Der neue Regionalismus in der Handels- und Finanzpolitik
SWP-Studie 2003/S 04, 15.02.2003, 29 Seiten Forschungsgebiete
Seit Anfang der 1990er Jahre wird über das Verhältnis von
Globalisierung und Regionalisierung diskutiert. Damals wurden große
Freihandelszonen ins Leben gerufen, beispielsweise die nordamerikanische
NAFTA. Zwei entgegengesetzte Interpretationen dieser zweiten Welle des
Regionalismus waren zu verzeichnen: Einige Beobachter sahen die regionalen
Projekte als Baustein einer globalen Wirtschaftsordnung; andere interpretierten
den Regionalismus als Unterminierung der Welthandelsorganisation WTO
und sahen in ihm den größten Stolperstein für die Entwicklung
einer von Freihandel geprägten Welthandelsordnung.
In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts hat sich die Erscheinungsform
des Regionalismus abermals gewandelt. In dieser dritten Welle des Regionalismus
spielen große Freihandelszonen keine bedeutende Rolle mehr. Die
dritte Welle hat zwei Facetten: Zum einen werden bilaterale handelspolitische
Projekte in rascher Folge ins Leben gerufen, zum anderen zeichnet sich
ein Trend zu monetärem Regionalismus ab.
Viele kleinere Akteure sehen die Stabilität der internationalen
Handelsordnung gefährdet. Der wichtigste Anlaß für diese
Skepsis ist die zunehmende Konkurrenz zwischen der EU und den USA, die
in einen immer schärfer geführten Handelskrieg verstrickt
sind. Zugleich sind es gerade die EU und die USA, die immer neue Handelsprojekte
mit kleineren Ländern schaffen. Allein im November 2002 hat der
amerikanische Handelsbeauftragte Bob Zoellick zehn neue bilaterale Freihandelszonen
vorgeschlagen. Folge der Schaffung bilateraler Freihandelszonen ist,
daß damit Macht und Hierarchie in die Handelsbeziehungen zurückkehren:
Streitschlichtung findet innerhalb der Freihandelszonen, nicht in der
WTO statt. Die an die Einhaltung von Regeln gebundene internationale
Handelsordnung wird damit außer Kraft gesetzt.
Etwas anders gelagert sind die Verhältnisse in Hinblick auf die
Schaffung eines stabilen internationalen Finanzsystems. Auf globaler
Ebene fehlen diejenigen Institutionen, die im nationalen Raum selbstverständlich
vorhanden sind. Es gibt keinen globalen Gläubiger der letzten Instanz,
kein internationales Insolvenzverfahren und keine Institution, die die
Stabilisierung von Wechselkursen als ihre Aufgabe betrachtet.
In einigen Regionen der Welt wird deshalb über monetären
Regionalismus nachgedacht. Wie können sich Ländergruppen vor
Finanzkrisen schützen und im Krisenfall gegenseitig unterstützen?
Welche Möglichkeiten zur Stabilisierung von Wechselkursen gibt
es im regionalen Verbund? Welche Bedingungen müssen erfüllt
sein, um einen solchen Prozeß erfolgreich zu implementieren? Monetärer
Regionalismus hat aber ebenfalls eine Schattenseite: Diese regionalen
Projekte schwächen die Versuche zur Schaffung einer multilateralen
Finanzordnung.
Um der Gefahr der weiteren Erosion des Multilateralismus zu begegnen,
sind sowohl handelspolitische als auch finanzpolitische Maßnahmen
notwendig. Vor allem aber müssen die EU und die USA auf den Pfad
der Kooperation zurückfinden. Nur von Europa und Amerika kann der
Trend zur Regionalisierung aufgehalten werden.