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Der Irak zwischen Föderalismus und Staatszerfall

Interessen und Handlungsoptionen irakischer und regionaler Akteure

SWP-Studie 2007/S 18, 15.07.2007, 30 Seiten Forschungsgebiete

Die einzig realistische Strategie, den Zerfall des irakischen Staates aufzuhalten, liegt in einer weitgehenden Dezentralisierung staatlicher Funktionen. Diese wird im Irak seit 2003 unter dem Föderalismusbegriff diskutiert. Auch in Zukunft wird die politische Auseinandersetzung darüber geführt werden, wie die Föderalismusartikel der Verfassung von 2005 konkret ausgestaltet werden.

 

Zwei Themen dominieren die Kontroverse über das Föderalismusthema:

  • Die beiden führenden Kurdenparteien Patriotische Union Kurdistans (PUK) und Demokratische Partei Kurdistans (KDP) fordern den Anschluss der Stadt und Provinz Kirkuk an die bestehende autonome Kurdenregion.
  • Der schiitische Irakische Islamische Hohe Rat beabsichtigt, eine von ihm kontrollierte Region im schiitischen Süden und Zentrum des Landes zu gründen.

Die kurdischen und schiitischen "Föderalisten" versuchen in erster Linie, dadurch ihre Machtbasis in Kurdistan bzw. im schiitischen Süden des Landes zu sichern. Ihnen geht es weniger um ein funktionsfähiges föderales System als um machtpolitisch motivierte Autonomie. Deshalb treffen beide Projekte auf heftigen Widerstand zentralistischer Parteien und Gruppierungen und auf die Vorbehalte der Nachbarstaaten Türkei, Iran, Syrien und Saudi-Arabien. So droht der im Zentral-Irak tobende Konflikt sich in den Norden und Süden des Landes auszuweiten. Auch eine regionale Eskalation ist nicht ausgeschlossen.

 

Ungeachtet ihrer eng begrenzten Einwirkungsmöglichkeiten ist es die wichtigste Aufgabe deutscher und europäischer Politik, Ansätze zu einer friedlichen föderalen Lösung zu unterstützen. Die beiden Kurdenparteien müssen dazu bewogen werden, eine Einigung mit ihren innenpolitischen Gegnern, den "Zentralisten", anzustreben. Die Nachbarstaaten, vor allem die Türkei, müssen davon abgehalten werden, im Irak zu intervenieren.