Direkt zum Seiteninhalt springen

EU-kompatibel oder nicht?

Zur Debatte um die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union

SWP-Studie 2003/S 34, 15.08.2003, 34 Seiten Forschungsgebiete

 

In Deutschland wird eine bisweilen recht intensive öffentliche Debatte geführt, ob die Türkei Mitglied der Europäischen Union werden soll. Dabei ist diese Frage seit vierzig Jahren politisch vorentschieden und spätestens seitdem der Europäische Rat im Dezember 1999 in Helsinki der Türkei den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt hat, kaum noch zu revidieren. Dennoch wird die Debatte nicht verstummen, denn der Europäische Rat will Ende 2004 darüber entscheiden, ob im Frühjahr 2005 Beitrittsverhandlungen mit Ankara beginnen können.

 

Die Gegner eines EU-Beitritts der Türkei können versuchen, bis dahin den latenten Widerstand in der Öffentlichkeit so weit zu entfachen, daß die Regierung sich mit Rücksicht auf ihre Wählerschaft veranlaßt sieht, der Eröffnung der Verhandlungen nicht zuzustimmen. Angesichts der wohl noch zunehmenden Auseinandersetzung über die türkische Mitgliedschaft werden die Regierung und die sie tragenden Parteien kaum umhinkönnen, ihre Entscheidung gegenüber der Bevölkerung offensiver als bisher zu vertreten.

 

In der vorliegenden Studie werden vor dem Hintergrund vorliegender Forschungsergebnisse Stichhaltigkeit und Tragweite der in der Debatte am häufigsten verwendeten Argumente näher untersucht. Ziel der Analyse ist nicht, eine Entscheidung für oder gegen den Beitritt zu begründen, sondern die bisher oft schlagwortartig zugespitzte Debatte zu vertiefen, in der Hoffnung, daß sie an Rationalität und Durchschaubarkeit für die Öffentlichkeit gewinnt.

 

Die Entscheidung über den türkischen EU-Beitritt hängt weitgehend von politischen Präferenzen ab. Wer die EU unter Rückgriff auf eine spezifisch europäisch konstruierte Identität gegen nicht-christliche Kulturräume abgrenzen will, wird den Beitritt ablehnen. Auch wer das Ziel der europäischen Integration in der Vordergrund stellt, wird zurückhaltend sein. Wer hingegen die außenpolitische Verläßlichkeit der EU sichern will, dürfte zumindest der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zustimmen. Auch wer die EU-Erweiterung vorwiegend als Instrument zur Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität ansieht, kann der türkischen Mitgliedschaft positive Seiten abgewinnen. Wie immer die Entscheidung ausfällt: weder bedeutet ein türkischer Beitritt das Ende der EU, noch dürfte die Verweigerung der EU-Mitgliedschaft die Türkei in den Islamismus treiben.