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Die Militärische Einsatzführung im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)

SWP-Studie 2001/S 39, 15.11.2001, 48 Seiten Forschungsgebiete

Die Schaffung der Voraussetzungen für die militärische Einsatzführung stellt eine zentrale Herausforderung für die angestrebten militärischen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten der EU dar. Der Europäische Rat hat hierzu entschieden, auf nationale oder multinationale Hauptquartiere und Stäbe der EU- Nationen oder auf entsprechende Kapazitäten der NATO zurückzugreifen.

Die Studie untersucht den Bedarf an Führungsstrukturen auf der militärstrategischen, operativen und taktischen Ebene, den Stand der in Betracht kommenden Führungskapazitäten nach ihrer Verfügbarkeit, Eignung und Multinationalität, die Vor- und Nachteile einer "eigenen" permanenten EU-Kommandostruktur und die Frage des nationalen Einflusses in alternativen Führungsmodellen.

Die Analyse zeigt, daß bei Rückgriff auf nationale und multinationale Kapazitäten das Erreichen der angestrebten autonomen strategischen Grundfähigkeit der EU für die militärische Einsatzführung unter herausfordernden Bedingungen bis zum Zieldatum 2003 derzeit nicht zu erwarten ist. Ohne ein kohärentes Konzept und klare Prioritäten ist angesichts begrenzter personeller, materieller, infrastruktureller und finanzieller Ressourcen absehbar, daß der operative Mindestbedarf der EU für autonome Einsätze nicht oder nicht zeitgerecht gedeckt wird.

Das Potential der NATO zur Unterstützung der militärischen Führungsfähigkeit der EU ist dem der EU-Nationen überlegen. Bei Rückgriff auf die NATO-Kommandostruktur und ihre kollektiven Mittel steigt die Fähigkeit der EU zur Führung von Operationen erheblich,vor allem im oberen Spektrum der Petersberg-Aufgaben.

Eine zeitkritische Verlegung von Führungsstrukturen der operativen und taktischen Ebene über große Entfernungen würde aber auch die NATO vor erhebliche Probleme stellen, solange die geplante Schaffung von verlegbaren landgestützen Fähigkeiten zur Führung teilstreitkraftübergreifender Operationen im Sinne des Combined Joint Task Force (CJTF)-Konzepts und die Verbesserung der multinationalen Streitkräftestrukturen nicht verwirklicht sind.

Die NATO-Mitgliedstaaten müssen ihr Gipfelangebot von Washington von 1999 konkretisieren, damit eine umfassende Vereinbarung mit der EU über die militärische Zusammenarbeit zustande kommt, die auch die künftigen Unterstützungsmöglichkeiten der Allianz für EU- Einsätze identifiziert.

Die Analyse ergibt, daß eine eigene Kommandostruktur der EU dem derzeitigen Einigungspotential ihrer Mitgliedstaaten im Rahmen der ESVP und der Aufgabenabgrenzung zwischen NATO und EU nicht entspräche.Sie würde auch die ohnehin begrenzte Leistungsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten überfordern, zur Verzettelung der Kräfte und Mittel beitragen und die Herstellung der militärischen Führungsfähigkeit der Union nicht beschleunigen. Es liegt deshalb im Interesse der EU, ihre Anstrengungen auch in der Schlüsselfrage ihrer militärischen Führungsfähigkeit auf die Realisierung der vereinbarten Helsinki-Planziele und die Zusammenarbeit mit der NATO zu konzentrieren, ihre operativen Einsatzmöglichkeiten schrittweise weiterzuentwickeln und die dafür erforderlichen Mittel tatsächlich aufzubringen.