalt des Rates übergegangen. Die daraus resultierende, im Vergleich zum Rat schwächere Stellung des Europäischen Parlamentes und der sich aufgrund des sukzessiven Kompetenztransfers verringernde Einfluss der nationalen Parlamente im Hinblick auf die Gestaltungsspielräume in der Europapolitik riefen laut Maurer ein doppeltes Defizit an parlamentarischer Mitwirkung und Kontrolle hervor: a) Kompetenztransfer von den nationalen Parlamenten - vor allem im Bereich der Gesetzgebung - die vom Europäischen Parlament nicht unmittelbar aufgefangen würden. b) Verlust an Gesetzgebungskompetenzen auf der nationalen Ebene würde nicht unmittelbar durch mehr parlamentarische Kontrolle gegenüber den Regierungen kompensiert.

Insbesondere in Deutschland, Italien und den BENELUX – Staaten befürworteten Vertreter aus Regierungen und Parlamenten, daß diese Demokratieprobleme schrittweise über die Stärkung des Europäischen Parlamentes behoben werden könnte. Für die nationalen Parlamente folge aus dieser Lesart des Demokratiedefizits, daß ihre europapolitischen Mitwirkungsregeln vordringlich auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu modifizieren seien. Außerdem wäre bei der effektiven Nutzung der der Europäischen Gemeinschaft / Europäischen Union übertragenen Kompetenzen davon auszugehen, daß nationale Parlamente verstärkt im Bereich der Umsetzung des EG-Rechts und hinsichtlich der diskursiven Vermittlung europäischer Politik in die nationalstaatlichen Foren der Bürgergesellschaft tätig würden.

Eine andere Sichtweise vertreten dagegen die politischen Akteure Frankreichs und Großbritanniens. In beiden Staaten würde davon ausgegangen, daß nur im Nationalstaat all jene historisch gewachsenen Strukturen vorhanden sind, die eine Demokratie als legitime Herrschaftsform ermöglichen, weil nur hier ein Staatsvolk existiert, das sich in einer kollektiv belastbaren Identität verbunden fühlt. Aus dieser Sicht müsse demokratisches Regieren auch im Kontext der europäischen Integration national verhaftet bleiben. Um die Legitimationsketten zwischen den im Ministerrat und dem Europäischen Rat entscheidenden nationalen Repräsentanten und ihren nationalen Parlamenten nicht abreißen zu lassen, sei also die Mitwirkung der mitgliedstaatlichen Parlamente am europäischen Willensbildungs - und Entscheidungsprozeß zu stärken. Anschließend untersuchte Maurer die „idealen Konzepte" von Abraham Lincolns Definition „Demokratie ist die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk" am Institutionengefüge der Europäischen Union. Dabei stellte er fest, daß die Gemeinschaftsmethode in der Praxis nicht allzu viel mit einer Regierung durch das Volk zu tun habe. Allerdings habe sie sich als erfolgreiches Instrument des internationalen Regierens „mit den Völkern" und ihren Vertretern erwiesen. Institutionell basiere die Methode wesentlich auf dem Handlungsdreieck des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Bei den Vorschlägen zur Demokratisierung des Systems der Europäischen Union, die im Rahmen des Europäischen Konvents unterbreitet wurden, beobachtete Maurer jedoch eine klare Konzentration auf die Rolle der nationalen Parlamente. Der Grund hierfür seien die von der Präsidentschaft des Konventes gemachten Vorgaben. Bei der näheren Untersuchung dieser Vorschläge identifizierte Maurer *document_data|a:3:{s:15:"asset_fieldname";s:0:"";s:13:"img_module_id";s:1:"3";s:10:"asset_data";a:3:{s:2:"id";s:3:"690";s:12:"thumbnail_id";i:586;s:7:"caption";s:21:"10 pages (PDF, 62 KB)";}}*>fünf verschiedene Ansätze zur Demokratisierung der Europäischen Union*/document*>. Dabei handelte es sich um a) Demokratisierung durch eine Reform des Verfahrens der Beschlußfassung von Parlament und Rat. Hierbei sollten die Anwendungsbereiche des Mitentscheidungsverfahrens auf alle Felder der Gesetzgebung ausgeweitet werden. b) Demokratisierung durch eine verstärkte Rechenschaftspflicht der Exekutivorgane gegenüber dem Europäischen Parlament. c) Demokratisierung durch die Integration der zweiten und dritten Säule in die Gemeinschaftsverfahren oder zumindest rechtlich bindende Verfahren und mehr Teilnahme sowie Kontrollrechte für das Europäische Parlament in den Bereichen dieser Säulen. d) Demokratisierung durch eine Neugestaltung der Rolle der nationalen Parlamente auf europäischer Ebene und schließlich e) Demokratisierung durch eine Modifizierung der strukturellen Voraussetzungen der Europäischen Union; denkbar seien hier beispielsweise neue direkte Informations- und Beratungsrechte für die Bürger.